Archiv der Kategorie: Gran Canaria

Wir gehen in die Verlängerung

Di., 22.Sep.15, Gran Canaria, Tag 480, 2.728 sm

Alle Nicht-ARC-Schiffe werden spätestens am 30. September aus dem Hafen geworfen.
Man kann dann vor Anker in die angrenzende Bucht gehen, aber mit einem frisch Knie-Operiertem ist das keine so gute Lösung.

Unser Aufenthalt läuft am 28. September aus, also muss eine Verlängerung für eine Woche her.

Man sollte meinen, dass die Marina-Leute im Jahr 30 der ARC ihren Laden hier im Griff haben sollten. Klingt nicht nach einem unlösbaren Problem:
Es existieren 1.250 Liegeplätze an Stegen die durchbuchstabiert und Plätze die durchnummeriert sind.
Anhand dieser schlauen Matrix markiert man die Plätze der Dauerlieger, bestimmt welcher Platz für welches ARC Schiff reserviert ist und sieht dann die übrig gebliebenen Plätze.
Es ist ja nicht so, dass den Jungs im Office keine Technik zur Verfügung stünde: Flach-Bildschirme, echte Computer und große HP Laserdrucker. Alles da.

So wie wir es mitbekommen, regiert in der Organisation das Chaos.
Schiffe werden von einem Steg zum anderen verlegt, ohne dass die Lücke wieder geschlossen wird.
Andere Schiffe dürfen nur bis zum 23. September bleiben und werden ohne Angabe von Gründen in die Bucht gejagt. Anschließend sieht man auch hier erst tagelang eine Lücke und statt des erwarteten ARC Schiffes liegt dann dort ein anderer Nicht-Teilnehmer. :roll:

Unser Spanischer Nachbar musste letztes Jahr selbst als Dauerlieger seinen Platz verlassen, sorry Fehlplanung.
Er berichtete, es ging schon so weit, dass Schiffe vom Marina-Personal losgebunden worden sein sollen.

Über die Jungs im Office hört man die letzten Tage nur, sie seien unfreundlich, überfordert, unflexibel und nicht kooperativ.

Mit diesem Wissen im Gepäck mache ich mich auf den Weg ins Büro.

Vor mir sind noch drei weitere Kunden, so dass ich mir meine Taktik überlegen kann.
Der mittelalte Herr spricht gut englisch, aber ich entscheide mich dafür, ihn auf Spanisch anzusprechen:
„Hallo, ich heiße Sabine. Ich habe ein Problem mit meinem Mann.“

Ganz bewusst wähle ich diese Formulierung und meine Rechnung geht auf.
Er stutzt, denkt ich bin verrückt geworden, wirft sich dann in die Brust, grinst und bietet seine Hilfe an.
„Ein Problem mit deinem Mann? Wie kann ich helfen?“ und grinst mehr…

Zehn Minuten später haben wir, ohne wenn und aber, eine Verlängerung bis 04. Oktober. :-)

Statt Atanga am Kran hängt Achim am Tropf

Mo., 21.Sep.15, Gran Canaria, Tag 479, 2.728 sm

Für heute war unser Krantag geplant mit dreitägigem Land-Aufenthalt zum Pinseln von neuem Antifouling, Anoden-Erneuerung und einer Politur des Überwasserschiffs.
Es kommt anders.

Seit drei Wochen klagt Achim über Schmerzen im Knie. In der Annahme „ist von alleine gekommen, geht auch von alleine“, versucht er es zu ignorieren.
Leider ohne Erfolg. Als das Knie dann endlich auf doppelte Stärke angeschwollen ist, entscheidet Mann sich einen Arzt aufzusuchen.

Die Diagnose des Arztes, dass er einen Riss im Meniskus haben könnte, bestätigt ein Magnet-Resonanz-Scan.
Der Doc verordnet eine OP. :shock:
Sowas erfolgt heute minimal invasiv, keine große Sache, aber trotzdem…

Ein Preis wird ihm auch gleich mitgegeben: 3.500 EUR soll der Spaß kosten.
Ein Anruf bei unserer Krankenversicherung verläuft mehr als positiv. Sofort wird eine volle Kostenübernahme zugesagt. Allerdings müssen wir nachweisen, wann wir Deutschland verlassen haben.
Hm, ohne Flugticket oder auch nur einen einzigen Stempel im Reisepass nicht so einfach. Wir schlagen unseren Blog mit dem AIS Treck vor. Damit ist der freundliche Herr einverstanden.

Heute Morgen um 8:00 Uhr soll Achim sich im Krankenhaus einfinden. Das ist nur 1,5 km entfernt, da kommt er auch mit kaputtem Knie noch gut zu Fuß hin.

Es erfolgen die üblichen Untersuchungen: Blut, Blutdruck, EKG und um 9:00 Uhr bekomme ich eine SMS: „es gibt keine Vollnarkose, sondern eine Rückenmarkspritze.“
Also bekommt Achim den Eingriff voll mit und darf am Monitor sogar mitarbeiten.

