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Fiji im Westen und Fleisch in Nadi

03.Okt.23, Fiji/Viti Levu/Denarau, Tag 3412, 26.677 sm von HH

In Fijis Westen brummt die Tourismus-Maschine: Gleitschirmfliegen, Wasserrutschen-Paradies oder Sundowner-Ausflüge, wahlweise mit modernem Katamaran oder nostalgischem Zweimaster – in Denarau ist alles möglich. Meistens durch den Einwurf großer Scheine.
Ein paar Tage haben wir vor der Marina geankert. Ganz schön ruppig und ungemütlich. Der olle Wendler-Fiji-Wind bläst weiterhin Tag für Tag ungemütlich stark vor sich hin.
Gestern sind wir in die Marina umgezogen (mit einem Tag Verspätung – unser reservierter Platz war noch nicht frei). Die passt sich mit 33 Euro pro Nacht dem hochpreisigen Niveau der angebotenen Ausflüge an. „Unterkunft für Ihre Luxusyacht“, verspricht die Werbung. Die Yachten neben uns sind so übergroß, dass sie Schlagschatten auf Atanga werfen. Aber Luxus-Atanga passt sich als kleinstes Schiff tadellos ein. ;-)
Nach vier Monaten eine richtige Dusche – mit regelbarer Wassertemperatur. Unbezahlbar. Einfach auf den Steg hüpfen und eine Pizza essen gehen. Köstlich. Wäsche in eine Waschmaschine stopfen. Phantastisch.

Anfahrt auf die Marina – die Unterkunft für unsere Luxus-Yacht

Atanga ist mit Abstand die Kleinste

Die Marina gehört zu einem Komplex aus Restaurants, Souvenirläden und dem Fährt-Terminal von dem aus Resort-Urlauber mit Schnellfähren auf ihre Inseln geschippert werden. Rechts und links davon haben sich alle namenhaften Hotelketten etabliert. Mitten drin ein Golfplatz. Natürlich gewachsen ist hier nichts, alles am Zeichenbrett entstanden.  Alles etwas nüchtern und ohne Seele.
Diese Kunstwelt wird durch einen Schlagbaum von der Welt ‚da draußen‘ abgeschirmt. Nach ‚draußen‘ kommt man mit einem Kleinbus. Der ist eigentlich für die Hotelangestellten, die zur Arbeit müssen. Die Touristen haben einen eigenen Hop-on-hop-off-Bus, der aber nur im Hotelkomplex bleibt. 10 Dollar pro Ticket (knapp 5 Euro).
Uns nimmt der Local-Bus natürlich auch mit. 1,60 Dollar pro Ticket. Nach einer halben Stunde Fahrt sind wir in Nadi. Einer nahegelegenen Stadt mit 45.000 Einwohnern.  Zwischen ‚draußen‘ und ‚drinnen‘ liegen Universen. Touristen gegen arbeitende Bevölkerung. Gut in Schuss  gegen ganz schön abgewirtschaftet. Weiß gegen Farbig. Teuer gegen preiswert: Eine kleine Gurke im Supermarkt neben der Marina kostet 3,75 Dollar. Für drei große Gurken auf dem Markt möchte die Marktfrau 2,00 Dollar haben.

Ein typisches Zentrum für Touristen mit Restaurants, Geschäften und einer gewissen Sterilität

 

Auf der Denarau Halbinsel ist alles geschniegelt für die Touristen

Zwischen den Hotels Kanäle mit Bootsanleger zum Ferienhaus

Nadi – wuselig in der Nähe des Marktes

Alles etwas abgewohnt in Nadi

Unsere Aufgabe in Nadi ist es, dass Schiff wieder mit Vorräten aufzufüllen. Keine leichte Aufgabe. In Nadi gibt es Supermärkte wie Sand am Meer. Indisch, chinesisch, international. Das Angebot variiert entsprechend. Die einen haben Kaffee, die anderen, die von uns gesuchten Kräcker. Hier gibt es Mais in der Dose, aber keine Champignons. Erst drei Straßen weiter werden wir fündig.
Allen gemein ist, dass sie außer ihre gefrorenen Hühnerbeine und gefrorene Lammwürfel unbekannter Herkunft am Tier, kaum Fleisch im Angebot haben.

