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Levuka – Weltkulturerbe im freien Fall

3.-4.Sep.23, Fiji/Ovalau/Levuka, Tag 3382-3, 26.502 sm von HH

In Levuka verschmelzen gestern und heute zu einer Stadt mit morbidem Charme. Die Unesco hat dieser Kleinstadt das Siegel Weltkulturerbe verliehen als „herausragendes Beispiel einer pazifischen Hafenstadt aus dem späten 19. Jahrhundert“.

Die politisch getriebene Unesco verschenkt nichts.
Rauchfrei zu werden, da hat Levuka andere Sorgen – Das Rauchen kann sich sowieso kaum jemand leisten – man sieht es sicher nicht wegen der Werbung so selten

Den Dinghy-Parkplatz, den wir am Rande vom Industrieteil des Hafens finden, scheint aus dem gleichen Jahrhundert zu stammen. Die große Pier für Personenfähren bricht jeden Moment auseinander.  Es ist Sonntag – niemand da, den wir fragen können, ob wir hier festmachen dürfen. Hoffentlich ist das Gittertor auch noch geöffnet, wenn wir wieder kommen.
Das Weltkulturerbe liegt ausgestorben vor uns. Nur ein paar Staubwolken wälzen sich durch die Straßen. Alle Läden geschlossen bis auf einen Supermarkt. Fand eine Evakuierung aus Gründen statt von denen wir nichts  mitbekommen haben? Wir drehen eine Runde und beschließen am nächsten Tag wieder zu kommen.

Etwas ruppiger Platz fürs Dinghy – bei Niedrigwasser besteht Gefahr – dass das Schlauchboot unter die Pier gerät

Die Pier für die Personenfähre – Winston hat ordentlich zugeschlagen

Blick auf Levuka

Am Montag ist der Ort lebendiger. Gleich wirken die Häuser auch nicht mehr ganz so verfallen. Von der ehemals blühenden Stadt – gegründet 1820 von weißen Siedlern – ist nicht mehr viel übrig geblieben. Ein Brandt 2008 und der verheerende  Zyklon Winston 2016 haben dem alten Stadtkern arg zugesetzt. Viele Häuser stehen leer. Sind nur noch baufällige Ruinen.
Bis 1883 war Levuka die Hauptstadt von Fiji. Fünfzig Bars und Hotels reihten sich an der Hauptstraße entlang. Die Stadt liegt auf einem schmalen Küstenstreifen, steil steigen die Berge an den Flanken auf. Mangels Platz zum Expandieren wurde recht schnell Suva als Hauptstadt auserkoren. Der Verfall nahm seinen Lauf.

Cowboy-Stadt mitten im Pazifik – so hübsch soll Papeete auch mal gewesen sein – damals…

Einige Häuser sind wieder ganz gut in Schuss – viele leider nicht

Auch unter der Woche ist die Stadt sehr ruhig

Friseur- Salon  von innen

Durch das Unesco Siegel erhoffen Ovalau und Levuka sich einen Zustrom an Touristen. Aber die Insel hat es schwer. Ohne Sandstrände bleibt sie für Urlaubsgäste uninteressant. Auch viele Segler lassen die Insel Ovalau aus. Sie liegt nicht auf der üblichen Segelroute. Wir haben uns für diesen Weg entschieden, da uns unsere defekte Seekarte für die übliche, aber riffgespickte Nordroute nicht sicher genug erschien.
Zwei Ankerplätze sind für Levuka ausgewiesen. Wir entscheiden uns für den Platz außerhalb, da wir denken, dass und hier der Schwell aus dem Pass nicht so erreichen wird. Direkt gegenüber liegt das Gefängnis – ansprechend als „Correction Center“ ausgeschildert. Die in Orange gekleideten Insassen gärtnern tagsüber am steilen Hang der zum Gefängnis gehört.
Der Weg mit dem Dinghy ist von hier aus etwas weiter und insbesondere gegen den Wind zurück ein nasser Ritt. Wir kommen am größten Arbeitgeber der Insel vorbei: einer Thunfischfabrik.

