Wetter, Schiet-Wetter, Gegen-Wetter

Fr. 25.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 909, 8.319 sm von HH

Am Mittwoch sind wir erneut umgezogen. Nach St. George’s, der Hauptstadt von Grenada.
Von hier aus sind Marine-Zubehörläden besser zu erreichen, das Bunkern frischer Lebensmittel ist etwas komfortabler und man kann hier ausklarieren.

Der Plan sah vor, dass wir Samstag, spätestens Montag weiter fahren wollten.
Nun macht Otto uns einen Strich durch die Rechnung.
Zumindest vermuten wir das Otto Schuld hat. Otto ist der, wahrscheinlich letzte, Hurrikan dieser Saison und bedroht extrem südlich Panama und Costa Rica.
Otto scheint für sein Gewirbel die gesamte Luft der Karibik zu benötigen, so dass wir vor Dienstag nicht los ziehen brauchen.
Es wäre mit Flaute oder gar Gegen-Wetter-Wind zu rechnen.

In St. Georges’s kann man es aushalten, wenn nicht Schiet-Wetter wäre. Okay, die Regenzeit ist noch nicht zu Ende, es darf, ja soll durchaus regnen. Aber doch bitte nicht den ganzen Tag. :shock:

Da jagt man keinen Hund vor die Tür. Also nutzen wir die Zeit und reparieren, nähen, wienern und räumen in den letzten Ecken auf.
Auch gut.

Spätestens Mittwoch heißt es jetzt ‚Reise, Reise‘, besagt die Wetter-Studie.
Unser Ziel liegt 380 sm genau westlich von uns und ist das ‚B‘ der ABC-Inseln – Aruba, Bonaire, Curacao.

Bonaire ist vor allem bekannt wegen seiner exzellenten Tauchplätze.
Ich möchte nun auch gerne weiter. Wir beide scharren mit den Hufen:
Aber nur der geduldige Segler hat immer guten Wind. ;-)

 

Arriba, arriba, andale…

Mi. 23.Nov.16, Grenada – St. George’s, Tag 907, 8.319 sm von HH

Wie geht es jetzt weiter? Wir wollen nach Mexiko.

Das wollen nur wenige, daher gab es gestern schon wieder einen Abschied für viele Monate. Die meisten Crews, die wir kennen wollen den Antillenbogen hoch und dann zu den Britischen Jungfraueninseln oder nach Cuba. Oder auf die Bahamas. Auf jeden Fall in den Norden.

Warum wir das nicht wollen? Tja, so richtig warm werden können wir mit der östlichen Karibik nicht. Es ist schon schön hier, aber unser Herz haben wir hier nicht verschenkt.

Wir wollen weg von der Kriminalität auf den Antillen: Einbrüche auf unbewohnte Yachten, Entführungen am Strand, Angriffe mit Macheten, nächtlicher Besuch am Ankerplatz und Schusswaffen-Gebrauch mit Todesfolge.
Jeden Tag ist das Netz voll mit solchen Infos.

Daher fahren wir nach Mexiko. :mrgreen:

Mexiko gilt als eines der kriminellsten und gefährlichsten Länder der Welt. Auf dem ‚Globel-Peace-Index‘ landet es auf Platz 144 von 162 Ländern. Drogen-Kriege, Korruption, Entführungen, die Liste der Vergehen ist endlos, die Taten brutal und die Warnungen laut und deutlich. Komischer Weise gilt dies nur für scharf begrenzte Bereiche und Städte in Mexico.
Der Rest des Landes gilt als gut und sicher zu bereisen. In den friedlichen Teilen des Landes hat man sich auf kleine Gaunereien spezialisiert, wie Trick-Diebstahl, zu hohe Rechnungen in Restaurants und ähnlich ’sanfte‘ Abzocke.

Wir wollen weg vom einseitigen Karibischen Nahrungsangebot.

Darf es Huhn, Huhn oder Huhn sein. Uns wachsen noch Federn.
Wir wollen köstliche Enchiladas, Tortilla, Nachos, Borritos und Tacos. Beim Schreiben läuft mir das Wasser im Mund zusammen. In Mexiko werden 800 verschiedene Nahrungsmittel hergestellt mit einem Volumen von 245 Tonnen. Wir wollen weg von der recht kümmerlichen Obst und Gemüseauswahl auf dem Märkten. Selbst die Möhren im Supermarkt kommen aus Mexiko.

Und wir wollen alte Steine sehen. Weg vom Wellblech und rosa Würfelhäusern. Das kann man kaum besser als in Mexiko: Maya Tempel, Pyramiden und großartige Kolonialstädte gilt es zu erobern.

