Tag 6-Santa Marta- Segel Drückeberger

Sa., 01.Jul.17, Karibisches Meer, Tag 1127, 11.770 sm von HH
Die Ereignisse überschlagen sich. Ich beginne mit meinem persönlichen Waterloo. Ein Freiflug quer durchs Schiff. Von der Pantry bis in die Navi-Ecke. Dort bremst mich Achims Bein aus, sonst wäre ich mit dem Kopf noch aufs Holz geknallt. So ist nur das Steißbein hässlich geprellt. Sitzen ist nicht mehr so toll. Der weise Spruch ‚eine Hand fürs Schiff‘ war beim Abwasch in Vergessenheit geraten. Zum Glück hatte ich nicht noch das Kartoffelschäl-Messer in der Hand, sonst wird man bei solch einem Flug leicht zur Gatten-Mörderin. :mrgreen: Der Tag beginnt, nach der tutti Nacht, mit Flaute. Schon wieder. Ein Hauch von Wind zwingt uns den Jockel anzuschmeißen. Das hält elf Stunden bis zum Nachmittag an. Das Meer liegt glatt vor uns als jemand die Windmaschine anwirft. Innerhalb einer Stunde erst Segel setzten, dann Segel 1. Reff, Segel 2.Reff, Segel 3. Reff. 15 Knoten Wind, dann 20. Zwei Meter Welle stehen auch gleich zur Seite, um zu helfen, es ungemütlich zu machen. Es wird dunkel, wir gehen so in die Nacht. Meine Wache bis 2:00 Uhr ist noch ganz okay. Achim bekommt es dann dick: dauerhaft 25 Knoten, Boen wieder deutlich in den 30ern. Windrichtung 70 Grad, genau da wollen wir hin.
Um 6:00 Uhr, als er mich weckt, sind wir in der Nacht 34 Seemeilen gesegelt und haben 4 (in Worten vier) Meilen in die richtige Richtung gut gemacht. Es ist zum Heulen. Der aktuelle Wetterbericht legt noch einen drauf: der Wind wird zunehmen.
Irgendwann ist mal Schluss. Wir wissen wie Material und Menschen fressend noch mehr Wind sein kann. Wir brauchen einen Plan B. Mit dem Wind ablaufen und zurück segeln kommt nicht in Frage. Aber im Nord-Osten ist das Land nicht weit. Zum Greifen nah. Eine Ankerbucht nur 37 Meilen entfernt. Das klingt verlockend. Das klingt nach dem Paradies. Allerdings bedeutet dies, Segel runter und bei 25 Knoten genau gegen den Wind diese Meilen zu motoren. Wir brauchen fünf Minuten und die Entscheidung ist getroffen. Man darf uns gerne Segel-Drückeber schipfen. Ein Zuckerschlecken wird motoren ebenfalls nicht, aber es ist ein Leiden mit Ende. In zehn, zwölf Stunden sollte das abgearbeitet sein. Die Süd-Ost Strömung, die verhindert hat, dass wir heute Nacht voran gekommen sind, wird uns helfen. Wir nehmen Kurs.
Die ersten zwei Stunden läuft es gut. Der Autopilot kommt gut mit den Wellen klar. Dann nimmt der Wind zu, die Wellen werden höher, wir werden aus dem Ruder geworfen und auf den alten Kurs zurück zu gehen, schafft unser Autopilot nicht. Wir müssen per Hand Ruder gehen. Das ist etwas, was man auch im Stehen machen kann, also muss das Crew-Mitglied mit Sitzfleisch-Problemen ran. :mrgreen:
Atanga macht einen guten Job. Die meisten Wellen durchschneidet sie butterweich. Der Wind legt einen drauf, die Wellen auch. Spaß macht das nicht. Alle fünfzehn Minuten kommt ein besonderes Exemplar auf uns zu gerollt. Steil. Mit weißem, brechenden Kamm. Drei Meter hoch, vielleicht vier. Wie im Film ‚der Sturm‘ steigt Atanga die Welle hoch. Der Bug steht in der Luft. Zwei, drei Meter hängen über dem Wellen-Kamm. Wir scheinen einen Moment schwerelos zu verharren. Dann kommt der Bauchklatscher. Mit einem lauten Knall fallen wir ins Wellental. Die Gischt spritzt Meter hoch. Wir werden auf einen Knoten Speed ausgebremst. Nach sechs Stunden wird es ruhiger. Der Autopilot kann wieder ran. Die Landabdeckung drückt die Wellen auf anderthalb Meter runter. Alles wird erträglicher. Land kommt in Sicht. Jetzt ist es 17:00 Uhr und wir hoffen noch vor dem Dunkelwerden unsere Bucht zu erreichen.
Rest Meilen nach Ost: 57

2 Gedanken zu „Tag 6-Santa Marta- Segel Drückeberger

  1. SY Bigfoot

    Wow! Klingt nicht so verlockend…
    Freue mich gerade über die Kanalfahrt durch Holland und durchgeknallte Motorbootfahrer sind dann im Vergleich das doch geringere Übel.
    Hoffe Ihr seid gut angekommen!
    Lg von der Bigfoot…Steffi und Jörg

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  2. Tom Gartmann

    Ahoi
    Da geht ja richtig die Post ab. Ich denke aber dass die Entscheidung richtig war. Motoren macht halt nicht sooo Spas und dennoch ists gut man hat einen.
    Viel Glück und solong

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