Hafenkino

Di., 10.Nov.15, La Palma, Tag 528, 2.895 sm

Hafenkino ist ein Begriff, der höflich umschreiben soll, wenn eine Crew auf einer Yacht sich auffällig und atypisch verhält.
Es ist politisch nicht korrekt Hafenkino zu bestaunen.
In einschlägigen Foren werden Anhänger von Hafenkino regelmäßig zurecht gewiesen, dass sie lieber helfen statt gaffen sollen.

Die ganzen Menschen, die uns heute bestaunen, scheinen das nicht zu wissen. ;-)

Zunächst sind wir verhaltensunauffällig als wir unsere Box verlassen, um ins Dock zu fahren.
Wir müssen dort im rechten Winkel und rückwärts rein.
Versuch Nummer eins misslingt. Der zweite auch.

Der Seitenwind drückt sofort den Bug zur Seite, selbst das Bugstrahlruder schafft es nicht dagegen zu halten.  Rückwärts fahren kann Atanga außerdem nicht, also gerade rückwärts, meine ich.

Die zwei Jungs vom Travel-Lift, Omro und José sehen das locker: tranquilo, safety first…
Nach dem dritten Fehlversuch schlagen sie vor, wir sollen einfach vorwärts rein kommen.
:-) Warum nicht gleich?

Die, beim zweiten Rückwärts-Versuch, aufgetauchten Menschen stehen auf den Stegen und beobachten: das geht!
Die Meute zieht ab, es gibt nichts mehr zu sehen.

Wir fahren in das Dock über zwei unter Wasser hängende Gurte, die uns anheben sollen.
Beim Anheben der Gurte fällt José auf, dass wir mit unserem Vorstag bereits an das Gestell vom Lift stoßen.
Vorwärts geht also doch nicht!
Da der Wind noch etwas zugenommen hat, verwerfen wir die Idee ohne Hilfe rückwärts ins Dock zu fahren.

Omro ruft in der Capitanerie an und ordert Schubs-Hilfe durch ein Beiboot.
Der Fahrer des Schubs-Bootes, Name unbekannt, spricht kein Englisch und hat Mercedes zum dolmetschen dabei.

Wir fahren also wieder aus dem Dock, wenden und beginnen erneut eine Rückwärtsfahrt.
Ich sehe im Augenwinkel wieder die ersten Kinogänger. Sie können die Sensation förmlich wittern, wie mir scheint.

Leider weiß Schubsi neben Englisch auch wenig über Physik.
Er kommt viel zu spät auf uns zu gefahren. Statt vorne dem Bug ein wenig Führung zu geben, hält er in der Mitte drauf.

Das geht einmal, zweimal, dreimal schief. Mercedes dolmetscht was das Zeug hält. Aber Schubsi ist lern-resistent.
Jedes Mal kommt er zu spät und zu zögerlich auf uns zu gefahren.

Versuch vier, fünf, sechs…

Mittlerweile sind die ersten Kinobesucher schon um die ganze Marina herum gelaufen und stehen staunend neben dem Travel-Lift.
Ich sehe Frauen unsichtbare Ruder drehen, Herren fuchteln mit den Armen und brüllen Anweisungen an Achim.
Oder wahlweise an mich: Achterleine zu mir…nein, die Vorleine…Fender, Fender…“

Achim ist cool. Total cool und überhört alles. Noch immer geduldig, versucht er Mercedes zu bewegen bei Schubsi die richtigen Worte zu finden…

Ich zähle nicht mehr mit… bei Versuch sieben oder acht lochen wir endlich ein.

Jetzt beginnt des Dramas zweiter Akt. Der hintere Gurt liegt nicht an der hierfür am Rumpf angebrachten Markierung an.
Außerdem können wir in der Brühe vom Hafenwasser nicht 100%ig erkennen, ob sich der Gurt wirklich zwischen Rumpf und Welle befindet oder darüber.

Sollte er über der Welle liegen, hätten wir beim Anheben von Atanga die längste Zeit eine gehabt. Da wir nicht bereits bei unserer ersten Travel-Lift Aktion unsere Welle nebst Propeller verlieren wollen, gibt es nur eine Lösung: Einer muss tauchen. :mrgreen:

 

Der Skipper macht das. Natürlich macht er das.
Er liebt sein Schiff so sehr, dass er gar nicht lange zögert. Nur noch schnell den Neopren übergeworfen und los geht’s.

10 Minuten später sitzt alles am richtigen Platz, es geht los, José hebt uns sanft aus dem Wasser.
Die Jungs agieren brav mit Helm und festem Schuhwerk im Gefahrenbereich ihres Lifts.
Dolmetscher, Taucher, Schubser, vermeintliche Schlaumeier und andere Gaffer und ich mit der Kamera laufen barfuß oder mit Sandalen dazwischen rum.

Dann ziehen aber alle ihres Weges, einige verpassen es nicht, noch ein paar aufmunternde Worte zu hinterlassen.
Gönnerhaft und froh, dass mal wieder Hafenkino war. :-)

2 Gedanken zu „Hafenkino

  1. Jörg

    Hallo,
    um es vorweg zu nehmen: Ich liebe Hafenkino. Ich inszeniere es selbst ein oder zweimal pro Urlaub. Und habe auch kein schlechtes Gewissen einmal politisch völlig unkorrekt zuzusehen.
    Wir wünsche Euch alles Gute für Eure weitere Reise. Wir werden Euch folgen – mindestens auf Eurem BLOG.

    LG
    Barbara und Jörg

    Antworten
  2. Sabine

    Hallo Barbara und Jörg,
    wir waren ja fast Nachbarn mit unseren Liegeplätzen.
    Und vielleicht haben wir sogar mal zeitgleich in einem der netten Dänischen Häfen gelegen.

    Es freut uns, wenn ihr uns folgt und vielleicht gibt es ja auch nich mal Hafenkino…wer hat das nicht gerne? Am liebsten, wenn’s die anderen sind.
    lg
    Sabine

    Antworten

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