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Die Chronik eines Lackier-Versuches

Fr., 27. Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3163, 24.696 sm von HH

Freitag:
– Der Wetterbericht verspricht Sonne für die nächsten Tage.
– Wir mieten ein Rollgestell für eine Woche, um in vier Metern Höhe überhaupt arbeiten zu können.
– Die alten Farbstreifen schleifen wir an (320erKorn).
– Einige Beschädigungen im Gelcoat spachtelt Achim mit Epoxy.
– Der graue Streifen soll zuerst lackiert werden – wir kleben ihn nach unten und oben ab.
– Wir benutzen gelbes Marken-Klebeband.
– Unterhalb vom Streifen kleben wir den Rumpf mit Folie ab – sicher ist sicher.
– Bei Lackierarbeiten bin ich der Boss. Mehr Erfahrung, mehr Geduld, mehr Geschick.
– Achim wäre auch gerne Kalif an Stelle des Kalifen. :mrgreen:
– Zündstoff für Ehegatten-Diskussionen.

Frau und Herr Kalif sind sich nicht nur einig – sie haben sogar unterschiedliche Systeme beim Kleben der Folie

Hier wird noch gelacht -Tolles Gestell – sehr sicher – leider schwer zu schieben – die Räder stellen sich immer quer

Samstag:
– Wir beenden die Abklebe-Arbeiten.
– Ich lackiere die grauen Streifen (am Wasserpass und oben am Rumpf). Zuerst mit der Mohair-Rolle und sofort mit dem Pinsel die Oberfläche verschlichten.
– Achim bekommt die Aufgabe des „Sei so lieb und hol mir mal“ – österreichisch für Handlanger (danke an Seven Seas für diesen neuen Begriff).
– Die Sonne brennt.
– Der Lack trocknet so schnell, dass Achim mir mehrfach die Farbe verdünnen und den Pinsel reinigen muss.
– Ich muss mich sehr beeilen, dass der Lack nicht sofort Gardienen und hässliche Absetze hinterlässt. Vor allem in der Zeit, wenn wir das tonnenschwere Gerüst umstellen.
– Der „Sei so lieb“ arbeitet gut mit: „Sieht toll aus, was du machst. Großartig“.
– Ein zweiter Anstrich wäre laut Lack-Beschreibung nach vier Stunden Wartezeit möglich.
– Es sieht nach Regen aus, wir riskieren es nicht.
– Es regnet nicht.

Die Sonne brennt – mein Handlanger zieht Fratzen

Sonntag:
– Es sieht nicht nach Regen aus.
– Es erfolgt der zweite Anstrich in grau.
– Eine halbe Stunde nach Lackier-Ende tröpfelt es leicht – zum Glück ohne Schaden anzurichten.
– Wir entfernen alle Klebestreifen und Folie.
– Das gelbe Klebeband hat nicht ganz gehalten, was wir uns erhofft hatten.
– Trotz Reinigung der Klebefläche mit Aceton und fester Anpressung ist das Grau an einigen Stellen unter das Klebeband gekrochen und die Linie nicht perfekt glatt.
– Ich stelle fest, dass meine Klebung schlechter als Achims funktioniert hat.
– Achim ist ab sofort der Kalif beim Abkleben.

Montag:
– Aaron, der Farbenfachmann auf dem Yard, rät uns einen Tag zu warten, bevor wir die neue Lackierung überkleben, um den angrenzenden Streifen in rot zu pinseln.
– Da wir das Gestell ja nun schon gemietet haben, nutzen wir es, um eine Hälfte des Rumpfes zu polieren.

Dienstag:
– Wir kleben den roten Streifen ab.
– Wir sind diesmal schlauer – das gelbe Klebeband verschwindet.
– Schlau sein, zieht eine komplizierte Abklebung nach sich (Tipp Aaron – der bereitwillig Auskünfte gibt, obwohl wir seinen Kostenvoranschlag  mit „deutlich über Budget“ von uns gewiesen haben. Sauer ist er nicht, eher froh, den Job nicht machen zu müssen).
– Der rote Streifen wird nun oben und unten mit einem Vinyl-Tape (0,5 cm breit) abgeklebt für eine scharfe Kante.
– Auf den grauen Lack kommt ein weiteres Vinyl-Tape in lila, um den frischen Lack nicht mit dem Tape abzureißen. Auf lila wird dann gelb geklebt, um erneut Folie zum Schutz vom Rumpf anzubringen.
– Das schlaue Kleben dauert so lange, dass wir am Ende zwei Meter nicht mehr schaffen.
– Es regnet!

