Kleine Schätze in der Eintönigkeit

27.07.-29.07.24, Australien/QLD/Croydon, Tag 240-242 Roadtrip, 19.283 km total, Tages-km 320+342

Einige der größten Rinderfarmen der Welt liegen in Australien. Es sind Megafarmen. Mal ist das Weideland komplett Baum frei, mal ist es gespickt mit Buschwerk und niedrigen Bäumen. An anderen Stellen übersät von Termitenhügeln.
Seit 2.500 Kilometer fahren wir durch diese Farm-Landschaft. Für uns sind die Grenzen zwischen den ‚Stations‘ nicht zu erkennen. Ab und an sieht man ein Tor am Highway, mit einer endlosen Straße dahinter, welche zu einer dieser Megafarmen führt.

2500 Kilometer – mehr oder weniger – die gleiche Landschaft

Ablenkung bringen Abschnitte mit verrückt vielen Termitenhügeln

Als abwechslungsreich darf die Landschaft nicht bezeichnet werden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht einschlafen. Gegen die Langeweile helfen runtergeladene Informationen über die Region, die ich Achim während der Fahrt vorlese.
Wir fahren genau durch die Gegend, in der sich 1860/62 eine ungeplante Jagd zweier Expeditionsteams abspielte. Die teure und groß ausgestattete Expedition um Burke & Wills aus Victoria gegen den Einzelkämpfer Stuart aus South Australia. Es ging darum, welche Gruppe als erstes einen Weg von Nord nach Süd in Australien finden würde, auf dem eine Telegrafenleitung errichtet werden könnte. Nordaustralien war bereits mit der Welt durch ein Unterseekabel nach Java verbunden. Jetzt sollten die Kolonien Australiens ebenfalls angebunden werden.
Stuart machte 1862 das Rennen und die Telegrafenleitung verlief ein paar Jahre später ziemlich genau auf seinem gefundenen Track. Burke & Wills scheiterten und viele Männer aus dieser Gruppe verloren ihr Leben.

Nur zehn Jahre nachdem Stuart einen Weg quer durch Australien gefunden hatte, stand die 3.200 Kilometer lange Telegrafenleitung. Die Geschwindigkeit der Erschließung Australiens macht einen schwindelig. Wir stoppen in Croydon. Ein gutes Beispiel für die schnelle Industrialisierung. Heute ist Croydon ein Nest mit 215 Einwohnern. Das war mal anders.

-1880 Die ersten Siedler lassen sich nieder
-1885 Gold wird gefunden
-1887 Die Einwohneranzahl beträgt 7.000 Personen
-1891 Croydon bekommt eine Bahnanbindung – nur 30 Jahre nach Ersterkundung des Gebietes. Erstaunlich!

Verschlafenes Nest – Croydon.

215 Leute – klar braucht es da einen Verkehrsspiegel.

Croydon ist im Grunde ein großes Freilichtmuseum. Das Hotel, der Gerichtssaal, das Hospital – alles gebaut um 1887 – und einige andere Gebäude stehen noch. Liebevoll sind in den alten Holzhäusern Infotafeln und ein paar Artefakte ausgestellt. Im Informationszentrum läuft ein Film, der weitere Auskünfte gibt. Alles ohne Eintritt. Wir finden, Croydon sollte zehn Dollar pro Person Eintritt nehmen. Ein Schatz in der Einförmigkeit.

Noch aktiv als Hotel und Restaurant.

1920 gab es bereits unvorstellbar viele Autos in Croydon – dabei wurden um 1900 nur 60.000 Stück jährlich gebaut – und das nicht gerade um die Ecke. Und alle fuhren über Schotterpisten.

Der Hauptfriedhof liegt etwas außerhalb. Alt sind die Menschen nicht geworden.
Es gab zwar ein Krankenhaus, es war aber absurd teuer, sich dort behandeln zu lassen. In der Ausstellung von Croydon hängt eine Anekdote, dass ein Mann sein gesamtes Vermögen im Krankenhaus verbraucht habe. Seiner Frau habe er einen Schilling hinterlassen: „Damit sie sich einen Strick kaufen kann.“

Eine große chinesische Gemeinde siedelte sich zum Goldrausch in Croydon an. Sie arbeiteten als Träger für die Miene, aber in erster Linie bauten sie Gemüse an.

Überall verstreut im Dorf stehen alte Maschinen.

