Archiv der Kategorie: Fiji

Versteckte Covid-Schäden

13.Sep.23, Fiji/Beqa/Lalati, Tag 3392, 26.575 sm von HH

Nach dem Starkwind in Levuka wollten wir eigentlich nach Kadavu – ein Taucherparadies mit Mantas und Haien. Erneut bläst das Wetter in Fiji unsere Pläne durch den Schornstein. Schon wieder. :roll: Ein unangenehmer Windwirbel mit 50er Böen wird vorhergesagt. Wir disponieren um und wählen die Insel Beqa als Schutz vor diesem Wind. Hier gibt es eine schmale, lang gezogene Bucht eingerahmt von Mangroven. Der Ankergrund soll Modder sein.

Nach einer ruhigen Nachtfahrt erreichen wir die Bucht Lalati am Vormittag. Präpariert für das Sevusevu entern wir das Dorf zu dem die Bucht gehört. Eine Frau zeigt uns den Weg zum Haus vom Chief. Der ist mundfaul und brummelt vor sich hin. Wir werden trotzdem ins Haus gebeten. Die uns schon bekannte Bula-Klatsch-Ansprache ist nach dreißig Sekunden beendet. „Woher stammt das Kava?“, möchte er wissen. Offensichtlich bereitet ihm unser Paket aus Savusavu keine Freude. „Wir sind leider keine Experten in Kava“, versucht Achim gute Stimmung zu machen. Der Chief steht auf. Das Bündel wirft er im Bogen in eine Zimmerecke. Unsere europäischen Augen sind beleidigt.

Unser Kava-Strauch findet keinen Anklang

Ob wir nun bereits im Dorf willkommen sind, wird uns nicht eindeutig klar. Brummelnd verweist er auf seine Frau, die in der Zwischenzeit vor der Tür eine Decke mit Schneckenhäusern und Muschelketten aufgebaut hat. Nein, wir möchten keine Schnecken kaufen, die in Australien mit einer Vierteilung belohnt werden dürften. Wir lehnen dankend ab. Nun ist sie sauer. Mault erst uns an und murmelt dann mit ihren Mann. „Wollt ihr Papaya kaufen?“ Wir stimmen zu, um die Stimmung wieder etwas aufzuhellen. Wir folgen den Eheleuten zu einem Papayabaum. Es hängen zurzeit keine erntereifen Früchte am Baum. Wir erweisen uns als schwierige Kunden, denn die knallgrünen Papaya möchten wir ebenfalls nicht. Nach etwas hin und her einigen wir uns, dass wir Morgen wieder kommen sollen und fertige Papaya abholen können.

Blick vom Dorf in die Bucht – Atanga liegt versteckt tief in den Mangroven

Die Frau vom Chief geleitet uns zum Dinghy zurück. Das Dorf ist in einem schlechten Zustand. Die Häuser haben keine Farbe. Betonwege sind zerbrochen. Alles wirkt ramponiert und könnte Pflege gebrauchen. Wir sehen auch ungewöhnlich viele Männer vor den Hütten sitzen. Keiner geht so Recht einer Beschäftigung nach. Ein ungewöhnliches Dorf. Und Kava gab es auch nicht. ;-)

Freundlich erklären mir die Damen, was sie dort machen. Frische Pandanuss-Blätter werden zum Flechten der Matten vorbereitet. Sie befreien die Blätter von den stacheligen Kanten.

Zum Trocknen kommen die Blätter auf dem Rasen. Auch feucht gewordene Matten werden so wieder getrocknet.

Neue Matte in Arbeit. Große Matten haben nur bescheidene Muster oder gar keine. Tischuntersetzer werden etwas aufwändiger gearbeitet. Die Färbung der Blätter ist natürlich – lediglich muss man die Farben sortieren.

Das ganze Haus wird mit den Matten ausgelegt – die sollen vier Jahre halten, wie mir berichtet wurde

Nur ein paar hundert Meter neben dem Dorf liegt eine Hotelanlage. Schon bei der Einfahrt in die Bucht hatten wir den Eindruck, dass das Resort geschlossen sein könnte. Wir tuckern mit dem Dinghy rüber. Die Steganlage ist halb zusammen gebrochen, Hotelgäste gibt es hier mit Sicherheit nicht, aber wir hören Stimmen. Wir gehen in die Anlage und treffen auf ein paar Arbeiter. Gerne dürfen wir uns umsehen, erlauben sie.
Eine junge Frau ist an der ehemaligen Rezeption beschäftigt. Sie ist total freundlich und wir kommen ins Gespräch. Das Hotel sei während Covid vor zwei Jahren geschlossen worden. Der ursprüngliche Besitzer habe das Hotel verkauft und nun gehöre es einem Chinesischen Multi-Millionär. Der soll demnächst vorbei kommen und dann wird die Anlage wieder aufgebaut. Sie freut sich schon sehr darauf. Ein paar Dorfbewohner hätten zwar noch Arbeit gehabt, um das Nötigste in der Anlage in Schuss zu halten, aber die meisten würden seit zwei Jahren ohne Arbeit sein. Die Männer würden jetzt etwas Farmarbeit leisten.
Damit ist natürlich der schlechte Zustand vom Dorf schnell erklärt. Die ätzenden Nebenschäden der Pandemie, die man nicht sofort erkennt.