Aufwendige Maskierung – fünf verschiedene Lagen Klebebänder – oben und unten lila – auf lila flieder zum Schutz vom grauen frischen Lack – dann gelb für die Folie und gegen Übermalen

 

Mittwoch:
– Wir kleben die verbliebenen zwei Meter ab.
– Ich lackiere den roten Streifen.
– Es sieht toll aus. Aaron kommt vorbei und bestätig unsere Meinung: „Nice!“
– Die Spezifikation des Lacks sagt, dass man bei über 20 Grad nach vier Stunden ohne Schleifen die zweite Lage lackieren kann.
– Wir warten fünf Stunden. Achim mischt das zweite Drittel vom roten Lack (zwei Komponenten – vier Stunden Verarbeitungszeit).
– Ich lege los.
– Beim ersten Rollen verliert die neue Rolle Fell. Was soll das??
– Ich kann das Reparieren.
– Ich rolle weiter. Dann will ich mit dem Pinsel verschlichten :shock:  .
– Der Lack ist krumpelig. Gebrochen. Kaputt.
– Aaron kommt zufällig vorbei. Seine Meinung, die erste Schicht ist fertig.  Der Lack reif für die zweite Lage. Alles gut.
– Wir warten noch eine weitere halbe Stunde. Ein Stück weiter vorne setzte ich erneut die Rolle an. Der gleiche Effekt. Alter und neuer Lack reagieren unangenehm aufeinander.
– Wir brechen ab.
– Unser angemischter Lack landet im Müll.

Die zweite Lage rot zerstört die erste – ist bei grau nicht passiert – da haben wir über Nacht gewartet mit lackieren

Donnerstag:
– Wir schleifen den verdorbenen Lack wieder runter.
– Wir gehen auf Nummer sicher und schleifen den Rest der ersten roten Lage ebenfalls an, obwohl die Spezifikation etwas anderes behauptet. Sieben Tage bräuchte man angeblich nicht schleifen.
– Das Wetter ist sonniger als vorhergesagt. Leider auch sehr windig.
– Wird es heute noch regnen oder nicht? Die Abkleberei muss in jedem Fall runter (Aaron empfiehlt es dringend: „Das Ganze endet sonst in einem Chaos.“) – Wir können nur gewinnen, wenn wir heute noch pinseln. Verdirbt die Lage, weil es zu regnen beginnt, müssen wir „nur“ noch einmal schleifen. Gelingt der Anstrich sparen wir uns die Maskiererei.
– Wir pokern und Achim mischt den Rest vom Lack.
– Ich setze die Rolle an. Sie eiert. „So kann ich nicht arbeiten“, bin ich am verzweifeln. „Farbe, keine Farbe, Farbe, keine Farbe kommt von der Rolle.“
– Außerdem ist es heiß, die Sonne scheint. Dazu der starke Wind. Schnell merke ich, das wird nix. Der Lack wird sofort zäh. Lässt sich weder mit Rolle noch mit Pinsel „bewegen“.
– Ich rufe nach Verdünnung. Der „Sei so lieb“ eilt herbei. Zu spät. Das Feld ist verdorben. Gardienen. Ziehstreifen. Hässlich.
– Achim lässt mein Gejammer nicht zu. „Los, los, du kannst das. Wir schieben ein Stück weiter. Dort versuchst du es noch einmal.“ Der Ehe-Segen hängt schief. Ich will nicht mehr. Nicht noch einmal so viel schleifen müssen.
– Achim muntert mich auf. Ich versuche es. Keine Chance. Ein weiterer Abschnitt ist verdorben.
– Wir versuchen es zusammen.
– Achim bedient die Rolle.
– Sofort wird klar, warum ich der Boss beim Lackieren bin. Er hat keine Übung und dann mit dem eiernden Ding. Farbe, überall fehlt Farbe. Ich kann das mit dem Pinsel nicht ausgleichen. Der ist in der Zwischenzeit schon wieder halb steif getrocknet.
– Wir geben auf.
– Die angerührte Farbe kommt in den Müll.
– Es ist 16:45 Uhr. Noch fünfzehn Minuten bis zum Ladenschluss.
– Achim bestellt neue Farbe.
– Wir reißen die komplette Maskierung ab.
– Den schmalen Venyl-Streifen lassen wir kleben.
– Keiner möchte sehen, ob er für eine scharfe Kante gesorgt hat oder nicht. ;-)

Freitag:
– Es gießt wie aus Eimern.
– Eine Woche Regenwetter vorhergesagt.
– Eine Woche Zeit zum Wunden lecken.