Levuka – Foto credit google earth – wir ankern dort, wo die Wolke ist ;-)

Atanga liegt außerhalb hinter dem Riff – Auflandiger Wand – wir ankern gut in Sand

Die Fabrik erfreut Levuka deutlich mit Fischgeruch. Windtechnisch liegt sie ungünstig. Für unseren Ankerplatz jedoch perfekt.
Der Insel-Generator steht mitten im Ortskern und macht ratternd und knatternd aus Diesel Strom für die Insel. Einen schlechteren Ort hätte man nicht finden können. Das Museum (und es soll auch mal ein Informationszentrum gegeben haben) hat geschlossen.

Wir weiten unsere Runde durch den Ort aus. Finden hübsche Ecken und sehr schlichte, heruntergekommene Behausungen. Nicht allen geht es gut hier. Das Krankenhaus sieht bejammernswert aus. Richtig krank zu werden, ist keine gute Idee auf Ovalau.

Gleich von der Hauptstraße führt es steil in die Wohngebiete

199 Stufen – Treppe ins Oberdorf

Eine von zig Kirchen – diese ist von 1869

Für jeden Glaubenszweig eine eigene Kirche

Auf dem Krankenhausgelände finden wir diesen Ofen – zum Verbrennen von medizinischem Müll – eingezäunt mit Maschendraht

Die Rückseite vom Krankenhaus

Das Krankenhaus – alter Trakt

Krankenhaus – neuer Trakt

Wir wollten hier noch unsere Vorräte für kleine Inseln weiter im Süden aufrüsten. Nicht so einfach in Levuka. Die Supermärkte erweisen sich als schwierig. Ist das Sortiment noch ganz brauchbar, so sind die Zustände der Läden zum größten Teil hart im Ansehen.
Auch das Angebot auf den drei, vier Marktständen ist dünn: Eier, Maniok und Kohl. Am zweiten Tag gibt es nicht mal den.

Gefriertruhe im Supermarkt – lange her, dass wir so eine Truhe gesehen haben

Grausam verrottetes Gemüse

Verbrauchen innerhalb von drei Wochen – das Legedatum wurde sorgfältig aus allen Kartons heraus gestanzt

Chinesische Garküche – mit überraschend leckeren Teilchen mit Käse überbacken und einer Art Bratwurst im Inneren.

Wir bleiben trotzdem. ;-)
Strenger Wind würde unsere Weiterreise sehr ungemütlich machen, da wir nur hoch am Wind nach Süden kommen.  Also entscheiden wir uns für eine Inseltour. Busse gibt es keine. Jedes Dorf auf der Insel hat seinen eigenen Laster-Transport. Einmal am Tag kann man von jedem Dorf nach Levuka auf der Pritsche mitfahren. Und einmal am Tag zurück. Für uns ein nicht durchschaubareres System.

Inseltransport – der Fahrplan steht auf der Plane – praktisch. Nur die Uhrzeiten fehlen.

Wir fragen einen Taxifahrer, ob er uns über die Insel fahren würde. Er nickt freudig und macht uns einen vernünftigen Preisvorschlag: 70 Fiji Dollar (ungefähr 33 Euro). Wir stimmen zu. Morgen um 9:00 Uhr sind wir verabredet. Mal sehen, ob er seine Uhr nach der berühmt-berüchtigten Fiji-Time gestellt hat.

Fundstück des Tages – undenkbar in Deutschland – Aushänge, wer dem Laden noch Geld schuldig ist und seit wann

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(Kröten)-Wanderung

27.-31.Aug.23, Fiji/Makogai/Dalice, Tag 3375-9, 26.483 sm von HH

Am nächsten Tag hören wir im Morgengrauen Kettengerassel. Hinter uns geht ein kleines Kreuzfahrtschiff vor Anker. Die ‚Reef Endeavour‘ ist 73 Meter lang  und verbreitet den Charme vergangener Zeiten, als Kreuzfahrtschiffe noch überall willkommen waren. Das Schiff ist aktuell mit 90 Passagieren belegt und kreuzt nur in der Inselwelt Fijis umher.

Die Reef Endeavour liegt hinter uns vor Anker

Die Gäste an Land zu bringen, bereitet den Zubringerbooten bei Niedrigwasser erhebliche Schwierigkeiten. Aber nach mehrmaligem Umsteigen auf kleine Boote befinden sich endlich alle an Land. Wir mischen uns unter das Kreuzfahrt-Volk. Als wir mit unserem Kajak anlanden, sprechen uns australische Gäste an. Bei einem kurzen Schwätzchen kommt heraus, sie wissen nicht, wohin sie nach dem Besuch von Makogai hin gefahren werden. „Nächster Stopp ist Savusavau, nein halt, stimmt nicht, das war letztes Jahr.“  Wiederholungstäter also.

