27.-29.06.24, Australien/WA/Purnululu, Tag 210-212 Roadtrip, 15.669 km total, Tages km 310 + 96 + 315
Nach unserem wilden Ausritt auf der Gibb bleiben wir sechs Tage in Kununurra. Wäsche waschen und das Auto von seiner dicken Staubschicht befreien. Obwohl wir bei Staubwolken die Lüftung schließen, ist alles rot gepudert.
Wir erwischen den perfekten Campingplatz. Das Auto kann stehen bleiben, alle Geschäfte sind zu Fuß zu erreichen. Die Camp-Küche hat einen Fernseher – eine willkommene Abwechslung.
Der Purnululu Nationalpark im Süden lockt. Leider liegt der nicht auf dem direkten Weg, sondern erfordert eine Schleife Richtung Süden von über zweihundert fünfzig Kilometern pro Strecke. Plus sechzig Kilometer Off Road Piste. Die seien „direkt aus der Hölle“, wie unser Campingnachbar berichtet.
Wir versuchen es trotzdem und unser Nachbar soll Recht behalten.
Die Kilometer bis zur Schotterpiste spulen wir durch eine hübsche Hügellandschaft ab. Aber dann, bereits nach elf Kilometern landen wir vor einem relativ breitem Fluss. Mit uns steht ein Paar aus der Schweiz am Ufer. Gemeinsam begutachten wir die Lage. Grade rechtzeitig kommt ein Wagen von vorne. Der ist fix unterwegs und schiebt eine Welle vor sich her. Es sieht nicht ganz ungefährlich aus. Die Schweizer ziehen sofort den Schwanz ein: „Wir drehen um!“ Sie lassen zwei vorgebuchte Nächte und die Park-Eintrittsgebühr verfallen. „Das ist nichts für uns.“ Wir blicken nur noch in ihre Staubwolke.
Achim schickt mich in den Fluss zum Tiefe messen. Die überall stehenden „be crockwise – achte auf Krokodile“ Schilder fallen mir ein. „Hier gibt es keine“, ruft Achim mir hinterher und gackert. Todesmutig wate ich voran.
Der Wassertiefen-Check fällt positiv aus. Nirgends ist es tiefer als bis zum Knie. Ich winke, dass Achim kommen kann. Langsam wackeln sich Fahrer und Auto über die dicken Steine im Flussbett.
Es folgen noch zwei Dutzend harmlose Bäche. Die Strecke ist aber insgesamt in einem schlechten Zustand. Waschbrett-Abschnitte vom Übelsten lassen alles im Auto schlackern. Plötzlich rappelt meine Tür ganz komisch. Das Türschloss hat sich lose gewackelt. Der Bordmechaniker hat den richtigen Schlüssel griffbereit. Wir rumpeln weiter. Die übliche Art, einfach mit 70 km/h über die Wellblechwellen zu donnert, funktioniert hier nicht. Die Strecke ist kurvig, tiefe Schlaglöcher und große Steine lauern auf Achsen. Bodenwellen und Kuppeln deren andere Seite man nicht überblicken kann, erschweren die Strecke.
Wir brauchen zwei Stunden für sechzig Kilometer. Dass es auf dem Rückweg noch interessanter werden sollte, ahnen wir jetzt noch nicht.
Die Stellplätze auf dem Campingplatz sind großzügig und nur halb belegt. Ein Trittbrett vom Bundy hat sich losgejackelt und ein Glas, im Kaffeebecher und mit Zewa gesichert, ist kaputt gebrochen. Ein himmlischer Sonnenuntergang im Outback entschädigt für die Anreise.
Am nächsten Morgen müssen wir zu den Attraktionen noch weitere zwanzig Kilometer fahren. Diese Strecke ist die beste im gesamten Nationalpark.
Es warten zwei außerordentliche Schluchtenwanderungen auf uns. Schmale Gänge führen tief ins Gebirge. Zwischen die fünfzig Meter hohen Felswände schafft es kaum ein Sonnenstrahl. Trotzdem gelingt es ein paar Livistona Palmen hier zu überleben. Sie recken sich an langen Stämmen der Sonne entgegen.
Mystisch, verwunschen. Wunderbar!
Nach zwei Nächten wechseln wir den Campingplatz, um zum anderen Ende von Purnululu zu gelangen. Der Gebirgszug verändert komplett sein Gesicht. Die erodierten Felsen sehen nun wie gestreifte Bienenkörbe aus. Abwechselnd sorgen Eisenoxid und eine Blaualge für die klar abgegrenzten Farbschichten.
Auch hier haben sich enge Schluchten zwischen den Domen gebildet. Tief kann man zwischen Felsspalten ins Gebirge vordringen.
Purnululu ist Unesco Naturerbe. Eine gerechtfertigte Auszeichnung, finden wir.
Auf dem Campingplatz dann erneut ein Schrecken: der Bundy steht schon wieder schief. Hinten rechts ist der Reifen ziemlich platt. Der hatte schon mal ein Loch, was mit lebenslanger Garantie geflickt wurde.
Achim misst noch 20 psi, statt gewünschter 35 psi (pounds per square inch ). Mit dem Kompressor pumpt er den Reifen wieder auf. Wir warten, was über Nacht passiert.
Der Verlust über Nacht hält sich in Grenzen – ungefähr 1,5 psi pro Stunde Achim pumpt nach. Wir entscheiden, dass wir damit erstmal fahren können. Allerdings fühlt sich die Holperstrecke mit Loch im Reifen doppelt schwierig an. Bei jedem unter dem Reifen weg springenden Stein halten wir die Luft an. Wenn es besonders doll rappelt, leiden wir mit.
Zweimal pumpen wir unterwegs nach und erreichen problemlos Kununurra. Der Reifendienst vor Ort rettet uns für 45 Dollar (28 Euro) aus der Patsche. Hinten rechts hat jetzt zwei Flicken.
Off Road Talk
Ich frage Achim als wir gerade besonders heftig durchgeschüttelt werden, ob er eigentlich Spaß hat am ‚off roaden‘.
„Es ist schon anstrengend. Und ich muss mich ganz schön konzentrieren.“
„Das war nicht die Frage.“
Ich bekomme einen Seitenblick mit einem schiefen Grinsen. „Doch, doch es ist alles prima.“
Okay, der Fahrer hat also Spaß. Viel Spaß.
So viel, dass ich bisher noch keinen einzigen Kilometer fahren musste (fahren brauchte; fahren durfte ).
Die Beifahrerin hat auch Spaß. Wie ein Eiswürfel in einem Cocktail-Shaker durchgeschüttelt zu werden, ist nicht wirklich angenehm. Aber die Fahren sind spannend. Adrenalin und Endorphin sind kräftig mit dabei, wie mir scheint.
Achim fährt zu neunzig Prozent so, wie ich fahren würde. Er bremst, wenn ich bremsen würde. So dass ich nicht das Bodenbrett auf meiner Seite durchtreten muss. Selten brülle ich ein ‚Achtung‘ oder ein Ahhhhhhh wie in der Achterbahn.
Nur manchmal drückt meine Hand den Oberschenkel weich.
Off Road unterwegs zu sein, ist für die Australier ein Hobby wie Angeln oder Joggen. Ein cooles Hobby. Die Aussies haben es drauf. Denn wer fährt, braucht nicht den Staub entfernen. Alte Off Road Regel.