Es muss laut gewesen sein in Croydon. Das Gold wurde unter Tage abgebaut. Das Gestein wurde auf Unternehmen verteilt, die solche Steinzerkleinerer betrieben. Davon gab es Dutzende. Tag und Nacht in Betrieb.

Arbeit mit Rindern – heute per Hubschrauber.

 

Die verbliebenen Bewohner Croydons arbeiten heute auf den umliegenden Rinderfarmen. Der Goldrausch ist lange verklungen. Einer der Flüsse, der die endlose Hochebene durchschneidet, dient uns als Mittags-Rastplatz. Wir parken auf dem alten Highway, gleich neben dem Eisenbahndamm. Ein regulärer Zugverkehr wurde eingestellt, aber mit Sonderfahrten „Sunset in Croydon“ wird die alte Trasse noch zwei Monate im Jahr genutzt.

Picknick neben dem Bahndamm

Die alte Eisenbahnstrecke und der alte Highway.

Bahnbrücke und neue Highwaybrücke

Der Gilbert River führt ganzjährig Wasser. Be crocwise!

Der heutige Highway ist wegen häufiger Überschwemmungen ebenfalls auf einer Brücke gebaut. Wir sind ‚croc wise‘ und halten sorgfältig Ausschau. Entwarnung, keine Krokodile zu sehen. Wir ströpern weiter unter alten und neuen Brücken umher und stehen plötzlich vor einem ausgebüxten Bullen. Vielleicht nicht so gefährlich, wie ein Krokodil, aber wir räumen das Feld in einem weiten Bogen.
Noch ein „Schätzchen“ in der Eintönigkeit.

Er ignoriert uns ;-)

Nicht nur zu Fuß sind die Rindviecher eine Gefahr

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Reifen – die Stunde der Wahrheit

22.07.-25.07.24, Australien/QLD/Mt.Isa, Tag 235-237 Roadtrip, 18.621 km total, Tages km 59

Mount Isa, die einzige (richtige) Stadt im Umkreis von hunderten Kilometern, hat drei Reifenhändler. Der erste nimmt nur Bargeld. Der zweite führt eine wenig bekannte Reifensorte. Beim dritten Händler werden wir glücklich.

Wir haben jetzt noch drei verbliebene Dunlop-Reifen (Grandtrek) und die Zwangs-Neuerwerbung aus der Gibb River Road. Dieser Reifen nennt sich ‚Nankang‘. Nie gehört davon. Laut Internet sind davon ganze zwei Stück in Australien lieferbar.

„Den Dunlop-Schrott, den ihr habt, verkaufe ich nicht. Nur Bridgestone oder Yokohama“, poltert der Reifenmann. „Wenigstens euer Nankang taugt etwas. Das ist im Prinzip der gleiche Reifen wie die Yokohama, nur made in Taiwan, statt in Japan. Das war mal die gleiche Fabrik. Würd‘ ich euch verkaufen, hab‘ aber nur Yokohama.“

Achim fragt nach einem Rabatt beim Kauf von vier Reifen – satte 10 Dollar pro Reifen. Das ist uns zu viel. :mrgreen:  Wir kaufen zwei Yokohama. Der doppelt geflickte Dunlop wird entsorgt, der Nankang kommt wieder nach hinten als Reserve.

Wir dürfen sofort in die Werkstatt fahren. Der junge Mann dort weiß, warum sich auf Asphalt unser Reifen so zerfleddert hat. „Der ist ja bereits über zehn Jahre alt!“ Er zeigt auf ein Herstell-Symbol. „Der hat sich im Laufe der Zeit hinter der Reserve-Radabdeckung weich gekocht“.

Zerfetzt auf Asphalt – Allrounder Dunlop

Zwanzig Minuten später hat der Bundy an der hinteren Achse zwei echte Offroader  – ‚Aggressive‘, wie es im Reifenhöcker-Jargon heißt. Und vorne den ‚Dunlop-Schrott‘.

Happy car – happy life!
Eine Autowäsche gibt es auch noch oben drauf.

