Archiv der Kategorie: Gambier

Lockerung des Lockdown

Mo., 20.Apr.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2150, 20.254 sm von HH

Der Hohe Kommissar – der ‚Hout commissaire‘ wird doch nicht meinen Bericht „mehr Augenmaß, bitte“ gelesen haben? Nein, unwahrscheinlich. Er ist von alleine auf die Idee gekommen, dass die Inseln ‚draußen‘ eine andere Behandlung brauchen als die einzigen Inseln mit Corona-Fällen: Tahiti und Moorea. Nach vier Wochen gibt es erste Erleichterungen des Lockdowns. Die Ausgangsbeschränkungen tagsüber sind aufgehoben. Die Kinder gehen ab Morgen oder Übermorgen wieder zur Schule und die Locals und wir dürfen mehr oder weniger machen, was wir wollen. Versammlungen sind noch untersagt und in die Kirche darf nur die Hälfte der maximalen Kapazität, höchsten fünfzig Personen. Nachts zwischen 20:00 Uhr und 5:00 Uhr ist die Ausgangssperre bestehen geblieben. Man könnte denken, das Virus sei nachtaktiv. Egal, wir sind happy!

Der Alkoholverkauf ist – noch eingeschränkt – ebenfalls wieder erlaubt. Es gibt Wein und Bier von Montag bis Donnerstag zu kaufen. Die so liebenswürdigen Polynesier verhalten sich zu Hause wohl nicht ganz so freundlich. Häusliche Gewalt soll weit verbreitet sein. Das wollte man mit dem Verbot des Alkoholverkaufs unterbinden. Aber wir haben gehört, dass dies nicht recht geklappt haben soll. Die Einheimischen saufen nun selbstgebranntes Zeug und verprügeln noch immer ihre Kinder. Damit jetzt nicht alle blind oder doof im Kopf werden, hat man den leichten Stoff wieder freigegeben. Ein kleines Detail: Bier darf nur warm verkauft werden, um eine Sofortvernichtung noch an der Kasse zu verhindern.

Uns treibt es den ersten Tag der Bewegungsfreiheit in die Botanik. Es ist nicht so, dass wir an Bord nicht genug Zeit miteinander verbracht hätten. :mrgreen: Aber eine Wanderung zu zweit macht uns dann doch doppelt so viel Spaß. Wir gehen erst mal eine einfache Strecke ohne viel Steigung – aus Rücksicht auf die mangelnde Kondition von Oma und Opa Willner. Wir genießen und die Einheimischen genießen. Die Lethargie und die trübe Atmosphäre im Dorf sind verschwunden. Alle sind aufgeräumt, ja euphorisch. Am Gartenzaun wird ein Schwätzchen mit uns gehalten, wir sind wieder willkommen. Überall fröhliche Gesichter, Musik schalt durch den Ort. Die Kinder toben mit ihren Rädern auf der Straße. Das normale Leben ist zurück. Unsere englischen Nachbarn betätigen unseren Eindruck: „Es war heute toll im Dorf, war es nicht?“ Der Mensch ist nicht dazu gemacht, um eingesperrt zu sein.

Freude über unsere neue Freiheit am Lieblingsplatz

Quarantäne-Fakten

Fr., 17.Apr.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2147, 20.254 sm von HH

1. Der Schuld-Faktor
Das wichtigste zu erst. Es ist ganz einfach – Achim hat Schuld! :mrgreen:
Wenn er nicht auf eine zweite Saison in Französisch Polynesien bestanden hätte, könnten wir jetzt im superschönen Neuseeland weilen. Mit prall gefüllten Supermärkten und würden nicht vor Anker am Ende der Welt hängen mit einem Versorgungs-Schiff, was alle drei Wochen Kohl, Möhren und Zwiebeln bringt, die nach wenigen Tagen ausverkauft sind.

