Kunst in Cartagena

Do., 07.Sep.17, Kolumbien/Cartagena, Tag 1195, 11.850 sm von HH

Die erste Kunst auf die wir stoßen, ist eine dicke Frau. Die dicke Gertrudis.
Die stammt von Fernando Botero, dem wohl bekanntesten Maler und Bildhauer Südamerikas. „Großzügigkeit und Üppigkeit stehen für mich in enger Verbindung mit der Sinnlichkeit“.

Na, dann ist anfassen ja wohl ausdrücklich erlaubt.
Ein Aberglaube in Cartagena behauptet, wer den Hintern der dicken Frau berührt, kehrt eines Tages nach Cartagena zurück. Das Anfassen der Brüste sorge für eine lange Beziehung.
Kaum jemand, der sich diese Chance entgehen lässt.

Der Besuch im Inquisitions-Palast enttäuscht.
Hinter der herrlichen Fassade fand die grausame Verfolgung Andersgläubiger statt. Indigene und afrikanische Einflüsse stellten einen guten Nährboden für schwarze Magie dar. Diese galt es auszurotten. Dem Beispiel aus Europa folgend, wurden die Beschuldigten solange gefoltert, bis ein Geständnis abgelegt wurde.
Am Tag der Unabhängigkeit 1811 wurde der Inquisitions-Palast vom Volk gestürmt.
Die Aufmachung am Eingang verspricht einen abwechslungsreichen Rundgang mit englischer Beschriftung. Leider hat man diese nach dem Erdgeschoß vergessen aufzuhängen.

Um 15:00 Uhr nehmen wir den Bus nach Santa Marta zurück.
Klimatisiert diesmal. So sehr, dass wir nach fünfeinhalb Stunden (wer hat eigentlich die Lüge, dass der Bus vier Stunden braucht, erfunden?) als Stock gefroren aus dem Bus fallen.

Ein lohnender Ausflug ist Cartagena allemal. Mit zwei Übernachtungen hat man ausreichend Zeit die Altstadt mit angrenzenden Sehenswürdigkeiten zu bewundern.
Wir freuen uns über unsere Entscheidung Cartagena per Bus besucht haben. Die Marinas und der Ankerplatz liegen zwar verlockend nah am alten Kern, aber Dinghy Dock oder ähnliches konnten wir nicht entdecken. Im halb so kleinen Santa Marta sind die Wege kürzer, die Preise kleiner, die Straßen leerer aber leider die Häuser hässlicher.

Altstadt und Kastell von Cartagena

Mi., 06.Sep.17, Kolumbien/Cartagena, Tag 1194, 11.850 sm von HH

Die Altstadt von Cartagena ist klein. Wenn man von der gewaltigen Stadtmauer und Festung liest, ist die Erwartung, sie muss riesig sein. Aber zwei Kilometer Durchmesser, mehr mag es gar nicht sein.

Es gibt einen perfekt restaurierten Teil. El Centro und San Diego.
Hier ist schon fast steril. Alles ist für die Touristen hergerichtet. Teure Boutiquen und edle Souvenir-Shops. Dazwischen eine Armee an Hutverkäufern, Touren-Anbietern und Schmuck-Händlern.
Man wünscht sich ein T-Shirt mit der Aufschrift. ’no quiero nada‘. Man wird sie nicht wieder los.

Im Hinterland von Cartagena gibt es einen Ort, San Basilio de Palenque.
Hier wohnen die Nachfahren entflohener Sklaven, die cimarrónes, wie die Spanier sie nannten.
Die
schwarzen Frauen kommen in die Stadt, um auch eine Scheibe vom Touristen-Kuchen zu ernten.
Verkleidet in „Sklaventracht“, wie ein Tourist sich eine Sklaventracht so vorstellt, geben sie vor, Obst zu verkaufen. Anmutig tragen sie Schalen auf dem Kopf. Hübsch dekorierte Obst Stillleben. Aber es geht nicht um Obstverkauf. Wer ein Foto von ihnen machen will, soll zahlen.

Glücksjäger, Wasserverkäufer, Bettler und Trickbetrüger. Sie alle lockt es in das Unesco Kulturerbe.

Von weit her kommen die fliegenden Händler. Ein Schmuckverkäufer erzählt uns, dass er 25 Stunden mit dem Bus nach Hause fahren muss.
Er hat eine Handvoll Ketten über dem Arm. Billigst-Ware ‚made in einem Land‘, in dem das Lohn-Niveau noch niedriger ist als in Kolumbien.
Er findet Deutschland gut. Vor allem wegen der Bundesliga. Er kennt alle Vereine, erzählt uns die Tabellenstände und grinst über den HSV. :shock:

Schön ist es in El Centro und San Diego. Aber zum Wohlfühlen ist das nicht.