Wir wollen nach Mexiko. Arriba, arriba, andale…

„Großer Tumult“ in der Clarke’s Court Bay

Sa. 19.Nov.16, Grenada – Clarke’s Court Bay, Tag 903, 8.307 sm von HH

Wir sind aus unserer einsamen Werft-Bucht ein paar Meilen weiter in die Clarke’s Court Bay gezogen. Hier liegen wir mitten in der Bespaßungs-Maschenerie für das, nach Abwechslung lechzende, Segler-Herz.
Morgens um 7:30 Uhr gibt es eine moderierte Funkrunde über alle Buchten. Die ’sozial Events‘ nehmen kein Ende. Von Cocktail Happy Hour bis Tai Chi ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Die Bucht ist hübsch, keine Frage.
Sie hat nur einen aufdringlichen Nachteil. Hier steht die Rum-Destille aus der unser Rigger seinen Schnaps bekommt.

Rum, „rumbullion“ = großer Tumult, hat in der Karibik eine lange Tradition. Die erste amtliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1650. Zur Rum-Herstellung wird gehäckseltes Zuckerrohr, Zuckerrohr-Saft und Wasser zu einer Maische vermengt. Diese Maische wird fermentiert und zur Gärung gebracht. Nach der Destillierung hält man dann den Rum in den Händen.

Irgend einen Teil, der bei der Herstellung vom Rum anfällt, leitet die Rum-Destille direkt in die Bucht ein. Und das stinkt. Das stinkt gewaltig. Ein Mix aus säuerlich frisch Erbrochenem und faulen Eiern. Dazu sieht das Wasser in der Bucht wie Cola aus. Gruselig.
Im hinteren Ende der Bucht kann man es nicht gut aushalten.

Dort wo wir liegen, geht es, aber auch nur, weil der Wind von See kommt. Hier hat das Wasser auch eine normale Farbe. Sonst wären wir schon geflüchtet.

Ein paar Tage werden wir hier aushalten und verweilen. Ist die Bucht doch Treffpunkt alter und neuer Segel-Freunde. Die La Joya, seit vier Monaten nicht gesehen (liebe Grüße, Petra), die Balou und Olaf mit neuem Schiffsnamen und Begleitung.

Wir haben noch ein paar Kleinigkeiten am Schiff zu erledigen: die Ankerwisch will Fett, der Gashebel ist etwas schwergängig, eine Hälfte vom Edelstahl ist noch zu polieren, der Wassermacher bekommt eine neue Membran usw.
Sobald das fertig ist, geht es Anker auf und wir verlassen die östliche Karibik. Das bedeutet schon wieder Abschied nehmen. Diesmal für sehr lange. :cry:
Die anderen wollen alle Richtung Norden oder nach Cuba.

Aber bis dahin bleibt uns noch ein wenig Zeit für ’sozial events‘.

Unser Rigg ist fertig

Mi. 16.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 900, 8.300 sm von HH

Als letztes tauschen unsere beiden Rigger-Jungs heute die beiden Unterwanten.
Dabei kommt zum Vorschein, was wir weder befürchtet, noch geahnt haben: Das zweite Want ist ebenfalls gebrochen. Irgendwo in der Mitte. Für einen Laien sind diese Beschädigungen nicht zu erkennen.
Der Chef erklärt uns, dass nur eine minimale Abweichung von einer gleichmäßigen Wicklung der Kardeele immer ein Indiz für Bruch ist. Wir können nichts erkennen.

Nur, wenn es am Ende ‚ausfranst‘, können wir eine Beschädigung erkennen.

Mit der Arbeit sind wir sehr zufrieden, soweit wir das überhaupt beurteilen können.
Einer der Jungs gibt sich abends in dem Imbiss immer die Kante, steht morgens aber kurz vor 8:00 Uhr auf der Matte. Wenn das kein Indiz für gute Arbeit ist… ;-)

Ob der Stahl was taugt, wird sich zeigen.
Im Augenblick glänzen die Spanner rostfrei in der Sonne.
Leider mussten wir diese ebenfalls austauschen, da unsere alten kein „Standard“ sind und eigentlich für 12er Wanten gedacht waren. Standard-10er Wanten dort einzupassen wäre gegangen, hätte nur noch mehr gekostet.


Über den Preis für die sechs neuen Wanten schweige ich lieber…schlimm, ganz schlimm. Schlimm, schlimm, schlimm. :shock:

Somit sind wir nun fertig in der Grenada Marine.
Wir haben viel Schweiß, viel Geld und zum Glück kein Blut hier gelassen. Wir können die Werft aber uneingeschränkt weiter empfehlen.
Alle Gewerke sind vertreten.
Alle sind hilfsbereit.
Alles macht einen guten Eindruck.
Arbeiten werden schnell, sauber und gut ausgeführt. Tricia, die Büro-Chefin, hat den Laden voll im Griff. Wenn man etwas möchte, sie kümmert sich sofort und ruft über Funk die entsprechende Person.
Die Duschen sind okay. In die Jahre gekommene Badezimmer mit viel Platz und Wasser in allen gewünschten Temperaturen. Aber ohne Tiere. Höchstens mal ein kleiner Frosch.