 

Abends sitzen wir neben dem Auto und sprechen über unsere weitere Route. Immer wieder fällt unser Blick auf die ungleichen Reifenpaare. Achim spricht es als erstes aus. Aber er braucht nicht viel Überzeugungskraft. Mir gefällt es auch nicht. Das Vertrauen nach zwei kaputten Reifen und zwei Löchern ist nicht mehr sooo groß.
Am nächsten Morgen stehen wir wieder beim Reifenhändler vor der Tür. Den Zehner Rabatt gibt es immer noch, allerdings nur noch für zwei Reifen. Wir überlegen noch, wem wir die zwanzig Dollar Verlust vom Taschengeld abziehen sollen. ;-)

Unser Campingplatz in Mount Isa liegt an einem kleinen Bach. Ganz nett, aber nichts Besonderes. Denken wir. Mit fortschreitender Abenddämmerung tauchen plötzlich ein paar Fledermäuse auf. Unter lautem Gezwitscher hängen sie sich auf der gegenüberliegenden Bachseite in die Bäume. Es sind große Flughunde. Hunderte. Dann Tausende. Nach zwanzig Minuten sind offensichtlich alle da. Es kehrt Ruhe ein. Das Gezwitscher verebbt. Inzwischen ist es stockfinster. Ein deutlicher Geruch zwischen Guano und Ziegenstall wabbert zu uns rüber.
Am Morgen sind alle Fledermäuse wieder verschwunden.

Stellplatz direkt am Bach – keine einzige Fledermaus landet in den Bäumen auf unserer Seite – nur gegenüber. Übrigens gibt es hier keine einzige Mücke. Das ist mindestens genauso verwunderlich.

Warum die Tiere mit der Dämmerung ihren Tagschlafplatz verlassen und bei uns abhängen, eine Art Zwischenstation machen, statt in ihre Fressgründe zu fliegen, das Rätsel bleibt ungeklärt. Die Zeltplatz-Wirtin weiß es nicht. Sie berichtet mir, dass die Tiere jedes Jahr an diesen Platz kommen. Manchmal sei der Himmel schwarz und es seien hunderttausende Tiere. Äste von Bäumen würden abgebrochen unter dem Gewicht der vielen Tiere.
Sie ekelt sich vor den Flughunden. Aber die Vertreibung mit einem C-Schlauch sei nicht mehr erlaubt. Die Fledermäuse sind geschützt, denn sie leisten einen großen Dienst beim Bestäuben von Bäumen und anderen Pflanzen. Diese Sorte frisst nämlich nur Nektar, weder Früchte noch saugen sie Blut.

Fledermäuse ohne Ende. Die Welle reißt nicht ab, die sich in die Bäume gegenüber hängt.

Mount Isa ist eine Minenstadt. Gefunden wird in der Umgebung Kupfer, Zink und Silber. Das Stadtbild wird von einer großen Industrieanlage geprägt in der sich Kupferschmelzen und Schwefelsäure-Fabriken befinden.

In Mount Isa findet nur Untertage-Bergbau statt

100 Jahre Mount Isa Fabrikanlage

Unser Reiseführer findet die Landschaft ab Mount Isa nicht mehr langweilig. Und wir können nur zustimmen. Nach langer Zeit finden wir mal wieder einen netten Walk außerhalb eines Nationalparks. Sogar ein paar Aborigines-Malereien warten am Ende.

Hübsche Umgebung gleich hinter der Stadtgrenze von Mount Isa

Felsenmalerei

und ein Wasserloch warten am Ende der hübschen Strecke

Ein Hit ist die nahegelegene Uran-Mine ‚Mary Kathleen‘. 1954 wurde hier eine signifikante Menge Uran gefunden und mit Unterbrechungen bis 1982 abgebaut. Zurück geblieben ist ein wunderschönes Loch von 250 Meter Tiefe. Davon stehen etwa 40 Meter unter Wasser. Exakte Stufen sind  in den Felsen geschlagen und umrahmen das Wasserloch. Überirdisch blau schimmernd, lädt das Wasser zum Baden ein, erscheint gleichzeitig abschreckend giftig. Allerdings warnt nur ein kleines Schild davor, dass der See kontaminiert sein könnte.

Fast kreisrunde Miene Mary Kathleen

Eine Farbe nicht von dieser Welt.

Sehr beeindruckend

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Am Scheideweg, im Stau und ein Reifenplatzer

19.07.-22.07.24, Australien/QLD/Mt.Isa, Tag 231-235 Roadtrip, 18.562 km total, Tages km 568+153+418+447

Inzwischen sind wir deutlich nach Nord-Osten gekommen und verbringen ein paar Tage in Darwin. In Darwin beginnt der Stuart Highway. Dies ist die einzige asphaltierte Nord-Süd-Querung im Zentrum Australiens und direkte Verbindung zum Uluru (früher Ayers Rock).
Nach tausend Kilometern kommt eine Abzweigung, die asphaltiert nach Osten führt. Nach weiteren tausend Kilometern steht der Uluru mitten im Zentrum. Diese Kreuzung ist unser Scheideweg: Uluru oder Ostküste? So oder so, heißt es Meilen schruppen.

