Noch einmal wandern

Fr., 8. Mai 15, Teneriffa, Tag 342, 2.477 sm von HH

Da uns der letzte Ausflug so gut gefallen hat, wollen wir noch einmal ins Anaga-Gebirge.
Die Anfahrt ist die gleiche, nur diesmal fahren wir in den Norden der Berge. Um 14:00 Uhr steigen wir an der Endstation vom Bus mitten im Nirgendwo aus.
Ich bin froh, dass ein kleines Hinweisschild meine Recherche, dass es hier einen tollen Wanderweg geben soll, bestätigt. Und Achim ist noch viel froher.

An der Nordflanke vom Anaga bleiben fast jeden Tag die Wolken hängen, aber wir haben Glück und es sind nur hin und wieder ein paar leichte Nebelschwaden unterwegs. Allerdings reichen diese aus, um es auf 800 Meter und im Schatten der Lorbeerbäume deutlich frischer als letzte Woche sein zu lassen.

Bedingt durch die viele Feuchtigkeit der Wolken ist die Wanderstrecke nicht so lieblich. Es dominiert Farn in allen Größen und Blattformen. Dazwischen wuchert Moos und überzeiht alles mit dicken Schichten. Wie ein Pelz sind Bäume und Äste umhüllt.

Im Norden ist das Gebirge schroff, steil und so entsprechend ist unser Weg deutlich anstrengend. Zahlreiche Serpentinen nehmen zwar etwas Gefälle aus dem Weg, aber wir müssen permanent abbremsen. Dieser Weg, der Camino de las Vueltas, diente früher zum Transport von Zuckerrohr nach La Laguna. Bereits 1502 wurde im abgelegenen Taganana-Tal eine Zuckerrohrfabrik gegründet und die Gegend wurde zur Hochburg des Zuckerrohr-Anbaus. Man sagt, dass der Camino so viele Kurven habe, wie das Jahr Tage hat.

Nach einer Stunde kommen wir aus dem Wald heraus und an den ersten Terrassenfeldern vorbei. Heute werden diese nicht mehr für Zuckerrohr, sondern zum Weinanbau genutzt. Die abgeschiedene Lage hat bis heute die Weinstöcke vor Krankheiten, wie der Reblaus verschont. Daher gedeihen hier noch viele alte Rebsorten.

Nach drei Stunden und 700 Höhenmeter tiefer, erreichen wir Taganana. Ein hübscher Ort, der sich an die Flanken der steilen Berge schmiegt. Die Straßen zwischen den Häusern sind aus Beton und haben ein unglaubliches Gefälle. Auf den steilsten Erhebungen, die seitlich nicht bebaubar sind, hat man einfach eine Häuserreihe auf den Grad des Hügels gebaut.

Um 18:20 kommt dann der vorletzte Bus und bringt uns durch den schönsten Teil des Anaga-Gebirges wieder nach Hause.

 

P.S. Heute, an Tag drei nach der Tour, können wir noch immer nicht schmerzfrei den Niedergang runter kommen. Schlimmer Muskelkater, schlimm, schlimm…

Flagge zeigen

Do., 7. Mai 15, Teneriffa, Tag 341, 2.477 sm von HH

Wenn die Nähmaschine schon grad mal draußen steht, nehme ich mir unsere, etwas in Mitleidenschaft gezogenen, Flaggen vor.
Wie allgemein üblich zeigen wir unter der Steuerbord-Saling die Gastlandfagge unseres jeweiligen Länder-Gastgebers.
Unter der Backbordsaling flattern unsere Vereins-Stander.

Wir sind Mitglied in der Kreuzerabteilung des Deutschen Segler Verbandes.
Dies aber eigentlich nur, weil man dann diverse Rabatte erhält.
Die zweite Flagge steht für den Trans-Ocean e.V.. Dieser Verein wurde in den 60er Jahren gegründet, in einer Zeit als es begann, dass Privatpersonen mit einer Segelyacht auf den sieben Weltmeeren reisen. Es handelt sich um eine Gemeinschaft von 6.000 Mitgliedern rund um den Globus verteilt.

Die dritte Flagge steht für Hamburg, dem Heimathafen von Atanga, meiner Geburtsstadt und der schönsten Stadt der Welt.

