16.-20.06.24, Australien/WA/Home Valley, Tag 198-203 Roadtrip, 14.825 km total, Tages km 195+112
Tag 8-9
Der Straßenzustand wird holpriger, je weiter wir nach Osten kommen. Die Bodenwellen schütteln uns kräftig durch. Achim versucht, die richtige Geschwindigkeit zu treffen. Das gelingt nicht immer. Zusätzlich liegt grober Schotter auf der Fahrbahn. Ein Reifen-Killer!
Auch die Flussquerungen werden länger. Und tiefer. Toyota sagt, bis maximal 70 cm sei eine Durchfahrt mit unserem Prado möglich. Dabei gilt es unbedingt eine Welle zu vermeiden, die über die Motorhaube schwappt. Ohne Schnorchel für die Luft-Ansaugung beschert das den sofortigen Tod für den Motor. Auf ‚youtube‘ gibt es aussagekräftige Videos, wie man seinen Motor so umbringen kann. Bei schrägen Durchfahrten macht es sogar einen Unterschied, ob man mit oder gegen die Strömung fährt. Also, schön langsam durch, mit Schaltung im Kriechgang.
Die Kimberley Region ist so groß wie Deutschland und Österreich zusammen. Grade 15.000 Menschen leben hier. Fast zur Hälfte sind es Aborigines. Das Gebiet ist allerdings keine Natur belassene Wildnis, sondern im Grunde eine riesige Rinderweide. Da Kühe Baumschösslinge kaum verbeißen, gaukelt lichter Buschbewuchs etwas anderes vor. Nur die Nationalparks werden mit Zäunen vor den Rindviechern geschützt.
Wir stoppen erneut auf einer dieser Farmen – in Ellenbrae. Längst hat man entdeckt, dass mit Touristen leichter Geld als mit Rindern zu verdienen ist. Das Homestaed (das ist der Wohnort der Farm betreibenden Familie) bietet ein gemütliches Garten-Café und dank ‚Starlink‘, das erste Internet seit einer Woche. Aber nur, wenn man sich in einer Hütte einmietet. Der abseits liegende Campingplatz hat diesen Luxus nicht.
Wir verbringen unsere zwei kältesten Nächte im Zelt. Haarscharf reicht die Decken- und Schlafsack-Auswahl aus. Geschätzte fünf Grad. Noch weniger bitte nicht. Die schnell einfallende Kälte macht unsere Abende etwas unerquicklich. Bereits um 17:30 Uhr ist es dunkel. In Doppel-Fluschi, mit Schal und Socken kochen wir uns ein Abendessen. Ein schneller Abwasch und ab 19:30 Uhr ins kuschelige Zelt. Noch bei einem Plausch draußen sitzen, liegt nicht drin. Wir denken über Glühwein nach. Leider mangelt es an ‚Schuss‘ und Orangen.
Andere Crews sitzen um ihre Fire-Pits herum. Wir haben keinen Platz im Auto für Feuerholz und um den Campingplatz herum ist alles weg gesammelt (in Nationalparks ist dies verboten).
Beim Einpacken am letzten Morgen versucht ein blinder Passagier sich im Beutel vom Klapptisch Zugang ins Auto zu verschaffen. So blind ist der Kumpel nicht. Acht Augen hat er und acht Beine. Körpergröße sicher 4 cm und laaaange Beine. Pfui Spinne. ‚Huntsman Spider“ sind bekannt dafür, dass sie notorisch gerne in Autos klettern. Es gibt schlimme Geschichten über große Exemplare, die plötzlich hinter der Sonnenblende hervor kriechen.
Wir (also Achim) setzten den Huntsman (nicht sehr giftig) an einem Baum aus. Dort lebt er normaler Weise. Die Spinnen wohnen unter der Borke und warten dort auf unvorsichtige Opfer.
Das ermahnt mich, dass wir in der letzten Zeit etwas nachlässig mit der einzigen Schwachstelle unseres Zeltes umgegangen sind. Über die Scharniere des Klapp-Mechanismus kann man Stofflappen ziehen, um eine Lücke nach Innen zu verschließen. Wird hier unordentlich gearbeitet, kann man von innen Licht durch das Loch scheinen sehen. Das Grauen-Loch nenne ich es.
Tag 10-12
Unser letzter Stopp befindet sich ebenfalls auf einer Farm. Die Home Valley Station ist die fünft größte Rinderfarm Australiens.
Wunderschön gelegen direkt neben einer Gebirgskette, die prächtig vor uns liegt.
Am frühen Vormittag dann Aufregung im Camp. Ein Mitarbeiter vom Camp kommt auf uns zu: „Vorsicht Schlange!“ Wir springen auf. Nur fünf Meter von uns entfernt, schlängelt sich eine schwarze, sehr dünne Schlange über die Betonfläche eines Sitzbereiches. Alle laufen zusammen. Eltern gebieten einen hohen Sicherheitsabstand für ihre Kinder. Ungerührt von der Aufmerksamkeit kriecht die Schlange weiter. Aber irgendjemand hat im Camp Bescheid gesagt. Zwei Fänger rücken an und zögern nicht lange. Ein beherzter Griff mit der Zange und schon verschwindet das Reptil in einem Beutel. „Es ist eine Black Whipsnake – eine schwarze Peitschennatter“, erfahren wir. Nur für Kinder richtig gefährlich. Das ausgewachsene Tier wird außerhalb vom Camp wieder in die Freiheit entlassen.
Nach drei Tagen im Home Valley beschließen wir das Erlebnis ‚Gibb River Road‘ zu beenden. Unsere frischen Vorräte sind fast aufgebraucht. Wir sind bei Hülsenfrüchten angekommen: Chili mit Chorizo, Mais und Kidney-Bohnen (Hochzeitstag-Essen – naja). Kartoffeleintopf mit Süßkartoffeln und roten Linsen. Thunfischsalat mit braunen Linsen. Alle Eier sind verbraucht und statt Brot muss es nun Wraps zum Frühstück geben.
„Ein Leben prägendes Abenteuer “, so wird die Tour beschrieben. Und es war in der Tat spannend und abwechslungsreich. Genau das richtige für uns Sonntags-Teufelskerle.
Aber ein wenig scheint die Gibb von den Legenden vergangener Zeiten zu leben. Damals, als nur eine Handvoll verwegener Draufgänger sich getraut haben 700 Kilometer auf Schotterpiste ohne Infrastruktur zu fahren. Damals, als auf der Gibb noch die Rindviecher getrieben wurden. Das ist seit den 50er Jahren vorbei. Heute werden sie auf Lkw verladen und mit drei Anhängern zum Schlachthaus oder in Häfen zum Lebendtransport nach Asien gekarrt.
Heute gibt es organisierte Touren. In 4×4 Bussen werden zahlungskräftige Kunden durch die Kimberley gefahren. In dauerhaft errichteten Zelten werden sie aus Feldküchen beköstigt und ihnen wird jede Verantwortung abgenommen: „Achtung an alle! Wasser, Sonnenhut und Sonnencreme nicht vergessen. Wir laufen jetzt zum Fluss.“
Betreutes Camping. Die Gibb River Road für Jedermann. Bald wird es Hotels und überall Internet geben. Die Strecke wird komplett asphaltiert werden. Australien wird sich eine neue, „echte“ Abenteuerstrecke suchen müssen. Eine Strecke, die sich nur eine Handvoll verwegener Draufgänger trauen.