Winter in Neukaledonien, wohnen und ein Besuch im Museum

14.–25.08.25, Neukaledonien/Nouméa, Tag 4.093–4.104, 29.265 sm von HH

Zum Winteranfang vor zwei Monaten wurde uns gesagt: „Für die Jahreszeit zu warm.“ Jetzt scheint sich die richtige Temperatur eingependelt zu haben. Tagsüber angenehme 21 bis 23 Grad. Genau richtig. Nachts 17 Grad, perfekt zum Schlafen. So weit, so die Situation an ausgewählten Tagen.

Tiefs, die in Australien entstehen und bis nach Neukaledonien reichen, liefern sich einen Staffellauf. Sie bringen Regen, Westwind und das Thermometer sinkt auf 19 Grad. Abendessen im Cockpit entfällt. Zu kalt. Wir haben die dicken Schlafdecken hervorgeholt.
Auch die Einheimischen haben aufgerüstet. Mützen, Tücher, dicke Jacken. Damit der Körper bei 20 Grad noch irgendwo die zu warme Kleidung weg ventilieren kann, tragen sie Flip-Flops zum Fellbesatz an der Kapuze. Wir fallen mit T-Shirts und Shorts auf wie bunte Hunde

Wolljacken und Parker zu Flip-Flops.

Typische Kleidung bei 20 Grad. Alle scheinen sich über den Winter zu freuen, endlich kommen die dicken Klamotten zum Einsatz …

Wir haben nach der Lagune gut zu tun. Der Wäscheberg von vier Wochen liegt wieder sauber im Schrank. Die leer gefutterten Schränke aufzufüllen, daran arbeiten wir noch. Bislang haben wir gut von den Lebensmitteln aus Australien gelebt. Nüsse, Öl, Konserven und unser erfolgreich geschmuggeltes Bier. Alles weg.

Selbst mit Karre und großen Rucksäcken laufen wir einige Male. Zum Supermarkt sind es 1,5 Kilometer. Alles eben, gut zu laufende Strecke. Der Supermarkt ist okay, nur nicht konstant in seinem Sortiment. Hühnchenbrust haben wir dort erst einmal bekommen. Mal gibt es Gurken, dann wieder nicht. Ein großartiger Supermarkt ist 2,5 Kilometer entfernt. Leider liegt der auf der anderen Seite der steilen Stadthügel. Für einen Großeinkauf ist das unglücklich. Wir bräuchten ein Auto oder ein Taxi.

Die rote Erde, die wir an Bord geschleppt haben, ist erfolgreich bekämpft. Schuhe, Kajak, Dinghy und Deck. Alles fein. Und wenn wir schon beim Großputz sind, muss auch der Edelstahl dran glauben. Zum Glück hat das trockene Klima in Bundaberg wenig Flugrost hinterlassen. An regenfreien Tagen kommen wir gut voran.

An Regentagen arbeitet Achim an unserem Visumsantrag für Neuseeland [ ‚pain in the ass‘, um nur einen Schimpfsatz zu nennen, den er vor sich her flucht]. Ich schneide einen neuen Film oder wir gehen zusammen ins Maritime Museum.
Wir wohnen, so nennen wir die Zeiten, in denen der normale Alltag passiert.

Ab einem Alter von 60 Jahren gewährt Neukaledonien Senioren einen Rabatt in allen Museen. Statt 8,50 Euro kostet es 6,00 Euro Eintritt. Ich bekomme somit meine erste offizielle Senioren-Ermäßigung. Auf Zuruf. Die junge Frau an der Kasse glaubt Achim aufs Wort. Ich hätte lieber meinen Ausweis zeigen wollen.  :mrgreen:

Ein hübsches, kleines Museum. Viel zum Drücken und Spielen. Ein Hauptthema ist die Besegelung des Pazifiks durch die Entdecker der alten Welt. Wir staunen über die Strecken, die im 18ten und 19ten Jahrhundert zurückgelegt wurden. Tausende Meilen, scheinbar nicht betroffen von vorherrschenden Windrichtungen. Scheinbar sorglos vor Wirbelstürmen.

