Mooring Manöver – ein Drama in 7 Akten

Fr., 18.Mai 2018, Panama/Las Perlas – Contadora, Tag 1448, 12.560 sm von HH

Prolog
Nach einer windlosen (wie erwartet) Überfahrt erreichen wir nach sieben Stunden Contadora.
Ein Platz vor dem Hotel mit dem schicken Internet soll es sein. Außer uns ist keiner da, wir haben die freie Auswahl im Mooringfeld.
Eine Mooring ist eine kräftige Leine, die mit einem Betonklotz fest am Grund verankert ist. Durch einen Schwimmkörper (Fender, Mooringball oder Autoreifen) wird die Mooringleine an der Wasseroberfläche gehalten. Meistens ist eine Fangschlaufe am Schwimmkörper, die man mit dem Pickhaken angelt und so eine Verbindung zum Schiff herstellt. Oder man wirft eine Schlaufe über den Schwimmkörper und fängt ihn so ein. Achim hat die längeren Arme, ist bei uns also der Fänger der Mooring, während ich am Ruder stehe. Ab einer bestimmten Annäherung an den Schwimmkörper kann ich ihn von meinem Platz aus nicht mehr sehen und bin auf Achims Anweisungen angewiesen: mehr rechts, aufstoppen, hab sie!

1.Akt
Das Schiff und beide Darsteller betreten die Bühne, wählen eine Mooring aus (also Achim wählt aus – das ist wichtig zu wissen an dieser Stelle) und ich steuere auf sie zu.
Heute soll es die Pickhaken-Methode sein, der Fender hat eine gute Schlaufe. Ich ziele auf den Fender mit langsamer Fahrt, Achim angelt mit langem Arm. Dann erscheint ein wütendes, rotes Gesicht auf dem Vorschiff. „So ein Mist! Ich hab den Pickhaken verloren. Wenn du nicht richtig aufstoppst, kann ich das nicht halten. Du musst schon halten, also richtig stoppen“, giftet er mich an.
Na, prima, ist doch immer schön, wenn man einen Schuldigen für den eigenen Fehler gefunden hat. Er hat doch den Pickhaken fallen lassen, nicht ich. Außerdem hab ich nicht das Kommando ’stopp‘ gehört. Ich funkel wütend zurück (Anm. von Achim: unberechtigter Weise).

2.Akt
Der Pickhaken ist in der Schlaufe verheddert, kann also nicht abtreiben. Ich drehe eine Runde, um Fender und Pickhaken erneut anzusteuern. Der Kreis, den ich fahre, ist zu klein. Ich komm nicht an die Mooring, verrecke auf halber Strecke. Neuer Versuch. Ich sehe Achim mit den Augen rollen und doof mit den Armen fuchteln. „Dann mach es selber, wenn du alles besser kannst“, teile ich dem genervten Mann auf dem Vorschiff mit.
Beim zweiten Anlauf klappt es, ich ziele auf den Fender. Achim versucht nun, ohne Pickhaken, die Schlaufen-Wurf-Methode. Der Wurf geht daneben, der Pickhaken löst sich und treibt, von seinen Fesseln befreit, glücklich ab. Beherzt springt Achim dem wichtigen Teil hinterher.

3.Akt
Der letzte Rest an guter Laune ist dahin. Ich sammel meinen grummelnden Mann nebst Pickhacken auf und steuere erneut auf die Mooring zu. Am eigentlich menschenleeren Strand, steht eine Gruppe uns starrt zu uns rüber. Jetzt muss das sitzen! Achim fängt die Schlaufe. Wir sind fest. Für genau eine Minute. „Die Mooring gefällt mir nicht“, ruft Achim mir zu. „Ich habe nicht gesehen, dass der Tampen nur am Fender hängt. Wir müssen eine andere auswählen.“
Total genervt gehe ich an meinen Platz zurück. „Aber diesmal stoppst du richtig auf“, tritt Achim nach. „Blödmann!“ Im Schutz hinter meiner Sprayhood fallen mir noch bessere Schimpfwörter ein.
Ich sehe, dass sich sein Mund ebenfalls bewegt. Ohne Lippen lesen zu können, verstehe ich alles ganz genau. „Doofkopp“, schicke ich nach vorne.

4.Akt
Wir wählen gemeinsam eine neue Mooring aus. Ich halte drauf zu. Und stoppe auf. Sauer, wie ich bin, zu doll ( Anm. von Achim: das Schiff läuft rückwärts und die Boje liegt 15m vor uns).
Achim verpasst die Schlaufe. „Das gibt es doch gar nicht. Kannst du nicht mehr fahren?“ Eine echte Ehekrise bahnt sich an. Deutliche Flüche und Verwünschungen fliegen hin und her. Ich hab gestrichen die Nase voll. Achim auch. Er (!) entscheidet, dass wir ankern.
„Und wo soll das deiner Meinung nach möglich sein? Die Moorings sind viel zu eng gelegt, da klappern wir mit dem Heck dagegen“, wende ich ein.