Der Steg ist halb zusammen gebrochen

Die Hotelanlage ist in einem schlechten Zustand – überall sind Bretter herausgebrochen und Moose und Flechten erobern sich ihr Reich zurück.

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Lovoni – ein Dorf im Vulkan

5.Sep.23, Fiji/Ovalau/Levuka, Tag 3384, 26.502 sm von HH

Unser Taxifahrer Rouko ist pünktlich wie ein Deutscher Maurer. Gut gelaunt lädt er uns in seinen Wagen ein, tankt noch schnell fünf Liter Benzin und kauft im Supermarkt eine Dose Raumduftspray ein. Nach zehn Minuten Fahrt hält er laut hupend vor einem Haus. Ein junges Mädchen, sein Enkelkind wahrscheinlich, springt auf und nimmt die Dose in Empfang. Nach Fiji-Art stehen alle Fenster und Türen im Hause offen. Ich wundere mich über das Duftspray noch eine ganze Weile.

Ovalau ist fast kreisrund. Eine Straße führt an der Küste lang und im Westen biegt eine Straße ab zum einzigen Ort im Inselinneren, nach Lovoni. Mehr Straßen gibt es nicht. Sechzig Kilometer unbefestigte Schotterpiste. Nur in den größeren Dörfern ist der Straßenbelag Asphalt, damit es nicht so staubt. Lovoni ist unser mit Rouko vereinbartes Ziel.  Er ist auf Ovalau geboren und beantwortet bereitwillig unsere Fragen.

Ovalau – Foto Credit: google maps

Die Küste ist strandfrei – wo keine Mangroven die Ufer schützen, wurden Steinwälle errichtet. Die Aussicht verändert sich im erst im Norden von Ovalau.

Solar-Projekt von Koreanischen Investoren – Ovalau mit seinem rappelnden Diesel-Generator ist ein schlechtes Beispiel für Energiegewinnung – immerhin 80 Prozent der Engie in Fiji stammen aus Wasserkraft

Fluss-Idylle – unzählige Flüsse fließen aus den Bergen ins Meer

Lovoni liegt mitten in einem erloschenen Vulkankrater und böse Zungen behaupten, dass dies die einzige Ebene auf der Insel sei. Andere Zungen berichten, dass die Einwohner Lovonis besonders wehrhaft und kämpferisch (gewesen) seien. Als die ersten Europäer ihren Fuß auf Ovalau setzten, sollen sie das aufstrebende Levuka zweimal nieder gebrannt haben. Ein Brandanschlag auf das alte Haus der Freimaurer im Jahr 2000 soll ebenfalls auf ihre Kappe gehen.

Der Weg nach Lovoni im Vulkankessel gelegen

Breits gestern bei der Verabredung haben wir Rouko gefragt, ob wir ein Kava-Bündel für das Sevusevu mitbringen sollen. „Ja, auf jeden Fall! Ich stehe in Verbindung (welcher Art bleibt uns verborgen) mit Lovoni und werde euch einführen. Ein Bündel für zwanzig Dollar ist ausreichend.“
Als wir Lovoni erreichen, kramt Rouko einen Sulu hervor. Sulu ist die Bezeichnung für die traditionellen Röcke/Sarongs in Fiji. Wir sind ebenfalls vorbereitet. Für Achim hatten wir in Savusavu bereits einen Sulu gekauft. Ich habe noch ein übergroßes Tuch im Fundus, was ich benutze. Rouko nickt zufrieden als er unsere Sulus sieht: „Sehr gut!“

Der Chief von Atanga mit Kava-Bündel und mit gutem Hemd zum Sulu

Das Dorf hat vierhundert Einwohner und die Häuser stehen überraschend eng zusammen. Vielleicht der mangelnden ebenen Fläche geschuldet. Vielleicht mag man es eng in Lovoni. Es gibt sowohl Betonwege als auch Trampelpfade über Gras. Rouko läuft vorweg, fragt zwei, drei Frauen nach dem Chef. Irgendjemand rennt los und sagt Bescheid, dass Gäste anwesend sind.