Die großen Entdecker des Pazifiks – von Bilboa bis Cook. Da darf Achim nicht fehlen. ;-)

Boussole und ihr Schwesterschiff Astrolabe verließen am 1. August 1785 Frankreich, um den Atlantik zu überqueren (Hurrikan-Saison).
– Bereits im März 1786 erreichten die beiden Schiffe die Osterinsel.
– Juni 1786, Alaska
– Januar 1787, China
– Juni 1787, Korea (Hauptsaison Taifune ab Juni)
– Dezember 1787, Australien, Botany Bay  (Zyklon-Saison)

In gut zwei Jahren haben die Schiffe ungefähr 33.000 Meilen zurückgelegt. Nebeneinander segelnd, um sich sicherer bei Stürmen und anderen Gefahren zu schützen. Sie haben sich ausschließlich aus praktischen Gründen getrennt, um in verschiedenen Häfen Proviant aufzunehmen.

Im März 1788 (immer noch Zyklon-Saison) verließ die Expedition Australien und verschwand spurlos. Erst 1827 fand man Überreste beider Schiffe auf der Insel Vanikoro auf den Salomonen. Die Schiffe gerieten in einen Sturm, liefen auf verschiedene Riffe und sanken. Im Abstand von 150 Metern. Echte Schwesternliebe.

In den letzten 200 Jahren wurden Wrackteile, Metallteile und Keramik geborgen. Das Schicksal der Seeleute bleibt ungeklärt. Einige Überlebende sollen sich in einer provisorischen Siedlung ein Boot gebaut haben. Dieses Boot wurde nie gefunden. Andere Seeleute wurden von einheimischen Bewohnern getötet.
Eine interessante Geschichte aus dem ‚Musée Maritime de Nouméa‘.

Die Etappen der Schiffe Boussole und Astrolabe – interaktiv durch zuschaltbare Glühbirnen sichtbar gemacht.

Perlen zum Tauschen mit Ureinwohnern – von den Schiffwracks geborgen.


Was macht denn eigentlich mein Armbruch?

Genau ein halbes Jahr ist seit dem Unfall vergangen. Die Schulter ist fast wieder hergestellt. Geschätzte fünf Prozent Beweglichkeit fehlen noch. Der linke Arm ist noch stärker, hat mehr Muskeln.
Ich kann seit drei Wochen wieder empört die Hände in die Hüften stemmen. Witziger Weise hat dieser Knick des Arms ewig gedauert. An ein paar Tier-Imitationen muss ich noch arbeiten: Das Huhn – die Daumen in die Achsel klemmen, die Ellenbogen nach hinten drücken, als ob ich Flügel hätte und gackern. Der Elefant – den ausgestreckten rechten Arm mit dem linken Arm eng umschlingen und mit dem Rüssel wackeln.
Noch ein paar Wochen und Übungen, dann sollte der Bruch Geschichte sein.

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Vom Wind durch die Lagune getrieben

09.–13.08.25, Neukaledonien/Île Quen, Île Bailly, Baie de Sainte-Marie, Tag 4.088–92, 29.265 sm von HH

Nachdem die Zöllner uns verlassen haben, brechen wir ebenfalls auf. Kräftiger Ostwind ist vorhergesagt. In der hufeisenförmigen Bucht sitzen wir dann in der Falle.
Wir wechseln auf die Westseite der Insel. Außer einem Foto bleibt nicht viel Zeit für andere Aktivitäten. Über Nacht ändert die Windvorhersage ihre Meinung: Südwind steht an.

Von der Nautilus-Bucht rechts wechseln wir auf die Westseite von île Ouen. Ankerbuchten gibt es wahrlich genug.

Auch bei Nieselregen schön – die struppigen Inselchen.

Wir wechseln die Insel. Die ersten Vororte von Nouméa sind zu sehen. Es ist Wochenende. Die Einheimischen kommen mit kleinen Booten, um am feinen Sandstrand ihre Kinder zu bespaßen und ihre Wasserspielzeuge zu testen. Kurz vor Sonnenuntergang sind alle weg. Wir bleiben alleine zurück.

Schnell zu erreichen mit einem kleinen Boot aus Nouméa. Naherholung vom Feinsten. Im Hintergrund schon die Berge der Mutterinsel.

Bis 1:00 Uhr morgens liegen wir ruhig und geschützt. Dann dreht der Wind auf Nord. Igitt. 30er Böen zerren am Anker. Eine fiese Windsee baut sich auf. Vier schlaflose Stunden später beruhigt sich der Wind. Wir halten noch ein Nickerchen. Beim Aufwachen hat der Wind auf Nordwest gedreht. Die Vorhersage verspricht mehr West.