2. Der Alkohol-Faktor
Der Alkohol-Verkauf in Französisch Polynesien ist verboten seit, keine Ahnung, über zwei Wochen. Wein haben wir schon viel länger nicht mehr an Bord. Das ist blöd, gibt es doch im Netz den hilfreichen Tipp, bereits sein Frühstücksmüsli mit Rotwein statt Milch einzuweichen. Die Quarantäne bekäme dann bereits morgens einen rosa Schimmer und nach drei Tagen hätte man sich auch an den schlechten Geschmack gewöhnt.
Wir haben noch einen Bier-Vorrat für wenige Tage. Da wir selten harte Sachen trinken, konnten wir in der Bilge noch eine Flasche Rum aus Panama (zwei Jahre alt) und eine angebrochene Flasche Anis-Schnaps aus Gomera (5 Jahre alt) finden. Zunächst sind wir gerettet!

3. Der Ankerplatz-Faktor
Hier haben wir es richtig gut getroffen: Traumhaftes Wetter seit vier Wochen. Nicht zu warm, grad 25 bis 26 Grad, nachts kühlt es ab, so dass wir gut schlafen. Die Aussicht auf die Berge ist wunderschön und halbwegs türkis Wasser ist auch noch da. Der Ankergrund ist bombig haltender Schlamm, dadurch ist das Wasser etwas milchig und nicht kristallklar, aber trotzdem verlockend zum Reinspringen.
Wir sind hier sicher vor Wirbelstürmen – die Saison ist in gut vier Wochen endgültig zu Ende. Die Segel-Kollegen in der Karibik müssen sich Sorgen um die nahende Hurrikan-Saison machen. Wohin, wenn Dich kein Land aufnimmt? Das bleibt uns erspart. Außerdem haben wir die friedfertigsten Gastgeber der Welt. Kriminalität gleich Null – Französisch Polynesien gilt als eines der sichersten Länder der Welt. Wir schließen weder Kajaks, noch Dinghy ab. Der Niedergang bleibt nachts offen. Es wird hier nicht gestohlen und es haut einem auch keiner einen Stein an den Kopp.

4. Der Gefühl-Faktor
Eine der häufigsten Antworten auf die Frage, was ist am Langfahrsegeln das Schönste, lautet von vielen Crews: die Freiheit! Damit ist nun mal Schluss. Regierungen, die zufällig auf unserem weiteren Weg liegen, entscheiden über unsere Freiheit. „Du kommst hier nicht rein!“ Der Bürgermeister unserer kleinen Gastgeber-Insel befindet, dass wir nur eine Stunde täglich allein an Land gehen dürfen. Französisch Polynesien untersagt uns das Segeln in ihrem Land. Unfrei, gefangen, eingesperrt, bestraft, so fühlt es sich an.
Das Auswärtige Amt hat über 200.000 Deutsche heim ins Reich geholt. Manchmal denke ich, wir sind die letzten, die ‚draußen‘ geblieben sind. Das fühlt sich einsam an. Das stimmt natürlich nicht, hunderte, ja tausende Segler aus der ganzen Welt sind auf ihren Booten geblieben. Viele, so wie wir, haben zu Hause ja auch gar kein Zuhause mehr. Unser Boot ist unser Heim. Das könnten wir nicht irgendwo an einer Ankerkette zurück lassen und hoffen, dass wir es in einem oder zwei Jahren wieder sehen werden. Was mag dann übrig sein von unserem Zuhause? Somit war es nicht eine Sekunde eine Option für uns Atanga zurück zu lassen.
Das zweite große Gefühl ist die Ungewissheit. Was wird das Virus noch anrichten? Was wird aus uns werden? Wie lange wird es dauern? Wohin können wir? Und auch Kleinigkeiten beschäftigen uns: wie kommt eine Ersatzkreditkarte hierher? Jetzt schicken lassen oder später? Sind wir dann überhaupt noch hier? Wie lange reicht unser Bargeld (einen Automaten gibt es hier nicht – entweder du hast lokale Währung, US-Dollar oder du „hungerst“). Fragen über Fragen. Das fängt an zu bohren.

