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Alles anders

Sa., 29.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1063, 10.193 sm von HH

Wir haben umgeankert.
Kaum, dass ich gestern den Post abgeschickt habe, kommt Achim mit schlechten Nachrichten vom Kontroll-Schnorcheln zurück. Unser Hauptanker hat die Kante an der er hing, zermalmt. Wir hängen in einem neuen Loch.
Die Situation macht nicht glücklich. Mehr Kette können wir nicht geben, hinter uns wird es bald flach. Unsere Entscheidung ist schnell getroffen, wir ankern um.
Jetzt ist noch genug Zeit alles in Ruhe zu erledigen, der schlimme Wind ist noch nicht da.

Der Reitanker muss als erstes geborgen werden.
Wie geahnt, ist das schwierig und geht schon gar nicht schnell. Mit dem glitschigen, zu dünn gewählten, Hole-Tampen schafft Achim es nicht, den Anker an der Bordwand hochzuziehen. Fehleinschätzung.
Die Winsch am Mast muss ran.
Jetzt bloß nicht mit dem 25 Kilo Eisen ein Loch in die Bordwand hauen.

Ich muss meinen Wachposten am Ruder verlassen, um Achim zur Hand zu gehen.
Der Motor läuft. Noch werden wir vom Hauptanker auf der Stelle gehalten, ich brauche nicht mit der Maschine helfen.
Wären wir bereits am Rutschen, hätte Achim nur noch den Tampen kappen können. Eine unausgereifte Methode, die nach Verbesserung schreit.

Den Hauptanker einzuholen ist Routine und klappt ohne Probleme. Wir steuern näher auf das Riff zu. Zweihundert, vielleicht dreihundert Meter.
Der Anker fällt. Zweimal bricht er aus, dann werden wir gestoppt. Der Winddruck reicht, um den Anker „einzufahren“.
Achim schwimmt zum Anker und beobachtet die Lage, während ich kontinuierlich mehr Drehzahl gebe. Der Anker hält. Richtig eingegraben ist er noch immer nicht, aber besser als je zuvor.
Da wir nun erheblichen Abstand zum flachen Ufer haben, können wir unendlich Kette stecken. Wir lassen raus, was der Ankerkasten hergibt. 75 Meter! :lol: Man muss schon lachen bei einer Wassertiefe von 2,50 Meter.
Das fühlt sich komfortabel an. Die erhöhte Reaktionszeit, bis es krachen würde, finden wir mal richtig gut.

Zudem sind wir aus der Schneise der Balou raus, die in kleinem Abstand vor uns lag. Das beruhigt alle Seiten. Die Balou kann nun ebenfalls mehr Kette stecken.
Im Augenblick hängen sie an einem ‚Zahn‘ ihres Reitankers. :shock:

Trotz der vielen Kette wollen wir auf den Reitanker nicht verzichten.
Achim wählt diesmal den Schnapp-Schäkel, um das Ding schneller loszuwerden.

Die Lagune ist mit Schaumkrönchen übersät. Die ersten 30 Böen sind da. Trotz kappeliger Wellen liegen wir ruhig an der Kette.
Atanga wird zu einer übergroßen Wiege und schenkt uns tiefen Schlaf. Zwei Ankeralarme sind scharf gestellt, die werden uns wecken. Alle Instrumente sind auf ’stand by‘ und die Funkgeräte bleiben nachts an für den Not-Kontakt zur Balou.

Am frühen Morgen donnern 34er Böen über die Schiffe. Hier beginnt Windstärke 8 und hier endet jeglicher Spaß.
Achim schnorchelt zur Ankerkontrolle. Sein Misstrauen gegenüber dem Schnapp-Schäkel erweist sich als korrekt. Der hat sich durch das Auf-und Ab des Ankers geöffnet. Aus unserem Reitgewicht ist ein Zweitanker geworden.
Der hat nun, statt der dünnen Leine, eine vernünftige Ankertrosse.

V-förmig haben wir zwei Anker ausliegen. Auch eine akzeptierte Methode des Ankerns. Vielleicht sogar die bessere.
Wir lassen es so.
Vorläufig.
Bis zur nächsten Änderung.
Die Windfront ist noch nicht durch. Grad wird etwas Atem geholt für die nächste Nacht.

 

Gefangen

Fr., 28.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1062, 10.193 sm von HH

Die Wind-Front hat uns erreicht.
Dauerhaft blasen Anfang 20 Knoten über uns. In der Spitze fast 30. Wäre die Entscheidung nicht bereits gestern gefallen, dass wir den Ankerplatz nicht verlassen wollen, so hat sich eine Fluchtmöglichkeit in der Zwischenzeit von alleine erledigt. :mrgreen:

Die Ausfahrt aus dem Riff ist zu! Wo gestern noch ein Durchgang war, türmen sich heute Brecher. Gischt und Schaum bilden eine durchgehende Linie. Entkommen unmöglich.
Selbst die ortskundigen Tauchboote fahren da nicht mehr durch.

