7 Jahre – 2 Fazits

Di.,01. Jun 2021, Franz.Polynesien,Pazifik, Tag 2557, 21.739 sm von HH

Das erste Mal, dass wir unseren Jahrestag auf See verbringen. Trotzdem gibt es die üblichen zwei Rückblicke – wie immer getrennt voneinander geschrieben. Der aktuellen Tagesbericht steht unten drunter.

Achim
Sieben Jahre und kein Ende in Sicht ;-) . Schwer zu sagen, was war. Im Nachhinein war es ein ruhiges Jahr. Gambier, Tahiti, Moorea, Huahine, Tahaa, Bora Bora. Wenn ich das jetzt so aufzähle, dann ist das eigentlich gar nicht so wenig. Wir haben unser schönes Gambier im August verlassen, als der Winter kam und die Wassertemperaturen unerträglich niedrige 22°C erreichten. Unzählige Spaziergänge und immer auf der Jagd nach Pampelmusen, Zitronen, Papaya, Bananen, Spinat, Chili, Sternfrucht und Mikro-Tomaten. Schade, wir werden wohl nie zurückkehren und so bleibt es eine der schönsten Erinnerungen. Tahiti ist Tahiti und Papeete ist eben eine laute Stadt. Nicht immer ganz sauber und ein Ort, den man nicht auf den ersten Blick liebt. Das kommt aber. Es ist schön hier und die Versorgung ist super. Die Gesellschaftsinseln. Zum Erbrechen kitschig und schön. Lagunen mit den unglaublichsten Farben und alles leer, weil die Welt verrücktspielt. So wie wir Bora Bora gesehen haben, wird man es so schnell nicht wieder sehen, wenn die Tourismusmaschinerie wieder läuft. Dann werden die Charterboote kommen, die Jet-Skis, die Kiter und Surfer. Dann ist es vorbei mit der Idylle, aber es gibt wieder etwas zu verdienen. Ich wünsche es den Menschen hier – so viele Alternativen gibt es nicht.
Das Jahr war ein Corona Jahr. Die Sonnenuntergänge in Polynesien sind atemberaubend und gehören wahrscheinlich zu den schönsten der Welt. Sie untermalten unsere Sundowner. Leider wiederholte sich aber auch das immer wieder gleiche Thema während dieser Stunden: Wann? Wohin? Hört der Mist mal auf? Und was machen die da eigentlich in der Heimat? Gut – es hätte schlimmer für uns kommen können. Wir waren im vermutlich besten, gastfreundlichsten und schönsten Inselreich, dass wir uns hätten aussuchen können. Kein Stress, keine Visa-Probleme, keine Testerei. Die Freiheit hinzusegeln, wohin wir wollen und wann wir wollen. Wer kann das schon sagen? Ich bin dankbar dafür und es schmerzt schon jetzt, wenn ich daran denke, dass wir Polynesien verlassen werden. Neuseeland ruft und unsere Atanga braucht professionelle Zuwendung, um sie für die nächsten zehn Jahre fit zu machen. Wir freuen uns auf Neuseeland, nicht so sehr auf die Arbeit, aber auf das Land und wer weiß – von Neuseeland segelt man in nur drei Wochen nach Gambier…