Für die Kreuzfahr-Gäste hat die kleine Dorfgemeinde einen Gottesdienst organisiert. In dem leeren Raum mit dem Tisch und Drucker stehen wie von Zauberhand plötzlich fünfzig Plastikstühle (vom großen Schiff mitgebracht, wie wir später sehen). Für den Prediger wurde ein Stehtisch in gelbe Tücher gehüllt. In den Pausen der Predigt singen die Kinder aus dem Dorf und tanzen zum Abschluss Pantomime zu Musik aus der Konserve.
Wer will, kann noch die Ruinen der Leprastation besuchen. Die meisten wollen nicht und lassen sich bereits auf ihr Schiff zurück bringen. Mittags liegt das Dorf wieder ruhig und verlassen da.

Gottesdienst für die Passagiere – wer keinen Platz bekommt – muss draußen sitzen

Die Kinder als dem Hauptdorf sind auch dabei – alle chic in Schale geworfen

Wer will – kann noch zum alten Friedhof gehen

Es folgen drei Tage mit Starkwind. Gegen den sind wir aber sehr gut geschützt in unserer Bucht. Keine Fallböen wie in Bavatu Harbour. Wir liegen ruhig und sicher. Achim hat sich eine Kurzzeit-Erkältung von vier Tagen eingefangen. Die ist aber nicht weniger tödlich als ein zehn Tage Männerschnupfen, wie er mir mehrfach versichert. Ich bleibe verschont und wir haben beschauliche Tage am Anker.

Dann ist der Skipper wieder einsatzfähig und wir machen uns zur anderen Seite der Insel auf. Hier liegt der Hauptort von Makogai mit der Inselschule. Viele Besucher hat das Dorf nicht. Man kann vor Na Sau schlecht ankern und muss von unserer Bucht zu Fuß neun Kilometer (hin und zurück) durch den Wald laufen. Der Weg ist klar zu erkennen, wird aber sicher nicht täglich benutzt. Ich lasse Achim vorweg laufen, um die Spinnweben einzufangen. Leider gibt es Mücken ohne Ende. Erst zweimaliges Einsprühen hält die Plagegeister von uns fern.
Es geht auf und ab, aber nie anstrengend. Nur wenige Aussichtspunkte liegen auf der Strecke, aber dafür umso mehr Kröten. Es handelt sich um die eingeschleppte Aga-Kröte. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts nach Fiji gebracht zur Käferbekämpfung auf Zuckerrohrplantagen. Jetzt vermehren sie sich wie die Karnickel. 30.000 Eier legt so ein fettes Weibchen. In Australien gibt es Sammel-Wettbewerbe und allerlei Maßnahmen zur Ausrottung der Kröten.
Die großen Kröten hocken zu hunderten am Weg und sind gar nicht scheu (oder extrem langsam). Wir müssen wir aufpassen, dass wir nicht aus Versehen auf sie treten.

Aga-Kröte – es gibt hunderte über hunderte von ihnen im Wald – groß wie eine Orange

Das hohe Gras wird uns auf dem Rückweg mal so richtig durchnässen

Die wilde windzugewandte Seite von Makogai

Als wir das Dorf Na Sau erreichen sind wir auf Sevusevu eingestellt. Aber nein. Niemand kommt uns eilig entgegen. Niemand möchte Kava von uns. Auf einer Veranda hocken ein paar junge Männer zusammen. Auf einhundert Meter Entfernung wird bereits „Bula“ gerufen. Das war’s. Zögerlich gehen wir über die große Rasenfläche näher auf die Häuser zu. Eine junge Frau „erbarmt“ sich und kommt uns entgegen. Unsere Fragen über die Personen im Dorf (50 Erwachsen, 20 Kinder und vier Lehrer) und dergleichen, beantwortet sie bereitwillig. Als ich wissen möchte, ob wir die Schule ansehen dürfen, nickt sie und geht voran. Es sind noch immer Ferien. Die Schule (für die Kleinsten) ist geschlossen. Unsere Führerin ist Kindergarten-Lehrerin, wie sie berichtet. Eigentlich stammt sie aus Savusavu und hat schon einen Versetzungsantrag gestellt. In Na Sau will sie nicht länger bleiben. Zu langweilig. Letzten Sonntag war sie auch beim Gottesdienst. Da sie den Boottransfer verpasst hat, musste sie den Weg laufen so wie wir. Zweimal in der Woche fährt ein Boot zum Einkaufen zur nächsten Insel. Internet könne man ganz schwach empfangen. Aber nicht in den Hütten, sondern nur draußen. „Da Fressen dich die Mücken?“. Sie lacht: „Nein, Mücken bevorzugen weiße Haut.“