Was auch immer noch kommen mag, wir müssen es in der Lagune abwettern.
Der schlimmste Wind wird heute Nacht erwartet.
Bei gutem Ankergrund wäre das keine Meldung wert. Gut eingegrabene Anker halten locker 30 Knoten und mehr.

Wir kommen eben von der Ankerkontrolle zurück.
Unser Reit-Anker hat es zwanzig Meter zur Seite geschliffen. Achims mühsam gebuddelten „Löcher“ haben ihn nicht interessiert.
Mittlerweile ist so viel Zug auf der Kette, dass der Hilfsanker angehoben wird. Er macht das, was er soll, er hält die Kette hinter sich in einem flachen Winkel. Er ist jetzt ein echtes Reitgewicht. Beim Schnorcheln sieht es zum Furchten aus: 25 Kilo werden wie ein Federkissen angehoben. Was da für Kräfte arbeiten. :shock:

Der Hauptanker liegt an seinem alten Platz.

Achim vertraut ihm. Ähm, aber nicht blind. Er ist am Rechnen. Wahrscheinlich braucht er das, um sich zu beruhigen. Es fallen Wörter wie Hypotenuse, Sinus und Kathete. Ernsthaft fragt er mich, ob ich zustimme. :lol:

Die meisten Sorgen bereitet das Loswerden des Reitgewichts, falls wir doch Slippen sollten.
Mit der Hilfsleine kann Achim das Reitgewicht zum Bug ziehen. Dann muss „nur“ die Hilfskette um die Hauptkette abgeschäkelt werden. Dafür das Reitgewicht entlasten, Schäkel öffnen und Anker an Bord hieven oder, ohne Leine, in den Sand fallen lassen (den holen wir uns später wieder). Im Dunkeln und mit heftigem Wind auf die Ohren.
Ich würde dann am Ruder stehen und nicht verstehen, was er mir zuruft. Und umgekehrt. Hände frei für ein Funkgerät hätte er nicht.

Ein Schnapp-Schäkel wäre optimal. Wir würden den Reit-Ankerschneller los, um den Hauptanker einholen zu können.
So einen haben wir, aber Achim traut ihm nicht recht.
Ob er die Kräfte aushält, die an ihm ziehen würden? Er hat 25 Kilo zu tragen plus Beschleunigung, die sich in Grenzen hält. Das allerdings mehrere hundert Mal.
Die Variante, Schäkel am Schnapp-Schäkel, wird gerade diskutiert.

Ein Gutes hat der Wind, es drückt so viel Wasser in die Lagune, das wir prompt zehn Zentimeter mehr unterm Kiel haben.

Ich bin entspannter. Deutlich. :lol:
Ich vertrau dem Anker, ich vertrau Achim und ich vertrau auf unser Glück. ;-)

Und bist Du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt

Mi., 26.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1061, 10.193 sm von HH

Unserem Anker gilt diese Drohung. Genauer gesagt dem Reitgewicht-Anker.
Achim rückt ihm mit einem alten Steckeisen und Hammer zu Leibe.

Wir erwarten Morgen eine Menge Wind. Über 30 Knoten sind angesagt.
Seit zwei Tagen kreisen die Gespräche nur noch um den schlechten Ankergrund. Den ersten Abend hat „schön trinken“ noch geholfen, aber als Dauerlösung taugt Tequila nicht.
Es müssen echte Maßnahmen her.

Dafür hätten wir es gerne, wenn sich der Reit-Anker in den Boden bohren würde. Wenigsten ein bisschen. Er liegt im Augenblick in einer Linie zum Hauptanker und das soll so bleiben. Bei viel Wind ist es am wichtigsten, dass kein seitlicher Zug auf die Kette kommt.

Dazu hackt Achim Löcher in den Korallen Boden. Das heißt er versucht es. :lol:
So richtig will die Korallenplatte nicht nachgeben. Nur Bröckchenweise kommt er voran. Die ist dicker als Löcher und Spalten, die man entdecken kann, einen glauben lassen.

Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er nicht mit vollem Körpereinsatz dabei ist.

 

Wie sehen die Alternativen aus? Flucht wäre eine Option. Nur wohin? Belize City?
Dort gilt der Ankergrund ebenfalls als schlecht und es fehlt ein schützendes Riff. Bei 30 Knoten auch kein Vergnügen.
Das Tief ist nicht grade klein, die ganze Küste Belizes ist betroffen.