Lovoni hat drei Unterdörfer im Dorfgefüge – aber alle haben den gleichen Chief – der wird nicht gewählt – sonders der Vorsitz über ein Dorf wird weiter vererbt

Reihenhaus-Charakter-Stimmung

Rouko führt uns durchs Dorf

Auch Lovoni hat seinen eigenen Bach quer durch Dorf – im Hintergrund die Vulkanwände

Wir sind etwas eingeschüchtert vom Dorf. Es macht wohl neugierig, aber wir mögen nicht so gerne nah in die Privatsphäre anderer Leute schauen. Halten gerne Abstand und vermeiden es fremde Gärten zu betreten. Hier kann man Nähe nicht verhindern. Die Türen stehen offen und gekocht wird häufig draußen. Ohne Rouko hätten wir uns wahrscheinlich gar nicht getraut in die Gemeinschaft einzudringen.
Dabei machen es uns die Menschen leicht. Von allen Seiten schallt uns ein herzliches „Bula“ entgegen. Von weitem wird gewunken und gerufen. Mehr kommt dann häufig  nicht. Nach der Begrüßung gehen die Leute wieder ihrem Tagesgeschäft nach. Das Gespräch mit der Tochter oder dem Nachbarn wird wieder aufgenommen. Wir sind uninteressant. Uns ist das bereits in den anderen Dörfern aufgefallen. Nach überschwänglicher Freude in der Begrüßung erlahmt meistens die Beachtung. Werden wir aktiv und stellen Fragen, bekommen wir freundliche Antworten, aber von uns möchten die Menschen selten etwas erfahren. Ist Neugierde eine Deutsche „Tugend“?

Nach einer kurzen Wartezeit vor dem Dorfgemeinschaftshaus bekommt Rouko die Information, dass der Chief des Dorfes sich gerade auf den Weg nach Levuka machen wollte. Aber kein Problem, er komme gleich für das Sevusevu. In der Zwischenzeit öffnet der „Beisitzer“ vom Chief die Türen vom Zeremonie-Haus.
Dann erscheint das Oberhaut von Lovoni. In Jogginghose. Uppsi, er bemerkt seinen Fehler, verschwindet in einem Haus und kommt mit einem Sulu in der Hand zurück. Das gelbe Tuch mit Fiji-Werbeaufdruck bindet er sich um die Hüften während wir das Haus betreten. Alle setzten sich im Kreis auf. Es folgt die schon bekannte Zeremonie mit Wechselgespräch und Händeklatschen. Von Rouko lernen wir später, dass es kein Gebet ist, wie wir vermutet haben, sondern schlicht eine Vorstellung unserer Person und die Bitte, um Erlaubnis das Dorf zu betreten. Wird einem diese erteilt, hält sie übrigens ein Leben lang.
Im Vorwege hatten wir uns überlegt, wenn wir Lovoni besuchen, einen Ort, der von Touristen nur äußerst selten besucht wird, dass wir dann nach dem Sevusevu in den Genuss einer Kava-Zeremonie kommen müssten. Von uns ist keiner besonders scharf darauf ein Gesöff, was nach einem Mix aus modriger Erde und alten Socken schmecken soll, zu probieren. Aber es gehört dazu. „Hast du es nie getrunken, hast du Fiji nicht besucht“, wie uns ein Mitarbeiter vom Kreuzfahrtschiff glaubhaft versicherte.

Aber Pustekuchen! Der Chief hat es eilig. Will er doch noch nach Levuka. Nach der Übergabe unseres Kava-Bündels sind wir entlassen. Wieder nix mit Kava probieren.

Links der Chief – rechts Rouko – der Assi durfte nicht mit aufs Foto

Mit Sulu korrekt gekleidet – nach dem Sevusevu darf man ihn wieder ablegen. Fürs Sevusevu scheint er unverzichtbar.

Wir schlendern mit Rouko noch im Dorf umher. Das reichste Dorf der Insel, berichtet er uns. Der Wohlstand sei im Verkauf von Kava und Holz begründet. Vielleicht stammt unser Bündel Pfefferstrauch ja auch von hier? Unter den Seglern werden durchaus Witze gemacht, dass es nur ein paar Dutzend Bündel geben könnte, die immer wieder von den Außeninseln nach Savusavu (der für uns bisher einzige Ort mit Kava-Verkauf) zurück gebracht würden. Von Markierungen, die man an den Bündeln anbringen müsste, ist schon die Rede.

Kava Produktion – Nach Lovoni Kava zu bringen, ist wie Bier in die Kneipe schleppen.

Es gibt bessere Häuser

und sehr einfache Häuser

Bei Sonne werden Decken und dünne Matratzen in die Sonne gelegt – geschlafen wird auf der Erde – die Decken liegen auf geflochtene Matten. Das Trocknen der Decken haben wir bereits in Levuka in den Gärten gesehen.

Rouko fährt mit uns dann noch die zweite Hälfte der Inselrunde und setzt uns nach dreieinhalb Stunden wieder in Levuka ab. Eine lohnende Tour mit einem äußert netten Fahrer.

