Tag 7 – Halbzeit

Mo., 01.Feb.16, Atlantik, Tag 611, 4.547 sm von HH, etmal 130 sm

Halb-Zeit.
Praeziser gesagt Halb-Strecke. Fast auf die Stunde genau, nach einer Woche, erreichen heute die Mitte unserer Atlantik-Querung. Weiter weg von Land koennen wir auf unserem Toern nicht sein. In jede Richtung sind es mindestens 1.635 km.
Ausser nach unten, da sind es nur 4 km. ;-)

Ein komisches Gefuehl macht diese Fahrt. Besonders nachts. Nachts, alleine mit mir und meinen Gedanken. Gerade unter Deck stellt sich dieses Gefuehl ein.
Hier hoere ich das Klatschen der Bugwelle an den Rumpf. Es plaetschert und schlaegt kraeftig an unser Zuhause.
An die duenne Aussenhaut, die uns von der unendlichen Wassermenge trennt. So duenn ist die Haut, dass man von innen sehen kann, wie die Sonne hell durchscheint. Wenige Millimeter bilden unseren schuetzenden Kokon, diese Eierschale.
Unseren Mikro-Kosmos. Unsere kleine Welt mit Essen und Trinken, unser Zuhause.
Wenig Millimeter schuetzende Haut, die uns von der grossen Welt trennt.

Was kann da alles passieren! Daran denke ich wenig. Klar, kommen mal Gedanken hoch, dass es aus waere mit uns, wenn wir auf einen Container rauschen wuerden. Den wuerden wir selbst tagsueber nicht rechtzeitig entdecken.
Da wir uns nachts per Blindflug der neuen Welt naehern, haelt schon laengst keiner mehr permanent Ausguck. Alle 20 Minuten, mehr oder weniger, nach fremden Schiffen geschaut, muss als Versicherung reichen. Wie gesagt, diese Gedanken kommen sowieso nur selten.

Trotzdem ist diese Fahrt unheimlich, geheimnisvoll, unwirklich. Nicht von dieser Welt.
So anders als alles, was ich zuvor gemacht habe.
Achim verwendet, wenn wir drueber sprechen, immer wieder das Wort irreal.
Ja, was fuer eine irreale Sache das ist, wird mir erst jetzt, unterwegs, bewusst.
Soviel Wasser. So weit weg von Land. Tag und Nacht gleiten wir ueber diesen Ozean.

Wissend, dass es bereits nach Tag eins kein Zurueck mehr gab.
Was immer passiert, der weitere Weg ist vorgegeben. Aussteigen? Kein Bock mehr? Nicht moeglich!

Manchmal hoere ich bei der Nachtwache Stimmen.
Leises Gewisper, Fluestern, ohne einzelne Worte verstehen zu koennen. Mal kommen die Stimmen aus der Pantry, dann wieder von oben aus dem Cockpit.
Manchmal nur kurz, dann wieder laenger.
Ich freue mich, dass Achim mit bestaetigt, er hoere sie auch.

Ich hab mal gelesen, dass seien ertrunkene Seeleute, die zu einem sprechen. Das kann man glauben, wenn man es moechte, so klar sind die Stimmen zu hoeren.

Angst haben wir beide nicht. Aber diese Weite, diese Unendlichkeit und, nicht zuletzt, die Einsamkeit, die beeindrucken uns sehr. Das geht nicht emotionslos an einem vorbei.
Und dann kommt es wieder, dieses komische Gefuehl. Nachts.
Auf See bist Du in Gottes Hand.