5.Akt
Der Anker fällt. Viel zu nah am Ufer. Das finden wir nun beide. Anker wieder hoch.
Der Anker fällt erneut. „Hab ich’s doch gewusst“, triumphiere ich. Beim Kette raus rasseln, kommen wir den Moorings zu nahe und schwojen mit dem Heck dagegen.
Widerwillig gibt Achim mir Recht. Anker auf. Die Menschengruppe steht noch immer am Ufer. :oops:

6. Akt
Ankern hat keinen Sinn, sehen wir beide ein. Aber wir wollen das Internet. Eine neue Mooring wird ausgewählt. Ich komme mir vor wie in meiner eigenen Slapstick-Komödie. Ich ziele vernünftig auf die Mooring, ich stoppe vernünftig auf. Die neue Mooring hat als Schwimmkörper einen Autoreifen ohne Schlaufe. Achim verliert den Pickhaken (Anm. von Achim: weil das Schiff wieder mal nicht steht und ich nicht in der Lage bin, die 15 Tonnen zu halten) und springt erneut hinterher.

7. Akt
Mann und Haken wieder an Bord, drehe ich meinen Kreis, um noch einmal auf die Mooring zu zielen. Wieder ist mein Kreis zu kurz. Wenn mal der Wurm drin ist. Ich drehe einen Monsterkreis, um auf Nummer sicher zu gehen. Bloß aufpassen, dass ich nicht noch eine der Mooring-Leinen in den Propeller bekomme.
Zielen, stoppen, alles perfekt. Achim bekommt den Reifen nicht zu fassen. Wir sind quitt. :mrgreen:  Er hat jetzt die Nase voll. Er gibt mir ein Zeichen, dass er mit Tampen springen und uns im Wasser fest tütteln wird. Jetzt aber zügig, es ist keine Fahrt mehr im Schiff und wir treiben schnell von der Mooring ab.
Schwimmend versucht Achim das Schiff zu halten. Zu komisch, wie er versucht, wie ein Verrückter zu ziehen. In einer Hand den Autoreifen in der anderen den Tampen. Ich helfe ihm mit ein bisschen Gas vorwärts. Das klappt ohne ihn tot zu fahren. Zu viele Zeugen am Strand.
Dann sind wir endlich fest.

Das Gras wird gebeten über diese Sache zu wachsen. Das Gras bitte!

Epilog
Eine Stunde haben wir gebraucht für ein lächerliches Mooring Manöver an einem windlosem Tag. Ein Kinderspiel, normalerweise.
Zwei Stunden braucht es, bevor wir wieder miteinander sprechen.

Unsere Mooring - endlich fest

Unsere Mooring – endlich fest

10

11 Gedanken zu „Mooring Manöver – ein Drama in 7 Akten

  1. Jürgen

    Oh Mann, ich lese den Blog auf der Terrasse hier auf Vlieland und werde gerade von den anderen Gästen komisch angeschaut, weil ich gerade kaputt lache. Ja ich habe vor lachen Tränen in den Augen. Danke für so schöne Geschichten, die Eier Leben schreibt.
    Ich habe heute übrigens einige Zeit hier am jachthafen verbracht und so mancher Anleger war fast so lustig.

    Antworten
  2. Sebastian

    Wunderbar! Kommt meiner Frau und mir sehr bekannt vor.
    Wir haben irgendwann beschlossen (als Prophylaxe gegen weitere Ehekrisen), die Mooring achtern über die Badeplattform zu fangen. Ist nicht so hoch und klappt deshalb meist ziemlich entspannt (eventuelle Unstimmigkeiten können ebenfalls leichter ausgetauscht werden, ohne Lippenlesen zu beherrschen!).

    Aber unabhängig vom Verfahren: Mit Eurem Humor kann Euch auf keinem Weltmeer irgendwas passieren!!
    You made our day!

    Liebe Grüße
    Sebastian & Gudrun
    SY Layla Noa

    Antworten
  3. Michael Stephani

    Hahaha… Hut ab. Hab den Artikel zufällig gelesen. Wirklich toller Schreibstil. Ab jetzt bin ich auf den Blog aboniert. So ähnlich hat unser erstes Landleinenmanöver ausgeschaut. Da mussten wir uns aber (vor den schon Anwesenden Schiffen) anschreien um Freundlichkeiten auszutauschen, da wir nicht mal beide auf dem Schiff waren..

    Antworten
  4. Ludwig Guy

    Hallo,
    Ihr macht euch das Leben unnütz schwer.
    Nehmt doch einfach einen Festmacher, belegt ihn auf einer Seite am Bug und schmeißt eine Schlaufe über die Boje.
    Beim anziehen (oder einfach das Boot treiben lassen) wird die Leine automatisch unter die Boje gezogen, anderes Ende an der Bugklampe belegen und dann ist erstmal Ruhe, denn das Boot ist fest
    Danach hat man alle Zeit der Welt das Boot richtig an der Boje festzumachen.
    Probierst mal, hat bei uns bis jetzt IMMER ohne Probleme funktioniert.
    Schöne Grüße aus Luxemburg,
    Guy

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Klaus A. Müller Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.