Aktion im Ankerfeld

Sa., 15.Feb.20, Franz.Polyn./Gambier/Insel Mangareva/Rikitea, Tag 2085, 20.238 sm von HH

Es ist halb fünf Uhr morgens (natürlich ist es so früh – nie passieren solche Dinge am Tag) als wir aufwachen. Es donnert und blitzt fast zeitgleich. Die Regenabdeckung über den Luken peitscht im Wind. Der Wind heult. Viel Wind. Wir springen ins Cockpit, schnell die Schwerwetter-Regenjacke über den Schlafanzug gezogen. Erst mal orientieren. Das ist nicht so einfach. Die Sicht beträgt kaum hundert Meter. Es dämmert zwar schon leicht, aber der Regen nimmt den Überblick. Sobald man hinter der Sprayhood hervorguckt, trommeln die Regentropfen wie Nadelstiche ins Gesicht.
Liegen wir noch an unserem Platz? Ja, bei uns ist alles okay. Aber was machen die anderen Boote? Die Böen fegen über den Ankerplatz, Winddreher inklusive. Alle Schiffe tanzen an ihrer Ankerkette, drehen mal hierhin, mal in die andere Richtung. Der Franzose (!), der gestern direkt vor uns den Anker geworfen hat, kommt unangenehm nah. Ist da überhaupt jemand wach? Misstrauisch äuge ich zu ihm rüber. Wir könnten fast zu ihm über steigen. Ich sehe zwar die Lichter seiner Instrumente, kann aber keinen Menschen entdecken.
„Ach, du meine Güte“, Achim entdeckt den großen Alukahn zuerst. Mit gestreckter Ankerkette pflügt er an unserer Backbordseite vorbei. Knapp vor einem kleinen Einhandsegler-Boot bekommt der französische (!) Skipper seinen Dampfer aufgestoppt. Der junge Mann wedelt mit einer Taschenlampe Alarm und wischt sich den Angstschweiß von der Stirn. Die französische Crew versucht ihr Schiff auf der Stelle zu halten und ihren gerutschten Anker einzuholen. Sobald Atanga von den Böen zur Seite gedreht wird, kommen wir uns bedrohlich nah. Achim klappt schnell das seitliche Solarpanel ein. Dann endlich! Die Mannschaft hat den Anker an Bord und sucht sich einen neuen Ankerplatz. Eine halbe Stunde später hat sich auch das Gewitter verzogen.

Unser französcher Nachbar rückt uns auf die Pelle

Zwei Schiffe werden auffällig, zweimal sind es Franzosen. Wenn das kein gefundenes Futter ist; ideal für ein gepflegtes Bashing – öffentliches Beschimpfen – wie es heute auf Neudeutsch heißt: die schlechtesten Ankerer sind und bleiben die Franzosen.
Du sieht wie jemand verhaltensauffällig in ein Ankerfeld gefahren kommt? Zum Beispiel unter Segeln bis auf fünfzehn Meter an anderen Schiffen vorbei ziehen. Es ist garantiert ein Franzose.
Eine Crew wirft ihren Anker und sitzt zehn Minuten später in ihrem Dinghy und geht (ungeachtet der Windverhältnisse) auf Landtour? Es müssen Franzosen sein.
Französische Crews fahren ihren Anker auch nicht ein. Niemals. Als ob es ein französisches Gesetz gäbe, was dies verbietet. Warum sie maximal zwanzig Meter Kette werfen, ist uns bis heute nicht klar. Haben französische Schiffe nicht mehr Kette dabei? Oder gibt es einen bösen Zauber, der sie verhext, wenn sie mehr Kette auslassen würden?
Ein Ankerplatz ist leer, es ist genug Platz für alle da und du hast trotzdem plötzlich so nah einen Nachbarn, dass du Fender raushängen möchtest? Dann ist dein Nachbar Franzose! Sie lieben es möglichst eng bei anderen Schiffen zu parken.
Haben nur wir die Vorurteile (die ja keine sind ;-) ) gegen Franzosen? Nein, wir kennen kaum ein deutsches (kennen wir überhaupt eins?) Schiff, was sich nicht am Franzosen-Bashing beteiligt. Gibt es schlicht weniger Deutsch-Französischen Freundschaft, als die Politik sich das wünscht? Nein, das ist zu einfach gedacht, auch andere Nationen ziehen mit Genuss über ‚La Grande Nation‘ her.
Unser panamaischer Advisor im Panama-Kanal: „Ich mache diesen Job seit zwanzig Jahren. Und ich mache ihn gerne. Wenn es mal Probleme gibt, dann mit Franzosen. Sie wissen einfach alles besser und sie hören nicht darauf, was man sagt.“
Der langjährige polynesische Mitarbeiter in der Marina in Papeete: „Alle Nationen sind in Ordnung. Ärger habe ich nur mit Franzosen.“
Und ein Schweizer Mitsegler erzählte uns: „Wenn du versuchst einem Franzosen zu sagen, dass er scheiße ankert und er viel zu nah an dir dran hängt, wird er auf seiner Meinung beharren und dich anpöbeln ‚Lecko mio ganz gepflegt an my asshole“.
Hat früher die Piraten-Flagge Angst und Schrecken verbreitet, so ist es heute die Trikolore im Ankerfeld. So hat jede Zeit ihre Geißel. :-)