An der Kreuzung haben wir die Wahl: nach Süden oder Osten. Wir wählen den Osten, denn am Uluru ist touristisch grade die Hölle los und tageweise fällt die Temperatur nachts auf -2 Grad. Im Wohnwagen okay, im Dachzelt zu kalt.

Unser Reiseführer an Bord hat zur Abzweigung nach Osten eine klare Meinung: „Der Barkly Highway ist bestimmt die langweiligste Strecke einer Australienreise.“

Wir fahren erstmal los und legen nach knapp 570 Kilometern den ersten Stopp am proppevollen ‚Daly Waters‘ Campground ein. Wir haben einen schlechten Start mit dem Platzeinweiser. Ein Eckgrundstück. Die Leiter vom Zelt und unser Tisch würden halb auf dem Weg stehen. Das gefällt uns nicht. Unwirsch wird uns ein Platz gegenüber vom Hühnerstall zugewiesen. Schon besser. Hier stehen wir nicht eng auf eng mit anderen Campern und der Misthaufen vom Emu-Gehege stört uns nicht. Zwei Esel kommen vorbei und ein teuflisch schwarzer Ziegenbock. Das gefällt uns. Allerdings nur so lange, bis der Bock auf die ausgemusterten Deko-Autos  und Hubschrauber springt.

Der Zeltplatz-Ziegenbock springt auf alles, was nicht weglaufen kann.

Am Morgen schauen die Esel noch mal vorbei – der Bock hat sich nicht blicken lassen. Somit haben wir keine Beulen im Auto.

Das Daly Waters ist der älteste Pub im Northern Territory. Das Gründerhaus steht noch und seit über einhundert Jahren hinterlassen Gäste ihre persönlichen Visitenkarten in der Kneipe: Kappen, signierte BH’s und Wappen-Abzeichen. Abends gibt es zum Bier Live-Musik. Und gar nicht mal schlecht.

Sammlung der BH’s der letzten zig Jahre mit Widmung und guten Wünschen.

Das Deutsche Eck

Die Kneipe ist voll gepflastert mit Stickern, Fotos und Visitenkarten.

Am nächsten Tag werden wir nach 150 Kilometern ausgebremst. Vollsperrung des Stuart Highways! Ein Unfall, 80 Kilometer weiter südlich, ist Schuld. Damit nachfolgende Autos nicht in der prallen Sonne stehen müssen und die Möglichkeit zum Wenden haben, wurde die Straße an einem winzigen Ort gesperrt. Die Infrastruktur in Elliott besteht aus einer Tankstelle, Internetempfang und einer (!) öffentlichen Toilette. Häppchenweise erreichen uns Informationen. Der Unfall ereignete sich bereits vor 18 Stunden und im Augenblick wird ein Kran organisiert. Zwei Orte in denen das benötigte Equipment steht, kommen in Frage. Beide über 450 Kilometer entfernt. :-o
Ein Viehlaster ist mit einem PKW zusammengestoßen. Ein Fahrer hat den Unfall nicht überlebt, der andere liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Etliche Tiere sind tot oder verletzt. Die verletzten Rindviecher werden eingeschläfert. Es gibt viel am Unfallort aufzuräumen.
Um 15:00 Uhr wird ein Viehlaster aus der Stauschlange an uns vorbei schon mal Richtung Unfallort geschleust. Um 18:00 Uhr wird dann endlich die Sperrung aufgehoben. Die Hauptader Nord-Süd war krasse 25 Stunden gesperrt.

Schwarzkopf-Python kurz vor dem Stau. Achim sieht sie auf der Straße, wendet und sie tut uns den Gefallen und ist noch nicht im Gebüsch verschwunden.

Road closed – für 25 Stunden

Vollsperrung vom Stuart Highway

So ein Viehlaster ist in den Unfall verwickelt gewesen – 120 Tiere auf drei Anhängern

Dieser Laster wurde schon um drei Uhr vorgelassen – die Rindviecher haben nichts zu saufen auf dem Truck

In einer Stunde wird es dunkel. Bald fangen die Kängurus an zu springen. Die Gefahr einer Kollision ist nicht ohne. Alle fünf Kilometer sieht man ein überfahrenes Känguru auf der Straße liegen. Die Roadtrains bremsen nicht für Tiere. Wir würden also langsamer als sonst fahren. Dagegen haben aber die Trucks etwas, die ihre zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h nur ungerne aufgeben. Daher entscheiden wir uns für eine Nacht am Straßenrand.