Tag 6 – Schuettelkurs

So., 31.Jan.16, Atlantik, Tag 610, 4.417 sm von HH, etmal 123 sm da war ich (Joachim) wohl ein wenig voreilig, als ich Tag 6 abschickte…hier also der vollstaendige Bericht von Sabine Die ruhigen Tage sind vorbei. Ab sofort gehoert eine Hand dauerhaft dem Schiff, will man nicht quer durch den Kahn schleudern. Ueber Nacht war der Wind deutlich schwaecher und seitdem rollen wir was das Zeug haelt. Alles dauert doppelt so lange und stellt uns vor feinmotorische Herausforderungen. Duschen zum Beispiel. Wir duschen im Cockpit. Dort haben wir eine Aussenbrause mit Zugang zum Wassertank. Die benutzt von uns hier draussen aber keiner, weil uns das Wasser zu kalt ist. ;-) Wir sind echte Warmduscher. Tagsueber haben wir zwar 28 Grad und das Wasser in den Tanks wahrscheinlich so 24-25 Grad. Wenn man aber nackig im Cockpit sitzt, sich Wasser ueber den Koerper laufen laesst und von hinten foehnt einen der Wind mit bis zu 30 h/Km trocken, dann ist das kalt. Wirklich. Also machen wir ein wenig Wasser auf dem Herd warm und mixen dies in eine 1,5 Liter Flasche Wasser zu einer duschfreundlichen Temperatur. Hierfuer werden Trichter, ein ruhiges Haendchen und guter Gleichgewichtssinn benoetigt. Das Ausziehen sieht aus wie bei einer alten Oma. Ohne, dass ich mich hinsetzte, bekomme ich weder Shorts noch Schluepfer unfallfrei ausgezogen. Wasserflasche und Shampoo (Duschgel als dritten Ballast braucht kein Mensch) schleuderfrei zu verkeilen, ist noch loesbar. Das Schwierigste fuer mich ist, mit einer Hand Wasser aus der Flasche dosiert (!) ueber den Kopf zu giessen und mit der anderen das Shampoo aus dem Haar zu spuelen, ohne (!) quer ueber der Bank zu liegen. An solchen Schleudertagen geht der Trend zur Dusche nur jeden zweiten Tag. :mrgreen: Ansonsten hat sich endlich der Dunst verzogen und wir haben klare Sicht. Allerdings ist es nun stark bewoelkt. Das soll wohl noch etwas dauern bis wir die beruehmten atlantischen Sonnenuntergaenge erleben. Wir sind mittlerweile so weit westlich, dass wir die Uhr eine Stunde zurueck stellen duerfen. Das haben wir bislang nicht gemacht, weil es abends dann so schoen lange hell ist. Anarchie im kleinen, auf unserer kleinen Nuss-Schale sind wir der Koenig, wir machen einfach was wir wollen. ;-) Seit heute Morgen ist der Wind kraeftig zurueck, im Augenblick machen wir einen Schnitt von ueber 6 kn. Die verbliebenen Restmeilen sind nur noch dreistellig: 995 sm grade in diesem Moment. :-) Der suesse Fisch von gestern hat die Gier nach mehr in uns geweckt. Mehr davon, mehr davon, mehr davon… Da der erste selbstgebastelte Koeder von Erfolg gekroent war, mache ich mich ans Werk. Aus einer Dose Fanta, einem Latex-Handschuh und noch mehr Schleifenband (ich opfere mein zweitschoenstes, zart rosa mit weissen Puenktchen) bastel ich uns zwei weitere Turbo-Koeder. Jetzt muss nur noch die Fisch-Fraktion auf rosa Baendchen stehen. Speiseplan Tag 6: Abendessen: Bratnudeln mit Ei und echtem (!) Hela-Ketchup Fruehstueck: mehr Bratnudeln (er) :shock: , Muesli (sie) :-) Zwischenmahlzeit: heisser Milchreis mit Zimt und Zucker, die letzten Bananen, Nuesse, Nuesse, Nuesse (er)

Tag 6 – Nichts Neues

So., 31.Jan.16, Atlantik, Tag 610, 4.417 sm von HH, etmal 123 sm Der gestrige Tag verlief ereignislos. Wir hatten weder Erfolg beim Angeln, noch hat sich interessantes Meeresgetier gezeigt. Nachts schlief dann der Wind noch ein (4Bft empfinden wir mitlerweile als Flaute) und die Restwelle bescherte uns eine sehr unruhige Nacht. Positiv bleibt aber zu vermelden, dass es nun nur noch 980sm bis zur Anfahrttonne von Kourou sind. Das sollte eigentlich in 7-8 Tagen zu schaffen sein. Speiseplan Tag 6: Abendessen: Bratnudeln :-) Achim gibt Alles Fruehstueck: Muesli fuer Sabine und Bratnudeln fuer Achim Zwischenmahlzeit: Milchreis mit Banane und Zimt und Zucker

Tag 5 – Waidmanns heil – Petri Dank?