Wir nähern uns dem Dorf – in den vier Häusern wohnen die Lehrer – die anderen Häuser sehen erheblich schlechter aus

Der Toilettenbereich der Schule inklusive Lehrauftrag

Die junge Erzieherin ist so nett und führt uns durch den Schulbereich

Die zwanzig Schulkinder des Dorfes haben Schulferien

Anordnungen sind hängen geblieben

aus Covid-Zeiten
Fälle soll es keine gegeben haben auf der Insel

Wir schlendern noch zum Strand, treffen auf ein paar Kinder (einige erkennen wir wieder – alle waren beim Gottesdienst am Sonntag) und mampfen unser Picknick am Strand. Eine Woche war das Wetter gut, ausgerechnet jetzt fängt es an zu nieseln. Wir brechen zum Rückweg auf.
Die letzte halbe Stunde erwischt es uns richtig. Es schüttet wie aus Eimern. Das hohe Gras ist pladdernass, im Schnellschritt stechen wir durch den Wald. Schnell sind wir durchgeweicht bis auf die Schlüpfer. Keiner hat mehr Zeit auf die Kröten zu achten. Weiter im Stechschritt.
Die Kröten schaffen es nicht mehr schnell genug zur Seite. Kick, eine erwische ich. Das fette Tier schüttelt sich und hüpft davon, ich schüttel mich. Schleimig klebt mir was am Fuß. Der Schleim der Aga-Kröte gilt als halluzinogen. Ziemlich heftig sogar. Drogensüchtige rauchen den getrockneten Schleim, den man aus zwei Drüsen am Kopf der Kröte „melken“ kann. Extreme Junkies lecken sogar ihre Kröte ab. „Küss mich, ich bin ein Prinz“ in moderner Fassung.
Das fehlt mir noch, mitten im Wald ein Flash mit bunten Farben und Monstern.
Wir eilen vorwärts. Grad als wir wieder am Boot ankommen, hört es zu regnen auf. Danke für nichts. Auch der Flash ist ausgeblieben. ;-)

Nach acht Nächten werden wir Makogai wieder verlassen.
Nächster Stopp nur knapp 20 Meilen entfernt – das hatten wir lange nicht.

Vor einer Landzunge mit etwas Sandstrand gibt es gute Schnorchelplätze

Das Wasser ist glasklar – leider bleiben verlorene Rohre der Muschelzucht einfach liegen. Puderzuckerstrand ist es nicht – leider harter, brockiger Muschelstrand.

 

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Muschelzucht und alte Leprastation

Sa.,26.Aug.23, Fiji/Makogai/Dalice, Tag 3374, 26.483 sm von HH

Statt mit einer ruppigen Überfahrt werden wir mit prima Bedingungen belohnt. Vier Windstärken, kaum Welle. Ein Kreuzschlag wird fällig, da wir nicht direkt Makogai anlegen können, sondern erst mit einem reinen Südkurs ein langgezogenes Riff umschippern müssen. Aber wenn es läuft … der Kreuzschlag fällt kurz nur aus. Bereits nach einer halben Stunde dreht der Wind zu unseren Gunsten weiter auf Ost. Direkter Kurs nach Magokai jetzt möglich. Sehr schön.

Im Morgengrauen besuchen uns ein paar Delphine. Um 7:30 Uhr erreichen wir den Pass. Mitten in der Einfahrt erkennen wir einen Blas. Gleich darauf noch einen. Und wieder. Unsere Konzentration gehört dem Pass. Als wir durch sind, sind die Wale noch immer da. Ein großes Tier zeigt seinen Rücken. Ein Baby ebenfalls. Die Mutter winkt mit ihrer langen Flosse. Schlägt nach Buckelwal-Manier damit mehrmals auf die Wasseroberfläche. Dann zeigt uns ein Wal seine Fluke und haut damit ebenfalls aufs Wasser. Eine tolle Show. Dankeschön für diese freundliche Begrüßung.