Zur Dämmerung geht es dann weiter – wir wollen uns nicht zwischen die Kolonne der Road Trains quetschen – viele Camper haben so entschieden wie wir.

Landstraßen-Romantik für zig Camper (die Wohnwagen-Besitzer nutzen ihre eigene Toilette, so dass das einzige Klo sogar noch so was wie okay war).

Die Trucks dürfen 100 km/h auf dem Highway fahren – in Deutschland 60 km/h. Mit in etwa einem Drittel der Länge und etwa einem Drittel des Gewichts.

Am nächsten Tag werden wir nach 230 Kilometern ausgebremst. Ein fieses Geräusch hinten links. Sofort ist klar, wir haben schon wieder einen Plattfuß. Der Reifen ist förmlich pulverisiert.
Achim hat noch nicht den Deckel vom Reserverad runter als ein Wohnwagengespann hinter uns hält. Die beiden kennen wir doch: Es sind Kelly und Murry. Wir haben in Elliott hintereinander gestanden und gemeinsam die Nacht am Straßenrand verbracht. Beide haben eine Farm ganz im Süden von Australien. Murry, als Farmer, weiß wie man zupackt. Sofort liegt er unterm Auto und setzt den Wagenheber an. Zwanzig Minuten später ist der Drops gelutscht. Danke für Eure Hilfe!

Murry kann zupacken

Zerfetzt

„In Australien muss man zwei Reservereifen bei sich haben“. Diese Warnung erschien uns doch reichlich übertrieben. Spontan sind wir nun ohne unterwegs und haben noch gut Strecke vor uns. Bis zur nächsten Stadt mit Reifenhökern – Mount Isa – sind es 550 Kilometer.
So weit möchten wir heute nicht mehr fahren, so dass wir auf dem letzten Roadhouse vor der Stadt die dritte Nacht verbringen.

Auch das Barkly Roadhouse ist gut gefüllt.

Ohne weitere Vorkommnisse schaffen wir es dann bis Mount Isa. Achim atmet erleichtert auf.

P.S. Dafür, dass die Strecke so furchtbar langweilig sein soll, hat sie es bei mir immerhin auf einen Bericht mit 921 Wörtern geschafft. Kann dann ja nicht so schlimm gewesen sein. :mrgreen:

So sieht es über viele Kilometer rechts und links vom Highway aus.

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Aborigines Felsenmalerei

12.07.24, Australien/NT/Kakadu NP, Tag 225 Roadtrip, 16.593 km total, Tages km 8

 Die Vorfahren der indigenen Völker Australiens, als Sammelbegriff  Aborigines genannt, besiedelten den Kontinent vor 40.000 bis 60.000 Jahren. Außer Felsenmalerei ist wenig Geschichte überliefert und historische Funde halten sich in Grenzen. Die ältesten, sicher datierten, Felsenmalereien in Australien sollen 17.000 Jahre alt sein.  In verschiedenen Stilen sind sie quer über den Kontinent verteilt.

Ein bedeutender Fundort liegt in Ubirr, an der östlichsten Kante vom Kakadu Nationalpark. Viele Abbildungen sind im sogenannten ‚Röntgen-Stil‘ gemalt. Die Gräten und Innereien von verschiedenen Fischsorten sind klar zu erkennen.

Verschiedene Fischarten – inklusive Gräten.

Zeichnung eines Kriegers in Ubirr – Alter zwischen 2500 und 4000 Jahre.

Langhals-Schildkröte

 

Die Felsen befinden sich in den noch überfluteten Auen vom East Alligator River.

Das Alter der Zeichnungen in Ubirr ist nicht eindeutig. Zwischen viertausend und eintausend fünfhundert Jahren lautet die Vermutung. Alte Zeichnungen wurden immer wieder übermalt. Mit jeder Zeichnung wurde eine Geschichte erzählt. War diese nicht mehr aktuell, konnte der Platz für eine neue Geschichte genutzt werden.
Der Sinn der Malerei war sowohl Lehrkunde, diente aber auch zeremoniellen Zwecken.