Unser Hostel liegt in Getsemani, dem abgewohnteren Teil der Altstadt. Er ist nicht so perfekt renoviert, die Touristen-Dichte nimmt ab. Restaurants haben keine Klima-Anlage mehr, ein Bier kostet nur noch 3000 statt 5000 Pesos.

Abends kommen die Selbstdarsteller und Musiker auf die Straße. Die Plaza Trinidad ist der Treffpunkt für Künstler und solche, die es werden wollen: Breakdancer Battle, Folkloregruppen, Beatboxer, schlechte Gitarrenspieler und gute Sänger. Für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Vor ein paar Jahren galt das Viertel noch als gefährlich, heute ist es ein lebendiger Mix aus echtem Leben und Tourismus.
Ein hohes Polizei-Aufgebot sorgt für Ruhe. Bier bekommt man auf der Plaza nur im Plastikbecher, Glas ist verboten. Trotzdem, unter den Augen der Polizei werden uns ‚Happy Brownies‘ angeboten. Frech in der Tupperdose präsentiert.

Außerhalb der Altstadt liegt das mächtige ‚Castillo de San Felipe de Barajas‘.
Es ist die größte Festung, die Spanien in einer ihrer Kolonien errichtete. Uneinnehmbar, so lautete der Auftrag, sollte das Bollwerk sein. Und es hielt Stand.

Sogar den stärksten Angriff in der Geschichte der Stadt. Den Überfall durch Admiral Vernon 1740. Der englische Admiral war sich seines Sieges gewiss, lies er doch schon vor dem Angriff Gedenkmünzen prägen: „Der Stolz Spaniens gedemütigt durch Vernon“.
Sein Gegenspieler war ein alter Kriegsveteran, Don Blas de Lezo. Bereits einbeinig, einarmig und einäugig, verlor er in der Schlacht gegen Vernon noch sein zweites Bein, konnte aber den Sieg davon tragen. Vernon war nun der Gedemütigte.

Heute kann man das Kastell besichtigen.
Ein besonderes Vergnügen ist das ausgeklügelte Tunnel- und Wegesystem. Mehrere Hundert Meter Gänge mit Pulverkammern, Kasematten und Vorratslagern. Das Fort erstreckt sich über mehrere Etagen, die durch Treppen verbunden sind.

 

Eine Reise nach Cartagena de Indias

Di., 05.Sep.17, Kolumbien/Cartagena, Tag 1193, 11.850 sm von HH

„Cartagena kennt zwei Temperaturen: heiß oder sehr heiß“, lässt und Maria wissen.
Maria muss es wissen, sie stammt aus Cartagena und ist unser Tour-Guide der ‚Free-Walking-Tour‘ an der wir teilnehmen.

‚Free-Walking‘ wurde bereits 2004 in Berlin erfunden. Seitdem hat sich das Konzept in über 75 Länder verbreitet.
Bei dieser „kostenlosen“ Stadt-Führung zahlen die Teilnehmer am Ende der Tour, was ihnen der Rundgang wert war. Dadurch soll die Qualität und Motivation der Guides erhöht werden. Wir haben von großartigen Touren gelesen und gehört.

Leider ist das der einzige Gag, der Maria in den knapp 90 Minuten einfällt. Lustlos rappelt sie Stammdaten runter, die in jedem Reiseführer zu finden sind. Zudem schleppt sie uns in einen Keksladen, einen Schokoladen-Shop und in ein Schmuck-Geschäft. Es fehlen nur noch die Heizdecken. Schade.

Dabei haben wir uns fast ein Bein ausgerissen, um pünktlich um 16:30 Uhr zur Tour zu erscheinen. Zwischendurch haben wir nicht mehr daran geglaubt, dabei sollte es so einfach sein: Um 9:00 fährt der Bus, der erreicht Cartagena nach vier Stunden, noch 30 Minuten Fahrt mit dem Taxi dazu addiert, ergibt drei Stunden Reserve.

Die verbringen wir im Bus. Statt der versprochenen vier Stunden, tuckern wir fast sieben Stunden durch die Lande. Unter den verschiedenen Buslinien, die es in Kolumbien gibt, erwischen wir ausgerechnet die Bummel-Linie. Nicht klimatisiert, dafür voll besetzt.
Die günstige Fahrkarte von 6,50 EUR hätte uns stutzig machen können.