 

15 Gedanken zu „Aktion im Ankerfeld

  1. Dieter

    Hallo Atanga, danke für den tollen Bericht ! Jedes Wort könnte ich unterstreichen ! Gottseidank gibt es auf den Gambier keine Charteryachten.
    In Huahine hatten wir in einem Gewittersturm ( hinten in der Grössen Bucht) einen Chaterkatamaran am Bug hängen. Platz für 50 Ankerlieger aber der belgische Skipper müsste 20 m vor uns parken. Hatte 15m Kette gesteckt bei 10 m Wassertiefe. Er hatte natürlich alles richtig gemacht, nur sein Anker tauge nichts….
    Lebt unser TO Fritz noch?
    Liebe Grüsse von den Tamora’s

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  2. captain INVIA

    Oh ja, ich musste wirklich lachen als ich diesen Beitrag gelesen habe.
    Ich wehre mich gegen Pauschalierungen bezogen auf eine Nationalität.
    Aber bereits im Mittelmeer habe ich angefangen, über die Ankermethoden einer großen Nation zu berichten:
    „http://sail-invia.com/ankermethoden-teil-2/“
    Inzwischen, seit einiger Zeit in der Karibik unterwegs, konnte ich meine Beobachtungen weiter verfeinern.
    Ihr habt mit diesem Bericht schon so irgendwie den Nagel auf den Kopf getroffen….

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  3. Aebi

    Wurde letztes Jahr kurz vor der Taina marina von einem franz. Motorboot mit Tauchern an Bord gerammt. Reeling weg und Schanzkleid verbogen. Trotz Polizeirapport und Vers. Besichtigen haben sie bis heute noch nichts bezahlt. Ca 25keuro !

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  4. Martin

    Fahrlässigkeit gibt es überall. Unwissenheit auch.
    Was z.B. das Ankern betrifft: Schon mal gehört, was man in anderen Ländern über deutsche Freizeitsegler erzählt? Z.B. über Kontaktfreudigkeit, Anlässe zum anlassarmen Nörgeln, Kritteln, Besserwissen (v.a. unter handwerklich „engagierten“ Hobbyseglern…), blinder Regelkonformität u.v.m.
    Wenn’s wirklich mal „eng“ wird, hilft IMMER ein FREUNDLICHES Wort! (Und bei Franzosen ein Fläschchen Roten!)
    Gute Fahrt, schöne Erlebnisse und MuSb weiterhin!

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      1. Ralph T

        Ich möchte gern mit meiner slippenden Yacht auf einen sehr verständnisvollen Martin treffen und an seinem Boot stranden.
        Dort werde ich dann trotz meiner Unfähigkeit den Anker einzufahren mit einer Flasche Rotwein (alternativ mit einem Sixpack Bier für Deutsche) empfangen.

        LG Ralph, der immer das Weite sucht wenn die Tricolore am Horizont des Ankerfeldes auftaucht!

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  5. Claudia

    Hallo Sabine,
    genieße immer wieder deine Beträge, aber nachdem unser (deutschstämmiges) Boot eine halbe Französin ist (zumindest den Namen nach -LA BELLE EPOQUE-) muss ich meine Meinung kundtun. Und die heißt: die Franzosen sind die besten Segler der Welt! Zumindest, sobald es um die Hohen Breiten geht. Egal, in welchen extremen Revier wir waren, die Bretonen waren bereits da, und sie haben immer alles im Griff gehabt. Da oben (und unten) haben sie tolle Boote, eine tolle Seemannschaft und unglaublich viel Herzblut. Ich liebe nichts mehr, als französische Segler unterwegs zu treffen (und dann gibts normalerweise auch noch unglaublich gutes Abendessen mit einem gepflegten Gläschen Wein dazu ;-)
    Liebe Grüße
    Claudia

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    1. Sabine

      Liebe Claudia
      es ist natürlich gefährlich seinem Schiff einen französischen Namen zu geben … wie leicht wird man da in einen Topf geworfen. ;-)
      Wir haben ebenfalls schon sehr charmante Franzosen getroffen und jede Nation hat so ihr Klischee.
      Herzliche Grüsse auf die Französin,
      Sabine

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