Wir wechseln die Insel. Suchen uns eine Bucht auf der Rückseite von Nouméa. Hier waren wir schon mal zu Fuß. Großstadtgeräusche erreichen uns. Der Anker fällt vor einem Segelklub. Kinder in Optimisten, Ruderer und Kiter. Halb Nouméa ist auf den Beinen. Wir schlafen gut. Allerdings hat der Wind über Nacht weiter auf Süd gedreht. Schwell läuft in die Bucht. Atanga nickt. Wir frühstücken. Atanga nickt mehr.

Wochenende und Ferienbeginn – alle sind unterwegs.

Liegeplatz in Stadtnähe – die Marina ist Luftlinie nur vier Kilometer entfernt.

Wir wechseln die Insel. Eine Meile gegenüber finden wir eine bessere Bucht. Dort liegen wir wie in einer Badewanne. Prima. Nach vier Tagen ohne Landgang paddeln wir mit Waka zum Sandstrand. Wir bleiben zwei Nächte.

Hübsche Insel – Uere

Uere ist problemlos in einer Stunde zu umrunden – am Außenstrand Kiesel – in der Bucht grober Sand.

Ja, da braut sich was zusammen …

… ob der Segler verschont wurde, haben wir nicht mehr gesehen.

Wir bekommen den Schauer jedenfalls voll ab.

täglicher Ankerbuchten-Wechsel – an Buchten herrscht kein Mangel

Dann ist unsere Zeit in der Lagune zu Ende. Nach gut vier Wochen Lagunenleben fahren wir in die Marina zurück. Es wird Zeit für einen Supermarkt. Frische Sachen sind lange aufgebraucht. Die letzten Tage waren dominiert von Hülsenfrüchten: Thunfischsalat mit grünen Linsen, Kartoffelsuppe mit roten Linsen und Fischcurry mit grünen Bohnen. :roll:
Der Wein ist auch alle. Es wird Zeit.

Wir bekommen problemlos einen Liegeplatz. Es sei absolut nichts los, erzählen uns die Damen aus dem Marina-Büro. Wir werden herzlich willkommen geheißen. Und ein bisschen Zuspruch über den neukaledonischen Zoll bekommen wir auch geschenkt als wir unsere Geschichte berichten. „Für einen Job beim Zoll gilt als Einstellungs-Kriterium, dass man unfreundlich ist“, lästern die Damen über ihre Landsleute ab.

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Ein unfreundlicher Besuch

08.08.25, Neukaledonien/Île Ouen, Port Koube, Tag 4.087, 29.243 sm von HH

Wir sind gerade mit dem Frühstück fertig, da hören wir ein Motorengeräusch. Mit schneller Fahrt nähert sich ein Schlauchboot. Ein Blaulicht geht an. „Bonjour“, ruft Achim. Sein Gruß wird erwidert und die Frage gestellt, ob wir Französisch sprechen. Ein paar lockere Sprüche von Achim über unsere schlechten Sprachkenntnisse ignoriert die Besatzung. „Wir sind vom Zoll und wollen an Bord.“
Das ist erlaubt. Fast überall auf der Welt hat der Zoll das Recht auf solche Maßnahmen. Man stelle sich aber vor, wenn vier Männer das Hotelzimmer stürmen, in dem man drei Wochen Urlaub macht (danke, Inga für diesen Vergleich). Ein Eindringen in die Privatsphäre ist immer unangenehm.

Mit eisigen Mienen und wortkarg entern die vier Herren unser Boot. Einer behält seine Sturmhaube auf. Vermummt bleibt er an der Badeleiter stehen. Die anderen drei drängen ins Cockpit. Zwei führen die Unterhaltung mit uns, einer bleibt stumm.

Sie wollen wissen, wie lange wir schon in Neukaledonien sind. Ob und wo wir einklariert hätten. Und ob wir nur zu zweit an Bord seien. Achim berichtet, dass in Nouméa ein Mann von der Biosicherheit an Bord war, dass die Marina die Zoll-Formalitäten für uns übernommen hätte und dass wir selber zur Immigration gegangen seien, um einzuklarieren. „Nein, eine schriftliche Bestätigung vom Zoll haben wir nicht von der Marina erhalten.“

Die Unterhaltung zieht sich, da das Englisch der Zöllner nicht so fließend ist. Da entdeckt einer der Herren Achims Leathermen im Gürtelhalfter. Unser Cockpit wird zur Messerverbotszone: „Bitte das Taschenmesser rausnehmen und abgeben.“ Wir bekommen runde Augen. Die vier Männer sind mit schusssicherer Weste und Pistolen ausgerüstet. Was könnte Achim da wohl für einen Angriff starten?