Seit wir in Fiji sind, ernähren wir uns von Huhn. Für die abgelegenen Ankerplätze habe ich Hühnersuppe und Hühnerbrust eingekocht. Vor Ort variiert durch verschiedenes Dosengemüse. Alles ganz lecker, aber es reicht. Wir möchten auch mal wieder etwas anderes essen. Dank Google Maps weiß ich, wo sich der eine (!) Schlachter in Nadi befindet. Etwas außerhalb, ein gutes Stück zu laufen. Wir erwarten nicht viel. Die Fassadenbeschriftung lässt Achims Herz allerdings höher schlagen. Wir drücken die Klinke von der Eingangstür. Dahinter liegt das Fiji-Fleischparadies. Es gibt alle Sorten Fleisch! Nichts ist gefroren. Alles frisch: Hack in zwei Qualitäten, Rinder-Beinscheiben und tatsächlich Frankfurter Würstchen. Wir geraten in einen Kaufrausch. Die Verkäuferinnen tragen ein T-Shirt mit dem gleichen Spruch, wie auf der Hauswand. Achim will auch so eins. :mrgreen:
Zufrieden fahren wir mit dem Bus zum Schiff zurück. Und Morgen wird mit Variationen eingekocht für die Überfahrt.

Fleischerei-Werbung nach Achims Geschmack

Hier nur ein Teil vom Rindfleischangebot – es gab auch Schwein, Huhn und Lamm. Das haben wir noch gar nicht gesehen in Fiji.

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Der Wind in Fiji

23.Sep.23, Fiji/Viti Levu/Momi, Tag 3402, 26.667 sm von HH

Als wir aus dem Atoll von Beqa fahren, haben wir erneut Starkwind. Kräftiger als uns lieb ist. Wir müssen zunächst bei 30 Knoten Wind genau gegen an motoren. Dazu Nieselregen. Hinter dem Atollausgang steht eine leckere Welle. Wir werden durchgeschüttelt wie lange nicht.
Wäre der Wind in Fiji eine Farbe, wäre er grau. Wäre er ein Fisch, dann der Karpfen. Der Stangensellerie unter den Winden, beliebt wie der Wendler unter den Schlagerstars.  Ja, das Stinktier der Winde.

Die Segelbegeisterung ist riesig

die Bedingungen zum Abgewöhnen

zum Glück ist es nur eine Stunde richtig übel

Er hat uns einige schlaflose Nächte beschert und Pläne umgeworfen. Damit ist jetzt Schluss. Wir machen uns auf den Weg nach Viti Levu. Die größte Insel Fijis wirft einen deutlichen Windschatten auf ihre Westseite. Da wollen wir hin. Mit gut 90 Meilen steht mal wieder eine Nachtfahrt an. Zum Glück können wir eine Stunde nach der Passausfahrt den Kurs wechseln. Jetzt kommt der Wind genau von hinten. Rolly shit. :mrgreen: Aber besser als gegen an zu bolzen. Wir segeln gut gerefft, um nicht zu früh anzukommen. Nach Mitternacht erreichen wir die Kante vom Wellenschatten. Es wird ruhiger. Auch der Wind wird kontinuierlich schwächer. Schön. Morgens um 9:00 Uhr fällt der Anker in glattgezogenem Wasser.

Jetzt kommt der Wind von hinten – da freut sich die Frau

Die Bucht hat nichts Besonderes. Wird von Seglern hauptsächlich als Nacht-Ruheplatz benutzt, um am nächsten Tag Anker auf zu gehen. Boote kommen, Boote gehen. Wir bleiben trotzdem ein paar Tage. Der nächste Stopp wird dann auch unser letzter in Fiji sein. Und dort ist es dann vorbei mit Kajaktouren und Urlaubs-Feeling. Nur ein paar Meilen weiter haben wir uns einen Marinaplatz reserviert. Die üblichen Vorbereitungen für einen großen Schlag warten. Eine Waschmaschine und ein Supermarkt sind ebenfalls willkommen. Noch haben wir zu essen, allerdings ist die Auswahl etwas dünn geworden.
Die Abfahrt nach Australien rückt näher: spätestens am 11. Oktober wollen wir los.