Um 14:00 Uhr erneut eine SMS: „In meinen Beinen habe ich schon wieder Gefühl…aber im Po und Gemächt noch nicht… Alles totes Fleisch zwischen meinen Beinen.“  :mrgreen:

Zwei Stunden später die Entwarnung! Alles im Lot, sämtliche Körperteile sind wieder da.

Um 18:00 Uhr ein Anruf: „Du musst mich bitte auslösen. Meine Kreditkarte ist gesprengt.“
Da Arzt und Krankenhaus in zwei Etappen bezahlt werden müssen, wird Achims Kreditkarte nicht mehr für die fehlenden 2.000 EUR akzeptiert.
Das wäre meine Gelegenheit gewesen ihn in der Krankenhaus-Küche zum Abarbeiten zurück zu lassen.
Aber ich radel brav hin – ein gesunder Mann an Bord, unbezahlbar, für alles andere gibt es VisaCard.

Um 22:00 Uhr bringt ihn ein Taxi nach Hause (super Fahrt für den Fahrer, der hatte Spaß).
Über unseren Bug bekommen wir ihn unmöglich auf Atanga.
Aber ich habe schon unsere Nachbarn klar gemacht: Über deren flaches Heck kann er problemlos einsteigen und dann Mittschiffs, wo unsere Schiffe am dicksten sind, zu uns ebenerdig rüber steigen.

Dem Patienten geht es gut und ich habe jetzt einen Pflegefall an Bord. Man darf sich besorgt fragen, wer es schlimmer getroffen hat?

Liebe Leser…

So.,20.Sep.15, Gran Canaria, Tag 478, 2.728 sm

…liebe Freunde, Fans und Liker.

Ihr seid großartig!
Und weil das so ist, haben wir es heute gemeinsam unter die Top 20 der Top 100 Segelblogs geschafft.
Es freut mich riesig, dass Ihr durch Eure Klicks atanga.de so weit nach vorne gebracht habt. Vielen Dank für Eure Ausdauer und Mut jeden Tag meinen geistigen Ergüsse zu folgen.
Noch mutiger erscheinen mir allerdings die Leser, die sich Achim’s Technik-Kram reinfegen. Euch gebührt echter Respekt. ;-)

Ich hatte nie den Plan so regelmäßig zu bloggen.
Als wir losgefahren sind, wusste ich noch nicht einmal das es das Blog und nicht der Blog heißt. In schöner Konsequenz habe ich es falsch geschrieben.
Nun habe ich im Duden, dem Vater aller Regeln, die Entwarnung gefunden: es kann das oder der Blog heißen.

Ich wusste nicht wie WordPress, das Programm mit dem wir bloggen, funktioniert.
Ich hatte keinen Plan von SEO, content, und google analytics.
Ich wusste nicht, dass es Blogparaden und Blockstöckchen gibt und wie mächtig facebook ist.
Das Ganze hat in der Zwischenzeit einen Sinn bekommen, nur #hashtag #erschließtsichmirimmernochnicht. :roll:

Früher habe ich im Urlaub immer ein Reisetagebuch für meine Mitreisenden und mich ganz privat geschrieben.
Und so ähnlich habe ich auch das ( ;-) )Blog gesehen: Ich schreibe für die Familie, Freunde und Kollegen, was uns unterwegs so passiert.

Dabei wollte ich mich mit Achim abwechseln, der den Blog mit den ersten Erfahrungen mit Atanga ja ins Leben gerufen hatte.
Der kam aber mit seinen Berichten regelmäßig nicht aus dem Quark, so dass ich schnell die meisten Berichte übernahm.

Durch den Artikel in der Yacht waren wir ja sowieso schon einen Schritt in die Öffentlichkeit gegangen. Haben uns nackt gezeigt mit allen Vor-und Nachteilen so einer ‚Entblößung‘. Da konnte mein Geschreibsel ja wohl kaum noch „peinlicher“ sein. :mrgreen:

Recht schnell bekam unser Blog eine Eigendynamik. Sogar fremde Menschen schreiben uns nette Grüße ins Gästebuch, unter den Kommentaren oder per privater eMail.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber wie nett ist so was bitte.

Und die täglichen Klick-Zahlen gehen kontinuierlich hoch.
Ich glaube, wer einen öffentlichen Blog schreibt und behauptet, er schaut nicht auf die Klicks, der lügt.
Es macht nämlich mächtig Spaß für 60 Leute zu schreiben, mehr Spaß für 100 und über 150 ist es richtig cool. Es gibt sogar zwei Tage mit über 700 Lesern – endgeil.

Ich habe früher selber gierig Blogs von Langfahrt-Seglern verschlungen (und mache es noch). Nach Infos und Erfahrungen, nach guten Ideen und einfach netter Unterhaltung gesucht.
Meine Posts sind ja nicht so auf die tollen Tipps und Infos abonniert (lassen wir unsere neue Tipps-Rubrik und die Buchhaltung) mal außen vor.
Aber, wenn ich Euch unterhalten, ein Schmunzeln oder Lachen hervorzaubern kann, dann macht mir das sehr viel Freude. :-)

Daher danke für Platz 18!
Euer und mein Ziel ist klar, wir wollen die Top10….