„Wir gehen jetzt nach unten“, verkündet der Wortführer. Ich mache Anstalten vorweg zu gehen, werde aber in meinen Sitz zurück genötigt. Die beiden steigen laut rufend den Niedergang herunter: „Hallo, Zoll Neukaledonien. Hallo, Zoll Neukaledonien. Ist jemand da?“

Sehr albern. Wir können uns ein Grinsen kaum verkneifen. Ich erwarte jeden Moment ein „gesichert, alles sauber“ zu hören. Wir bekommen mit, dass ein paar Schapps geöffnet werden. Die beiden gehen nach hinten, werfen einen Blick ins Bad und Vorschiff. „Wir möchten die Pässe sehen und die Einklarierungspapiere“, schallt es von unten. Achim geht runter und holt die gewünschten Unterlagen. Leider passiert ihm ein kleines Missgeschick. Er zieht aus Versehen seinen zweiten Pass hervor, mit dem er nicht einklariert hat.

Als alle wieder im Cockpit sitzen, fällt beim Vergleich der Unterlagen auf, dass Achim den falschen Pass erwischt hat. Er will nach unten gehen, um den richtigen Pass zu holen. Alleine darf er nicht, einer der Zöllner begleitet ihn.
Als Achim aufsteht, gibt er den Blick auf die Nautilusse frei, die wir gestern gefunden haben. Die ganze Zeit habe ich sie wegen der Grauzonen-Problematik schon im Hinterkopf. Die beiden Exemplare liegen unschuldig auf der Sitzbank und sind bislang unentdeckt geblieben. Der stumme Mann Nummer drei wird jetzt auf sie aufmerksam und nimmt sie in Gewahrsam.

Zunächst ist aber noch der doppelte Pass Stein des Anstoßes. Warum, wieso, weshalb wir den haben, wird gefragt. Achim erklärt, dass wir vielleicht durchs Rote Meer zurück nach Europa wollen und wenn wir zuerst in einem arabischen Land waren und dann nach Israel möchten, könnte es Probleme bei der Einreise geben.

Eine lebhafte Diskussion auf Französisch entbrannt. Sogar Sturmhaube quetscht sich jetzt noch ins Cockpit. Wir verstehen, dass einer der Männer die Problematik zu kennen scheint und dass er versucht, seinen Kollegen die Sachlage zu erklären.
Sturmhaube schüttelt den Kopf. Er weiß nichts davon. Achim sagt, dass es in Deutschland legal sei, zwei Pässe zu besitzen. Sturmhaube lässt das nicht gelten: „Wir sind hier in Frankreich. Hier gibt es so etwas nicht. ***  Mich interessieren die Regeln in Deutschland nicht.“
Achim hält dagegen, dass wir ja nun aber mal Deutsche seien. Er habe diesen zweiten Pass zu Recht. Harsch gebietet Sturmhaube, der sich als der Chef der Viergruppe entpuppt, Achim ruhig zu sein. Er wird den Vorfall prüfen lassen. Sich an seine Vorgesetzten wenden.
Da fallen ihm die zwei Nautilusse wieder ein. Dass wir die an Bord haben, sei auch illegal. Wo wir sie herhaben? Ob wir noch mehr haben? Oder andere verbotene Substanzen? Waffen? Drogen? Schildkröten?

Als ich ansetzte, um zu erklären, was wir mit den Nautilussen vorhaben und dass ich gelesen habe, alte Schalen dürfte man behalten, wird Sturmhaube ungehalten. „Hier wird nicht diskutiert. Basta!“

Er gibt seinen drei Männern Anweisungen, noch einmal das Schiff zu durchsuchen. Achim muss mit nach unten. Er muss die Arme heben und wird auf Waffen abgetastet (direkt neben der Magnetleiste mit den Fleischermessern; Anmerkung der Redaktion).
Vermeintlich wird jetzt gründlicher gesucht. Das ist auf einem Boot eine fast unlösbare Aufgabe. Somit öffnen sie noch einmal die gleichen Schränke. Wieder ohne auf verdächtige Gegenstände zu stoßen. Solange, bis einer auf unsere Mehrvorräte stößt. Umgefüllt in 5-Liter Wasserflaschen sieht das nun wirklich nach Drogen aus. Achim erzählt ihm, dass es sich nur um Mehl handeln würde. Auf eine Krimi typische Geschmacksprobe verzichtet der Mann vom Zoll.