Die Bucht vor dem kleinen Ort ist gut geschützt nach Südosten. Es ist viel Wind für die kommenden Tage vorhergesagt, aber heute ist es ruhig. Drei Segelboote liegen bereits vor Anker. Wir gehen an Land und haben ein Bündel Kava dabei fürs Sevusevu.

Wir liegen vor Anker vor diesem hübschen Ort

Kaum landen wir mit dem Dinghy an, steht ein Dorfbewohner bei uns und hilft mit dem Dinghy. Sein Name ist Nika. Er führt uns zu einem Haus auf Stelzen, das nur aus einem fünfzig Quadratmeter großen Raum besteht. Ein Tisch mit Telefon und einem überdimensionalen Drucker sind die einzigen Gegenstände. Ein zweiter Man sitzt am Tisch und telefoniert. Wir dürfen uns in ein Buch eintragen. Für unser mitgebrachtes Kava interessiert sich keiner der Männer. Es wird uns weder abgenommen, noch eines Blickes gewürdigt. Wir zucken die Schultern und legen stumm das Paket neben den Mann am Telefon. Er ignoriert uns.

Daher folgen wir Nika wieder nach draußen. Er lädt uns zu einer Führung seines Dorfes ein. Offensichtlich ist unser Sevusevu anerkannt worden.
Die Regierung unterhält hier in Dalice ein Projekt zur Vermehrung von Riesenmuscheln. Diese wurden durch Überfischung stark dezimiert. 2016 hat Zyklon Winston die Anlage fast vollständig zerstört, 2019 wurde das Programm wieder aufgenommen. Aber der Betrieb sieht noch immer reichlich zerfleddert und verwahrlost aus. Nur ein Bruchteil der Zuchtbecken ist mit kleinen Riesenmuscheln bewohnt. Die Anzahl der Tiere ist überschaubar. Gazebahnen, die zur Beschattung dienen, hängen herunter. Niemand kümmert sich darum. Nika ist für Hausmeister-Tätigkeiten zuständig. Über die Muscheln weiß er nicht allzu viel: „Andere Abteilung! Der Chef ist gerade nicht da.“

Die Muschel-Station wird vom Fischerei Ministerium finanziert

 

Noch winzig kleine Riesenmuscheln in flachen Wasserbecken

Becken in Betrieb – mit einer überschaubaren Menge an Muscheln . Meerwasser wird in die Becken gepumpt – aber nur bis um 15 Uhr – dann wird der Dorf-Generator abgestellt

Riesige Riesenmuschel – sie können ein Gewicht von 400 Kilo und eine Länge von 1,4 Meter erreichen

Das Dorf – viel gemähter Rasen von Nica

Es leben vier Arbeiter in dem Dorf. Da Schulferien sind, wohnen im Augenblick auch deren Frauen und Kinder auf dieser Seite der Inseln. Die großen Kinder leben sonst im Schul-Internat auf der Nachbarinsel. Die Kleinen gehen zur Grundschule im Dorf auf der anderen Inselseite.

Bis 1970 diente Makogai als Leprainsel. Die Leprastation wurde 1911 von den Briten gegründet und stand unter Betreuung der katholischen ‚Missionary Sisters oft he Society of Mary‘. Aus allen angrenzenden Inselstaaten wurden die „Aussätzigen“, wie man sie früher nannte, hierher verband: Tonga, Samoa, sogar aus Neuseeland. Bescheiden begann die Belegung mit 40 Patienten und wuchs auf bis zu 700 Erkrankte im Jahr 1950.
Im Jahr 1970 wurde die Leprastation geschlossen und war in sechzig Jahren Unterkunft für viertausend Erkrankte.

Patienten, die nicht im Hospital liegen mussten, wurden im Dorf nach ethnischem Hintergrund verteilt. Allen wurde erlaubt, ihre Traditionen und religiösen Praktiken beizubehalten. Als Teil der Therapie unter eingesperrten Bedingungen durften die Patienten Gemüse anbauen und Handwerkskunst herstellen. Viehhaltung und Fischen war ebenfalls gestattet.
Die Leprastation hatte international den Ruf eines ‚Models von Disziplin und sozialem Frieden‘ im Umgang mit Lepra-Erkrankten. Trotzdem gab es Rassen-Hierarchien. Weiße bekamen größere Portionen, mussten aber auch höhere Gebühren für die Unterbringung bezahlen.
Und die Ruinen eines unschönen Gefängnisses sind Zeugen, dass die gerühmte Disziplin auf der Insel wohl auch schon mal etwas unter Schlendrian gelitten haben muss.