Zyklon Winston hat diesen Frachter 2016 aufrecht am Ufer abgesetzt

Das ist, was ich meine – alle freuen sich, wenn sie Langnasen sehen und reißen die Arme hoch – hier Fischer am Wrack

P.S. In Levuka, immerhin 4.000 Einwohner im Einzugsgebiet, sind wir inzwischen bekannt wie bunte Hunde. Ein Typ spricht uns an, ob wir bereits von unserer Taxitour zurück seien oder erst am Nachmittag fahren.
Eine Marktfrau bei der wir Eier kaufen, ist sich sicher: „Ihr seid die von dem Segelboot, oder?“
Also das eine Segelboot. Seit sechs Tagen liegen wir hier bereits ohne Segler-Gesellschaft. Und wir müssen noch drei Tage bleiben. Eine Windfront mit über zwanzig Knoten stellt sich uns in den Weg nach Süden. Dazu soll zwei Meter neunzig Schwell auf die Nase kommen. Wir verzichten auf so eine ruppige Fahrt hoch am Wind. Und somit beobachten jeden Abend, wie Rouko um 17:30 Uhr mit seinem Taxi um die Ecke kommt und nach Hause fährt.
Man kennt sich, in Levuka. ;-)

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Levuka – Weltkulturerbe im freien Fall

3.-4.Sep.23, Fiji/Ovalau/Levuka, Tag 3382-3, 26.502 sm von HH

In Levuka verschmelzen gestern und heute zu einer Stadt mit morbidem Charme. Die Unesco hat dieser Kleinstadt das Siegel Weltkulturerbe verliehen als „herausragendes Beispiel einer pazifischen Hafenstadt aus dem späten 19. Jahrhundert“.

Die politisch getriebene Unesco verschenkt nichts.
Rauchfrei zu werden, da hat Levuka andere Sorgen – Das Rauchen kann sich sowieso kaum jemand leisten – man sieht es sicher nicht wegen der Werbung so selten

Den Dinghy-Parkplatz, den wir am Rande vom Industrieteil des Hafens finden, scheint aus dem gleichen Jahrhundert zu stammen. Die große Pier für Personenfähren bricht jeden Moment auseinander.  Es ist Sonntag – niemand da, den wir fragen können, ob wir hier festmachen dürfen. Hoffentlich ist das Gittertor auch noch geöffnet, wenn wir wieder kommen.
Das Weltkulturerbe liegt ausgestorben vor uns. Nur ein paar Staubwolken wälzen sich durch die Straßen. Alle Läden geschlossen bis auf einen Supermarkt. Fand eine Evakuierung aus Gründen statt von denen wir nichts  mitbekommen haben? Wir drehen eine Runde und beschließen am nächsten Tag wieder zu kommen.

Etwas ruppiger Platz fürs Dinghy – bei Niedrigwasser besteht Gefahr – dass das Schlauchboot unter die Pier gerät

Die Pier für die Personenfähre – Winston hat ordentlich zugeschlagen

Blick auf Levuka

Am Montag ist der Ort lebendiger. Gleich wirken die Häuser auch nicht mehr ganz so verfallen. Von der ehemals blühenden Stadt – gegründet 1820 von weißen Siedlern – ist nicht mehr viel übrig geblieben. Ein Brandt 2008 und der verheerende  Zyklon Winston 2016 haben dem alten Stadtkern arg zugesetzt. Viele Häuser stehen leer. Sind nur noch baufällige Ruinen.
Bis 1883 war Levuka die Hauptstadt von Fiji. Fünfzig Bars und Hotels reihten sich an der Hauptstraße entlang. Die Stadt liegt auf einem schmalen Küstenstreifen, steil steigen die Berge an den Flanken auf. Mangels Platz zum Expandieren wurde recht schnell Suva als Hauptstadt auserkoren. Der Verfall nahm seinen Lauf.

Cowboy-Stadt mitten im Pazifik – so hübsch soll Papeete auch mal gewesen sein – damals…

Einige Häuser sind wieder ganz gut in Schuss – viele leider nicht

Auch unter der Woche ist die Stadt sehr ruhig

Friseur- Salon  von innen

Durch das Unesco Siegel erhoffen Ovalau und Levuka sich einen Zustrom an Touristen. Aber die Insel hat es schwer. Ohne Sandstrände bleibt sie für Urlaubsgäste uninteressant. Auch viele Segler lassen die Insel Ovalau aus. Sie liegt nicht auf der üblichen Segelroute. Wir haben uns für diesen Weg entschieden, da uns unsere defekte Seekarte für die übliche, aber riffgespickte Nordroute nicht sicher genug erschien.
Zwei Ankerplätze sind für Levuka ausgewiesen. Wir entscheiden uns für den Platz außerhalb, da wir denken, dass und hier der Schwell aus dem Pass nicht so erreichen wird. Direkt gegenüber liegt das Gefängnis – ansprechend als „Correction Center“ ausgeschildert. Die in Orange gekleideten Insassen gärtnern tagsüber am steilen Hang der zum Gefängnis gehört.
Der Weg mit dem Dinghy ist von hier aus etwas weiter und insbesondere gegen den Wind zurück ein nasser Ritt. Wir kommen am größten Arbeitgeber der Insel vorbei: einer Thunfischfabrik.