Bis zur Ankunft der weißen Siedler wurde hier gemalt – dies ist ein Mann mit den Händen in den Hosentaschen. Die Geschichte über „moderne“ Menschen auf Felsen nieder geschrieben.

Auf den Fotos sieht man nur eine kleine Auswahl der gemalten Geschichten. Die Vielzahl der bemalten Felsen hat uns überrascht. Ebenso die Lokalität. Tolle Felsen mit Überhängen, Stufen und schroffen Wänden. Absolut lohnenswert zu besichtigen. Eine bunt-rote Zeitreise.

 

Die heutigen Aborigines und die weißen Australier leben parallel in ihren Welten. Das Unrecht der Vergangenheit an den Ureinwohnern wird mit großzügiger Zahlung von Sozialhilfe gesühnt. Und mit billigen Tricks übertuscht.
Berge, Regionen und Nationalparks erhalten ihre ursprünglichen Namen zurück. Heilige Stätten der Aborigines werden auf ihren Wunsch zunehmend für Touristen gesperrt. Alle Broschüren der Nationalparks,  jede Erklärung seitens der Regierung oder einer Firma endet mit den Worten: „Wir erkennen und anerkennen die traditionellen Eigentümer und Hüter des Landes […].“
Ein Lippenbekenntnis, wie uns scheint. Das Wort ‚Hüter‘ verrät viel in diesem Zusammenhang. Hüten dürfen die Aborigines das Land. Wird jedoch abbaufähiges Material gefunden, sind die Besitztümer klar geregelt.

 

Graffiti

In unserem (Touristen)-Alltag finden die Aborigines praktisch nicht statt. Wir befinden uns inzwischen im ‚Northern Territory‘. Hier leben über 30 Prozent der ungefähr 600.000 Aborigines. Klar sieht man kleine Gruppen in den Straßen oder beim Einkaufen. Aber sie bleiben unter sich. Meiden Augenkontakt. Ein Kopfnicken oder Lächeln wird nicht erwidert. Interaktionen begrenzen sich leider auf recht aggressive Bettelei.

Trotz Sozialleistungen geht es den Aborigines schlecht. Viele arbeiten nicht. Das Nicht-Miteinander von Weiß und Schwarz scheint uns in einer Spirale gefangen. Kinder werden nicht zur Schule geschickt. Das führt so weit, dass Geschäfte Schilder am Eingang aufhängen ‚Kinder ohne Begleitung von Erwachsenen werden außerhalb der Ferien nicht in den Laden gelassen‘. Ohne Schule keine Bildung, keine Arbeit. Oder höchstens am untersten Ende der Tätigkeiten. Als Einkaufswagen-Schieber oder Laub-Harker.
Die Perspektivlosigkeit ihrer Zukunft und die Traumata der Vergangenheit lassen die Aborigines grimmig und übellaunig erscheinen.

Alkoholmissbrauch ist ein großes Thema. In Zusammenarbeit versuchen die Regierung und die Chiefs der ‚Communities‘  das Problem in den Griff zu bekommen. Restriktionen beim Kauf von Alkohol sollen die Lösung bringen. Dort wo man Verbote wieder aufgehoben hat, schnellte die Kriminalitätsrate sofort unter die Decke. Autodiebstahl, Einbrüche und häusliche Gewalt. Städte mit hoher Aboriginal-Dichte haben die höchste Kriminal-Statistik.

Diese Kriminalität stößt die weißen Australier ab. Je nach Erziehung warnen weiße Australier uns neutral vor Brennpunkten oder kommunizieren unverhohlen Ablehnung.
Man lebt aneinander vorbei.
Verstärkt wird die Trennung durch sogenannte ‚Communities‘. Das sind Gebiete, die als Aboriginal-Land zurück deklariert wurden. Hier sind die Aborigines nicht nur die Hüter, hier sind sie die Eigentümer. Weiße dürfen dieses Land nur mit Genehmigungen betreten. Auf uns – als Besucher – wirkt das befremdlich und scheint uns nicht dienlich, die Kluft zu überwinden. Aber eine Lösung, wie man beide Ethnien näher zueinander bringt, liegt nicht auf der Hand.

Typisches Eintritt-Verboten-Schild an einer Community.
Man kann die Abschottung aus verschiedenen Gründen nachvollziehen, aber natürlich wirkt das nicht einladend.