Ich liebe es, wenn sich Flaggen auf dem Schiff im Wind verwehen.
Daher haben wir zwei Sätze unserer Fahnen an Bord.
Aber die Halbwertszeit der Dinger ist gleich Null.

Vor allem die spitze TO Flagge wird am Ende schnell unansehnlich und franst aus.
Das läge an den hohen Geschwindigkeiten, die bei der spitzen Form entstehen, erklärt mir der Skipper. So weit, so gut, da hat man wenigstens eine Erklärung für den Schaden.

Die Ausbesserungen an den Flaggen nehme ich mit T-Shirt Resten aus unserem Putzlappen-Fundus vor. Aber T-Shirt-Stoff ist denkbar ungeeignet zum Nähen. Aber besseres Material habe ich zur Zeit leider nicht zur Verfügung.

Mit dem Nähergebnis an sich bin ich ganz zufrieden… okay, das Kreuzer-Teil ist jetzt hinter dem Kreuz etwas zu kurz, aber die TO Flagge sieht doch aus wie neu.
Dadurch, dass die Spitze jetzt so schwer ist, fängt sie bei Windstärke 4 überhaupt erst an sich zu bewegen und bei Stäre 5 auch nur ganz müde.
Das verspricht dann doch, wenn die Theorie von Achim stimmt, dass sie jetzt unendlich halten müsste.

 

Das zweite Nähprojekt des Tages geht dann schon leichter.
In Las Palmas hatte ich uns neue Kopfkissen, in den hier üblichen Maßen 50 x 60 cm, gekauft.
Also möchte ich unsere Deutschen Standardkopfkissen-Bezüge von 80 x 80 darauf anpassen. Das ist mit drei geraden Nähten schnell erledigt.
Die zwei Oberhälften, die ich von den Bezügen abschneide, ergeben zusammengenäht genau einen neuen Bezug für das Zweitkissen von Achim. Wie cool ist das denn. Das ist ja mal ein netter Nebeneffekt und ebenfalls ganz flink gemacht.
Statt umständlicher Knopflöcher, nähe ich einfach ein paar Schleifen zum Zusammenbinden.

Die beiden Schönheitsfehler, die der neue Kopfkissenbezug aufweist, betreffen mich zum Glück nicht.
Zum einen verläuft die neue Naht genau in der Mitte des Kissens, also genau übers Gesicht (kicher).
Und zum anderen habe ich das Loch zum Einstopfen des Kissens etwas zu klein genäht.
Aber ich beziehe fast nie neue Bettwäsche. Das ist hier an Bord ein Männerjob (weil das kein Spaß macht in der engen Achterkabine und echt ansträngend ist).

 

 

 

 

Reparatur des Überziehers

Di., 5. Mai 15, Teneriffa, Tag 339, 2.477 sm von HH

Wir haben zwei Vorsegel, beide sind Rollsegel.
Das bedeutet, dass die Vorsegel im Hafen nicht unter Deck verschwinden, sondern an ihrer ‚Stange‘ aufgerollt hängen bleiben.

Diese Tuchrollen wären nun permanent dem zerstörerischem UV-Licht ausgesetzt.
Ja, wären, wenn der Segelmacher nicht auf die äußere Kante des kleinen Segels einen Streifen UV-Schutz aufgenäht hätte. Dieser ist häufig farbig abgesetzt, bei uns jedoch weißer Adler auf weißem Grund.

Unser großes Vorsegel wird durch einen 17 Meter langen Überzieher vor der Sonne geschützt.
Dieser Schlauch wird durch einen ebenso langen Reißverschluss geschlossen.
Das heißt, er wurde geschlossen.
Denn dieser Reißverschluss ist kaputt. In Las Palmas waren wir schon beim Segelmacher, ob er den nicht reparieren könne. Leider nein, da der Einfädler, der in den Schlitten kommt, abgebrochen ist. Reparaturen mit Endlos-Reißverschluss sind nur am anderen Ende möglich.

Da unser Überzieher schon etwas betagt ist, wollten wir keine 150 bis 200 EUR mehr für einen neuen Reißverschluss spendieren.
Also haben wir uns überlegt, die Tüte selber zu reparieren.