Levuka – Foto credit google earth – wir ankern dort, wo die Wolke ist ;-)

Atanga liegt außerhalb hinter dem Riff – Auflandiger Wand – wir ankern gut in Sand

Die Fabrik erfreut Levuka deutlich mit Fischgeruch. Windtechnisch liegt sie ungünstig. Für unseren Ankerplatz jedoch perfekt.
Der Insel-Generator steht mitten im Ortskern und macht ratternd und knatternd aus Diesel Strom für die Insel. Einen schlechteren Ort hätte man nicht finden können. Das Museum (und es soll auch mal ein Informationszentrum gegeben haben) hat geschlossen.

Wir weiten unsere Runde durch den Ort aus. Finden hübsche Ecken und sehr schlichte, heruntergekommene Behausungen. Nicht allen geht es gut hier. Das Krankenhaus sieht bejammernswert aus. Richtig krank zu werden, ist keine gute Idee auf Ovalau.

Gleich von der Hauptstraße führt es steil in die Wohngebiete

199 Stufen – Treppe ins Oberdorf

Eine von zig Kirchen – diese ist von 1869

Für jeden Glaubenszweig eine eigene Kirche

Auf dem Krankenhausgelände finden wir diesen Ofen – zum Verbrennen von medizinischem Müll – eingezäunt mit Maschendraht

Die Rückseite vom Krankenhaus

Das Krankenhaus – alter Trakt

Krankenhaus – neuer Trakt

Wir wollten hier noch unsere Vorräte für kleine Inseln weiter im Süden aufrüsten. Nicht so einfach in Levuka. Die Supermärkte erweisen sich als schwierig. Ist das Sortiment noch ganz brauchbar, so sind die Zustände der Läden zum größten Teil hart im Ansehen.
Auch das Angebot auf den drei, vier Marktständen ist dünn: Eier, Maniok und Kohl. Am zweiten Tag gibt es nicht mal den.

Gefriertruhe im Supermarkt – lange her, dass wir so eine Truhe gesehen haben

Grausam verrottetes Gemüse

Verbrauchen innerhalb von drei Wochen – das Legedatum wurde sorgfältig aus allen Kartons heraus gestanzt

Chinesische Garküche – mit überraschend leckeren Teilchen mit Käse überbacken und einer Art Bratwurst im Inneren.

Wir bleiben trotzdem. ;-)
Strenger Wind würde unsere Weiterreise sehr ungemütlich machen, da wir nur hoch am Wind nach Süden kommen.  Also entscheiden wir uns für eine Inseltour. Busse gibt es keine. Jedes Dorf auf der Insel hat seinen eigenen Laster-Transport. Einmal am Tag kann man von jedem Dorf nach Levuka auf der Pritsche mitfahren. Und einmal am Tag zurück. Für uns ein nicht durchschaubareres System.

Inseltransport – der Fahrplan steht auf der Plane – praktisch. Nur die Uhrzeiten fehlen.

Wir fragen einen Taxifahrer, ob er uns über die Insel fahren würde. Er nickt freudig und macht uns einen vernünftigen Preisvorschlag: 70 Fiji Dollar (ungefähr 33 Euro). Wir stimmen zu. Morgen um 9:00 Uhr sind wir verabredet. Mal sehen, ob er seine Uhr nach der berühmt-berüchtigten Fiji-Time gestellt hat.

Fundstück des Tages – undenkbar in Deutschland – Aushänge, wer dem Laden noch Geld schuldig ist und seit wann

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(Kröten)-Wanderung

27.-31.Aug.23, Fiji/Makogai/Dalice, Tag 3375-9, 26.483 sm von HH

Am nächsten Tag hören wir im Morgengrauen Kettengerassel. Hinter uns geht ein kleines Kreuzfahrtschiff vor Anker. Die ‚Reef Endeavour‘ ist 73 Meter lang  und verbreitet den Charme vergangener Zeiten, als Kreuzfahrtschiffe noch überall willkommen waren. Das Schiff ist aktuell mit 90 Passagieren belegt und kreuzt nur in der Inselwelt Fijis umher.

Die Reef Endeavour liegt hinter uns vor Anker

Die Gäste an Land zu bringen, bereitet den Zubringerbooten bei Niedrigwasser erhebliche Schwierigkeiten. Aber nach mehrmaligem Umsteigen auf kleine Boote befinden sich endlich alle an Land. Wir mischen uns unter das Kreuzfahrt-Volk. Als wir mit unserem Kajak anlanden, sprechen uns australische Gäste an. Bei einem kurzen Schwätzchen kommt heraus, sie wissen nicht, wohin sie nach dem Besuch von Makogai hin gefahren werden. „Nächster Stopp ist Savusavau, nein halt, stimmt nicht, das war letztes Jahr.“  Wiederholungstäter also.

Für die Kreuzfahr-Gäste hat die kleine Dorfgemeinde einen Gottesdienst organisiert. In dem leeren Raum mit dem Tisch und Drucker stehen wie von Zauberhand plötzlich fünfzig Plastikstühle (vom großen Schiff mitgebracht, wie wir später sehen). Für den Prediger wurde ein Stehtisch in gelbe Tücher gehüllt. In den Pausen der Predigt singen die Kinder aus dem Dorf und tanzen zum Abschluss Pantomime zu Musik aus der Konserve.
Wer will, kann noch die Ruinen der Leprastation besuchen. Die meisten wollen nicht und lassen sich bereits auf ihr Schiff zurück bringen. Mittags liegt das Dorf wieder ruhig und verlassen da.