5. Der Zwischenmenschliche-Faktor
Wir sind ein Paar, was sich streitet (was aber nichts mit Punkt 1 zu tun hat ;-) ).
Wir vertragen uns aber auch schnell wieder. Viele Paare streiten sich ja nie, wenn man ihren Blogs oder Aussagen Glauben schenken darf. Sie sitzen auf ihren Booten und ‚finden ihren Frieden‘ … ‚kommen zu sich selber‘ … ‚genießen die Reduzierung auf die Gemeinschaft‘. Da kann bei mir schon mal etwas Sozialneid aufkommen bei so viel Glück.
Denn bei uns ist das anders. Wir sind wie immer. Achim nervt mich, ich nerve Achim. Nicht mehr und nicht weniger als sonst. Und natürlich nicht immer. Ab und an gibt es eine Diskussion über etwas oder eben sogar einen Streit. Dann beruhigen sich alle wieder, es folgt die Versöhnung und gut. Wir haben uns in den letzten sechs Jahren zusammen gerauft, unseren Rhythmus gefunden, wie wir auf engem Raum miteinander auskommen können. Wir schätzen uns, wir schenken uns Freude, wir achten uns. Und während ich das schreibe, vergeht der Neid auch schon wieder, weil wir andere Menschen meistens für glücklicher halten als sie sind.

6. Der Zukunfts-Faktor
Wenn man realistisch darüber nachdenkt, erscheint es uns ziemlich sicher, dass wir das nächste halbe Jahr hier nicht wegkommen. Darüber kann ich schon mal eine Träne ins Kissen quetschen. Gefangen! Nicht nach Hause fliegen. So sehr hatte ich mich im Mai darauf gefreut nach fast zwei Jahren mal wieder in Deutschland zu sein.
Aber es ist unwahrscheinlich. Die Inseln zwischen uns und Neuseeland sind zum größten Teil Viren-frei. Das wollen die mit Sicherheit auch bleiben und werden somit wohl niemanden rein lassen die nächsten Monate. Und nach Neuseeland können wir erst im November, weil die Wetterbedingungen es erst dann erlauben.
Nichts ist gewiss im Augenblick, alles möglich. Und vielleicht wendet sich alles noch zum Besseren. Wir warten gespannt und nicht immer nur geduldig.

Unser täglicher Quarantäne-Blick ist vom Feinsten

Mehr Augenmaß, bitte!

Sa., 11.Apr.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2141, 20.254 sm von HH

Vorgestern ist eine erneute Verlängerung der Quarantäne bekannt gegeben worden: Lockdown bis 29. April! Wir dürfen weiterhin tagsüber nur einzeln an Land, maximal eine Stunde täglich und nur im Umkreis von einem Kilometer von Zuhause (Zuboote).
Die Regeln, die in Frankreich bestehen, gelten auch hier. Dabei haben wir es noch ganz gut. In Tahiti dürfen die Segler nicht mal ihre Propeller reinigen. Eine Tätigkeit, die zur Erhaltung der Seefähigkeit eines Segelbootes gehört. Eine Verbot ohne Augenmaß für die Belange von Seglern.
Die Anzahl der Corona Infizierten nimmt leider auch in Französisch Polynesien zu. Es gibt eine offizielle Zahl von gut fünfzig Fällen. Jeden Tag werden in der Länder-Statistik zwei, drei Fälle mehr gemeldet. Betroffen sind zwei Inseln: Tahiti und Moorea (wobei Moorea nicht mehr erwähnt wird, daher wohl nur noch Tahiti).
Alle anderen Atolle in Französisch Polynesien sind Corona frei. Das letzte Flugzeug in Gambier – hier bei uns- , was eine infizierte Peron hätte mitbringen können, ist vor drei Wochen gelandet. Die Bevölkerung vor Ort könnte also zur Normalität übergehen. Aber der ‚Haut commissaire‘, der ‚Hohe Kommissar‘ in Tahiti sagt: „Nein, die Regeln, die in Frankreich bestehen, gelten auch hier.“ Eine Entscheidung ohne Augenmaß für die Situation auf den kleinen Inseln.