Gefängnis-Ruine mit vier Zellen – heute schaurig-schön überwuchert

Überreste eines alten Kinos – die Überraschung des Tages – wenn wir alles erwartet hätten

Nica am Grab von Schwester Mary Agnes – sie ist 1955 nach Jahren der Pflege von Patienten auf der Insel an Lepra gestorben

Überreste von 1400 Lepra Gräbern – der größte Teil ist inzwischen vom Urwald überwuchert

Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten. In archäologischen Funden wurde ihre Existenz in Indien bereits vor viertausend Jahren nachgewiesen. In der Römerzeit erkannt man das Ansteckungsrisiko von Lepra und erstmals wurden Erkrankte verstoßen. Besonders tückisch ist die lange Inkubationszeit bei Lepra – bis zu 20 Jahre.
Im Umfeld größerer Städte entwickelte sich im 11. Jahrhundert eine eigene Hospizform. In Europa war man im Mittelalter als Erkrankter ‚bürgerlich tot‘. Man musste in der Öffentlichkeit ein Lazaruskleid tragen und eine Warnklapper verwenden, um andere Passanten zu warnen.

1873 wurde der Erreger entdeckt. Vorgeschriebene Meldungen von Erkrankungen ab 1949 wurden obligatorisch. Die Zahl der Registrierten ging über die letzten fünfzig Jahre kontinuierlich zurück. Lepra ist inzwischen mit Antibiotika vollständig heilbar. Heute gibt es noch ungefähr 220.000 Neumeldungen jährlich – hauptsächlich in Indien, Indonesien, Brasilien und im Pazifik. Die WHO hofft, bis zum Jahr 2030 Lepra ausgerottet zu haben.

Übrigens gehören Geschichten, dass man beim Hände schütteln eines Leprakranken plötzlich seine Finger in der eigenen Hand hält zu den Legenden. In Wahrheit sterben bei einer Leprainfektion die Nerven ab, Arterien verstopfen und die Erkrankten verlieren das Gefühl für Hitze, Schmerz und Kälte. Durch das eingeschränkte Gefühl kam es zu Verletzungen, diese führten zu Entzündungen. Mangels Schmerzen blieben diese Wunden häufig unbehandelt und die weiter brandende Infektion führte dann zum Absterben ganzer Gliedmaßen.

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Auf nach Süden

Do.,24.Aug.23, Fiji/Vanua Levu/Savusavu, Tag 3372, 26.426 sm von HH

Das schlechte Wetter  dauert  an. Seit wir in Fiji sind, immer das gleiche Spiel: drei Tage schön, acht Tage Regen. Und von vorne – 3:8. Und wieder 3:8. Etwas dünne Ausbeute an guten Tagen. :roll:

In Savusavu können wir prima unsere Vorräte wieder auffüllen: Diesel, Wasser und Lebensmittel. Eine Wäscherei direkt neben dem Dinghydock ist auch einfach zu erreichen. Überhaupt gefällt uns Savusavu sehr gut. Ein überschaubarer Ort, bunt und quirlig.

Es regnet entweder Bindfäden oder es herrscht Dauerniesel

Die Bevölkerung dürfte dem statistischen Anteil zwischen Melanesiern (65 Prozent) und Indern (rund 30 Prozent)entsprechen. Man wohnt und arbeitet zusammen, aber eine echte Integration der Inder ist (noch) nicht erfolgt.
Die Inder wurden von den Briten als billige Arbeitskräfte ins Land gebracht, die man nach Belieben ausbeuten konnte. Ihr Anteil an der Bevölkerung wuchs auf fast fünfzig Prozent an.
Währenddessen errangen die Melanesier bei den Briten den Status einer „primitiven Gemeinschaft“, die als schützenswert eingestuft wurde. Diese Ungleichbehandlung der alten Kolonialherren verhinderte eine kulturelle Annäherung der Melanesier und Inder.