Gottesdienst für die Passagiere – wer keinen Platz bekommt – muss draußen sitzen

Die Kinder als dem Hauptdorf sind auch dabei – alle chic in Schale geworfen

Wer will – kann noch zum alten Friedhof gehen

Es folgen drei Tage mit Starkwind. Gegen den sind wir aber sehr gut geschützt in unserer Bucht. Keine Fallböen wie in Bavatu Harbour. Wir liegen ruhig und sicher. Achim hat sich eine Kurzzeit-Erkältung von vier Tagen eingefangen. Die ist aber nicht weniger tödlich als ein zehn Tage Männerschnupfen, wie er mir mehrfach versichert. Ich bleibe verschont und wir haben beschauliche Tage am Anker.

Dann ist der Skipper wieder einsatzfähig und wir machen uns zur anderen Seite der Insel auf. Hier liegt der Hauptort von Makogai mit der Inselschule. Viele Besucher hat das Dorf nicht. Man kann vor Na Sau schlecht ankern und muss von unserer Bucht zu Fuß neun Kilometer (hin und zurück) durch den Wald laufen. Der Weg ist klar zu erkennen, wird aber sicher nicht täglich benutzt. Ich lasse Achim vorweg laufen, um die Spinnweben einzufangen. Leider gibt es Mücken ohne Ende. Erst zweimaliges Einsprühen hält die Plagegeister von uns fern.
Es geht auf und ab, aber nie anstrengend. Nur wenige Aussichtspunkte liegen auf der Strecke, aber dafür umso mehr Kröten. Es handelt sich um die eingeschleppte Aga-Kröte. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts nach Fiji gebracht zur Käferbekämpfung auf Zuckerrohrplantagen. Jetzt vermehren sie sich wie die Karnickel. 30.000 Eier legt so ein fettes Weibchen. In Australien gibt es Sammel-Wettbewerbe und allerlei Maßnahmen zur Ausrottung der Kröten.
Die großen Kröten hocken zu hunderten am Weg und sind gar nicht scheu (oder extrem langsam). Wir müssen wir aufpassen, dass wir nicht aus Versehen auf sie treten.

Aga-Kröte – es gibt hunderte über hunderte von ihnen im Wald – groß wie eine Orange

Das hohe Gras wird uns auf dem Rückweg mal so richtig durchnässen

Die wilde windzugewandte Seite von Makogai

Als wir das Dorf Na Sau erreichen sind wir auf Sevusevu eingestellt. Aber nein. Niemand kommt uns eilig entgegen. Niemand möchte Kava von uns. Auf einer Veranda hocken ein paar junge Männer zusammen. Auf einhundert Meter Entfernung wird bereits „Bula“ gerufen. Das war’s. Zögerlich gehen wir über die große Rasenfläche näher auf die Häuser zu. Eine junge Frau „erbarmt“ sich und kommt uns entgegen. Unsere Fragen über die Personen im Dorf (50 Erwachsen, 20 Kinder und vier Lehrer) und dergleichen, beantwortet sie bereitwillig. Als ich wissen möchte, ob wir die Schule ansehen dürfen, nickt sie und geht voran. Es sind noch immer Ferien. Die Schule (für die Kleinsten) ist geschlossen. Unsere Führerin ist Kindergarten-Lehrerin, wie sie berichtet. Eigentlich stammt sie aus Savusavu und hat schon einen Versetzungsantrag gestellt. In Na Sau will sie nicht länger bleiben. Zu langweilig. Letzten Sonntag war sie auch beim Gottesdienst. Da sie den Boottransfer verpasst hat, musste sie den Weg laufen so wie wir. Zweimal in der Woche fährt ein Boot zum Einkaufen zur nächsten Insel. Internet könne man ganz schwach empfangen. Aber nicht in den Hütten, sondern nur draußen. „Da Fressen dich die Mücken?“. Sie lacht: „Nein, Mücken bevorzugen weiße Haut.“

Wir nähern uns dem Dorf – in den vier Häusern wohnen die Lehrer – die anderen Häuser sehen erheblich schlechter aus