Die Schule in der Gemeinde vor unserer Haustür ist weiterhin geschlossen. Der Lehrer erteilt Aufgaben übers Internet – nur hat nicht jeder Haushalt einen Anschluss. Im lokalen Fernsehsender werden Sportübungen gesendet, die die Kinder vor dem Gerät nachturnen sollen. Mir erzählte ein Anwohner, dass die Polizei nachts patrouilliert und die Ausgangssperre von 20:00 Uhr bis 5:00 Uhr überwacht. Wenn ich durchs Dorf gehe, dann sehe ich zwar mehr Erwachsene auf der Straße als vor drei Wochen, aber keine Kinder. Die werden weiterhin in den Häusern verschlossen gehalten. Nur vereinzelt können wir vom Wasser aus ein paar spielende Kinder in den Gärten am Ufer sehen.

Auch über Deutschland lesen wir von merkwürde Maßnahmen. Dass Spaziergänger nur noch links herum um einen See laufen sollen, dass ein Eis ‚to go‘ verkauft werden darf, aber der Buchladen daneben keine bestellten Bücher durch einen Schlitz in der Eingangstür übergeben darf. Dass eine Frau zu Ostern ihre Mutter nicht besuchen darf, die sie unter der Woche zweimal zum Arzt und zum Einkaufen fährt. Reiter dürfen ihre Pferde ausführen, Golfer keine Bälle schlagen und Segler dürfen in einigen Bundesländern nicht mal alleine auf ihren Booten arbeiten. Auch in Deutschland vermissen wir ein gesundes Augenmaß.

Bei uns und auch auf den Marquesas kommen weiterhin neue Segelboote an. Aus Mexiko, aus Galapagos oder Panama. Sie stehen vierzehn Tage unter Quarantäne nach einer Anreise von zwanzig Tagen oder mehr. Ich will es nicht überstrapazieren, aber wo besteht hierbei ein gesundes Augenmaß? Die Neuankömmlinge melden Mangel an Diesel, Mangel an Essen und/oder Wasser an. Jedes Boot hat wundersamer Weise mindestens zwei gravierende Probleme, die eine Weiterfahrt nach Tahiti verhindert. Das zieht allerdings nicht gut, die Regeln vom ‚Haut commissaire‘ sind deutlich: die Crews dürfen sich proviantieren und nötige Reparaturen vornehmen, müssen dann aber zügig nach Tahiti weiter. Ob ein Schaden so gravierend ist, dass er eine Weiterreise verhindert, soll an Hand von eingesendeten Fotos in Tahiti entschieden werden. Man schickt gesunde Crews an den einzigen Ort in Französisch Polynesien mit Corona -Fällen. Ist das gesundes Augenmaß?
Warum die Behörden das möchten? Es heißt, damit die Regierung weiß, wo sich alle Schiffe befinden – das weiß sie sowieso. Jede Crew hat sich bei der Neuankunft auf einer Insel zu melden und bewegen darf sich seit Wochen niemand mehr.
Ein weiteres Argument sollen die Einwohner sein, die sich durch den Aufstau und dadurch hohe Anzahl an Booten gestört, gar bedroht, fühlen. Das kann man gelten lassen, wer plötzlich doppelt so viele Schiffe wie in anderen Jahren vor der Haustür hat, mag sich belästig fühlen. Hier sind wir Segler gefordert uns mit gesundem Augenmaß in die lokalen Regeln einzupassen.

Rikitea wird lebendiger ;-)

 

 

Wir brauchen Wasser

Do., 02.Apr.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2132, 20.254 sm von HH