Dieses soll mit Riegeln auf die Klett genäht wird, erfolgen.
Bei einem Abstand von 1 Meter, sind also zunächst 18 Riegel und auf diese, die borstige Klett-Seite zu nähen. Dann die fertigen Riegel an den Schlauch nähen und auf der gegenüberliegenden Seite 18 Mal ein entsprechendes Soft-Klett-Stück.

Zuerst schneiden wir aber an beiden Seiten die endlosen Meter Reißverschluss heraus.
Nicht, dass die nutzlosen Zähne noch am Überziehermaterial scheuern.
Kine wirklich Scheren und Menschen schonende Tätigkeit!

An die Maschine darf heute der Meister persönlich.
Achim kann mindestens genauso gut mit der Nähmaschine umgehen wie ich.
Er hat nur nicht so viel Geduld für die Feinheiten, sondern er ist der Mann fürs Grobe.
Schönheit ist ihm egal.
Dem entsprechend mäandern sich dann auch die Nähte über den Stoff.
Das macht aber nichts, das sieht in 17 Meter Höhe kein Mensch. Also darf er weiter machen.

 

Ich bin fürs Zuschneiden des benötigten Materials zuständig.
Die Fließbandarbeit klappt gut mit uns beiden. Während es am PC schon mal Diskussionen, barsche Worte oder einen handfesten Streit gibt, können wir solche Arbeiten prima gemeinsam erledigen.

Beim Hochziehen des Überziehers stellen wir dann schnell fest, dass ein Meter Abstand zu optimistisch gedacht war.
Bei 20 Knoten Wind, die in die Tüte blasen, zieht diese sich noch auseinander.
Wir schauen uns das jetzt mal ein paar Tage an, ob unsere Klett-Riegel überhaupt standhalten und wenn ja, müssen wir mit mindestens 20 weiteren Riegeln noch mal nachbessern.

 

Ein Kreuz mit dem Kreuz in Santa Cruz

So., 3. Mai 15, Teneriffa, Tag 337, 2.477 sm von HH

Zu Ehren des heiligen Kreuzes im Namen von Santa Cruz werden am Gründungsdatum der Stadt übermannshohe Kreuze auf der Prachtallee aufgestellt.
Diese werden aufwändig mit unzähligen Blumen geschmückt. Mir gefällt so eine Art von Floristik eigentlich nicht so gut, aber einige der Kreuze sind wirklich toll und aufwendig gestaltet.

Aber es gibt auch moderne Interpretationen dazwischen. Ein Kreuz ist mit Nägeln beschlagen und zwischen diesen sind Fäden in Blütenform gespannt worden.
Oder ganz minimalistisch, nur ein paar Bänder und Orangen.

Es gibt noch weitere Kreuze vor vielen Privathäusern oder öffentlichen Gebäuden. Wo man geht und steht, sind über Nacht diese Kreuze aus der Erde gestampft worden. Die ganze Show unterliegt dann noch einem Wettbewerb, aber am Siegerkreuz 2015 sind wir leider nicht vorbei gekommen.

 

 

Auf dem Rückweg vom Kreuz-Spektakel kommen wir unfreiwillig doch noch zu unserem Tanz, den wir gestern verpasst haben. In einem Park spielt zufällig gerade eine professionelle Folkloregruppe auf.

Die Musik ist angenehm, aber so gar nicht spanisch. Einzelne Elemente erinnern eher an griechische Klänge. Auch der Tanz ist sehr einfach, unaufgeregt, schlicht und bäuerlich. Ohne Dynamik, sondern total brav und unsexy.
So gar kein Vergleich mit den exzentrischen Klängen und Tänzen des Flamencos, den wir in Sevilla gesehen haben.
Diese schlichte Musik hat natürlich den Vorteil, dass sie von jedem Hilfscherif gespielt und getanzt werden kann und man nicht erst einen Gitarrenvirtuosen einfliegen lassen muss.