 

Fortsetzung folgt … gerne hätte ich Vollzug gemeldet … vielleicht nächste Woche …

Farblich ist der neue Lack perfekt – links neu – rechts alt

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Eine Cockpit-Reparatur mit Folgen

Mi., 25.Jan.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3161, 24.696 sm von HH

Die Basis unseres Cockpits ist GFK und lückenlos mit dem Rumpf verbunden. Ursprünglich war das Cockpit mal eine Art Deckshaus mit festem Dach, welches vom Vorbesitzer in seine heutige Form umgebaut wurde. Hierfür wurde auf die Basis des Cockpits (den GFK-Teil) ein Holzbrett geschraubt, worauf die feststehende Fensterkonstruktion installiert wurde.

Ursprüngliches Cockpit auf Atanga – als das Schiff noch Folkwang hieß

Das damals verwendete Holzbrett ist kein Brettchen, sondern eine ernst zu nehmende Bohle von bestimmt vier Zentimeter Stärke. Innen und außen laminiert. Im Prinzip gut gebaut, stabil und formschön. Nur leider hat im Laufe der letzten zwanzig Jahre Wasser seinen Weg zum Holz gefunden und dort sein Unheil angerichtet. Zwischen den beiden Laminat-Schichten ist aus dem Holz Torf geworden. Undichtigkeiten im Inneren des Cockpits zeigen uns schon länger, da stimmt etwas nicht. Eine provisorische Reparatur in Ecuador (vier Jahre alt) zeigt Schwächen.

Achim geht dem Übel mit dem Bohrer auf den Grund. Dort, wo das Holz morsch ist, wird es ausgebohrt. Zunächst glauben wir nur an kleine faule Stellen an der Fensterkante im oberen Bereich. Aber an den Ecken kommt die Wahrheit zu Tage. Großflächig wird Atanga nur noch vom Lack zusammen gehalten. Also bohrt Achim weiter. Bis zum Laminat an der Innenseite. Dies soll möglichst stehen bleiben, damit wenigstens ein Form gebendes Element für den Wiederaufbau erhalten bleibt. Das gelingt weitestgehend. :mrgreen: Somit hat Achim es „total einfach“ von außen die Lücken wieder zu füllen.

Das morsche Holz bohrt Achim oben an der Fensterkante weg

Die Lücken werden mit Glasfasermatte und Epoxy verfüllt

Dann die üble Überraschung – die Form gebenden Kanten sind komplett verrottet

Diese großen Löcher bekommen zusätzlich eine Holz-Füllung – eingebettet in Matte und Harz

Das Loch schließt sich in mehreren Arbeitsschritten

Schritt für Schritt

Mir erscheint, das Brett in die alte Form zurück zu schleifen als der schwierigste Teil. Aber Achim hat Talent. Tatsächlich nennt er sich nach kurzer Zeit schon ‚Michelangelo‘. :mrgreen: Mit Recht!
Spachteln, schleifen, spachteln, schleifen und es sieht wieder super aus. Ein leichtes für mich mit etwas Lack das Werk abzuschließen.

Der letzte Schritt ist Epoxy-Spachtel und Schleifarbeit – der umgedrehte Michelangelo war am Werk

Letzter Arbeitsschritt – Lackieren – unten gut zu erkennen der schlechte Zustand der farbigen Streifen

Kaum zu glauben – die Oberfläche ist  wieder 1a – jetzt frisch lackiert

Unterhalb des Brettes befinden sich zwei Streifen. Rot und grau. Die Farbe ist auch schon nicht mehr das Original – wahrscheinlich beim Umbau des Cockpits neu gespritzt worden. Diese Streifen sind in den letzten Jahren nicht schöner geworden. Stellenweise kommt weißes GFK hervor und das Rot ist total ausgeblichen. Die Streifen sollen neu!
Am Rumpf haben die Streifen die gleichen Farben – ebenfalls unschön anzusehen. Wir überlegen, dass wir uns mal was gönnen könnten und lassen uns von der Werft einen Kostenvoranschlag zum Streichen der Rumpfstreifen geben. :lol: Wir lachen noch immer: 6.000 Euro sollen wir dafür bezahlen.

Beflügelt vom großartig gewordenen weißen Brett im Cockpit entscheiden wir, das können wir selber. Was für eine sau-dämliche Entscheidung!

Fortsetzung folgt … stay tuned.

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