Sabine
Fernweh. Reiselust. Diese zwei Treiber sind bei mir der Grund, warum wir überhaupt diese Reise begonnen haben. Ich kann mich noch erinnern, wenn wir nach unseren Ostsee-Urlauben mit Atanga durch den Nord-Ostsee-Kanal zurück in die Elbe gefahren sind. Mit Begeisterung haben wir an dem schwelligsten und lautesten Platz der Nordhalbkugel festgemacht: direkt neben der Schleuse in Brunsbüttel. Ein Gänsehaut-Platz für mich. Das Fernweh konnte ich dort körperlich spüren. Die geschäftige Atmosphäre, ein Signal ertönt, jemand ruft ein Kommando in einer fremden Sprache. Es stinkt nach Aufbruch und nach Salz von der Nordsee. Wenn die Tore sich öffnen und Frachter und Segelboote in die Elbe entlassen, dann braucht nur nach rechts abbiegen und weiter Richtung Westen fahren. Die ganze Welt direkt vor dem Bug. Auf diesen Moment habe ich sehnsüchtig gewartet.
Beim Gedanken an das letzte Jahr schießt mir als erstes das Wort ‚ausgebremst‘ in den Kopf. Fernweh macht sich bei mir das erste Mal seit Beginn der Reise bemerkbar. Wir hatten ein tolles Jahr in Französisch Polynesien. Ich bin überglücklich, dass uns der Corona-Wahnsinn ausgerechnet hier erwischt hat. Mit vielen Freiheiten und der Möglichkeit zwischen den Atollen frei umher zu segeln. Wir haben wohl einen der besten Gastgeber weltweit erwischt. Wir hatten schöne zwölf Monate in traumhafter Landschaft und Unterwasserwelt.
Die ersten sechs Jahre waren geprägt vom Pläne schmieden. Wohin es als nächstes gehen soll. Was ist wettertechnisch möglich, was trauen wir uns zu, was wollen wir unbedingt sehen? Ständig gab es was auszuarbeiten: eine Busfahrt durch Südamerika oder Ausflüge in den Dschungel. Die Luft ist raus. Alle Reiseführer liegen ungelesen in der Ecke. Pläne werden nur noch geschmiedet, was es zum Abendessen geben soll und wer abends den Film aussuchen darf. Gegen Hafenblues haben uns neue Hobbies gesucht. Achim hat seit ein paar Monaten eine Ukulele und übt fleißig fast jeden Tag. Und ich habe das Nähen für mich entdeckt. Erste Tops, ein Einkaufsbeutel und Schlafanzüge sind schon entstanden. Ein geruhsames Rentnerleben ist eingetreten. Es ist ein gutes Leben, wir können die Zeit auch ohne Weiterreise genießen. Wir träumen von Gambier und denken zurück, dass wir genau vor einem Jahr kiloweise Zitronen gesammelt haben. Regelmäßig bringt uns ein Spaziergang im Park von Papeete oder ein spektakulärer Sonnenuntergang in Huahine zum seufzen: „Hier kann man für immer bleiben“.
Wenn da nicht Fernweh und Reiselust wären. Die zwei scharen mit den Hufen. Die Gier neue Länder zu entdecken und zu erobern ist ungebrochen. Ich höre im Geiste die Schleusen in Brunsbüttel, ein Kommando wird in einer fremden Sprache gerufen. Noch müssen wir uns gedulden und bis es so weit ist, genießen wir das hier und jetzt.

Tag 2 – das Fenster schließt sich
Viel zu früh, möchte man schreien. Halt, es sind noch 60 Meilen übrig. Aber der Wind ist gnadenlos. Beständig dreht er weiter nach Osten. Zum Ende der zweiten Nacht sind unsere vorgehaltenen Grade aufgebraucht. Schlimmer noch, mit jeder Meile verschlechtert sich unser Winkel. Wir haben fünf Windstärken, Fock und Groß nur leicht gerefft, damit wir wenigstens Strecke machen. Das macht das Leben nicht gerade komfortabel. Schräglage nicht zu knapp. Nach genau 48 Stunden ist das Wetterfenster nicht nur zu, jemand hat auch noch die Gardine vorgezogen. Der Wind bläst aus 80 Grad – unser Ziel liegt in 80 Grad. Wir versuchen einen Kreuzschlag. Zum tot lachen. Zehn versegelte Meilen für drei Meilen Strecke gut gemacht. Die Maschine anzuwerfen, ist kein Option. Wir haben zwischen 17 und 20 Knoten Wind, eine Welle von zwei Metern bremst uns aus. Da kommen wir nicht voran. Das wäre okay für zehn Meilen, nicht für fünfzig. Oberhalb von Fakarava liegt noch ein Atoll in das wir können. Die Nacht wird zeigen, ob wir dort rein gehen. „Zum 7ten Jubiläum den Wind genau auf die Fresse“, ist Achims Kommentar. :mrgreen: Happy Jubiläum, mein Schatz.

Streckenweise ist es etwas ruppig

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2 Gedanken zu „7 Jahre – 2 Fazits

  1. Pia

    Einfach herrlich, eure Berichte zum Lesen. Beide Seiten zu hören; gleichen sich aber sehr. Ach wie schön, dass man sich nach 7 Jahren Segeln und Leben auf engstem Raum immer noch versteht (und aushält) ihr dürft Stolz auf euch sein
    Liebe Grüsse
    Pia&Köbi mit SYLupina

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