Ich muss derweil bei Sturmhaube im Cockpit bleiben. Eine Leibesvisitation hält er für entbehrlich. :mrgreen: Er ignoriert mich komplett. Dafür blättert er intensiv in unseren Pässen. Vergleicht Achims Pässe akribisch. Sogar die eingeprägten Sterne auf den Außenseiten der Pässe tastet er ab.
Gedanken sind frei und meine formulieren immer häufiger das Wort ‚Spinner‘.
Dann telefoniert er zweimal. Er spricht nicht mit Mutti, so viel bekomme ich mit. Jemand erhält die Nummern der Pässe. Er macht Fotos. Viel Palaver, viel Aufregung seitens Sturmhaube.

Ich höre wie unten die Klappe vom Motorraum auf unsere Bodenbretter knallt. Das Öffnen der zweiten Motorraumklappe verhindert Achim gerade noch. Baut man vorher nicht die Leiter vom Niedergang ab, verbiegt man alle Scharniere. Das erscheint den Herren dann doch zu viel Mühe, auf das Öffnen wird verzichtet.

Endlich scheinen die drei mit ihrer Durchsuchung zufrieden. Alle nehmen wieder im Cockpit Platz. Sturmhaube steigt wortlos auf das Schlauchboot über, um dort weiter zu telefonieren.
Der vorherige Wortführer belehrt uns, dass sie die skandalöse Passangelegenheit an die Behörden in Nouméa weiterleiten. Das regt uns nicht auf, denn bei der Einreise wurden wir nicht nach dem Besitz von weiteren Pässen gefragt. Es gibt Länder wie Neuseeland, die dies abfragen und dort haben wir stets alle Pässe angegeben.

Der Besitz von Nautilussen sei verboten, belehrt uns der Wortführer weiter. Achim gibt die einzig richtige Antwort auf diesen Umstand: „Das haben wir nicht gewusst.“ Das wird mit einem wohlwollenden Nicken quittiert. Ich verzichte auf weitere Erläuterungen zur Causa Nautilus.  Zur großen Freude vom Skipper. ;-)

„Wir beschlagnahmen die Nautilusse. Sie kommen in die Asservatenkammer. Oder sie werden als abschreckendes Beispiel in den öffentlichen Büros beim Zoll ausgestellt.“
„Man könnte sie auch ins Meer zurückwerfen. Dann würden sie an den Strand gespült und blieben dort, wo sie hin gehören“, findet Achim.
„Nein, das ist nicht möglich“, entgegnet der Zollmann. Aber sie sehen davon ab uns eine Strafe zu verhängen. Und das, obwohl der Besitz von einem Nautilus – jetzt wird es unglaubwürdig – gleichzusetzten sei mit Waffen oder Drogen.
Wir rollen innerlich mit den Augen.

Es werden handschriftlich und langatmig zwei Protokolle aufgesetzt. Einer über die Kontrolle an sich und eins über die Nautilus-Schalen. Noch zweimal wird betont, dass auf eine Strafe verzichtet wird. Viel Lob von unserer Seite bekommen die Herren für ihre Großzügigkeit nicht. Unser Dank wird ihnen ewig nachschleichen müssen.

Der unfreundlichste Besuch vom Zoll, den wir bislang erlebt haben, findet nach 90 Minuten ein Ende.

 

Da dampfen sie ab. Sturmhaube und seine drei Freunde.
Leider ohne Blaulicht, aber sinnlos mit zwei Perlboot-Schalen im Gepäck.

*** Eine unrichtige Aussage, wie uns später das Internet bestätigen soll. Frankreich hat mehr oder weniger das gleiche Passrecht wie Deutschland. Sturmhaube ist also nicht nur unfreundlich, sondern auch unwissend.

68

Der Nautilus Strand

07.08.25, Neukaledonien/Île Ouen, Port Koube; Tag 4.086; 29.243 sm von HH

Unsere Abfahrt aus den Mangroven-Flüssen verschiebt sich. Ein Tiefdruckwirbel in der Tasman-Sea erreicht Neukaledonien. Die vorhergesagten 39er Böen bleiben in der Front aus, dafür bringt uns die Rückseite kräftigen Wind mit viel Regen. Wir bleiben auf dem Schiff. Nach drei Tagen Home-Office ist das Schlimmste vorbei, wir wollen weiter. Als wir Anker aufgehen, bleibt die befürchtete Schlacht mit dem roten Schlamm aus. Kette und Anker sind blitzsauber. Das mag verstehen, wer will. Unser Cruising-Guide hält wilde Beschreibungen darüber parat.