Der Toilettenbereich der Schule inklusive Lehrauftrag

Die junge Erzieherin ist so nett und führt uns durch den Schulbereich

Die zwanzig Schulkinder des Dorfes haben Schulferien

Anordnungen sind hängen geblieben

aus Covid-Zeiten
Fälle soll es keine gegeben haben auf der Insel

Wir schlendern noch zum Strand, treffen auf ein paar Kinder (einige erkennen wir wieder – alle waren beim Gottesdienst am Sonntag) und mampfen unser Picknick am Strand. Eine Woche war das Wetter gut, ausgerechnet jetzt fängt es an zu nieseln. Wir brechen zum Rückweg auf.
Die letzte halbe Stunde erwischt es uns richtig. Es schüttet wie aus Eimern. Das hohe Gras ist pladdernass, im Schnellschritt stechen wir durch den Wald. Schnell sind wir durchgeweicht bis auf die Schlüpfer. Keiner hat mehr Zeit auf die Kröten zu achten. Weiter im Stechschritt.
Die Kröten schaffen es nicht mehr schnell genug zur Seite. Kick, eine erwische ich. Das fette Tier schüttelt sich und hüpft davon, ich schüttel mich. Schleimig klebt mir was am Fuß. Der Schleim der Aga-Kröte gilt als halluzinogen. Ziemlich heftig sogar. Drogensüchtige rauchen den getrockneten Schleim, den man aus zwei Drüsen am Kopf der Kröte „melken“ kann. Extreme Junkies lecken sogar ihre Kröte ab. „Küss mich, ich bin ein Prinz“ in moderner Fassung.
Das fehlt mir noch, mitten im Wald ein Flash mit bunten Farben und Monstern.
Wir eilen vorwärts. Grad als wir wieder am Boot ankommen, hört es zu regnen auf. Danke für nichts. Auch der Flash ist ausgeblieben. ;-)

Nach acht Nächten werden wir Makogai wieder verlassen.
Nächster Stopp nur knapp 20 Meilen entfernt – das hatten wir lange nicht.

Vor einer Landzunge mit etwas Sandstrand gibt es gute Schnorchelplätze

Das Wasser ist glasklar – leider bleiben verlorene Rohre der Muschelzucht einfach liegen. Puderzuckerstrand ist es nicht – leider harter, brockiger Muschelstrand.

 

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Muschelzucht und alte Leprastation

Sa.,26.Aug.23, Fiji/Makogai/Dalice, Tag 3374, 26.483 sm von HH

Statt mit einer ruppigen Überfahrt werden wir mit prima Bedingungen belohnt. Vier Windstärken, kaum Welle. Ein Kreuzschlag wird fällig, da wir nicht direkt Makogai anlegen können, sondern erst mit einem reinen Südkurs ein langgezogenes Riff umschippern müssen. Aber wenn es läuft … der Kreuzschlag fällt kurz nur aus. Bereits nach einer halben Stunde dreht der Wind zu unseren Gunsten weiter auf Ost. Direkter Kurs nach Magokai jetzt möglich. Sehr schön.

Im Morgengrauen besuchen uns ein paar Delphine. Um 7:30 Uhr erreichen wir den Pass. Mitten in der Einfahrt erkennen wir einen Blas. Gleich darauf noch einen. Und wieder. Unsere Konzentration gehört dem Pass. Als wir durch sind, sind die Wale noch immer da. Ein großes Tier zeigt seinen Rücken. Ein Baby ebenfalls. Die Mutter winkt mit ihrer langen Flosse. Schlägt nach Buckelwal-Manier damit mehrmals auf die Wasseroberfläche. Dann zeigt uns ein Wal seine Fluke und haut damit ebenfalls aufs Wasser. Eine tolle Show. Dankeschön für diese freundliche Begrüßung.

Die Bucht vor dem kleinen Ort ist gut geschützt nach Südosten. Es ist viel Wind für die kommenden Tage vorhergesagt, aber heute ist es ruhig. Drei Segelboote liegen bereits vor Anker. Wir gehen an Land und haben ein Bündel Kava dabei fürs Sevusevu.

Wir liegen vor Anker vor diesem hübschen Ort

Kaum landen wir mit dem Dinghy an, steht ein Dorfbewohner bei uns und hilft mit dem Dinghy. Sein Name ist Nika. Er führt uns zu einem Haus auf Stelzen, das nur aus einem fünfzig Quadratmeter großen Raum besteht. Ein Tisch mit Telefon und einem überdimensionalen Drucker sind die einzigen Gegenstände. Ein zweiter Man sitzt am Tisch und telefoniert. Wir dürfen uns in ein Buch eintragen. Für unser mitgebrachtes Kava interessiert sich keiner der Männer. Es wird uns weder abgenommen, noch eines Blickes gewürdigt. Wir zucken die Schultern und legen stumm das Paket neben den Mann am Telefon. Er ignoriert uns.