Zuerst ist es ja noch ganz witzig, dass unterwegs ständig fliegende Händler dazu steigen.
Sie versuchen im Bus Getränke und Leckereien an den Mann zu bringen. Dass die Bude schon brechend voll ist, stört dabei keinen.
Kuchenpakete und fettige Maistaschen werden einfach nach hinten durchgereicht. Der Verkäufer muss dann so lange mitfahren bis der Bus wieder irgendwo anhält. Zum Teil sind das viele, viele Kilometer für einen Umsatz von 90 Cent. :shock:

Schlussendlich erreichen wir Cartagena zur Rush-Hour. Minibus um Minibus, Taxi um Taxi wälzen sich vom Busbahnhof die neun Kilometer in die Altstadt. Im Hotel verzögert sich das Einchecken, zum Glück habe ich die Reservierung auf dem Handy dabei, wir bekommen unser Zimmer. Schnell die Klamotten abgeladen und im halben Dauerlauf (es ist entweder heiß oder sehr heiß in Cartagena :lol: ) zum Treffpunkt unter dem Wahrzeichen der Stadt. Dem Torre del Reloj.

Und dann treffen wir auf die lahme Maria. Sehr schade.

Dafür besticht der erste Eindruck von Cartagena.
Zum Sonnenuntergang erstrahlt die Stadt in ihren schönsten Farben. Und sie ist ‚menschenleer‘. Ein Wunder. Ein Fußballwunder. Kolumbien versucht sich gegen Brasilien. Es geht um die Qualifikation zur WM. Die fußball-verrückten Kolumbianer sitzen in den Kneipen und zu Hause und fiebern für ihre Mannschaft (1:1 übrigens das Ergebnis) und halten die Straßen leer.

Torre del Reloj - Der Uhren-Turm

Torre del Reloj – Der Uhren-Turm

 

Kathedrale San Pedro Claver

Kathedrale San Pedro Claver

 

 

Cartagena

Di., 05.Sep.17, Kolumbien/Cartagena, Tag 1193, 11.850 sm von HH

Wir sitzen im Bus und sind auf dem Weg nach Cartagena. Vier bis viereinhalb Stunden soll die Fahrt dauern.
Cartagena de Indias, wie die schönste Stadt Kolumbiens, ja angeblich ganz Südamerikas, komplett genannt wird.
Das Sahnehäubchen, der Schokotrüffel unter den Kolonial-Städten.

Eine 11 Kilometer lange Festungsanlage umschließt den Ring der Altstadt seit über 400 Jahren. Der Ring und die Kolonialbauten sind bis heute nahezu komplett erhalten. D
ie Spanier hatten nach diversen Plünderungen durch Piraten die Nase voll und investierten in eine gigantische Festungsanlage.
Allein der Freibeuter Drake soll 107.000 Golddukaten in Cartagena erobert haben.

Astronomische Summen verschlang die Errichtung der Festungsanlagen. Das benötigte Geld führte zu einer noch rascheren Ausbeutung der Urbevölkerung. Die Festung errichteten Sklaven aus Afrika.
Ein Touristen-Magnet aus Blut gebaut.

Cartagena, als bedeutende Hafenstadt, hat sowohl Ankerplätze vor den Toren der Altstadt als auch eine Marina. Trotzdem haben wir uns für die Bus-Variante entschieden.
Cartagena gehört zum Bereich eines anderen Port-Käpt’n als Santa Marta. Um sich beim Cartagena Käpt’n anzumelden, benötigt man einen Agenten. Eine Anmeldung auf eigene Faust ist nicht möglich.

Umständlich, tüttelig und natürlich nicht kostenlos.
Somit haben wir entschieden, dass Geld statt in den Agenten lieber in Übernachtungen und Busfahrt zu investieren. Reserviert haben wir zunächst für zwei Nächte. Mal sehen, ob diese Zeit reicht für die ‚Perle der Karibik‘.

Facebook

Fr., 01.Sep.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1189, 11.850 sm von HH

Wir hatten Besuch. Besuch von Beatriz. Beatriz ist eine Internet-Bekanntschaft, genauer gesagt eine facebook-Freundin.
Beatriz stammt aus Bogota, hat Deutsch studiert und baut sich in Santa Marta ein Business als Deutsch-Lehrerin auf. Ihr Traum ist, als digitale Nomadin von überall auf der Welt Unterricht zu geben. „Meine Hobbies sind reisen und essen. Und wenn ich es verbinden kann, ist es perfekt.“

Von ihrem Studentenaustausch in den Allgäu und nach Frankfurt an der Oder (man kann nicht immer gewinnen ;-) ) hat sie Kässpatzn und Germknödel im Wortschatz mitgebracht.