Die Vorhersage für Sonntag – es kommt schon das nächste Starkwindfeld – wir liegen jetzt in der grünen Zone – großartig! foto credit: windy

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Die Feuerläufer von Beqa

14.Sep.23, Fiji/Beqa/Lalati, Tag 3393, 26.575 sm von HH

Die berühmte Kunst des Feuerlaufens in Fidschi hat ausgerechnet ihren Ursprung auf unserer kleinen Insel. Die Männer des örtlichen Sawu-Stammes haben eine besondere Fähigkeit: Sie können über glühend heiße Steine laufen. Der Legende nach bekamen sie diese Fertigkeit von einem Gott, den sie versehentlich gefangen hatten, weil sie ihn für einen Aal hielten. Als Dank für seine Freilassung versprach der Gott ihnen, dass die Sawu-Männer von nun ab das Feuer bezwingen könnten.

Dass dies keine alberne Legende ist, beweist uns John eindringlich. Unter lautem Gebrüll und mit vielen Macho-Gesten legt er die Steine frei, die von glühenden Holzstücken bedeckt sind. Auf Tradition bedacht, hat er sich sogar einen Bastrock über die Shorts gezogen. Mit etwas Reisig, der sofort zu qualmen beginnt, zeigt er uns an, jawohl, die Steine sind wirklich heiß. Mit noch mehr Gejohle hüpft er auf die Steine. Mit breitem Grinsen steht er dann unversehrt vor uns am Strand. Feuerprobe bestanden, Legende bestätigt!

John beim Fire Walk

John wohnt mit seiner Familie gegenüber vom Dorf auf der anderen Seite der Bucht. Täglich fährt er an uns vorbei, um in den Mangroven zu fischen.  Gerne hält er auf ein Schwätzchen an. So verabreden sich Katlyn und Thommy, unsere amerikanischen Nachbarsegler, zum Speerfischen mit John. Die gefangenen Fische sollen gemeinsam gegessen werden und John möchte vorher seinen Fire Walk zeigen. Wir werden eingeladen mit dabei zu sein, zum Glück ganz ohne einen Fisch harpunieren zu müssen.

Bucht von Beqa, foto credit: google maps

Da man nie weiß, ob Fischer mit Beute nach Hause kommen, bereite ich sicherheitshalber einen Kartoffelsalat zu. Aber unsere Fischer sind erfolgreich. Katlyn brät den Fisch und kocht noch eine große Portion Nudelauflauf.
Mit den Dinghies düsen wir zum kleinen Strand an dem das Haus von Johns Familie steht. Das Feuer für die Steine brennt bereits lichterloh. Freudig werden wir empfangen und lernen die Frau von John, seine drei Kinder und ein befreundetes Paar aus dem Dorf kennen. Die Show kann beginnen. John findet in der eigenen Familie und bei uns Gästen ein begeistertes Publikum.

Nach dem Feuerlauf versammeln sich alle auf der Veranda des Hauses. Die Familie steuert noch Brotfrucht zum gemeinsamen Essen bei. Katlyn spendiert Rum aus Tahiti. Zwei Welpen ergänzen die Runde. Total brav schaffen sie es fast gar nicht über den Esstisch, der aus einer Bodenmatte besteht, zu laufen. Musik schallt aus einer großen Ghettoblaster-Box. Die kann John per Blue Tooth bedienen. Tradition und Moderne – der totale Kontrast. Ein wirklich bunter Abend. Nur Kava gab es wieder nicht …

John mit seinen drei Kindern und Freunden

Allgegenwärtig: Handys

Zigaretten Fiji Style – gerollt wird ein Stuck Tabak in Zeitungspapier. Extrem dünne Stängel sind das Ergebnis. Es wird mehr Papier als Tabak geraucht.

Die Lieblinge des Abends

Am Tag nach dem Feuerlauf erreicht uns der vorhergesagte Windwirbel. Zwölf Stunden verbläst es uns. Natürlich nachts. ;-)
Der Wirbel bringt Nordwind, unsere Bucht ist ausgerechnet nach Norden offen. Aber der Ankergrund ist Mangrovenschlamm (Wie Achim zwei Tage später leidvoll im Ankerkasten sehen muss. So viel Dreck haben wir lange nicht mehr mit an Bord gezogen). Der beste Ankergrund, den es gibt. Eingefahren haben wir ihn nach Norden, somit rutschen wir ein Stück als uns die ersten 30er Böen erreichen und der Anker sich dreht. Erst bekommen wir einen Schreck und beobachten gebannt die Anker-App. Nach fünfzehn Metern stoppen wir. Der Anker hat neu gegriffen und hält jetzt bombenfest. Wir schätzen, dass der Wind bis 40 Knoten hoch gegangen sein muss.