Typisches Tief im Winter in der Tasmansee. Riesig groß wird der halbe Westpazifik mit viel Wind erfreut. Und auf der Rückseite hinterlässt er ein Chaos an Winddrehern. Plus Regen. foto credit: windy

Die Leinen für die Ankerentlastung sind stark verfärbt. Schlamm ist also unterwegs in der Mangrovenbucht.

 

Der kräftige Westwind hält an, wir brauchen eine Bucht mit Schutz. Nur dreizehn Meilen weiter finden wir das Richtige für uns. Die Einfahrt zwischen den Riffen ist schmal, aber auf die Franzosen ist Verlass. Die Navionics-Karten sind exakt.

 

Neukaledonien erscheint uns relativ arm an Riffen an den Ankerplätzen. Es gibt nicht die Unterwasser-Korallenberge wie in Polynesien. Aber eng an Riffen vorbei zu fahren, fördert den Blutdruck.

Wir haben die große Bucht für uns alleine. Mit dem Kajak geht es an Land. Der Strand ist rot-braun. An den Rändern wachsen Mangroven. Bei Ebbe bietet das herrliche Matsch-Wanderungen.

Nicht klassisch schön, aber ein interessanter Strand.

Glücklicher Kapitän :-)

Der Matsch saugt so sehr, dass ich kurzfristig dachte, ich käme nicht wieder raus. :-)

 

Noch Osten offene Bucht. Nach langer Zeit finden wir wieder Müll am Strand.
Neuseeland und Australien sind, dank glücklicher Strömungen, fast Müll frei.

 

Die echten Schätzchen der Bucht finden wir am Ufersaum. Schon halb vom Sand vergraben: Perlboote. Oder auch Nautilus-Schalen. Erst eine – wir zählen uns schon zu den Glückspilzen – dann schauen wir genauer hin. Am Ende entdecken wir mehr als zwei Dutzend Stück. Alle sind stark verwittert. Die braunen Streifen ausgebleicht. Und alle haben Beschädigungen.

 

Fundstücke.
Die Färbungen sind nur so deutlich zu erkennen, weil wir die Schalen angefeuchtet haben.

 

Nautilusse oder Nautili sind erstaunliche Tiere. Sie leben tagsüber in 300 bis 500 Meter Tiefe. Nachts steigen sie bis auf 50 Meter auf und suchen hier nach Futter. Aas, Krebse und kleine Fische.
Als Kopffüßler sind sie mit Tintenfischen verwandt. Nur die Tentakeln und Augen schauen aus der Öffnung der Schale. Der gesamte Körper – eher ein Verdauungssack – steckt in der letzten Kammer Richtung Öffnung der Schale.
Bei Gefahr kann diese Kammer mit einem Horndeckel verschlossen werden. Die anderen Kammern der Schale sind mit Luft oder Wasser gefüllt und dienen dem Perlboot zur Steuerung. Ähnlich wie ein U-Boot mit Ballasttanks: Wasser rein – sinken; Wasser raus, Gas rein – steigen.

Die Schale wächst spiralförmig mit. Jede neue Kammer ist 1,25-mal größer als die vorherige. Eine perfekte logarithmische Spirale entsteht. Wenn der Nautilus zu groß für seine Wohnkammer wird, verlängert er das Ende seiner Schale. Sobald der Anbau fertig ist, zieht er um. Hinter sich fängt er an, eine Kalkwand zu errichten, die ihn von der alten Kammer trennt. Ist diese Wand fertig, wird sie zur Auftriebskammer umfunktioniert. Bis zu dreißig Mal passiert dieses Bauwunder im Leben der Nautilusse.
Fressfeinde wie Haie und Barrakudas knacken die Schalen kaputt. Kraken können den Nautilus ohne Beschädigung seiner Hülle fressen. Um ihren Bewohner beraubt, schwimmen diese Schalen auf und landen am Strand.

 

Die einzelnen Kammern. In der Mitte gut zu sehen die Tarierungs-Röhre, der Siphunkel.

Der Siphunkel zieht sich durch alle Kammern.

Querschnitt einer Nautilus-Schale.
Mit Chat-GPT erstellt – Grafik credit.