Kennen gelernt haben wir uns über die facebook-Gruppe ‚Alemanes en Colombia‘ über meine Frage, wo ich in Santa Marta internationale Bücher bestellen könne.
Meine Frage, deren Antwort leider noch aussteht, ruft Beatriz auf den Plan, die sich über Deutsche in ihrer Stadt freut.
Sie ist begeistert zu hören, dass wir auf einem Segelboot leben, war noch nie auf einem „großen“ Boot, will das mal sehen und steht einen Tag später vor der Tür.

Sowas kann nur facebook.

Facebook. Gehasst und geliebt. Tummelplatz der Eitelkeiten und Plattform für unerträgliche Dummheit.
Facebook, als Zeitfresser Nummero 1 verschrien. Es wird gepostet, was die Welt nicht interessiert. Posen nur für Fotos, um diese mit Banalitäten in die Welt zu senden.
Viele Haustiere und Kinder erkennen ihre Herrchen und Eltern nur noch, wenn sie ein Handy vors Gesicht halten. Das Internet ist voll mit Ratgebern ‚wie lösche ich mein facebook-account und komme mit dem anschließenden Entzug zurecht‘.

Geliebt von Stalkern, die der Ex und verkrachten Chefs hinterher spionieren wollen. Informationsquelle darüber, was der Nachbar gerade isst, warum sein Rasenmäher streikt und wer letztes Wochenende besoffen vom Stuhl gekippt ist.

Vernetzung. Das war die Vision von Mark Zuckerberg als er facebook gründete.
Vernetzung ist auch mein Grund zur Nutzung von facebook (und zum Stalken natürlich ;-) ).

Für Segler gibt es ein gut ausgebautets Netz aus Vernetzung: ‚Langfahrtsegeln‘, ‚Blauwassersegeln‘, einfach nur ‚Segeln‘ und für Segler die aus der Gruppe ‚Segeln‘ ausgeschlossen wurden, die neue Gruppe ‚Seglergruppe‘.
Segelblogger, Segelnblogs, Reiseblogger, erfolgreich bloggen, erfolgreich reisebloggen…

Nicht alle Gruppen sind hilfreich.
Ganz schlimm ist ‚Segeln‘. Da wird viel Falsches und wirklich, wirklich dummes Zeug geschrieben. Schnell wird sich angeschrien, beleidigt und mit „auf die Fresse“ gedroht.

Wie in allen Foren, auch außerhalb von facebook, muss man mit Antworten rechnen, die an Blödheit nicht zu übertreffen sind: Ich habe mal gefragt, welcher Herd auf Schiffen empfohlen wird. Die erste Antwort lautete: „Warum willst Du überhaupt kochen, wir gehen immer essen.“ :cry:

Neben den gruseligen Gruppen, gibt es kleine, aber feine Seiten. Dort erhält man brauchbare Informationen. Und sogar zu der Frage, die man gestellt hat.
Dort wird die Vision von Zuckerberg zur Realität. Vernetzung. Diese Gruppen machen Spaß und Sinn.

Die Facebook-Seite ‚Caribbean Safety and Security Net‘ unterhält mit einer Landkarte, wo es in der Karibik die meisten Überfälle in den letzten 12 Monaten gegeben hat. Von vielen geschätzt, mag ich diese Seite nicht. In der S-Bahn auf dem Weg nach Hause, schaut man ja auch nicht nach in welchem Viertel man zum Opfer wird.

‚Eventos en Santa Marta‘ zeigt stundengenau die Überschwemmung in der Stadt, Fahrradunfälle und berichtet über sportliche Großereignisse. Bei Festnahmen von Drogendealern ist ‚Evontos en Santa Marta‘ hautnah dabei. Datenschutz ist etwas für Angsthasen. Die Festgenommenen werden mit Foto gezeigt.

Für die Vorbereitungen auf Panama sind wir schon mal Mitglied in drei Gruppen geworden. :shock: Eine Gruppe zu verlassen ist ja einfach, wenn dort nur Quatsch gepostet wird.

Facebook. Fluch und Segen.
Zeitfresser? Ja, unbedingt. Aber häufig sinnvoll.
Zumindest theoretisch weiß ich nun, wo ich mein Roggenmehl in Santa Marta bekommen kann (auch wenn ich bis jetzt dreimal vergeblich dort gewesen bin – zwei Blocks weiter) und es hat uns einen unterhaltsamen Abend mit Beatriz geschenkt.
Wir wollen das wiederholen. Diesmal zusammen mit ihrem holländischen Freund, der Das Marketing für ihre Online-Schule betreibt.