Nach einer schlaflosen Nacht wird uns am nächsten Tag die totale Flaute geschenkt. Wir unternehmen mit dem Kajak einen Ausflug in die Mangroven. Verschieden Bäche aus den umliegenden Bergen mäandern sich durch den Mangroven-Wald. Immer wieder ein Erlebnis. Und immer gibt es was zu entdecken. Heute erspäht Adlerauge Achim eine Flughund-Kolonie in ihrem Rast-Baum.

Wie ausgebaggert bahnt sich der Fluss aus den Bergen seinen Weg durch die Mangroven

Irgendwann schließt sich das Blätterdach

Wo ist oben – wo ist unten?

Dutzende Flughunde in ihrem Schlafbaum – in der Dämmerung fliegen sie über die Bucht, um Früchte zu suchen.

Wie schwarze Kohlrouladen hängen sie kopfüber im Baum

Gelbe Winkerkrabben am Strand. Nur die Männchen haben eine vergrößerte Schere (es gibt Rechtsträger und Linksträger). Damit wollen sie die Weibchen beeindrucken.

Mit der ausgeprägten Zange wird eifrig gewunken – fast Synchron winkt die gesamte Kolonie..

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Versteckte Covid-Schäden

13.Sep.23, Fiji/Beqa/Lalati, Tag 3392, 26.575 sm von HH

Nach dem Starkwind in Levuka wollten wir eigentlich nach Kadavu – ein Taucherparadies mit Mantas und Haien. Erneut bläst das Wetter in Fiji unsere Pläne durch den Schornstein. Schon wieder. :roll: Ein unangenehmer Windwirbel mit 50er Böen wird vorhergesagt. Wir disponieren um und wählen die Insel Beqa als Schutz vor diesem Wind. Hier gibt es eine schmale, lang gezogene Bucht eingerahmt von Mangroven. Der Ankergrund soll Modder sein.

Nach einer ruhigen Nachtfahrt erreichen wir die Bucht Lalati am Vormittag. Präpariert für das Sevusevu entern wir das Dorf zu dem die Bucht gehört. Eine Frau zeigt uns den Weg zum Haus vom Chief. Der ist mundfaul und brummelt vor sich hin. Wir werden trotzdem ins Haus gebeten. Die uns schon bekannte Bula-Klatsch-Ansprache ist nach dreißig Sekunden beendet. „Woher stammt das Kava?“, möchte er wissen. Offensichtlich bereitet ihm unser Paket aus Savusavu keine Freude. „Wir sind leider keine Experten in Kava“, versucht Achim gute Stimmung zu machen. Der Chief steht auf. Das Bündel wirft er im Bogen in eine Zimmerecke. Unsere europäischen Augen sind beleidigt.

Unser Kava-Strauch findet keinen Anklang

Ob wir nun bereits im Dorf willkommen sind, wird uns nicht eindeutig klar. Brummelnd verweist er auf seine Frau, die in der Zwischenzeit vor der Tür eine Decke mit Schneckenhäusern und Muschelketten aufgebaut hat. Nein, wir möchten keine Schnecken kaufen, die in Australien mit einer Vierteilung belohnt werden dürften. Wir lehnen dankend ab. Nun ist sie sauer. Mault erst uns an und murmelt dann mit ihren Mann. „Wollt ihr Papaya kaufen?“ Wir stimmen zu, um die Stimmung wieder etwas aufzuhellen. Wir folgen den Eheleuten zu einem Papayabaum. Es hängen zurzeit keine erntereifen Früchte am Baum. Wir erweisen uns als schwierige Kunden, denn die knallgrünen Papaya möchten wir ebenfalls nicht. Nach etwas hin und her einigen wir uns, dass wir Morgen wieder kommen sollen und fertige Papaya abholen können.