Zum „Abschluss“ möchte Achim noch einmal in den leckeren Imbiss (womit habe ich eigentlich diesen Mann verdient?), köstliche, frittierte Hühnchen-Teile mit Bergen von Pommes verschlingen. Pommes rot-weiß, wie er betont. :cry:

Unser Rigger ist auch schon da.
Er spielt wieder das ‚lustige‘ Hütchen-Trinken: in einem Hütchen ist Rum, im zweiten Hütchen ist Eiswasser und aus dem dritten Hütchen wird getrunken. Aus dem Rum-Hütchen kommt ein Schubs in das leere Hütchen, runter gewürgt, dann ein größerer Schubs Eiswasser in das leere Hütchen und mit Erleichterung hinterher gegossen.
Saufen die Jungs in der Gruppe, wird das Rum-Hütchen unter allen aufgeteilt.
Es gibt immer nur ein Rum-Hütchen zur Zeit.

Systematisches Besäufnis. Allerdings ohne Freude, anders kann ich es nicht nennen.

Der Rum stammt aus der Clarkes Court Bucht, hier von Grenada, werden wir aufgeklärt.
Und er sei der stärkste Rum der Welt.
Na, ja, in jedem Fall hat er 69% Alkohol und nicht jeder beherrscht die Kunst ihn zu trinken, wie Rigger-Man betont.

Gute Nacht, lieber Rigger, fall Du Morgen bitte nicht von irgendeinem Mast.

Operation am offenen Herzen

Di. 15.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 899, 8.300 sm von HH

Wir haben drei Wanten auf jeder Seite des Mastes: ein Oberwant, dass von ganz oben bis aufs Deck führt, ein ‚Mittelwant‘, was unterhalb der oberen Saling beginnt und ein ‚Unterwant‘, was unter der unteren Saling beginnt. Das kaputte Teil ist das Unterwant.

Jetzt kann man nicht einfach alle drei Teile gleichzeitig abnehmen, dann kippt der Mast unweigerlich um. Wie ein Baum, auf die Seite. Timbeeeeer!
Also alles schön der Reihe nach.
Der Chef-Rigger sagt, der Tausch mit stehendem Mast sei kein Problem. Eine Operation am offenen Herzen, sozusagen.

Zuerst soll das Oberwant abgenommen werden. Dieses läuft allerdings zusammen mit dem Mittelwand an der Spitze der unteren Saling durch eine gemeinsame ‚Öse‘. Also müssen beide Wanten gelöst werden, damit sie aus dieser ‚Öse‘ gefummelt werden können. Der Mast steht zu diesem Zeitpunkt nur noch gesichert durch die beiden Unterwanten da. Wobei das eine davon auch noch angefressen ist… :shock:
Halbherzig wird der Mast mit dem Spi-Fall gesichert. Bloß keine Gewitterfront mit Böen jetzt.

Achim mag es nicht mit ansehen und geht zeitweise ganz weg. Ich halte die Stellung und mache Fotos. Sollte der Mast fallen, würde ich ‚you-tube‘-Millionär.
Wichtig nur, schön vorm Schiff stehen, nicht seitwärts. :mrgreen:

Aber die Jungs machen das nicht zum ersten Mal und wie wir hoffen, heute auch nicht das letzte Mal.

Die beiden machen alles barfuß. Sie haben nur einen Schraubenzieher, der entweder nach unten fallengelassen oder mit unserem Flaggen-Benzel wieder nach oben gezogen wird. Während der obere Mann arbeitet, mit Werkzeug hantiert, bleibt der untere cool darunter sitzen. Fallende Zangen – kein Problem für ihn, Sorgen macht er sich drum, wenn es soweit ist.

Wenigstens nehmen sie die Mann-Sicherung sehr ernst. Wohlwollend sehe ich, dass das Fall an dem der Rigger hängt jedes Mal sorgfältig gesichert wird.

Als die beiden Oberwanten aus der Saling befreit sind, werden die Mittelwanten wieder befestigt und Achim kann aufatmen. Der Mast ist jetzt vierfach gesichert.
Die Oberwanten bindet sich der Mast-Rigger an den Gürtel. Unsere Maststufen werden ignoriert und er lässt sich am Fall nach unten. Zusammen mit den 17 Meter langen Stahlseilen steht er nach drei Sekunden an Deck.

Die neuen Wanten werden nach der Länge der alten Wanten angefertigt und in umgekehrter Reihenfolge wie der Abbau erfolgt ist, wieder dran montiert.