Als Fiji 1970 in die Unabhängigkeit strebte, waren sich die Anführer der Melanesier und Inder einig, dass sie Rassentrennung hinter sich lassen eine gemeinsame, demokratische Nation bilden könnten. Leider hielt die Wunschvorstellung der Realität nicht stand. Immer wieder kam es in den letzten dreißig Jahren zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Völkern. Militärische Putschversuche eingeschlossen.
Den Indern war es untersagt Land zu besitzen. Sie bauten Handel und Dienstleistungsgewerbe auf. Nach dem alten Motto „Ist der Handel noch so klein, bringt er mehr als Arbeit ein“, mehrten die Inder ihren Wohlstand, während die Melanesier als Bauern arbeiteten. Wer kein Land besitzen darf, wohnt in der Stadt. Und nirgends ist es einfacher an Bildung und Ausbildung zu kommen als in urbanen Gebieten. Bildung gleich Möglichkeiten.

Indische Nähstube

Heute sind Melanesier und Inder vor dem Gesetzt gleich gestellt. Aber die Vergangenheit spiegelt sich noch immer im Alltag wieder. Geschäfte sind in indischer Hand – auf dem Markt sieht man überwiegend melanesische Verkäufer. Im Supermarkt stehen indische Frauen hinter der Kasse – melanesische Frauen packen Ware in die Regale.
Der reale (oder vermeintlich) größere Wohlstand der Inder führt erneut zu Unruhen.

Wir merken davon freilich nichts. Beide Bevölkerungsgruppen sind ausgesprochen freundlich und aufmerksam uns gegenüber. Im Supermarkt habe ich allerdings beobachtet, dass eine Melanesierin eine indische Kassiererin mit einem Knoten in der mitgebrachten Einkauftasche böse schikaniert hat. Sie hat darauf bestanden, ihren Einkauf in die nicht zu öffnende Tasche gepackt zu bekommen.  Am Ende der Auseinandersetzung hat die Kassiererin der Kundin die Tasche vor die Brust geworfen.

Melanesischer Eingang

Indische Deko am Hauseingang

Heute Nachmittag verlassen wir das freundliche Savusavu. Es geht südwärts. Unser Ziel ist eine ehemalige Leprainsel. Wahrscheinlich wieder kein Internet. Die Insel liegt nur sechzig Meilen entfernt. Aber sechzig Meilen bedeuten eine Nachtfahrt. Okay, wir sind bereit (aber ohne große Vorfreude darauf :mrgreen: ) für einen erneuten nächtlichen Rodeo-Ritt.

Der Strand dampft

Savusavu liegt auf der Grenze zweier Kontinentalplatten. Nett sieht daher der Strand bei Ebbe aus. Es dampft aus allen Poren. Findet man die richtige Stelle im Wasser kann man sogar heiß baden.

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Eine unerwartet ruppige Überfahrt

Sa.,12.Aug.23, Fiji/Vanua Balavu/Bavatu, Tag 3360, 26.426 sm von HH

Wir erkunden mit dem Kajak die große Bucht von Batavu. In einer Seitenausbuchtung finden wir versteckt hinter einer Wand aus Mangroven-Wurzeln einen bachförmigen Seitenarm. Das Wasser ist gerade tief genug für das Kajak. Als wir hinter dem Vorhang verschwinden, wird es total ruhig. Kein Windhauch erreicht diese Idylle. Auch kein Sonnenstrahl mehr. Äste und Mangrovenwurzeln bilden einen Tunnel über uns. Die Mangroven-Blätter wispern. Das Wasser ist glasklar. Aufgeregt taucht ein kleiner Rochen vor uns weg. Vier kleine Schwarzspitzen-Riffhaie folgen ihm. Wer stört hier in der Abgeschiedenheit unsere Ruhe?, scheinen sie zu sagen. Krebse turnen auf den Ästen herum, die im Wasser liegen. Ein geheimnisvoller Ort.
Tief können wir uns durch das Labyrinth aus Wurzel, Baumstämmen und Ästen fortbewegen. Aber bitte nicht mit dem Kajak irgendwo hängen bleiben. Zurück schwimmen wollte ich zwischen den Mangroven nicht. Ein Nachteil des aufblasbaren Teils. Mit den harten Kajaks konnten wir sorgloser paddeln.

