100 Tage Roadtrip

09.03.24,  Australien/WA/Kalbarri, Tag 100 Roadtrip,  9.441 km total, 60 Tages-km

Ein Roadtrip ist durchaus mit Segeln zu vergleichen – irgendwas im Auto klappert immer.

Ich hatte es mir anstrengender vorgestellt. Aber schnell haben wir unseren Rhythmus gefunden: eine Nacht am gleichen Platz ist uns zu wenig, zwei Nächte sind ‚geht so‘, besser sind drei oder vier. Das liegt allerdings nicht am Auf- und Abbauen des Camping-Rerödels.
Reist man zu schnell, kommt die Seele nicht hinterher, sagt ein Sprichwort. Nicht nur die. Der Verstand setzt ebenfalls aus und morgens beim Aufwachen, weiß man nicht, auf welchem Campingplatz man steht.
Rechnerisch müssen wir gute 80 Kilometer täglich fahren, um die Strecke, die wir uns ausgesucht haben zu schaffen. Bleiben wir vier Nächte, gilt es die Trödelei mit einer längeren Fahrt aufzuholen. Die asphaltierten Straßen sind in einem so großartigen Zustand, dass locker 90 Kilometer pro Stunde drin liegen. Unser Bundy ist bequem und der Hintern fängt erst nach ein paar Stunden an zu schmerzen. Natürlich müssen wir dann schöne Ecken überspringen, aber das macht uns nichts aus – alles sehen, können wir sowieso nicht. Zum Glück und zur Ehegatten-Diskussionsvermeidung ticken wir da gleich.

100 Tage Roadtrip – 9500 Kilometer. Genau im Plan. Man könnte meinen, wir haben das im Griff.

Abwechselnd Plätze ohne Dusche und ohne Waschmaschine anzufahren, um dann wieder den Luxus eines Holiday Parks zu genießen, dieser Wechsel geht sich für uns gut aus. Die Campingplätze Australiens könnten unterschiedlicher nicht sein. Viele sind schon sehr alt – die Australier scheinen schon lange ein Camping-Volk zu sein. Damals wurden die Bäder noch gefliest und die Muster erinnern an Oma Erna. Alt hat manchmal Charme, manchmal kann es grausam sein, wenn nichts funktioniert und der Renovierungsrückstand vierzig Jahre beträgt. Teuer bedeutet nicht gleich gut und super preiswert kann großartig sein. Eine gute Lage rechnet sich auf gegen eine schlechte Dusche.
Klebt man in der Gemeinschaftsküche nicht fest, dann benutzen wir die gestellten Einrichtungen. Unser Ofen hat zwar ordentlich Power, aber der zweite (eine Reklamation haben wir schon erfolgreich hinter uns) macht auch schon komische Geräusche.

Hier kochen wir dann neben dem Auto

So was gibt es auch. Man kann hier operieren plus täglich neue Lappen und Schwämme.

Die Küchen sind natürlich auch Treffpunkt. Noch schlimmer als beim Segeln, nach nur einem Abend, und nette Leute sind wieder weg. Das ist schade, aber wir haben schon super nette Leute kennen gelernt. Bislang überwiegend Australier. Ein cooler Typ aus Broome will sich sogar um unser Auto kümmern, wenn wir in Deutschland sind. Daumen drücken, dass er Wort hält.

Das Chaos im Auto der ersten Wochen ist einer organisierten Unordnung gewichen. Beide wissen wir inzwischen, wo Dinge hin gehören und halten uns meistens sogar daran. Zu viele Lebensmittel, die ich nicht auf dem Schiff zurück lassen wollten, haben für zu viel Unordnung geführt. Sich zu proviantieren ist auch auf dem Land gar kein Problem. Selbst kleine Dorfläden führen ein gepflegtes Sortiment.

