Eigentlich haben wir doch Schwein gehabt

Do. 10.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 894, 8.300 sm von HH

Nach ‚gemein‘ kommt: „eigentlich haben wir Schwein gehabt“.
Hat es  an unseren Land-Stand-Tagen nur morgens geregnet, so schüttet es an unserem Krantag ab Mittag ununterbrochen. An Pinseln oder Polieren wäre gar nicht zu denken gewesen. Kranen geht aber auch bei Regen und wir sind ja fertig. :-)

Somit schwimmen wir ab Nachmittag wieder. Wir gönnen uns für 24,00 EUR einen Steg-Tag, um unbegrenzt Zugriff auf Frisch-Wasser zu haben (haha, von oben kommt genug).
Das nutzen wir, um mal wieder unser Deck zu schrubben. Auf allen Vieren kriechend, mit der Handbürste. Obwohl wir das nicht so häufig machen, stellen wir fest, dass unser Teak sich nicht vermehrt. An einigen Stellen ist das Holz schon ganz schön rau, die weichen Fasern weggewaschen.
Entsprechend kann sich Schmutz und Algen-Grün in den tieferen Rillen sammeln und bilden. Unser Teak-Deck-Refit und somit der letzte Schliff des Holzes ist mittlerweile fünf Jahre her und leider, leider merkt man das.
Aber noch ist alles gut und mit Bürste in den Griff zu bekommen.

Die Grenada Marine wirklich liegt in der letzten Bucht auf Grenada und außer dem 80 Mann starken Werftbetrieb gibt es hier nichts.
Kein Laden, kein Bar, keine Kneipe.
Das Restaurant, was zur Werft gehört wird gerade renoviert, deshalb gibt es nur den kleinen Chicken-and Chips-Imbiss.

Wir müssen hier allerdings noch bis nächste Woche ausharren.
Wir warten auf den Rigger. Der hat schon Maß genommen und uns versprochen, dass wir nächste Woche neue Wanten bekommen.

Jetzt kann ich es ja erzählen: Achim hat bereits in Guyana, nach der Hälfte der Nereid’s Rally ein kaputtes Want entdeckt. Wanten sind die Stahlseile am Mast, die rechts und links am Deck befestigt, den Mast daran hindern umzufallen. Wanten bestehen aus einem Bündel Stahldrähten, die aufgedreht zur Kordel, ein stabiles Stahlseil bilden.

Unsere Wanten bestehen aus 19 einzelnen Stahldrähten. Bei einem Routine-Check auf dem Essequibo stellt Achim fest, dass zwei der Drähte gebrochen sind. Der Bruch befindet sich allerdings außerhalb der Pressung, so dass das Bündel noch zusammen gehalten wird.

Mitten in Guyana ist guter Rat sehr teuer und eine Lösung unmöglich. Es gibt in Guyana keinen Ersatz für unser kaputtes Want.

Uns bleibt, in die Karibik zurück zu fahren oder für das geschwächte Want eine Entlastung zu finden, die Rally weiter zu fahren und am Ende, nämlich jetzt einen Rigger zu finden.

Mit Hilfe eines doppelten Blocks, eines neuen Falls (nagelneues Seil, was extremen Zug verträgt und sich nicht reckt) basteln wir uns Backstagen, die wir über die Winschen im Cockpit stramm ziehen. Richtig stramm ziehen.
Und zwar immer dann, wenn sich der Druck im Segel auf der gegenüberliegenden Seite des kaputten Wants befindet.

Da wir ja nun wie die Doofen nach Französisch Guyana kreuzen mussten, hatten wir alle paar Stunden den Druck auf der „falschen“ Seite. Dementsprechend unentspannt war mein Skipper.

Ich bin technisch unterbelichtet und habe darauf vertraut, was alle Männer (aus meiner Sicht auch sehr kompetente darunter) zu Achim Konstruktion meinten: „wird schon gut gehen…was soll passieren…das hält…gute Lösung…sind ja noch 17 Kardeele übrig…so viel Wind ist ja nicht zu erwarten…ich würd’s auch machen… müsst ihr halt aufpassen…“

Über 1.200 Meilen hat die Konstruktion gehalten.
Das hätte wahrscheinlich nicht jede Crew so entschieden. Ob das nun vernünftig oder unvernünftig war, darüber kann man sicherlich trefflich streiten.
Aber wir (ähm, also Achim) haben das Risiko vernünftig abgewogen und uns entschieden, den Weg zu gehen.
Wahrscheinlich hält das Want noch viele Jahre, ohne dass etwas passiert.
Dennoch haben wir uns jetzt entschlossen, nicht nur das kaputte Want, sondern alle (sechs) Wanten austauschen zu lassen. Das eine ist ja schließlich nicht so ganz ohne Grund angefressen gewesen.
Das Alter, wo es angeraten ist, haben sie außerdem, und daher los: Geldbeutel auf. Mit so einem nervösen Skipper möchte ich nicht noch einmal durch die Gegend segeln.

P.S. Unsere Stagen sind alle vor der Reise neu gemacht worden. ;-)

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