Wir suchen die zwei besten Schalen raus und nehmen sie mit an Bord. Besonders selten scheinen Perlboot-Schalen ja nicht zu sein in Neukaledonien.  Ich bin skeptisch, ob wir die Schalen behalten dürfen. Eine Recherche im Internet gibt eine halbe Entwarnung. Das Thema ist eine Grauzone.
Perlboote stehen unter Artenschutz. Das Fangen und Töten ist verboten. Frische Schalen sind ebenfalls geschützt, weil sie als Teil des Tieres gelten. Alt, verwittert und angespült wird der Besitz meistens toleriert.

Hmm, „Grauzone und meistens“, das klingt nicht vertrauenserweckend. Außerdem sind die Schalen sehr groß. Wohin damit? Und sie sind schon arg kaputt. Lohnt sich das Aufbewahren oder stauben sie nur voll?

Auf einigen Pazifikinseln glaubte man, dass die Schalen einem Ohr gleichen mit dem die Götter die Gebete der Seefahrer hören. Ein Kapitän, der ein Perlboot mitführte, sollte immer Glück auf See haben. Dieser Mythos spricht für „behalten“. Ein bisschen Aberglaube kann ja nicht schaden.

Wir legen die beiden Schalen ins Cockpit auf die Bank für ein paar Fotos am nächsten Tag. Und dann wollen wir entscheiden: behalten oder Seebestattung.
Dieser Fehler soll uns am nächsten Morgen noch in Schwierigkeiten bringen. :mrgreen:

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Giftig schöne Prony-Bucht

30.7. – 02.08.25, Neukaledonien/ Baie du Prony; Baie du Carenage , Tag 4.078-81, 29.230 sm von HH

Wir verlassen den äußersten Rand der Lagune und kehren zur Mutterinsel zurück. Erneut in die große Prony Bucht. Diesmal fahren wir tief in das verschlungene Gewirr dreier Flussmündungen ein.  Stärker könnte der Kontrast zur Trauminsel Pines nicht sein. Wir ankern jetzt inmitten der Mangroven in undurchsichtigem Wasser.

Flussmündungen in der Bucht von Prony – foto credit Rocket Guide New Caledonia.

Atanga im Flussgewirr.

Tief mäandern sich mehrere Flüsse und Bäche in die Bucht hinein.

Zwei weitere Boote liegen in der Bucht, eins ist unbewohnt auf dem anderen wohnt ein junges Kanak-Pärchen.
Das glattgezogene Wasser der Flüsse ist ideal für das Kajak. Tief können wir in Nebenarme und Buchten gelangen. Die Wälder sehen von der Wasserseite undurchdringlich aus, aber ein weit verzweigtes Netz an Mountainbike-Strecken zieht sich durch die Berge. Wir können an verschiedenen Stellen aussteigen und auf guten Wegen die verwinkelten Buchten durchstreifen.

Wunderbar geschützter Ankerplatz. Meisten herrscht Flaute.

Hier war es einfach an Land zu kommen.

 

Überraschend dann schon wieder ein Selfie mit Boot. ;-)

Eine heiße Quelle. Es gibt mehrere in der Bucht. Diese ist als Touristen-Super-Spot gekennzeichnet und über Schotterpisten mit dem Auto zu erreichen. Alles ist vermodert und wenig einladend.

Auffällig ist der Mangel von Vögeln und Insekten. Nicht eine Ameise trippelt auf dem Waldboden, selten huscht eine Eidechse ins Laub. Wir können im Schatten am Mangrovensaum sitzen und werden nicht gestochen. Was ist hier los? In Nouméa wurden wir von Mücken und Sandflies (Nonos oder ähnlichen Quälgeistern) noch gefressen.

Die Bucht von Prony ist giftig. Der Erdmantel, der normalerweise in 50 bis 100 Kilometer Tiefe beginnt, ist hier an die Oberfläche getragen worden. Das rote Gestein ist voll mit Schwermetallen, wie Nickel, Chrom und Kobalt. Dafür fehlt Kalium und Phosphor. Gewächse konnten sich an diese toxischen Bedingungen erfolgreich anpassen. Viele der hier wachsenden Pflanzen sind auf metallische Böden spezialisiert. Insekten waren da weniger erfolgreich. Sie glänzen durch Abwesenheit. Keine Insekten ==> keine Vögel, keine Echsen.

Ausgerechnet hier finden wir Kannenpflanzen, die Insekten fangen, um sich mit Nährstoffen zu versorgen, was ihnen mit dem schlechten Boden nicht gelingt.
Als ob es nicht sowieso schon zu wenig Insekten hier gibt.