Der Fluss, an dem wir die Salzwasser-Krokodile gesehen haben, trennt den Nationalpark von Arnhem. Arnhem ist ein riesiges Gebiet, das den Aboriginalen gehört. Genehmigungen für eine Einreise können bis zu einem Jahr dauern (bis auf drei Spots, die von Touristenbussen angefahren werden dürfen). Der Tankzug bringt Sprit in diese abgelegene Region. Angeblich von der Regierung bezahlt, wie uns ein Campingnachbar erzählte.

Somit angeln die Weißen auf der Nationalparkseite und die Aboriginalen auf der anderen. Trennung symbolträchtig.

 

Aborigines Kunst-Galerien Talk

Mein gesamtes Reiseleben bringe ich mir ein Bild als Souvenir aus dem besuchten Land mit nach Hause. Fündig werde ich bei Straßenmalern, in Touristen-Centern oder kleinen Galerien. Dabei suche ich mir ein typisches Motiv des Landes oder eine besondere Technik aus. In Costa Rica zum Beispiel werden Federn bemalt. Mal ist mein Mitbring auf Leinen gemalt, mal auf Papier. Mit Öl, Aquarell oder Kreide.
Die gesammelten Werke unserer Reise liegen auf Atanga. Schön flach und sicher aufbewahrt zwischen alten Seekarten.

Die Bilder kaufe ich ungerahmt und die meisten haben eine Größe von DIN A5. Die Welt der Maler ist sich einig: ein Bild eines unbekannten Künstlers kostet zwischen zwanzig und fünfzig Euro – je nach Preisniveau des Gastlandes.

Nicht so in Australien. Die Preise hier sind nicht zu verstehen. Es gibt recht viele Aboriginal-Galerien. Bis zu 400 Künstler der jeweiligen Region werden in einer Galerie vertreten. Wunderschöne Bilder, viele in der bekannten Pünktchen-Malerei. Ein heiß begehrtes Sammelobjekt für mich.
Aber die Preise! Für ein kleinformatiges Bild werden vierhundert bis tausend Dollar (250 bis 600 Euro) verlangt. :shock: Wer etwas Großes haben möchte, muss mehr als 2.000 Euro hinblättern.
Mal ehrlich, was soll das? Wer kauft das? Niemand kennt die Künstler. Man kann ihnen nicht bei der Arbeit zusehen, sie stehen nicht mal hinter dem Verkaufstresen. Oder will man nicht verkaufen? Ein noch ungelöstes Rätsel unserer Tour.

Mein Fund – ein Schwirrholz. Diese Geräte gehören zu den ältesten Klangerzeugern der Menschengeschichte. Bis 80 Dezibel können damit erzeugt werden. Sogar Crocodile Dundee hat im Film mit einem Schwirrholz ‚telefoniert‘.            Der Künstler heißt ‚Murrupp‘ vom Stamm der Djirrbal/Ngadjonji, wie ein mitgeliefertes Zertifikat bescheinigt. Das hübsche Schwirrholz hat 35 Dollar gekostet. Ein überraschendes Schnäppchen.

 

 

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Crocodiles do not swim here

07.-11.07.24, Australien/NT/Kakadu NP, Tag 211-224 Roadtrip, 16.585 km total, Tages km 520+256+101

Wenn Satzzeichen Leben retten. :mrgreen:

Crocodiles!!!
Do not swim here!
Besser, viel besser!

An dem Fluss an dem wir stehen, sind die Schilder eindeutiger.

be crocwise

 

Wir stehen am Fluss, gucken in die schlammige Brühe und brauchen nicht lange zu warten. Träge treibt ein Krokodil an uns vorbei. Ein Leistenkrokodil. Dann sind es zwei.

Leistenkrokodile werden bis fünf Meter lang (die Männchen). In seltenen Fällen wird von sechs bis sieben Metern berichtet.

Ein Exemplar brät am Ufer in der Sonne und wartet darauf auf Betriebstemperatur zu kommen. Leistenkrokodile sind gefährliche Lauerjäger, die sich seit 200 Millionen Jahren nicht verändert haben sollen. Weil sie auch gerne im Salzwasser schwimmen, werden sie von den Australiern ‚Salties‘ genannt. Der niedliche Kosename täuscht. Anders als ihre verträglichen Freshy-Kollegen, sind Salzwasserkrokodile eine reale Gefahr. Durchschnittlich zwei Personen werden jährlich Opfer der Salties. Grade vor ein paar Tagen hat es der schreckliche Tod eines zwölfjährigen Mädchens bis in die Bild-Schlagzeilen geschafft. Gar nicht weit von uns entfernt passierte das Unglück beim Schwimmen im Fluss.