Flucht auf die offene See ginge ebenfalls. Aber ehrlich? Da hat auch keiner so richtig Bock drauf bei dem angesagtem Schiet-Wetter. Zwei Tage draußen abwettern klingt unspaßig.

Umankern wäre eine weitere Alternative. Für uns kommt sie nicht in Frage.
Wir wissen, dass unser Hauptanker schon bei 25 Knoten gehalten hat. Mit weniger Kette und ohne dieses Reitgewicht. Never touch a running system.
Der Hauptanker liegt mit seiner Spitze in einem kleinen Loch und ist ein wenig unter der Platte verhakt. Ob wir so einen „guten“ Platz wieder finden, ist fraglich.

„Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt. –
Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an! Erlkönig hat mir Leids getan.“

Da wollen wir hoffen, dass unsere Geschichte noch besser ausgeht als die vom Erlkönig. :mrgreen:
 

San Pedro auf Ambergris Caye

Mo., 24.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1059, 10.193 sm von HH

„Last night I dreamt of San Pedro….“, schon Madonna wusste Bescheid und besang in einem ihrer erfolgreichsten Hits „La Isla Bonita“.
Dieser Song soll ihr Tribut an die Schönheit Lateinamerikas und seiner Menschen sein.

Uns fällt als erstes in Belize auf, die Menschen sind schlanker. Ganz ungewohnt nach den ganzen Dicken in Mexiko. Die übergewichtigste Nation der Welt :shock: -noch vor den US-Amerikanern- kann die Finger nicht von der Cola lassen. 168 Liter pro Person pro Jahr zeigen deutliche Spuren. Weltrekord.

Auch Schwarze gehören wieder zum Straßenbild.
In Mexiko haben wir kaum Farbige gesehen. In den letzten 200 Jahren sollen alle ehemaligen Sklaven in den Mestizen aufgegangen sein.
Nicht so in Belize. Hier beträgt der Anteil der Schwarzen über 10 Prozent.

Ambergis Caye ist faktisch eine Insel, weil ein Durchbruch sie vom Festland trennt, aber im Prinzip handelt es sich um eine 35 km lange Landzunge.
Die windabgewandte Seite ist extrem flach und von Mangroven gesäumt.

Krokodile gehören zur Tagesordnung.
Das überall ausliegende Touristen-Blatt warnt ganz schlicht: „Nimm Probleme mit den Viechern nicht selber in die Hand, call 623 for crocodile problems“.
Gut zu wissen beim Schnorcheln zum Anker und Schwimmen in der Lagune.
Die Insel ist hier in San Pedro nur 300 Meter breit. Keine große Sache für ein Krokodil mal eben auf die See-Lagunen-Seite zu uns zu kommen. Es gab schon Zwischenfälle, wie die Internet-Recherche ergeben hat.

San Pedro ist zweigeteilt.
Die Karibikseite mit dem traumhaften Meer ist für die Touristen mit Hotels und Restaurants. Ein nicht abreißender Strom an Golf Carts zieht durch die zu schmalen Straßen. Gruselig. Das laute Geknatter nervt.
Diese lauffaulen Amis, jedes Stück wird mit den Carts zurück gelegt.
Es ist schade um den hübschen Ort. Ein interessanter Mix aus Western-Kaff und Karibik-Dorf. Eine Fußgängerzone wäre perfekt.

Die Rückseite, die dunkle Seite, mit Mangroven und Krokodilen, gehört den Einheimischen.
Sie wohnen in windschiefen Holz-Hütten auf Stelzen. Überall wird gewerkelt, gezimmert und gebaut. Die Schäden vom letzten Hurrikane sind noch nicht beseitigt.
Der hat im August 2016 schlimme Verwüstungen hinterlassen.
Wer es sich leisten kann, baut jetzt in Stein.
Man mag es sich nicht vorstellen, wie es nach einem Hurrikan in dem freundlichen Viertel aussehen mag. Und was für Ängste die Menschen in ihren Papphäusern ausstehen müssen.
Immer trifft es diejenigen, die sowieso schon wenig haben.

Segler-Fünfkampf

Sa., 22.Apr.17, Belize/San Pedro, Tag 1057, 10.193 sm von HH

Die fünf Disziplinen im modernen Segler-Fünfkampf sind die Herausforderungen eines jeden neuen Ortes. Ambergris Caye ist mit drei leichten und zwei mittelschweren Prüfungen ein leichter Gegner.

