So. 26.Feb.17, Mexiko/San Christobal, Tag 1.002 9.937 sm von HH
In Mexico sind noch 10% der Einwohner, damit ca. 12 Millionen, indiginer Abstammung. Ebenfalls 10% sind Weiße, der Rest Mischlinge zwischen Indiginas und Weißen.
Im Hinterland von San Christobal hat eine Integration der Indiginas, überwiegend Maya Nachkömmlinge, nicht stattgefunden.
Viele sprechen nicht einmal Spanisch.
Sie unterwerfen sich nicht der Autorität der Regierung Mexikos, sondern halten vielfach an ihren eigenen Gesetzen fest.
Als die Spanier in Mexiko einfielen, gaben sie den Mayas zwei Optionen an die Hand: entweder ihr werdet Katholiken oder wir bringen euch um. Somit sind heute alle Maya-Nachkommen katholisch.
Zumindest auf dem Papier.
In der Kirche von Chamula würde sich der Papst die Händen vors Gesicht schlagen.
Es gibt keine Bänke, keinen Altar, Kanzel oder Orgel.
Rund um die Wände stehen katholisch typische ‚Schaukästen‘ aus Holz mit Figuren aller möglichen Heiligen. Dicht an dicht. Jede Lücke zwischen den Schaukästen ist mit Blumen geschmückt, nur weiße Blüten. Zum Teil reicht der Blumenschmuck meterhoch über die Heiligen-Kästen.
Davor, ebenfalls lückenlos, stehen alte Wohnzimmertische und Tischlein. Ein buntes Sammelsurium ausgedienter Möbel. Auf diesen Tischen brennen hunderte und aberhunderte von Kerzen. Meistens in kleinen Glasgefäßen.
Die restliche Fläche der Kirche ist komplett leer und mit Pinien-Nadeln abgestreut. Auf dem glatten Steinboden eine schlitterige Rutschpartie. Die ganze Kirche duftet harzig.
Die Einwohner von Chamula gehen in ihre Kirche, um Heilung für Kranke zu erbeten.
Sowohl für Verwandte als auch für sich selber. Je kranker man ist, desto mehr Kerzen müssen aufgebaut werden.
Dafür wird ein Stück des Bodens von den Pinien-Nadeln befreit und auf die Fließen dünne Kerzen mit Wachs aufgeklebt. Zwei, drei Dutzend Kerzen werden in kleinen Gruppen aufgebaut. Und dann angezündet.
Wie war das noch? Keine echten Kerzen auf Advent-Gestecken? Zu gefährlich? Feuergefahr?
In der Kirche von Chamula will man davon nichts hören. Zum Teil stehen die Kerzen so dicht, dass sie sich gegenseitig entzünden.
Vor den Kerzen sitzt man auf dem Boden und betet. Häufig sitzt ein Heiler (Schamane ist verpönt, die Heiler halten sich für Ärzte) daneben, der durch Puls drücken und fühlen, die Krankheit beseitigt.
Wenn das noch nicht reicht, wird auch schon mal ein Huhn geopfert. Ganz modern bedient man sich mit Coca Cola. Der Heiler muss rülpsen und den ’schlechten‘ Atem auf das Huhn übertragen. Wie ginge das besser als mit Cola?
Ist das Huhn voll mit schlechtem Atem, wird ihm der Hals umgedreht. In der Kirche.
Es ist verboten in der Kirche zu fotografieren. Dass soll so weit gehen, wird man erwischt, dass die SD-Karte entnommen und man sogar für einen Tag ins Gefängnis gesteckt wird.
Dieses Foto stammt aus einer anderen Kirche, aber so ähnlich muss man sich die Möblierung und Dekoration vorstellen. Im Internet gibt es ein paar Bilder von mutigeren Besuchern eingestellt: Stichwort, Kirche Chamula
- Kirche von Zinacantan
Nicht ganz zufällig sind wir zum ‚Karneval‘ vor Ort. Ich hatte gelesen, dass dann spezielle Rituale abgehalten werden an den fünf tollen Tagen.
Mit Karneval hat die Veranstaltung nichts zu tun. Wie im Gottes-Glauben mixen die Indiginas auch hier alles zusammen. Bedienen sich der Rituale, die ihnen gefallen und verweben sie mit ihren eigenen.
Im Maya Kalender gibt es fünf ‚böse‘ Tage. Der Kalender war zwar exakter als es der alte Gregorianische vor der Reform war, aber man musste sich eines Tricks bedienen. Einen Monat mit nur fünf Tagen einfügen.
An diesen Tagen galt es böse Geister zu vertreiben und weil es so gut passte, hat man die in die Karnevalszeit gepackt.
Im Glauben der Maya hat Gott drei Versuche gebraucht, um den Menschen zu formen. Der erste Versuch war aus Lehm und daraus sind Affen entstanden.
Der zweite war aus Holz und ebenfalls ein Flop.
Beim dritten mal formte er den Menschen aus Mais und sah, dass es gut war. Am Karnevalswochenende kommen die Affen aus den Bergen in die Dörfer zurück und das wird gefeiert.
- Kirche von Chamula
- reine Männer-Sache mit viel Alkohol
- und schlechter Musik
- Karnevals-Affen
- Zuschauerinnen amüsiert
- oder desinteressiert
Mit sehr viel Alkohol. Alkohol gilt als Medizin gegen alles und wird bereits morgens konsumiert. Alkoholismus ist ein riesiges Problem in den indiginen Dörfern.
Neben Chamula steht noch Zinacantan, ein zweites Dorf, auf dem Programm. Wir reisen heute mit einer organisierten Tour. Normalerweise mögen wir das nicht so gerne, weil das oft den Charakter von Kaffeefahrt hat. Hier macht es Sinn, damit man nicht unangenehm auffällt.
- Hausaltar in einem typischen Indigina-Haus
- das komplette Wohnzimmer
Im Internet findet man Hinweise, dass die Indiginas es nicht mögen fotografiert zu werden. Unser Guide, Alonso, widerspricht dem. Die Indiginas, die es sich leisten können, haben ein Smartphone und ein facebook account. Sie glauben nicht mehr dran, dass ihnen die Seele durchs Fotografieren genommen wird.
Wir Weiße sind nicht willkommen in den Indigina Dörfer. Zuviel Leid und Unterdrückung mussten sie in den letzten 500 Jahren erdulden. Wir werden nicht angefeindet, aber komplett ignoriert. Durch die Begleitung von Alonso bekommen wir gesagt, was erlaubt und was unerwünscht ist.
Mir kommt es so vor, als hätte man Chamula und Zinacantan, weitere Dörfer kann man nur schwierig erreichen, ‚geopfert‘, damit die anderen unbehelligt von Touristen leben können.
Die Frauen kleiden sich noch immer in ihre alten Trachten.
Durch industriell gefärbtes Garn heute bunt und leuchtend.
- Indiginas auf dem Markt
- hübsche Maya Nachkommen
- auch die Männer müssen lila tragen
- Garn auf dem Markt
- Trachten vor Kunstgarn
Jedes Dorf hat seine eigenen Trachten. Die Männer sind da nicht mehr so konservativ.
In Zanacantan ist grade lila ‚in‘. Eine Farbe hält sich fünf, sechs Jahre. Kommt eine Frau auf die Idee alles in blau zu sticken, dann werden die anderen folgen.
Ein faszinierender Ausflug, der aber den Beigeschmack eines Menschen-Zoos behält.
- Ungewöhnlicher, katholischer Friedhof
- hier wird gegessen, gesoffen und gewhats-aapt
- platzsparende
- Reihenkreuze