Der Wassermacher läuft, daran liegt es nicht. Offensichtlich wird zu viel geplömpert und Wasser verschwendet an Bord. Wir können zwanzig Liter Wasser am Tag produzieren. Fünf Liter gehen für Trinkwasser drauf, die restlichen fünfzehn kommen in den Tank. Aber Abwasch, duschen und Hände waschen verbrauchen mehr als wir einfahren. Regen gab es zuletzt vor drei Wochen. Normalerweise ist knappes Wasser kein Problem. Anders als auf den Tuamotu gibt es auf unserer Insel mehr als genug Wasser. Wir können bei Fritz Wasser holen. Recht bequem fährt man mit dem Dinghy an sein Haus und holt sich einen Wasserschlauch. Fritz ist Deutscher, lebt ewige Jahre auf Mangareva und versorgt seit Jahrzehnten Segler mit Wasser, seiner Waschmaschine und Geschichten. Aber Fritz ist Privatmann und gehört somit nicht zur ‚offiziellen Liste‘ der Geschäfte, die wir nach den neuen Ausgangs-Regularien besuchen dürfen. Ohne Erlaubnis möchten wir nicht einfach zu ihm fahren. Der Wassertank leert sich also mit hoher Geschwindigkeit.

Da ich befürchte, dass der Skipper mir nun bald den (Wasser)Hahn abdreht, muss Abhilfe her. Ich mache mich auf den Weg zur Gendarmerie, um Erlaubnis zu erbeten. Ich hätte vor vier Wochen nicht geglaubt, dass ich jemals zur Polizei gehen muss, um zu fragen, ob ich Wasser holen darf. Wasser, ein Grundrecht eigentlich.
Die Gendarmen sind keine Dorf-Scheriffs (die gibt es noch extra – dann heißen sie Police Municipale), sondern sie unterstehen direkt dem französischen Verteidigungsministerium, gehören also zum Militär. Die Jungs im Ort sind nett und lassen uns auch seit Beginn der Corona-Krise in Ruhe. Aber mit Ruhm bekleckern sie sich nicht. Ihre Ansagen über Funk müssen Segler ins Englische übersetzten. Die neueste Generation von Passier-Scheinen von denen wir aus dem Internet wissen, verteilen die Jungs nicht mehr am Ankerplatz. So gerne kommen sie dann nicht aus ihrem klimatisiertem Büro.

Egal, ich bin nun auf dem Weg zur Gendarmerie. Dort treffe ich eine Viergruppe an. Zwei Mitarbeiter der Kommune, gut an dem Aufdruck auf ihrem T-Shirt ihren gelben Warnwesten zu erkennen, und zwei Gendarmen. Ich breite meine kompletten Französisch Fähigkeiten vor ihnen aus: „Bonjour. J’ai besoin d’eau.“ [Liason, liason, höre ich Vanessa schimpfen und mache alles richtig – ich brauche Wasser!] „J’ai vudree alle a Fritz avec bato peti. – Ich möchte zu Fritz gehen mit dem kleinen Boot“. Zur Unterstreichung meines Anliegens deute ich an, dass ich im Schlauchboot sitze, eine Pinne vom Außenborder in der Hand halte und mache zusätzlich ein Motoren-Geräusch. Zwei tellergroße Augenpaare gucken mich an. Die Gendarmen wechseln den Blick mit den Gemeinde-Arbeitern. Hilfloses Schulterzucken. Ich sehe Fragezeichen in vier Gesichtern. Ich versuche es wieder. Diesmal benutze ich den Nachnamen von Fritz. Ah, man nickt verhalten. Mein Französisch ist also einwandfrei, wusste ich’s doch, hab ich mir doch den gesamten Weg die Sätze zurecht gelegt. Alles palavert durcheinander. Der nettere Gendarm versucht es mit englischen Brocken, schnell merken wir beide, sogar mein Franzöisch ist besser als sein Englisch. Nach einigem hin und her scheint klar zu wem ich will und was ich will. Ich bekomme dann einen Passierschein vom netten Gendarmen ausgehändigt, den soll ich Fritz zeigen. Das macht keinen Sinn, denn die Polizei soll ja eigentlich die Passierscheine kontrollieren. Ich nehme den Zettel trotzdem, gebe ihn an Achim weiter und er kann den leichten Teil erledigen von ‚wir brauchen Wasser‘.