1.) Dinghy Dock finden
Ein Dutzend Stege ragt in die Bucht von Ambergris Caye, der größten Insel Belizes.
Der Strand hört spontan am Ufer auf und geht sofort in diese anker-unfreundliche Korallenplatte über. Damit nun die Gäste der Resorts trotzdem gut ins Wasser kommen, wurden massenhaft Stege gebaut.
Wir sind herzlich willkommen, dürfen festmachen ohne Verzehrzwang. Das ist ja mal eine nette Geste.
Hier machen auch Tauch- und Schnorchelboote der Resorts und Tauchbasen fest, die massenhaft durch die Bucht düsen. Beim Schwimmen trägt man besser eine Boje bei sich. Zu groß ist die Gefahr von einem der Speed-Boote geschreddert zu werden.

2.) Wäscherei finden
Keine fünf Minuten entfernt finden wir ‚Mamma Leone‘. Englisch ist Amtssprache in Belize. Mamma spricht spanisch. Wahrscheinlich stammt sie aus Guatemala.
Belize ist ein Einwanderungsland und vor allem, wer sich in der Landwirtschaft engagieren will, ist willkommen. Komplikationslos kann Land erworben werden.
Das kleine Land -so groß wie Hessen- schafft es nicht, seine nur ca. 250.000 Einwohner aus eigener Kraft zu ernähren. 40 Prozent der Fläche Belizes sind fruchtbarer Boden, trotzdem müssen Lebensmittel importiert werden.

3.) Supermarkt finden
Der liegt gleich neben der Wäscherei und ist eine Enttäuschung. Zumindest nach dem Schlaraffenland Mexiko.
Okay, San Pedro ist nur eine Kleinstadt, aber das war Puerto Morelos in Mexiko auch und da gab es alles. And when I say ‚alles‘, I mean ‚alles‘. :cry:
Die Qualität vom Obst und Gemüse ist vielfach welk und fleckig. Die Auswahl ist klein: Tomaten, Bananen, Ananas. Importierter Salat, Bohnen und Brokkoli sind teuer. Nur am Liefertag hat das Zeug noch eine brauchbare Qualität. Es ist nicht ganz so schlimm wie auf den kleinen Antillen, aber erinnert doch an die schlimmen Zeiten.

4.) Geld tauschen
Oh, oh! Nicht so einfach. Nachdem zwei Automaten sich weigern uns Geld zu geben, fragt Achim in einer Bank nach, was los sei. „Karten mit Chip werden nur von der ‚Hertitage Bank‘ akzeptiert“, informiert man ihn. „Aber auch ohne Chip machen europäische Karten Probleme. Ihr könnt aber Bargeld tauschen mit einem Verlust von 10%.“
Hüstel, nein, danke, erst mal noch nicht. Wir latschen weiter durch den Ort. Am letzten Automaten, bei der Heritage Bank ;-) , bekommen wir dann die gewünschten Belize Dollar.

Diese Währung ist eigentlich Quatsch und überflüssig. Der Kurs zum US Dollar ist fest gelegt mit 1:2. Mit USD zu bezahlen ist üblich und leicht zu rechnen. Beim Bezahlen bekommt man auch schon mal beide Währungen als Wechselgeld zurück.

5.) Gas finden
Wir kommen mit einer Gas-Buddel sechs Wochen hin, dann geht langsam der Ofen aus.
Die sind schneller rum als man denkt und Gas aufzufüllen wird nicht einfacher.
Seit Mexiko haben wir es mit amerikanischen Gewinden zu tun. Daher hat Achim aus einem Füll-Adapter für Europa den deutschen Teil an ein altes Ventil einer amerikanischen Flasche löten lassen.
Unsere deutsche Flasche kann jetzt an Füllstationen für amerikanische Flaschen befüllt werden. In Deutschland würde man mit so einem Ventil vom Hof gejagt. :mrgreen:
Mexiko und Belize sind da mal entspannt. Ja, es gibt noch nicht mal Nichtraucher-Schilder auf den Gas-Füll-Plätzen.

Die Zusatz-Disziplin „Internet“ ist am ersten Abend  abgearbeitet. Mit dem Dinghy zum gegenüberliegenden Resort, fertig.
Mit dem Bier wird das originelle Passwort ‚beach‘ an den Tisch gebracht, und das Problem ist gelöst.
Bis zum Bezahlen. Der Kellner erweist sich als übler Buhmann. „Das Passwort wird jeden Tag gewechselt“, zaubert kein Lächeln auf die Gesichter von Yachties.
Sofort rattert die Idee eines fröhliches Passwort-Knackens in vier Köpfen. Wer ‚beach‘ wählt, wird ja auch sonst nicht einfallsreicher sein.
Scherzkeks, dieser Kellner. Stimmt ja gar nicht. :-) Jeder Tag ist ein Strandtag.