Die Kanak haben hier nie gesiedelt. Sie haben die schlechte Struktur des Bodens erkannt. Yams wuchsen hier nicht. Die Bucht galt mit bösen Geistern bewohnt. Vielleicht gab es hier mehr Krankheiten oder die Frauen waren weniger fruchtbar.
Wir treffen auf Gilles. Er wohnt seit 1992 hier im Wald. Seit zwölf Jahren dauerhaft. Hat sich ein kleines Paradies aufgebaut, trinkt das Flusswasser und erfreut sich bester Gesundheit. Die Schwermetalle sind nicht wasserlöslich. Somit alles bestens.

Gilles hat unser Kajak von seinem Vorgarten aus gesehen und kommt in gewagtem Outfit, um sich uns als unser Touristen-Guide vorzustellen. Er hat viel zu erzählen über die Bucht. Auf der Insel geboren.

Bereits seit 1992 wohn Gilles hier mitten im Wald. Ein Wohnhaus, dazu ein extra Gebäude als Dusche und ein kleiner Solarpark. Alles tippitoppi in Schuss. Ein netter Kerl, der uns bereitwillig sein Grundstück zeigt.

Wenn man genau hinschaut, sieht man unser Kajak quer im Fluss verankert. Ganz im Hintergrund hat Gilles sein Haus- versteckt im Wald.

Süßwasser – trotz Schwermetalle trinkbar.

Vor 150 Jahren wurden die Berge entwaldet. Das nur 60 Kilometer entferne Nouméa war hungrig nach Holz. Der Wald hat sich wieder erholt, aber der Bucht wird durch Nickel-Abbau übel zugesetzt. 25 Prozent der weltweiten Nickelvorräte sollen hier noch unter der Erde liegen. Im Tagebau wird das Metall gefördert. Im Wesentlichen für die Edelstahl-Produktion und Lithium-Batterien.

Der humusarme Boden ist von Haus aus einer starken Erosion ausgesetzt. Der Nickelabbau sorgt für zusätzlichen Stress. Immer wieder kommt es zu Erdrutschen, die Laichgebiete verschütten. Beim Nickelabbau kommt Schwefelsäure zum Einsatz. Mehrere Säureleck-Unfälle hinterließen Umweltschäden. Kanak-Gruppen und Umweltverbände fordern strengere Kontrollen. Mit lauem Erfolg.

Überall wird etwas gegen die Erosion unternommen. Bäume gesetzt und für Bewässerung gesorgt.
Wir haben Gilles nicht gefragt, vermuten aber, dass er daran beteiligt ist. Er sprach von seinem riesigen Garten, den er betreut.

Übelste Schäden an der Straße über die man die Prony-Bucht erreichen kann.

Auf der Ostseite der Prony-Bucht liegt ein Teil der Nickel verarbeitenden Industrie. Es sieht giftig aus von Weitem. Aber wir wollen ja alle Edelstahl und Batterien haben.

Erosion. Menschengemacht und natürlichen Ursprungs. Der rote Boden hält keinen Humus.

Der Kontrast zwischen den grünen Hängen und der roten Erde ist schön anzusehen. Aber der Boden stammt direkt aus der Färber-Hölle. Beim Aussteigen aus dem Kajak versinke ich bis zur Wade im weichen, roten Schlamm. Nicht nur, dass er klebt wie frisch gespuckter Haferschleim, Fußnägel und Hornhaut dürften für Wochen orange verfärbt bleiben. Unsere Crocs geben die Farbe sicher nie wieder her. Erste Spuren sind trotz Schuhtüten im Cockpit zu finden. Die spontanen Verfärbungen sind der Wahnsinn.

Da fällt uns unser Anker ein. Er dürfte dick im roten Schlamm stecken. Wenn das Zeug aufs Schiff gerät. :shock: Wir möchten kein orangenes Deck. Ein vorsichtiger Test hat ergeben, dass das Flexiteek abweisend zu sein scheint. Trotzdem arbeiten wir gerade einen Plan aus, wie wir das Problem lösen, wenn wir Morgen diese spannend-giftige Bucht verlassen.

Matschige Landung. Hier war die Croc-Welt noch in Ordnung,

Bei Niedrigwasser kann man gut erkennen wie viel Sediment in die Bucht gespült wird. Stellenweise soll die Schicht einen Meter dick sein.

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