Blick vom Dorf in die Bucht – Atanga liegt versteckt tief in den Mangroven

Die Frau vom Chief geleitet uns zum Dinghy zurück. Das Dorf ist in einem schlechten Zustand. Die Häuser haben keine Farbe. Betonwege sind zerbrochen. Alles wirkt ramponiert und könnte Pflege gebrauchen. Wir sehen auch ungewöhnlich viele Männer vor den Hütten sitzen. Keiner geht so Recht einer Beschäftigung nach. Ein ungewöhnliches Dorf. Und Kava gab es auch nicht. ;-)

Freundlich erklären mir die Damen, was sie dort machen. Frische Pandanuss-Blätter werden zum Flechten der Matten vorbereitet. Sie befreien die Blätter von den stacheligen Kanten.

Zum Trocknen kommen die Blätter auf dem Rasen. Auch feucht gewordene Matten werden so wieder getrocknet.

Neue Matte in Arbeit. Große Matten haben nur bescheidene Muster oder gar keine. Tischuntersetzer werden etwas aufwändiger gearbeitet. Die Färbung der Blätter ist natürlich – lediglich muss man die Farben sortieren.

Das ganze Haus wird mit den Matten ausgelegt – die sollen vier Jahre halten, wie mir berichtet wurde

Nur ein paar hundert Meter neben dem Dorf liegt eine Hotelanlage. Schon bei der Einfahrt in die Bucht hatten wir den Eindruck, dass das Resort geschlossen sein könnte. Wir tuckern mit dem Dinghy rüber. Die Steganlage ist halb zusammen gebrochen, Hotelgäste gibt es hier mit Sicherheit nicht, aber wir hören Stimmen. Wir gehen in die Anlage und treffen auf ein paar Arbeiter. Gerne dürfen wir uns umsehen, erlauben sie.
Eine junge Frau ist an der ehemaligen Rezeption beschäftigt. Sie ist total freundlich und wir kommen ins Gespräch. Das Hotel sei während Covid vor zwei Jahren geschlossen worden. Der ursprüngliche Besitzer habe das Hotel verkauft und nun gehöre es einem Chinesischen Multi-Millionär. Der soll demnächst vorbei kommen und dann wird die Anlage wieder aufgebaut. Sie freut sich schon sehr darauf. Ein paar Dorfbewohner hätten zwar noch Arbeit gehabt, um das Nötigste in der Anlage in Schuss zu halten, aber die meisten würden seit zwei Jahren ohne Arbeit sein. Die Männer würden jetzt etwas Farmarbeit leisten.
Damit ist natürlich der schlechte Zustand vom Dorf schnell erklärt. Die ätzenden Nebenschäden der Pandemie, die man nicht sofort erkennt.

Der Steg ist halb zusammen gebrochen

Die Hotelanlage ist in einem schlechten Zustand – überall sind Bretter herausgebrochen und Moose und Flechten erobern sich ihr Reich zurück.

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Lovoni – ein Dorf im Vulkan

5.Sep.23, Fiji/Ovalau/Levuka, Tag 3384, 26.502 sm von HH

Unser Taxifahrer Rouko ist pünktlich wie ein Deutscher Maurer. Gut gelaunt lädt er uns in seinen Wagen ein, tankt noch schnell fünf Liter Benzin und kauft im Supermarkt eine Dose Raumduftspray ein. Nach zehn Minuten Fahrt hält er laut hupend vor einem Haus. Ein junges Mädchen, sein Enkelkind wahrscheinlich, springt auf und nimmt die Dose in Empfang. Nach Fiji-Art stehen alle Fenster und Türen im Hause offen. Ich wundere mich über das Duftspray noch eine ganze Weile.

Ovalau ist fast kreisrund. Eine Straße führt an der Küste lang und im Westen biegt eine Straße ab zum einzigen Ort im Inselinneren, nach Lovoni. Mehr Straßen gibt es nicht. Sechzig Kilometer unbefestigte Schotterpiste. Nur in den größeren Dörfern ist der Straßenbelag Asphalt, damit es nicht so staubt. Lovoni ist unser mit Rouko vereinbartes Ziel.  Er ist auf Ovalau geboren und beantwortet bereitwillig unsere Fragen.

Ovalau – Foto Credit: google maps

Die Küste ist strandfrei – wo keine Mangroven die Ufer schützen, wurden Steinwälle errichtet. Die Aussicht verändert sich im erst im Norden von Ovalau.

