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Arrecife

Do.,11.Dez.14, Lanzarote/Spanien, Tag 194, 2.293 sm von HH

Seit zwei Tagen kommt der Wind aus Afrika, aus der Sahara, und bringt nicht, wie man meinen sollte, heiße Luft mit sich, sondern Staub. Dieser Wind aus Osten, der hier Calima oder Bruma seco (trockener Nebel) genannt wird, tritt mehrfach im Jahr auf und kann so viel Sand mit sich bringen, dass Sichtweiten unter 100 Meter herrschen und der Flugverkehr zum Erliegen kommen kann.

Zur Zeit weht er gemäßigt daher, führt aber dennoch zu einer sehr schlechten Fernsicht und überzieht alles mit einer super feinen Staubschicht. Außerdem lässt er die Sonne nicht gut durch, so dass es glatt 2 bis 3 Grad kälter ist als die vorherigen Tage.

Da so ein Wetter nicht für Ausflüge in die Berge geeignet ist, setzten wir uns auf unsere Fahrräder, radeln zum Busbahnhof in Playa Blanca Centro, setzen uns in den Bus * und lassen uns in die Hauptstadt von Lanzarote, nach Arrecife, fahren. Die Strecke führt eine Stunde durch den Süden der Insel und macht Lust, mehr von Lanzarote zu sehen.

Arrecife ist eine Kleinstadt mit 55.000 Einwohnern und nicht wirklich etwas Besonderes. Aber nach einer Woche Kunst-Ort, ist es sehr angenehm durch eine gewachsene Stadt zu laufen. Das Straßenbild wird geprägt durch Einheimische auf dem Weg zur Arbeit oder zur dreistündigen Siesta. Es gibt wieder normale Geschäfte mit Dingen für den Alltag und nicht nur Souvenirs. In den Restaurants sitzen Bauarbeiter, Büroangestellte und Touristen gemischt durcheinander. Ein angenehmer Mix, der uns besser gefällt als die Monokultur in Playa Blanca.

Als erstes Bummeln wir die gesamte Uferstraße ab, Strand, alter Hafen mit Castello, neuer Hafen mit Marina und Kreuzfahrt-Terminal. Im alten Arrecife, nahe der nagelneuen Marina, findet man einen idyllischen Binnenhafen, der Liegeplatz für kleine Fischerboote oder Beiboote bietet. Aber nicht alles, was wir auf unserer Weltreise zu sehen bekommen ist schön. In Arrecife stoßen wir auf die wohl schlimmste Weihnachtsdekoration, die wir je gesehen haben… Es gab in dem Café fünf Schirme und alle waren identisch dekoriert, also kann ein Zufall ausgeschlossen werden. Dies war Absicht. :shock:

Leider haben wir nicht so viel Zeit in den Geschäften der Fußgängerzone zu bummeln, da wir vergessen, dass wir wieder in Spanien sind und alle Geschäfte zwischen 13:30 und 16:30 Uhr schließen. Besser wäre gewesen, die Uferpromenade als letztes anzulaufen. Da müssen wir beim nächsten Mal dran denken.

Es ist trotzdem ein netter Ausflug, der uns ausgerechnet auf einer Insel, die kaum Bewuchs, man könnte sagen, keinen Bewuchs aufweist, den ersten Palmenstrand unserer Weltreise beschert. :-)

* für alle, die diese Strecke auch fahren wollen: Es ist Linie 60, die einmal in der Stunde immer um x:55 Uhr fährt (die Angabe Linie 30 im Internet ist falsch und bezieht sich nur auf den Playa Blanca Bus, der im 30 Minuten Takt fährt), 7,20 EUR p.P. hin und zurück.

Östlich von Playa Blanca

Mi.,10.Dez.14, Lanzarote/Spanien, Tag 193, 2.293 sm von HH

Die Uferpromenade ist an der Ostseite von Playa Blanca auf einmal wie abgeschnitten und man trifft auf Lavaberge und Schotterhügel, komplett ohne Bewuchs, außer ein paar graue, struppige Büschel. Ein kleines Stückchen weiter, tauchen sie dann auf, die schönsten Strände Lanzarotes, Traumstrände wie es Allerortens hier heißt.