 

 

Fiestas de Mayo

Fr./Sa., 01./02. Mai 15, Teneriffa, Tag 335/6, 2.477 sm von HH

Hierbei handelt es sich nicht etwa um Feierlichkeiten rund um die Mayonnaise, sondern um Festivitäten aufgrund der Gründung von Santa Cruz am 03. Mai 1494.
Zur Eröffnung der Feier gibt es einen Blumen- und Kunsthandwerksmarkt im größten Park vor Ort.
Da Achim sich ja nicht so für „son Zeugs“ interessiert, gehe ich mit Gabi zum Bummeln.
Der Markt ist ganz nett und es gibt über die Blumenauststellungen hinaus, noch viele Freßstände mit lokalen Spezialitäten.

 

Der Höhepunkt der Gründungsfeierlichkeiten ist allerdings der Baile de Magos.
Diese Einladung zum Tanz findet im schönsten Altstadtviertel von Santa Cruz satt und bereits mittags ist der gesamte Bereich gesperrt.
Hunderte von Tischen mit Stühlen stehen bereit, wie ich nach dem Einkauf entdecke.

Da man zu den Feierlichkeiten nur Zugang hat, wenn man in einer kanarischen Bauerntracht erscheint, bleibt für uns der Bereich gesperrt.
Aber von einer Brücke aus kann man gut von oben zuschauen. Das hat dann zwar etwas den Charakter eines Zoobesuches, aber die Tinerfeños scheint das nicht zu stören.

Zu tausenden strömen sie in ihren Trachten herbei.
Hierbei kommen die Frauen noch ganz gut weg. Ihre Tracht besteht aus dreifarbig gestreiften Röcken in Wadenlänge unter denen ein weißer, spitzengesäumter Unterrock hervor scheint. Dazu tragen sie ein besticktes, westenartiges Bustier über weißer, schlichter Bluse.
Den Kopf ziert ein Strohhut. Entweder ist der winzig klein, dann wird ein Tuch darunter getragen, welches den Nacken bedeckt oder er ist groß, dann kommt er alleine.

Die Kluft der Männer dagegen ist etwas bedenklich.
Die Herren tragen schwarze, knielange Hosen, die an der Seite geschlitzt und zu allem Überfluß noch mit roter Stickerei eingefasst sind. Darunter trägt Mann weiße, lange Unterhosen, die ebenfalls deutlich hervor lugen. Wollweiße Garmaschen mit Strickbommeln an der Seite machen den Herren untenrum nicht schicker.
Oben rum ist es dann besser. Er trägt Weste zum weißen Hemd und einen schwarzen Hut.

Die Familien haben alle einen Tisch reserviert. Da ist der Spanier geradezu überorganisiert. An jedem Eingang zum Tanzplatz befindet sich ein Plan über die 611 Tische und es steht eine Hostess bereit, die behilflich ist, den korrekten Tisch zu finden.

 

Die Gäste bringen sich ihr Essen und Getränke mit. Meistens sogar stilecht zur Tracht, in hübschen Körben, abgedeckt mit einem Leinentuch.
Und Essen wird in Massen herbeigeschleppt. Auf die Tische kommen Papier- oder Stofftischdecken und bald schon biegen sich die Tische von den Lasten der Fressalien förmlich durch. Der absolute Wahnsinn.
Dies ist noch umso erstaunlicher, da sich die Veranstaltung in einer absoluten Restaurant-Gegend abspielt. Das wäre in Deutschland undenkbar. Ob die Gaststätten geschlossen haben oder zumindest noch Getränke ausschenken, können wir nicht erkennen.
Wer neben Gesottenem und Gebratenem noch eine Hand zum Tragen freit hat, schleppt eine Gitarre herbei.

Während sich das Areal langsam füllt, fangen die ersten schon an zu essen.

Wir überbrücken die Wartezeit bis zum Tanz in einer kleinen Kneipe, die keinen Kostümzwang hat.

Aber als wir gegen 23:00 Uhr wieder auf unserem Brückenplatz erscheinen, wird noch immer gegessen. An vielen Tischen wird schon Gitarre gespielt und gesungen. Aber jede Gruppe spielt da ihr eigenes Ding und zu uns schallt ein kurioses Durcheinander verschiedener Melodien nach oben.

Von Tanz weit und breit noch keine Spur.

Wir überlassen somit unsere Zoo-Tinefaños sich selbst und machen uns tanzend auf den Heimweg.