Daher folgen wir Nika wieder nach draußen. Er lädt uns zu einer Führung seines Dorfes ein. Offensichtlich ist unser Sevusevu anerkannt worden.
Die Regierung unterhält hier in Dalice ein Projekt zur Vermehrung von Riesenmuscheln. Diese wurden durch Überfischung stark dezimiert. 2016 hat Zyklon Winston die Anlage fast vollständig zerstört, 2019 wurde das Programm wieder aufgenommen. Aber der Betrieb sieht noch immer reichlich zerfleddert und verwahrlost aus. Nur ein Bruchteil der Zuchtbecken ist mit kleinen Riesenmuscheln bewohnt. Die Anzahl der Tiere ist überschaubar. Gazebahnen, die zur Beschattung dienen, hängen herunter. Niemand kümmert sich darum. Nika ist für Hausmeister-Tätigkeiten zuständig. Über die Muscheln weiß er nicht allzu viel: „Andere Abteilung! Der Chef ist gerade nicht da.“

Die Muschel-Station wird vom Fischerei Ministerium finanziert

 

Noch winzig kleine Riesenmuscheln in flachen Wasserbecken

Becken in Betrieb – mit einer überschaubaren Menge an Muscheln . Meerwasser wird in die Becken gepumpt – aber nur bis um 15 Uhr – dann wird der Dorf-Generator abgestellt

Riesige Riesenmuschel – sie können ein Gewicht von 400 Kilo und eine Länge von 1,4 Meter erreichen

Das Dorf – viel gemähter Rasen von Nica

Es leben vier Arbeiter in dem Dorf. Da Schulferien sind, wohnen im Augenblick auch deren Frauen und Kinder auf dieser Seite der Inseln. Die großen Kinder leben sonst im Schul-Internat auf der Nachbarinsel. Die Kleinen gehen zur Grundschule im Dorf auf der anderen Inselseite.

Bis 1970 diente Makogai als Leprainsel. Die Leprastation wurde 1911 von den Briten gegründet und stand unter Betreuung der katholischen ‚Missionary Sisters oft he Society of Mary‘. Aus allen angrenzenden Inselstaaten wurden die „Aussätzigen“, wie man sie früher nannte, hierher verband: Tonga, Samoa, sogar aus Neuseeland. Bescheiden begann die Belegung mit 40 Patienten und wuchs auf bis zu 700 Erkrankte im Jahr 1950.
Im Jahr 1970 wurde die Leprastation geschlossen und war in sechzig Jahren Unterkunft für viertausend Erkrankte.

Patienten, die nicht im Hospital liegen mussten, wurden im Dorf nach ethnischem Hintergrund verteilt. Allen wurde erlaubt, ihre Traditionen und religiösen Praktiken beizubehalten. Als Teil der Therapie unter eingesperrten Bedingungen durften die Patienten Gemüse anbauen und Handwerkskunst herstellen. Viehhaltung und Fischen war ebenfalls gestattet.
Die Leprastation hatte international den Ruf eines ‚Models von Disziplin und sozialem Frieden‘ im Umgang mit Lepra-Erkrankten. Trotzdem gab es Rassen-Hierarchien. Weiße bekamen größere Portionen, mussten aber auch höhere Gebühren für die Unterbringung bezahlen.
Und die Ruinen eines unschönen Gefängnisses sind Zeugen, dass die gerühmte Disziplin auf der Insel wohl auch schon mal etwas unter Schlendrian gelitten haben muss.

Gefängnis-Ruine mit vier Zellen – heute schaurig-schön überwuchert

Überreste eines alten Kinos – die Überraschung des Tages – wenn wir alles erwartet hätten

Nica am Grab von Schwester Mary Agnes – sie ist 1955 nach Jahren der Pflege von Patienten auf der Insel an Lepra gestorben

Überreste von 1400 Lepra Gräbern – der größte Teil ist inzwischen vom Urwald überwuchert

Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten. In archäologischen Funden wurde ihre Existenz in Indien bereits vor viertausend Jahren nachgewiesen. In der Römerzeit erkannt man das Ansteckungsrisiko von Lepra und erstmals wurden Erkrankte verstoßen. Besonders tückisch ist die lange Inkubationszeit bei Lepra – bis zu 20 Jahre.
Im Umfeld größerer Städte entwickelte sich im 11. Jahrhundert eine eigene Hospizform. In Europa war man im Mittelalter als Erkrankter ‚bürgerlich tot‘. Man musste in der Öffentlichkeit ein Lazaruskleid tragen und eine Warnklapper verwenden, um andere Passanten zu warnen.

1873 wurde der Erreger entdeckt. Vorgeschriebene Meldungen von Erkrankungen ab 1949 wurden obligatorisch. Die Zahl der Registrierten ging über die letzten fünfzig Jahre kontinuierlich zurück. Lepra ist inzwischen mit Antibiotika vollständig heilbar. Heute gibt es noch ungefähr 220.000 Neumeldungen jährlich – hauptsächlich in Indien, Indonesien, Brasilien und im Pazifik. Die WHO hofft, bis zum Jahr 2030 Lepra ausgerottet zu haben.

Übrigens gehören Geschichten, dass man beim Hände schütteln eines Leprakranken plötzlich seine Finger in der eigenen Hand hält zu den Legenden. In Wahrheit sterben bei einer Leprainfektion die Nerven ab, Arterien verstopfen und die Erkrankten verlieren das Gefühl für Hitze, Schmerz und Kälte. Durch das eingeschränkte Gefühl kam es zu Verletzungen, diese führten zu Entzündungen. Mangels Schmerzen blieben diese Wunden häufig unbehandelt und die weiter brandende Infektion führte dann zum Absterben ganzer Gliedmaßen.

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