Sa., 30.Jan.16, Atlantik, Tag 609, 4.294 sm von HH, etmal 132 sm Was ist das bloss fuer ein Kaese mit der Angelei? Da haben wir endlich einen Fisch und dann gibt es abends doch wieder nur Wurstbrot. Aber der Reihe nach. Da unsere Spezial-Atlantik-Koeder (Glitzer-Imitate von Kalmaren) alle weg sind, basteln wir uns selber einen. Ein zu kleiner, roter Tintenfisch bekommt rotes Chiffon-Weihnachts-Band zur Seite gebunden und erhaelt einen groesseren Drilling als Haken. Nach einer Stunde, oh Wunder, ein Biss! Der Kamerad wird auch heil an Bord gehievt und fachmaennisch getoetet. Er ist mit 40 cm recht klein und hat keinen grossen Namen wie Thun, Bonito oder Goldmakrele. Eine Hochsee-Makrele wahrscheinlich, die von uns als essbar bewertet wird. Um Filets herauszuschneiden, ist sie mir zu klein, aber im Ganzen gebraten, gefuellt mit Kraeutern und Limette. Bitte, dafuer reicht’s. Dann gibt’s halt ein paar mehr Beilagen. Beim Ausnehmen finde ich keine Wuermer. Alles gut. Somit kommt sie geputzt, ohne Kopf und Schwanz in eine grosse Tupperdose. Mit Plastiktueten hatte ich schon einmal ein Auslauf-Malheur und nicht so viel Vertrauen. Die Dose ist rund und natuerlich zu klein, um den Fisch grade reinzulegen. Daher kommt er gekruemmt in den Kuehlschrank. So ca. um 15:00 Uhr. Um 18:30 Uhr hole ich unseren Fisch aus dem Kuehlschrank. Ich traue meinen Augen nicht! Der Kerl ist krumm wie ein Bumerang. Er laesst sich auch mit gutem Zureden und Gewalt nicht in eine grade Fischform zurueck biegen. Gefroren kann er nicht sein…hat er Leichenstarre, oder wie jetzt? Sowas haben Fische? Wie lange dauert so eine Starre und geht die beim Braten weg? Wo ist Daniel? Daniel ist Pathologe und wir haben ihn in Mindelo kennen gelernt. Der schippert grade Richtung Barbados. Um 21:00 Uhr ist Funkrunde, vielleicht ist er mit dabei… So wie unser Fisch jetzt geformt ist, kann ich ihn unmoeglich braten, er wuerde gar nicht gar werden, da er nicht die Pfanne beruehrt. Ob sich die Starre beim Braten aufloest, bezweifeln wir. Ihn in kleine Stuecke zu hacken, erscheint wegen der unkontrollierten Graeten, keine Option. Doch Filets raus schneiden? Das hab ich noch nie gemacht. Und schon gar nicht so einen krummen Hund. Vor der Abfahrt habe ich mir auf ‚youtube‘ noch Filme uebers Fisch filetieren angeschaut, aber die waren alle grade. :mrgreen: Uns bleibt nichts anderes als den Kameraden wieder in den Kuehlschrank zurueck zu legen und zu hoffen, dass Morgen (also heute) die Leichenstarre weg ist. Ansonsten alles wie gehabt, Wind, Welle und diesige Sicht unveraendert. Speiseplan Tag 5: Abendessen: Gurkensalat und Wurstbrot :cry: Zum Kochen fehlt mir jede Motivation nach dem Fisch-Debakel. Fruehstueck: Brot, Kaese, Salami, Schinken Zwischenmahlzeit: Makrele, gebraten in Limetten-Butter, mittags hat sie aufgegeben und sich pfannengerecht zurueck verformt, Papaya mit Joghurt.