Salzwasserkrokodile können blitzschnell aus dem Wasser schießen. Dieser Geschwindigkeitsüberschuss ist ihre Strategie. Als Mensch hat man da kaum Zeit zu reagieren. Das Krokodil schnappt zu, ertränkt sein Opfer und reißt ihm durch eigene Körperdrehung Stücke aus dem Leib.
Das monströse Gebiss taugt nicht zum Kauen.

Bis zu 5.000 Zähne wachsen einem Krokodil in seinem Leben – 75 Jahre alt können die Tiere werden.

Das Öffnen des Mauls zeigt an, dass dem Croc warm geworden ist. Und richtig – eine Minute später verschwand der Kamerad im Wasser.

Ab in die Fluten

 

 

Gut zu wissen, wer dem ersten Zugriff entgeht, hat eine Chance. Eine Verfolgung an Land wird schnell aufgegeben. Hier hört die Überlegenheit der Krokodile auf. Somit lautet die Experten-Meinung, dass fünf Meter vom Ufer – möglichst erhöht – als Sicherheitsabstand genügen.

be crocwise – fünf Meter erhöht kann man gefahrlos sitzen und staunen.

Von wegen schläfrig…

So sieht wohlige warme Zufriedenheit aus. ;-)

Grundsätzlich sind Salties gar nicht auf große Beute aus. Üblicherweise treiben sie fast bewegungslos im Wasser und lauern auf unvorsichtige Fische, die ihnen zu nahe kommen. Das Maul ist dabei leicht geöffnet. Drucksensoren am Kopf verraten die Annäherung eines Fisches. Expositionsartig schnappen die Krokodile dann zu. Als Opportunisten erlegen sie aber alles, was sie zu fassen bekommen. Auch vor kleineren Artgenossen wird nicht Halt gemacht. Somit überleben nur zehn Prozent der Jungtiere ihr erstes Lebensjahr.

Darwin Award Anwärter. Diese beiden Angler stehen an der Bootsrampe im Schlamm und können sich kaum auf den Beinen halten. Als wir ihn fragen, wie beide so nah vom Ufer wohl weg kommen möchten, guckt er uns groß an. Darüber scheint er noch nicht nachgedacht zu haben…

Wir stehen auf einer Plattform am ‚East Alligator River‘. Fünf Meter oberhalb der Wasseroberfläche. Die Plattform befindet sich am östlichen Ende vom Kakadu Nationalpark. Der bekannteste und größte Nationalpark Australiens ist touristisch gut erschlossen. Dreihundert Kilometer Rundweg durch den Park sind durchgehend asphaltiert. Fast überall gibt es Internetempfang und heiße Duschen auf den Campingplätzen. Der Ruhm wirft seine Schatten – statt üblicher 17 Dollar Eintritt pro Fahrzeug werden im Kakadu 40 Dollar pro Person verlangt.

Die ersten drei Tage sind wir ein wenig enttäuscht. Die Landschaft ist flach und ändert sich kaum. Dichtes Buschland links, dichtes Buschland rechts. Von den 280 Vogelarten, die hier leben sollen, zeigt sich ein halbes Dutzend.
In der Nähe einer Lodge kann man Bootsfahrten im Flussgewirr buchen. Das klingt reizvoll, ist aber mit 260 Dollar (160 Euro) für 1,5 Stunden Fahrt reichlich überzogen. Ein Croc-Sichtungs-Garantie kann natürlich nicht gegeben werden.

Mit diesen Booten geht es auf den Fluss. Besonders stört uns, dass die Sitzreihen drei Plätze haben – wer in der Mitte sitzt, sieht gar nichts.

Auf der überfluteten Ebene leuchten tausende Seerosen im Grün.

Kormoran – erfolgreicher Shrimps-Fänger.

Die Enttäuschung ändert sich spontan als wir auf der Plattform stehen. Vom nahe gelegenen Campingplatz führt ein netter Wanderweg zum Fluss. Egal zu welcher Tageszeit wir schauen, verlässlich patrouillieren einige Salties im Wasser. Es ist schwer, sich an den faszinierenden Tieren satt zu sehen.
Danke Kakadu Nationalpark.

Wem die Landschaft bekannt vorkommt, der hat Recht. Im Kakadu NP wurde Crocodile Dundee gedreht.

 

Wanderweg vom Camp zum Fluss.

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