Mangrovenwurzeln versperren den Eingang zum kanalartigen Arm

Tief können wir in den Mangroven-Arm paddeln

Atanga ganz alleine in der großen Bucht von Batavu

Nach drei wunderschönen Tagen kommt erneut schlechtes Wetter. Wir beschließen Vanua Balavu zu verlassen. Wollen Richtung Nord-Westen zurück. Drei Wochen ohne einen Laden haben Löcher in die Vorräte gerissen. Bevor es in die Zivilisation zurück geht, wollen wir aber noch in Taveuni stoppen. Eine Insel mit Touristenresorts. Schöne Schnorchelgründe und berühmte Riffe zum Tauchen locken dorthin.

Wir gehen am Nachmittag Anker auf. Die Strecke nach Taveuni ist mit 80 Meilen zu weit für einen Tagestörn. Die Vorhersage für die Nacht lautet 15 Knoten aus Süd-Ost. Wir haben Kaffee-Segeln vor dem geistigen Auge.
Und tatsächlich, es fängt gut an. Der Himmel ist zwar grau und tiefe Wolken hängen uns im Nacken, aber es regnet nicht. Bei der engen Passausfahrt sehen wir den Blas von einer Gruppe Wale. Kurz zeigen sich die Rückenflossen. Es ist Buckelwal-Saison in Fiji. Die beeindruckenden Tiere haben vor Wochen das kalte Wasser der Antarktis verlassen, gebären hier ihre Kälber, andere Paare zeugen neue. Der Pass erfordert unsere Aufmerksamkeit. Als wir durch sind, ist die Truppe leider schon verschwunden.
Wir setzen Segel und müssen noch ein paar Untiefen und Inseln umschiffen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir im freien Gewässer und können Kurs nehmen. Unser Windmesser ist noch immer tot, wir schätzen, dass die versprochenen 15 Knoten Wind stimmen können.  Die letzten Tage gab es kaum Wind, eine alte Dünung ist nicht vorhanden. Ah, tatsächlich Kaffesegeln! Aber wir sind viel zu schnell. Mit sechs ein halb Knoten preschen wir vorwärts. Mit dem Tempo kommen wir bereits im Dunkeln in Taveuni an. Das wollen wir nicht, also reffen wir deutlich die Segel und kastrieren unseren guten Lauf. Schade eigentlich.

Nur sechzig Minuten später sind wir dankbar, die Reffs noch im letzen Tageslicht eingebunden zu haben. Es pustet ganz ordentlich. Der scheinbare Wind kommt jetzt etwas vorlicher als halber Wind. Weitere zwei Stunden später gebe ich es auf schlafen zu wollen. Atanga bockt wie ein Wildpferd. Das ist genau das, was man sich für eine Nachtfahrt nach einer Pause wünscht. Der Wind legt noch eine Schippe drauf. Das Handmessgerät mit langem Arm hinter der Sprayhood in den Wind gehalten, zeigt in der Spitze 30 Knoten. Durchschnitt 21 Knoten. Da geht sie hin unsere Kaffefahrt. Inzwischen fliegt die Gischt schon übers Cockpit. Wir knallen ganz ordentlich in die Wellen. An Schlaf ist nicht zu denken. Abwechselnd dämmern wir uns dem Ziel entgegen.

Als es hell wird, können wir Taveuni schon deutlich erkennen. Nur noch um die Kurve, acht Meilen weiter liegt unser erklärtes Ziel. Der Wind hat die letzten zwei Stunden etwas nachgelassen, dafür setzt jetzt Nieselregen ein.
Plötzlich haben wir wieder Internetempfang und holen uns einen Wetterbericht: starke Regenfälle und viel Wind die nächsten Tage. Wir versammeln uns an Deck für die Wende, um unseren neuen Ankerplatz anzusteuern. „Wollen wir uns das wirklich antun“? , fragt Achim mich, „bei Mistwetter vor einem Hotelresort zu liegen? Tauchen gehen wir dann sowieso nicht.“
Ich bin schnell überzeugt, dass es bessere Optionen gibt. Wir lassen die Wende sein und legen Kurs Savusavu an. Dorthin, wo wir vor drei Wochen gestartet sind. Der Ort ist nett und Regenwetter ist dort besser zu ertragen. Die fünfunddreißig Meilen bis dahin sind easy bei Tageslicht zu erreichen. Um 17:00 Uhr hängen wir wieder an unserer alten Mooring. Es pladdert wie aus Eimern – alles richtig gemacht.

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