Jeder hat seine eigene Klamottenkiste. Die Idee hatten wir von Anfang an und es ist eine super Lösung. Nichts fliegt rum und der Wüstenstaub bleibt auch draußen. Schuhe kommen in einen Wurfeimer aus Silikon. Outdoor-Klamotten, wie Jacken, Regenzeug und Hüte ebenfalls. Die sind biegsam und passen gut in Lücken.

Abgeschnittene Wasserkanister sorgen für Ordnung – die passen genau zwischen Kühlschrank und Autotür. Am Anfang hatten wir Kartons. Das war nichts…

Auch der Aufbau von Zelt und Konsorten flutsch mittlerweile reibungslos. Die Aufgaben sind aufgeteilt, jeder macht, was er am besten kann. Der Aufbau ist nach zwanzig Minuten abgewickelt, zusammen packen dauert doppelt so lange.  Wobei das Dachzelt am meisten Zeit in Anspruch nimmt. Die Designer hätten nur ein anderes Scharnier zum Klappen der Bodens wählen müssen und den Deckel etwas höher – schon könnten Kissen und Decken in der Kiste bleiben. Haben sie aber leider nicht. Aber ein Dachzelt ist super!

Der Lange packt das Zelt

Deckel zuziehen mit Hilfs-Zügeln

Am längsten dauert es, die Überschüsse in den Koffer zu stopfen

Jeder macht, was er am besten kann. ;-) Abwasch in der Walachei.

Wir hocken den ganzen Tag aufeinander.  Auslauf vom anderen gibt es nicht. Nur Klo und Dusche bieten eine Pause vom Mitreisenden. Wir essen zusammen, kaufen zusammen ein, ja kochen sogar zusammen. Da sich Kochen im Freien wie Grillen anfühlt, denkt Achim, er sei jetzt auch ein Koch. :mrgreen:

Der neue Chef am Herd.

Schnippeln und Deko anschleppen darf ich noch.

Privatsphäre unterwegs mit Auto, Zelt und Klappstühlen gibt es nicht. Keinen Ort an dem man mal einen Augenblick die Füße hoch legen kann und beim Lesen einfach weg nickt. Im Zelt ist es tagsüber viel zu heiß.
Alles wird öffentlich. Die Hose wechseln – irgendjemand latscht bestimmt vorbei. Fußnägel schneiden – scharf unter Beobachtung vom Wohnwagen nebenan. Nase bohren, am Hintern kratzen, einen Pickel am Bauch betrachten. Der Dicke von gegenüber hat‘s gesehen.

Privatsphäre gleich null. Wenn kein Schatten da ist, muss man auch schon mal auf den Weg umziehen zum Frühstück.

Und dann ist da noch Achims Gitarre. Ein Quell der Freude. Ständig liegt sie im Weg. „Achtung, nicht einfach den Rucksack oben drauf werfen, die Gitarre!“  Dann kommt sie auf den Beifahrersitz und ist wieder im Weg. Bespielte Zeit und zur-Seite-räum-Zeit stehen in einem unguten Verhältnis – aus meiner Sicht.
Durch die Hitze im Auto hat es schon das Furnier auf der Rückseite abgelöst. „Die ist hin“, dachte ich noch so bei mir. Nein, Achim hat Leim gekauft. Vielleicht lässt er sie ja eines Tages aus Versehen am Baum gelehnt stehen. Im Rückspiegel werde ich ihr nachwinken. ;-)

Der Trip ist toll. Einzigartig. So schnuppert Freiheit. Dieser große, leere Kontinent. Die vielen Tiere, die wir bereits gesehen haben. Urgewaltige Landschaften. Diese Weite. Die Faszination der Wüste. Ja, auch der Hitze. Nie gesehen. Nie erlebt. Jedes neue Ziel ist spannend und manchmal wie nicht von dieser Welt.
Und ist das Wetter gut (letzter Regen vor über zwei Monaten), dann macht ein Roadtrip richtig Spaß. Und das ist dann auch genau so wie beim Segeln.

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