Solar-Projekt von Koreanischen Investoren – Ovalau mit seinem rappelnden Diesel-Generator ist ein schlechtes Beispiel für Energiegewinnung – immerhin 80 Prozent der Engie in Fiji stammen aus Wasserkraft

Fluss-Idylle – unzählige Flüsse fließen aus den Bergen ins Meer

Lovoni liegt mitten in einem erloschenen Vulkankrater und böse Zungen behaupten, dass dies die einzige Ebene auf der Insel sei. Andere Zungen berichten, dass die Einwohner Lovonis besonders wehrhaft und kämpferisch (gewesen) seien. Als die ersten Europäer ihren Fuß auf Ovalau setzten, sollen sie das aufstrebende Levuka zweimal nieder gebrannt haben. Ein Brandanschlag auf das alte Haus der Freimaurer im Jahr 2000 soll ebenfalls auf ihre Kappe gehen.

Der Weg nach Lovoni im Vulkankessel gelegen

Breits gestern bei der Verabredung haben wir Rouko gefragt, ob wir ein Kava-Bündel für das Sevusevu mitbringen sollen. „Ja, auf jeden Fall! Ich stehe in Verbindung (welcher Art bleibt uns verborgen) mit Lovoni und werde euch einführen. Ein Bündel für zwanzig Dollar ist ausreichend.“
Als wir Lovoni erreichen, kramt Rouko einen Sulu hervor. Sulu ist die Bezeichnung für die traditionellen Röcke/Sarongs in Fiji. Wir sind ebenfalls vorbereitet. Für Achim hatten wir in Savusavu bereits einen Sulu gekauft. Ich habe noch ein übergroßes Tuch im Fundus, was ich benutze. Rouko nickt zufrieden als er unsere Sulus sieht: „Sehr gut!“

Der Chief von Atanga mit Kava-Bündel und mit gutem Hemd zum Sulu

Das Dorf hat vierhundert Einwohner und die Häuser stehen überraschend eng zusammen. Vielleicht der mangelnden ebenen Fläche geschuldet. Vielleicht mag man es eng in Lovoni. Es gibt sowohl Betonwege als auch Trampelpfade über Gras. Rouko läuft vorweg, fragt zwei, drei Frauen nach dem Chef. Irgendjemand rennt los und sagt Bescheid, dass Gäste anwesend sind.

Lovoni hat drei Unterdörfer im Dorfgefüge – aber alle haben den gleichen Chief – der wird nicht gewählt – sonders der Vorsitz über ein Dorf wird weiter vererbt

Reihenhaus-Charakter-Stimmung

Rouko führt uns durchs Dorf

Auch Lovoni hat seinen eigenen Bach quer durch Dorf – im Hintergrund die Vulkanwände

Wir sind etwas eingeschüchtert vom Dorf. Es macht wohl neugierig, aber wir mögen nicht so gerne nah in die Privatsphäre anderer Leute schauen. Halten gerne Abstand und vermeiden es fremde Gärten zu betreten. Hier kann man Nähe nicht verhindern. Die Türen stehen offen und gekocht wird häufig draußen. Ohne Rouko hätten wir uns wahrscheinlich gar nicht getraut in die Gemeinschaft einzudringen.
Dabei machen es uns die Menschen leicht. Von allen Seiten schallt uns ein herzliches „Bula“ entgegen. Von weitem wird gewunken und gerufen. Mehr kommt dann häufig  nicht. Nach der Begrüßung gehen die Leute wieder ihrem Tagesgeschäft nach. Das Gespräch mit der Tochter oder dem Nachbarn wird wieder aufgenommen. Wir sind uninteressant. Uns ist das bereits in den anderen Dörfern aufgefallen. Nach überschwänglicher Freude in der Begrüßung erlahmt meistens die Beachtung. Werden wir aktiv und stellen Fragen, bekommen wir freundliche Antworten, aber von uns möchten die Menschen selten etwas erfahren. Ist Neugierde eine Deutsche „Tugend“?