Unter den Blinden ist der Einäugige König und somit stimmt es natürlich, dass es sich hier auf Lanzarote um Traumstrände handelt. Und die kleinen Buchten sind ja auch in der Tat hübsch anzusehen. Da es uns heute mit 7 Windstärken auf den kahlen Hügeln um die Ohren pfeift, verzichten wir auf einen Gang zu den Papagayo-Buchten, da wir nicht paniert werden wollen. Da ein Fahrradweg an den Strand führt, werden wir das noch einmal nachholen. Aber erst, wenn der Wind sich etwas gelegt hat, denn fürs Fahrradfahren gilt das gleiche wie fürs Segeln: zu viel von vorn ist Kappes.

Außerdem haben wir erneut einen Auskipp-Unfall. Diesmal sind wir aber beide zu 100% unschuldig, keine Fahrlässigkeit, keine Gedankenlosigkeit, nichts ist uns vorzuwerfen. In der Pantry haben wir, ähnlich unserem Kühlschrank, eine zweite große Edelstahlbox als Toplader. Diese Box hat unten einen Ablauf in die Bilge und könnte, wenn man ein Kühlaggregat einbauen würde, sicherlich als zweiter Kühlschrank genutzt werde. Wir lagern hier unsere Softdrinks und Bier bei Zimmertemperatur.

Als Achim sich nun eine Flasche aus der Box nimmt, hat die kleine Schimmelflocken und es riecht muffig aus dem Kasten. Ein Ausräumen fördert eine Bierflasche zu Tage, die durch den geschlossenen Kronkorken halb ausgelaufen ist und alles verklebt und vermufft hat. :evil:

Wie ich so etwas hasse!

 

Und, es stand mal wieder eine Friseurbesuch auf dem Programm. :mrgreen:

Nun, Besuche beim Friseur sind wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie was man bekommt… daher wird aus gegebenem Anlass diesmal kein Foto angehängt. Achim hat gesagt, es sehe „okay“ aus. Okay ist nun aber, wie jeder weiß, der kleine Bruder von Sch…, daher kein Bild! Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich ein paar wichtige Vokabeln rund ums Haareschneiden auf Spanisch pauke. ;-)

Playa Blanca

Di., 9.Dez.14, Lanzarote/Spanien, Tag 192, 2.293 sm von HH

Die Marina Rubicón, in der wir liegen, befindet sich auf Lanzarote in Playa Blanca, ganz im Süd-Osten der Insel. Wobei das Wort ‚Playa‘ hier an dieser Stelle etwas hochtrabend daher kommt. Überhaupt ist Lanzarote strandtechnisch ganz schön gekniffen gegenüber den kanarischen Mit-Inseln. Wenn man 213 km Küstenlinie hat und davon nur 10 km Sandstrand, ist das schon etwas ungerecht.

Nun, ein kleiner Teil dieser mickrigen Kilometer Sand, befindet sich im Ort Playa Blanca, wobei auch das Wort ‚blanca‘ hier etwas unpräzise rüber kommt.

Der Ort Playa Blanca erstreckt sich auf ca. 6 km die Küste entlang und unsere Marina liegt nahezu in der Mitte. Ein schöner, gepflasterter Fußweg, den man auch mit dem Fahrrad nutzen kann (aber nur zum Teil darf), führt direkt am Meer entlang. Es reiht sich ein Restaurant, Imbissbude, Souvenirshop, Klamotten-, Schuh-, oder Sonstwas-Laden an den anderen. Somit benötigt man beim ersten Flanieren auf dieser Promenade doppelt so lange für die Strecke, wie normal. Beim zweiten Mal geht es schon fixer, weil man schnell lernt, dass man aus diesen Geschäften nichts, wirklich nichts benötigt.

Es sind außer uns auch noch zwei, drei andere Touristen unterwegs und wir sind gespannt, wie voll die Promenade wird, wenn der Weihnachts-Run losgeht. :shock:

Aber das Meer ist blau, die Sonne scheint und wir genießen es, nur in T-Shirt, trotz durchaus kräftigem Wind, den Ort zu erkunden.