Tag 4 – Die Hochseefischer

Fr., 29.Jan.16, Atlantik, Tag 608, 4.294 sm von HH, etmal 132 sm In unserer 4.ten Nacht, kurz vorm Wachwechsel um 22:00 Uhr, wir sind beide wach, ploetzlich ein AIS Dreieck auf dem Plotter. Wir sind nicht laenger allein. Wie kann es sein, dass sich auf dem riesigen Atlantik zwei Schiffe zur gleichen Zeit am fast gleichen Ort befinden? Der Fischer faehrt mal in die eine, mal in eine andere Richtung, mal mit 1,2 Knoten, dann wieder mit 5 kn. Bei 2,5 sm Abstand ruft Achim ihn ueber Funk an – man weiss ja nie, was die Burschen so treiben. In der Sendung ‚die gefaehrlichsten Jobs der Welt‘, sind die Hochseefischer raue coole Gesellen, umsichtig und tuechtig. Unser Funker ist offensichtlich ein Ninja und macht den falschen Job: Atanga: Churamaru, Churamaru for Sailing Vessel Atanga Churamaru: ohhh, mhh, dschau, chau, ohhhhhh Atanga: Good evening. We are the sailing vessel 3 nm east of your position. Have you seen us? Churamaru: ohh, yau, ohhhh, ohhhh Atanga: Have you seen us? Churamaru: ohhhh, niiiine, ohhhh, zerooo Atanga: ???? Churamaru: ohhhhhhhhh, ohhhh, niiiine, Pause Churamaru: won mooooment, ohhhh, oooooohh, niiiine, ohhh zeroooo, mehr Pause Churamaru: niiiiine zeroooo, feif notts. Wir quaelen ihn nicht mit weiteren Fragen und interpretieren, dass der Dampfer 90 Grad mit 5 Knoten beibehalten will. Und so kommt es dann auch. Siehste, Fremdsprachen-Kenntnisse werden voellig ueberbewertet. ;-) Der Wind hat etwas nachgelassen und mehr auf Ost gedreht, so dass wir nur noch die ausgebaumte Genua fahren. Das macht uns etwas langsamer und wir schaffen ein etmal von 132 sm. Zweimal steigt unsere Wind-Herta, unsere Windsteueranlage, aus. Das haben wir noch gar nicht erlebt. Offensichtlich druecken groessere Wellen das Hilfsruder der Anlage soweit zur Seite, dass der Zahnkranz ueberspringt. Das ist keine grosse Sache und leicht zu beheben: Allerdings haengt Achim dabei kopfueber ueber den Heckkorb gebeugt. Stirnlampe auf und los geht’s. Den Fehler bemerken wir schnell, weil dann das Segel anfaengt zu schlagen. Seit heute Morgen ist das Problem nicht wieder aufgetreten. Achim hat als Neuerung fuer diesen Toern zwei Hilfsbaender ins Cockpit verlegt, so dass wir die Wind-Herta bequem vom Cockpit aus verstellen koennen, wenn es noetig sein sollte. Bislang mussten wir dafuer immer nach achtern krabbeln. Eine Windsteueranlage haelt den Kurs des Schiffes nach dem Wind. Dreht der Wind, faehrt auch das Schiff in eine andere Richtung. Will man dies nicht, muss die Windsteueranlage am Schiff eine neue Einstellung erhalten. Das funktioniert bei uns ganz ausgezeichnet. Selbst platt vorm Wind haben wir keine Probleme unseren gewuenschten Kurs zu halten. Moderne Autopiloten koennen auch nach dem Wind den Kurs halten. Unser alter Kasten kann das nicht, der faehrt stur Kompass-Kurs. Speiseplan Tag 4: Abendessen: Gemuese-Kartoffelpfanne mit Moehren (frisch), gruenen Bohnen (Glas-Konserve), Zwiebeln, Kapern, Frischkaese und natuerlich Kartoffeln. Fruehstueck: frisches Brot mit Kaese und Aufschnitt Zwischenmahlzeit: Reste der Gemuesepfanne gepimpt mit angebratenen Dosen-Wuerstchen (ja, eine von den heiligen Dosen :-) ), Kekse, Nuesse