Irgendwann musste es ja passieren

Do., 18.Sep.15, Gran Canaria, Tag 475, 2.728 sm

Wir kommen nach einem netten Abend von der La Joya und beim Aufklettern auf Atanga, passiert es: Ich rutsche ab, bremse mit dem Rücken am Steg noch etwas den Fall und versinke in den Fluten.
Da ich mich erinnere, dass ich schwimmen kann, alles nicht so schlimm.

Achim zieht mich rückwärts auf den Steg zurück. Das Beste daran ist, dass ich sowohl meine neue Brille als auch noch beide Flip Flops anhabe. :cool:

Ein junger Mann, der neulich von La Joya ins Wasser gefallen ist, hatte weniger Glück und seine Uhr dabei verloren. :roll:

Leitern zum Aufklettern sucht man hier vergeblich.
Jetzt mimt Achim den Helden und sagt, er hätte mir das Leben gerettet. Aber in der Tat, wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich ganz schön weit schwimmen und über fiese Schüttsteine an Land krabbeln müssen.

Ich gebe es zu, es war ein wenig Alkohol im Spiel. Aber ich habe schon jeden Tag stocknüchtern mit so einer Panne gerechnet.
Wir liegen wieder mit dem Bug zum Steg ohne seitlichen Finger. Wenn der Wind ungünstig steht, liegen wir so weit vom Steg entfernt, dass es einfach passieren musste. Meine Befürchtungen gehen soweit, dass ich nie ein Handy beim Übersteigen bei mir habe.

Wie schrieb Volker von der SY Hexe neulich so nett:
Wer noch nicht nass geworden ist……der werfe den ersten Stein

Wohnen in einer Reihenhaus-Siedlung

Di., 16.Sep.15, Gran Canaria, Tag 473, 2.728 sm

Wir leben mittlerweile seit über 9 Monaten auf den Kanaren.
Ankern ist auf allen Inseln nur schlecht möglich. Es gibt kaum seichte Buchten, steile und tiefe Felsenküste dominiert die schroffen Inseln.

Dazu kommt viel Wind und ein unglaublicher Schwell. Auf der Wind zugewandten Seite hat man mit Windschwell zu kämpfen. Auf den Westseiten, die eigentlich windstill sind mit der ungebremsten Atlantikdünung.

Somit spielt sich auf den Kanaren das Leben in den Marinas ab. Bislang waren die Häfen nur maximal halb gefüllt oder in unserer Nähe lagen viele unbewohnte Schiffe.

Jetzt ist das anders.
Es sind nahezu alle Plätze belegt und fast alle Schiffe sind bewohnt. So bekommt ein Steg den Charakter einer Reihenhaus-Siedlung.

Mit einem Unterschied: Im Reihenhaus wohnt man nicht so eng aufeinander.
Da trennt einen vom Nachbarn noch eine steinsche Wand – im Idealfall schallgedämpft.
Uns trennen von unseren Nachbarn nur, mit Luft gefüllte, Fender .

Zwischen den Terrassen gibt es keine gemauerten Trennwände, keinen Sichtschutz, sondern man lebt quasi das Leben des Nachbarn mit.
Wird dort gelacht, gestritten, falsch musiziert, gehämmert und gefurzt, als Nachbar nimmt man aktiv daran teil.

Das ist nicht nur schön.
Unsere bisherigen Steuerbord-Nachbarn waren ein super nettes Pärchen um die 40. Allerdings hat Carola mir schon zum Frühstück schlechte Laune bereitet, wenn sie mit ihrer perfekten, cellulite-freien Bikini-Figur an Deck auf und ab gelaufen ist.
Wenigstens saß Achim ihr mit dem Rücken zu. :mrgreen:

Die beiden sind weg und jetzt wohnen deutlich alte Engländer neben uns.
Er steht einmal täglich auf seinem Vorschiff mit dem Gartenschlauch in der Hand und wäscht sich.
Dabei wühlt er eifrig vorne und hinten in seiner Übergröße-Shorts herum. :roll:
Es gibt Dinge, die will ich nicht sehen.

Immerhin behält er die Büx an.
Ganz anders als der ebenfalls ältere, deutsche Dauerlieger schräg gegenüber. Der hängt seine Wäsche schon mal im Adams-Kostüm zum Trocknen auf.

Und am Nachbarsteg gibt es noch König Dickbauch, wie er von uns wegen seiner auffälligen Figur getauft wurde. Ebenfalls Deutscher.
Puh, Herr im Himmel. Mit seinem Organ unterhält er den ganzen Hafen, gerne mit solchen Schmankerln wie: „In Alemania we have no Kraftfahrzeugscheins for Moppeds.“
Der Mann ist perfekt dreisprachig. Und er ist das personifizierte Grauen.

Ein spanischer Nachbar nennt ihn „King of the habour“ und „creature“. Wobei das mit dem ‚König‘ unabhängig voneinander entstanden ist. :-)