Nach einer kurzen Wartezeit vor dem Dorfgemeinschaftshaus bekommt Rouko die Information, dass der Chief des Dorfes sich gerade auf den Weg nach Levuka machen wollte. Aber kein Problem, er komme gleich für das Sevusevu. In der Zwischenzeit öffnet der „Beisitzer“ vom Chief die Türen vom Zeremonie-Haus.
Dann erscheint das Oberhaut von Lovoni. In Jogginghose. Uppsi, er bemerkt seinen Fehler, verschwindet in einem Haus und kommt mit einem Sulu in der Hand zurück. Das gelbe Tuch mit Fiji-Werbeaufdruck bindet er sich um die Hüften während wir das Haus betreten. Alle setzten sich im Kreis auf. Es folgt die schon bekannte Zeremonie mit Wechselgespräch und Händeklatschen. Von Rouko lernen wir später, dass es kein Gebet ist, wie wir vermutet haben, sondern schlicht eine Vorstellung unserer Person und die Bitte, um Erlaubnis das Dorf zu betreten. Wird einem diese erteilt, hält sie übrigens ein Leben lang.
Im Vorwege hatten wir uns überlegt, wenn wir Lovoni besuchen, einen Ort, der von Touristen nur äußerst selten besucht wird, dass wir dann nach dem Sevusevu in den Genuss einer Kava-Zeremonie kommen müssten. Von uns ist keiner besonders scharf darauf ein Gesöff, was nach einem Mix aus modriger Erde und alten Socken schmecken soll, zu probieren. Aber es gehört dazu. „Hast du es nie getrunken, hast du Fiji nicht besucht“, wie uns ein Mitarbeiter vom Kreuzfahrtschiff glaubhaft versicherte.

Aber Pustekuchen! Der Chief hat es eilig. Will er doch noch nach Levuka. Nach der Übergabe unseres Kava-Bündels sind wir entlassen. Wieder nix mit Kava probieren.

Links der Chief – rechts Rouko – der Assi durfte nicht mit aufs Foto

Mit Sulu korrekt gekleidet – nach dem Sevusevu darf man ihn wieder ablegen. Fürs Sevusevu scheint er unverzichtbar.

Wir schlendern mit Rouko noch im Dorf umher. Das reichste Dorf der Insel, berichtet er uns. Der Wohlstand sei im Verkauf von Kava und Holz begründet. Vielleicht stammt unser Bündel Pfefferstrauch ja auch von hier? Unter den Seglern werden durchaus Witze gemacht, dass es nur ein paar Dutzend Bündel geben könnte, die immer wieder von den Außeninseln nach Savusavu (der für uns bisher einzige Ort mit Kava-Verkauf) zurück gebracht würden. Von Markierungen, die man an den Bündeln anbringen müsste, ist schon die Rede.

Kava Produktion – Nach Lovoni Kava zu bringen, ist wie Bier in die Kneipe schleppen.

Es gibt bessere Häuser

und sehr einfache Häuser

Bei Sonne werden Decken und dünne Matratzen in die Sonne gelegt – geschlafen wird auf der Erde – die Decken liegen auf geflochtene Matten. Das Trocknen der Decken haben wir bereits in Levuka in den Gärten gesehen.

Rouko fährt mit uns dann noch die zweite Hälfte der Inselrunde und setzt uns nach dreieinhalb Stunden wieder in Levuka ab. Eine lohnende Tour mit einem äußert netten Fahrer.

Zyklon Winston hat diesen Frachter 2016 aufrecht am Ufer abgesetzt

Das ist, was ich meine – alle freuen sich, wenn sie Langnasen sehen und reißen die Arme hoch – hier Fischer am Wrack

P.S. In Levuka, immerhin 4.000 Einwohner im Einzugsgebiet, sind wir inzwischen bekannt wie bunte Hunde. Ein Typ spricht uns an, ob wir bereits von unserer Taxitour zurück seien oder erst am Nachmittag fahren.
Eine Marktfrau bei der wir Eier kaufen, ist sich sicher: „Ihr seid die von dem Segelboot, oder?“
Also das eine Segelboot. Seit sechs Tagen liegen wir hier bereits ohne Segler-Gesellschaft. Und wir müssen noch drei Tage bleiben. Eine Windfront mit über zwanzig Knoten stellt sich uns in den Weg nach Süden. Dazu soll zwei Meter neunzig Schwell auf die Nase kommen. Wir verzichten auf so eine ruppige Fahrt hoch am Wind. Und somit beobachten jeden Abend, wie Rouko um 17:30 Uhr mit seinem Taxi um die Ecke kommt und nach Hause fährt.
Man kennt sich, in Levuka. ;-)

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