Lock down Erweiterung

Mo., 30.Mrz.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva, Tag 2129, 20.254 sm von HH

Grade war die erste Woche unserer zweiwöchigen Ausgangssperre rum, da wurde uns die Wurst vor der Nase weggeschlagen: Ausgangsbeschränkung erweitert um weitere zehn Tage! Plus Ausgehverbot von 20:00 Uhr bis 5:00 Uhr morgens!
Der zweite Teil ist uns vom Prinzip her Wurscht, nachts sind wir sowieso nicht auf der Insel unterwegs gewesen. Aber das Verbot macht was mit uns. Nicht mehr die Freiheit zu haben, selber zu entscheiden, ob man an Land gehen möchte. Freiheit, das einzige was zählt, so heißt es doch.

Wir gehen auch tagsüber nicht mehr an Land. Zum ‚alleine-Sport-treiben‘ dürften wir. Uns ist die Lust vergangen. Ich war an Land zum Einkaufen. Meinen Passier-Schein hatte ich brav ausgefüllt dabei. Das hat aber keinen interessiert, ich wurde nicht kontrolliert. Es ist kaum jemand unterwegs und die Menschen, die man trifft, sind ebenfalls alleine auf der Straße. Die meisten mit Mundschutz. Ein paar Tage später war Achim im Shop, da trug allerdings schon kaum noch jemand eine Maske.

Es ist noch ein weiteres Segelboot angekommen. Die Crew hat ebenfalls Bleiberecht erhalten, aber nach wie vor werden diese Boote nicht offiziell einklariert. Tahiti lässt sich Zeit mit der Bewilligung und die Gendarmen vor Ort dürfen nichts entscheiden. Die Neuen unterliegen einer strengen Quarantäne von vierzehn Tagen. Ich paddel (und auch einige andere Segler sind unterwegs) mit dem Kajak von Boot zu Boot und liefere Eier aus. Mehr Wünsche haben die Neuankömmlinge für den Moment nicht. Segler sind ja immer gut ausgerüstet unterwegs. Dankbarer sind die Neuen darüber etwas zu hören: was ist los? wie läuft es hier?; einfach ein anderes Gesicht sehen als den eigenen Gatten. :mrgreen:
Man sollte meinen wir Segler sind es gewöhnt nicht von Bord zu können und es macht uns nichts aus. Aber das stimmt nicht ganz, nicht können, weil man unterwegs ist, ist anders als nicht dürfen und das lockende, süße Land vor der Nase zu sehen.

Im Augenblick haben wir es mit Gambier noch gut getroffen. In Tahiti weht ein anderer Wind. Es gibt eine Rallye, die World ARC, deren erste Teilnehmer gerade Tahiti erreicht haben. Diese Segler sollen nach wie vor ihr Schiff zurück lassen und das Land mit dem Flugzeug verlassen.

Wir machen nicht viel den Tag über. Aufgeräumt, geputzt und Wollmäuse entfernt, haben wir ja schon neulich während der Regentage. „Blinder Eifer schadet nur“, weiß der Skipper. ;-) Die typischen Boots-Projekte entfallen weitestgehend, weil es an Zubehör hapert. Hier gibt es ja nicht mal einen Absperrhahn zu kaufen, um unsere Wasser-Auffang-Anlage zu optimieren. Die Stimmung ist prima zwischen uns, wir versuchen das Beste aus dem Ganzen zu machen. Wir beschäftigen uns so gut es geht, lesen viel im Internet über den Wahnsinn, der auf der Welt passiert. Wir lesen von ersten rassistischen Anfeindungen: Amerika-Chinesen werden in New York beschimpft, Europäische Camper in Marokko sollen mit Steinen beworfen werden, Weiße in Indien dürfen nicht mal zum Einkaufen von ihrem Schiff. An unserem friedlichen Ankerplatz liegen im Augenblich zwanzig Schiffe (weitere 10 bis 15 schwirren im Atoll umher). Wie immer ankern die Boote vor dem Ort, hinter der Riffkante. Eine Frau hat sich beschwert, dass die Boote zu nah am Ufer ankern, dort wo ihre Kinder spielen. Die Boote an der Nordseite haben jetzt ihren Platz geräumt.
Die Beschwerde fühlt sich schlecht an.

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