An Tag drei finden wir dann auch endlich einen richtigen Supermarkt, der mehr als Softdrinks, Bier und Chips für die Strandlieger im Angebot hat.

Nach Portugal ist das Preigefüge für Lebensmittel hier ungefähr 20% teurer. Fleisch und Milka-Schoki (99 Cent) sind preiswert, Gemüse und Obst sind es nicht. Und Milchprodukte mutieren zu „Luxusartikeln“ (ein Paket Butter oder Philadelphia Frischkäse kosten deutlich über 2,00 EUR).

Unser 5 EUR Fenster nach Lanzarote

Fr., 05.Dez.14, Lanzarote/Spanien, Tag 188, 2.293 sm von HH

Bei strahlend blauem Himmel gibt es am Steg viele Umarmungen und Wünsche, „gute Reise“, „macht es gut“, „schön, dass wir uns getroffen haben“…  Einige werden uns nachfolgen (Hexe, Aquaria und Namastee) :-) , andere gehen ins Mittelmeer (Max) und die Dritten haben Bergfest (Maje) und müssen wieder nach Hause.

Thomas&Elke und Uwe&Dorothea winken uns an der Tankstelle und an der Hafenausfahrt noch lange nach und entlassen uns auf den, wie einen Ententeich (Zitat Aida-Kreuzfahrt-Kapitän) daliegenden Atlantik.

 

Unsere Fahrt beginnt also bei schwachen Winden sehr ruhig. Das ändert sich nach ein paar Stunden, als wir aus der Abdeckung von Cabo Sao Vicente segeln und uns die, erwartete, Dünung von der Seite trifft. Sie ist mit gut 2 Metern schwächer als gedacht, reicht aber allemal für eine kräftige Partie des lustigen Schaukelspiels: 15 Grad nach rechts, 15 Grad nach links… und so soll es dann auch die gesamte Überfahrt bleiben. Zeitweise ist es etwas ruhiger, dann wieder etwas schlimmer.

Die vielen Gespräche mit den Salzbuckeln Uwe und Thomas führen zu einer Premiere auf Atanga: da wir den Wind die gesamte Strecke von achtern erwarten, baumen wir unsere große Genua (Vorsegel) aus.  Auf der Elbe und Ostsee kam diese unhandliche Stange nie zum Einsatz. Und Jungs, was sollen wir sagen, hat prima geklappt) :-)

 

Und als weitere Premiere auf unserer Reise überlassen wir unserer Wind-Herta das Ruder. Bei dieser Dame handelt es sich um unsere Windsteuer-Anlage, einer Pacific Plus. Diese hatten wir natürlich schon ausprobiert, aber auf der Ostsee sind die Schläge einfach zu kurz, so dass Herta bislang noch nicht zeigen konnte, was in ihr steckt. Auf der Biskaya waren wir noch so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass wir nur den elektrischen Autopiloten verwendet haben. Dieser macht einen prima Job und ist sehr leise, aber wir haben nicht mehr genug Strom für das Teil. Denn bei mittlerweile 13 Stunden Dunkelheit können die Solarpanele nicht lange genug arbeiten und der Windgenerator alleine schafft es nachts meistens nicht alle Systeme zu versorgen. Aber, um es kurz zu machen, diese Fahrt hat Wind-Herta bravourös gemeistert.

 

Dieses Rollen in der Dünung ist nicht meins, aber mir geht es prima, wenn ich oben an Deck sitze und auf‘s Wasser schaue oder schlafe, dann wird mir nicht komisch, alles gut. Nach ungefähr 24 Stunden Eingewöhnung, kann ich auch wieder unter Deck sein, wieder lesen, mich an- und ausziehen, kann wieder abwaschen und bin im Prinzip einsatzfähig.

