Archiv der Kategorie: Kanaren

Anschiss

Mo., 27. Jul.15, Gran Canaria, Tag 422, 2.728 sm

Heute soll ja meine neue Krone mit der richtigen Schraube fertig sein.
Wie immer fahre ich mit dem Rad zum Zahnarzt. In Las Palmas kann man ganz gut Fahrrad fahren. In der Innenstadt fahre ich auf der Straße, aber in den Nebenstraßen sind die Bürgersteige häufig breit und wenig belaufen, so dass ich von der Straße auf die Fußwege wechsel.
So auch heute.

Auf einmal höre ich von der Straße ein lautes und strenges „Hola, Señora“ neben mir. Ein Motorradfahrer mit Policia Local Aufkleber. :mrgreen:

Ich stoppe artig und schon schwallt es auf mich nieder.
Meinen Einwurf, dass ich nur wenig Spanisch spreche, ignoriert er komplett und führt seine Schimpftirade fort.
Ich verstehe Wortfetzten: Schuld, Auto, Schuld, Fahrrad, Auto, Schuld und immer wieder Schuld. Brav nicke ich an den hoffentlich richtigen Stellen, mache ein betretenen Gesicht und versuche zu ergründen, worin mein Verbrehen besteht. Als er mit zwei Fingern einen Fußgänger imitiert, glaube ich zu verstehen.

Es ist okay, dass ich auf dem Fußweg gefahren bin, aber an einer Querstraße den Zebrastreifen (ich hatte grün) ohne abzusteigen zu überfahren ist wohl nicht erlaubt.

Er guckt streng und schimpft. Erst als er fertig ist und ich mich artig mit einem „Muchas gracias“ für sein Gemecker bedanke, muss er lachen.
Wahrscheinlich merkt er jetzt erst, dass ich nicht recht was verstanden habe.
Glück gehabt, wer weiß, ob sowas unter Strafe steht.

Beim Zahnarzt bin ich ebenfalls erfolgreich. Heute passen die Gewinde zusammen und mein neuer Zahn ist schnell festgeschraubt. Jetzt soll ich eine Woche testen und dann wird er final fertig gestellt.

 

Beim Zahnarzt – Teil 3

Do., 23. Jul.15, Gran Canaria, Tag 418, 2.728 sm

Im Februar habe ich in Las Palmas ja beim Zahnarzt ein Implantat bekommen. (Atanga berichtete)
Das soll nun fest gewachsen sein und somit radl ich zum Zahnarzt, um mir einen Termin zum Anpassen der finalen Krone zu besorgen.

Aber es läuft mal wieder anders: ich komme sofort dran.
Es ist nicht so, dass nicht andere Patienten zu sehen sind und die Praxis total verwaist wirkt. Auch habe ich nicht den Eindruck, dass man mich als Ausländerin und Barzahlerin bevorzugt.
Irgendwie scheint es hier anders zu funktionieren, denn in Deutschland wartet man auf einen Zahnarzttermin ja mindestens ein Vierteljahr.

Der Doctore kommt vorbei, befindet alles für gut und berichtet mir, dass meine Krone bereits Morgen fertig sein wird.
Bitte? Ich kann‘s nicht glauben! Doch, doch, bestätigt er, hält Rücksprache mit seinen Damen, ein Anruf und nein, er korrigiert sich, mein neuer Zahn ist bereits heute Nachmittag um 17:00 Uhr fertig.

Das Erstellen der Krone überträgt er zwei jungen Frauen.
Dafür werde ich gescannt. Erst mit Provisorium, dann die Lücke, die Nachbarzähne und die gegenüberliegenden Zähne vom Unterkiefer.
Nach fünf Minuten ist ein dreidimensional drehbares Bild von meinem zukünftigen Zahn fertig.

Um 17:00 Uhr erscheine ich erneut in der Praxis.
Das Mädel von Vormittag zieht das Provisorium und schraubt die neue Krone rein.
Es folgen viele Umdrehungen und sie dreht und dreht.
Alle Umdrehungen zurück, Krone wieder raus, kritische Begutachtung des Teils und wieder drauf los geschraubt.
Und sie schraubt sich den Wolf.
Ein lebhafte Unterhaltung zwischen der Schrauberin und der Saugerin entbrannt.
Die Stirn fragend in Falten geworfen wird weiter geschraubt.

Nun ist es von Haus aus beim Zahnarzt schwierig Fragen zu stellen mit bis zu vier Händen im Mund. Hier haben wir noch zusätzlich die Sprachbarriere. Ich erdulde somit geduldig die Schrauberei.

Es kommt ein drittes Mädel dazu, die auch mal drehen möchte.
Leider mit dem gleichen mäßigen Erfolg.
Drei besorgte Gesichter beugen sich nun über mich.

Die Schrauber-Gang gibt schließlich auf und holt jemanden zum Übersetzten:
„Es tut ihnen unglaublich leid. Die Schraube im Zahn passt nicht zum Gewinde. Die Abweichung sei minimal, nix zu machen, haben sie noch nie erlebt, noch mehr Bedauern, Fehler vom Techniker, es gibt einen neuen Zahn, am Montag.“

Das ist jetzt zwar doof gelaufen, aber okay für mich. Ändern kann ich es ja sowieso nicht. Das Provisorium kommt wieder rein und ich ziehe unverrichteter Dinge von dannen.

Zurück in Las Palmas

Mi., 22. Jul.15, Gran Canaria, Tag 417, 2.728 sm

Nach der gruseligen Überfahrt schlafen wir uns 12 Stunden gründlich aus.
Der Mann, der gestern durchs Schiff flog, sieht aus wie ein Opfer häuslicher Gewalt.
Wie man sich gut vorstellen kann, hat er Schmerzen. :cry:
Er jammert und klagt sich den Niedergang hoch und runter.

 

Atanga bekommt von uns die übliche Süßwasserdusche. Und alle Tampen, Schoten, Strippen und Schuhe, die ich zu fassen bekomme, erhalten ebenfalls eine Wäsche.
Überall steckt der feine Staub von La Palma in den Ritzen.

 

Es ist schön auch mal einen Hafen anzulaufen, den wir bereits kennen. Da findet das Schiff den Weg zum Wartesteg von alleine.
Im Gegensatz zu Februar ist der Hafen jetzt proppe voll. Wir sind froh, dass wir reserviert haben. Einen Platz am Wunschsteg ‚L‘ (kürzeste Wege zu den Duschen und zum Baguette) an dem wir letztes Mal gelegen haben, bekommen wir allerdings nicht.
Den hat uns die La Joya vor ein paar Tagen weg geschnappt.

Trotzdem ist die Wiedersehensfreude riesig.
Zunächst treffen wir nur auf Gabi und Michael, da Petra zur Zeit anderweitig unabkömmlich ist. ;-) Ich würde ja auch gerne mal ein Foto vom gemütlichen Abend zeigen, aber keiner von ihnen möchte ins Internet.

Segeln zum Abgewöhnen

Mo/Di., 20./21. Jul.18, Gran Canaria, Tag 415/6, 2.728 sm

Wie erwartet ist es total windstill als wir um 6:00 Uhr ablegen.
Gleich hinter der Hafeneinfahrt bläst es mit 25 Knoten. Huch, wo kommt denn dieser Wind so früh morgens her?

Immerhin kommt er nahezu aus Nord. Das ist gut für uns und prima segelbar.
Somit läuft zunächst alles planmäßig.

Allerdings wird der Wind schnell schwächer und dreht auf 30 Grad, so dass wir hoch am Wind (Wind von vorne) segeln müssen. Am Wind segeln haben wir lange nicht mehr gemacht.
Ob’s daran liegt, dass mir auf einmal so komisch wird?

Ich muss mich hinlegen.
Das hilft. Somit stecke ich bald meinen Kopf wieder an die frische Luft, aber zu früh gefreut.
Ich muss wieder runter. Ein Gang zur Toilette und mir ist richtig schlecht.
So schlimm, dass ich mir vorsichtshalber einen Eimer mit an die Koje nehme. :shock:

Da liege ich nun in meinem eigenen Leid und frage mich, wie das angehen kann.
Atanga läuft wie auf Schienen und es sind kaum Bewegungen zu spüren. Es rollt nicht, schlingert oder giert nicht. Und die Auf und Abs sind, objektiv betrachtet, absolut zu vernachlässigen.
Mein Magen sagt was anderes…

Der beste Skipper der Welt lässt mich ruhen * und schlafen und am Nachmittag ist alles wieder gut.  :-)

Der Wind lässt weiter nach, um mit der Dunkelheit fast ganz einzuschlafen.
Somit motoren wir durch die Nacht. Das bringt viel Lärm und wenig Schlaf. Vor allem Achim könnte eine gute Mütze davon vertragen.

Mit Erreichen der Nordspitze Teneriffas ändern wir unseren Kurs und es kommt auch der Wind zurück. Nur mit dem Vorsegel können wir ganz gut Tempo machen.
Ein paar Stunden später nehmen wir unser Groß dazu, da der Wind wieder nachlässt. Allerdings kommt nun die Welle fies von der Seite. Wir rollen bei jeder zehnten Welle mächtig auf die Backe. Grrr.

Grade als Achim am Schapp mit den Bechern hantiert, werden wir mächtig auf die Seite gedrückt.
Erst sehe ich einen Mann quer durch den Salon schießen und und dann drei Becher auf ihn niederhageln. Der Mann kommt mit zwei argen Prellungen davon, die Becher erleiden den Tod. Ausgerechnet unsere beiden Lieblingsbecher sind auch dabei.

Nach 35 Stunden ist es dann endlich geschafft und diese ätzende Fahrt nimmt in unserem Lieblingshafen auf den Kanaren ein gutes Ende.

 

*Wie er mir hinterher erzählte, mochte er zu dem Zeitpunkt auch nicht gerne unter Deck sein :mrgreen:

Adios La Palma

So., 19. Jul.18, La Palma, Tag 414, 2.587 sm

Da die letzten Ausreden aufgebraucht sind: zu viel Sonne, zu viel Wind, zu wenig Sonne, es gibt Zwerge zu gucken, da kommt eine Jungfrau…
waren wir die letzten Tage fleißig.

Achim war tauchen und hat unser Unterwasserschiff vom Bewuchs befreit. Eine schweißtreibende und luftintensive Angelegenheit.
Er hat tatsächlich eine ganze Flasche leergeatmet. Für Nicht-Taucher: in 1,5 Meter Wassertiefe geht das eigentlich gar nicht, da braucht man Tage für. War wohl anstrengend. :mrgreen:

Seepocken in allen Ritzen. Am schlimmsten waren Schraube und Welle bewachsen.
Und eine Miesmuschelkolonie hatte es sich in unseren Lenzrohren vom Cockpit bequem gemacht. Da wären wir wohl abgesoffen, wenn unterwegs eine Welle ins Cockpit gestiegen wäre… :shock:

Dann hat er noch den Wasserpass vom Dingi aus geschruppt.
Wir liegen durch unsere tonnenschwere Beladung deutlich tiefer als früher im Wasser. Das bedeutet, dass unser Wasserpass zu tief sitzt. Oder das Antifouling nicht hoch genug reicht. Wie man möchte.
Das Ergebnis ist das Gleiche: Alles was sich durch Zellteilung vermehrt wächst hier fest. Bei Betrachtung unserer „Ruckdämpfer“ (Eimer und Kanister) nach 6 Wochen Aufenthalt im Wasser, geben die eine ungefähre Vorstellung des Bewuchses am Wasserpass.

In der Zeit wo der Chef unter Wasser geblubbert hat, habe ich oben den Edelstahl poliert. Durch die ständig salzige Brise in diesem Hafen, gibt es hier einen besonders argen Befall.

Jetzt sind wir unten und oben rum schick und durch den glatten Rumpf garantiert einen Knoten schneller.
Somit brechen wir unsere Zelte Morgen früh ab und verlassen den wohl schwelligsten und windigsten Hafen der Kanaren. Vielleicht auch Spaniens. Oder der Welt!
Unser Spanischer Liegenachbar meinte, er kenne niemanden, der es zwei Monate hier ausgehalten hätte. :cool:

Wir wollen um 6:00 Uhr auslaufen.
Dann ist es noch windstill (hilft beim Ablegen) und wir können ein wenig Strecke nach Nord gut machen. Die ersten 90 Meilen müssen wir einen reinen Ost-Kurs fahren.
Bei dem täglich üblichen Wind aus 30 bis 50 Grad wird das ein knappes Höschen.

Die Vorhersage allerdings gibt fast einen reinen Nordwind an. Das kann, muss aber nicht stimmen. Wir werden sehen.
Insgesamt sind es nach Las Palmas knapp 150 sm, wir rechnen mit 30 Stunden. Also sollten wir Dienstag im Laufe des frühen Nachmittages dort ankommen.

Bis dahin, habt eine schöne Zeit.