Aber mir macht das fürchterliche Gerolle deutlich mehr zu schaffen als Achim. Es lähmt mich ungemein, da jeder Handgriff und kleine Verrichtung zum Kraftakt wird. Ich koche mir noch nicht einmal einen Tee, da mir das zu anstrengend ist. Ja, sogar ein von Achim gekochter Becher ist nervig, da es mir als unmögliche Leistung erscheint, den Teebeutel außen Bords zu werfen und gleichzeitig Balance im Becher zu halten.

Achim geht da anders mit um, er macht uns zum Frühstück belegte Brote, mit Mettwurst bei der man sogar noch die Pelle abziehen und Scheiben schneiden muss und legt auch noch Gurkenscheiben dazu :shock:

Ich schaffe das nicht, hole mir maximal einen Joghurt und bin überanstrengt, den leeren Becher nach unten zu tragen. Ich bin froh, dass ich ein Chili con Carne vorgekocht und für den zweiten Tag fertige Ofen-Lasagne gekauft zu haben und quäle mich mit schlechtem Schlaf und Unlust noch weitere 24 Stunden durch.

Dann, ganz plötzlich, ist sie dann aber doch da, die Wandlung vom Landei zur Seemannsbraut. Ganz erstaunlich, alles, was eben noch unvorstellbar schwierig und unlösbar schien, geht plötzlich leicht von der  Hand. Selbst richtig Kochen funktioniert wieder, dauert zwar länger und jeder Handschlag will überlegt sein, damit weder geschälte Zwiebeln durch die Pantry sausen noch man sich das Messer in den Bauch rammt. :-)

 

Die Temperaturen liegen während der gesamten Fahrt Tag und Nacht zwischen 18 und 20 Grad. Da es aber kräftig weht, ist der Wind-Chill beträchtlich, so dass nachts lange Unterhosen  und Doppel-Fluschi (Fleece) angesagt sind.

Das machte eine Dusche im Cockpit unmöglich und somit herrschen katastrophale, hygienische Verhältnisse an Bord. Duschen unter Deck mit dem 20 Grad kalten Wasser aus dem Tank mag von uns auch so recht keiner.  Somit machen wir Wasser auf dem Herd heiß und füllen in eine 2,5 Liter Flasche einen angenehmen Mix.

Da man auf Grund des Wellengangs nicht freihändig stehen kann, bleibt nur, sich im Bad auf den Boden zu knien. Wichtig ist, eine Antirutsch-Matte auszulegen, da sonst Shampoo und Duschgel durch den Raum schleudern. Die Wasserflasche bleibt, auch vollständig gefüllt, nicht stehen, somit ergießt sich das schöne, warme Wasser in die Gräting (Gitterost aus Holz) und vergurgelt irgendwo in der Bilge. Der Verlust wird mit kaltem Wasser ausgeglichen. :evil:

Jetzt ist es hilfreich, wenn der jeweils andere einem das Wasser über den Kopf gießt…kaum, dass ein halber Vormittag rum ist, sind zwei Menschen wieder sauber.

Fazit: Es war eine sportliche, nicht immer nur angenehme Fahrt, die streckenweise Spaß gemacht und endgültig den Schrecken vor längeren Passagen genommen hat. Jetzt wissen wir, dass nicht nur unsere Atanga das kann, sondern wir können das auch und nach zwei Tagen wachsen einem Seglerbeine (dieser Begriff hat auch unglaublich Potential zum Unwort)

 

Für die Statistiker:

-an Tag 3 bestes etmal von 134 sm (etmal = zurück gelegte Strecke von Schiffsmittag zu Schiffsmittag)

-Fahrzeit: 4 Tage und 20 Stunden

-579 sm, davon 576 sm unter Segel

-Durchschnittsgeschwindigkeit: 5 kn

-Windstärke 3 bis 6 (in Boen 7), überwiegend 5

-Wellenhöhe bis 4 Meter

-drei Sonnentage, zwei trübe Tage, ein paar Mal etwas Sprühregen

-einmal Delphine und für zwei Minuten landet ein winziger Piepmatz im Cockpit

-Höchstgeschwindigkeit 10,6 kn im Wellensurf (Jürgen, das war’s) :mrgreen: