16.-22.10.24, Australien/SA/Port Pirie+Clare+Tanunda+Bordertown, Tag 320-327 Roadtrip, 26.189 km total, Tages-km 125+120+221+289
Extremer kann der Wechsel vom Outback ins gezähmte Australien nicht sein. Wir brauchen nur 125 Kilometer zu fahren, erreichen die Küste und finden uns in einer anderen Welt. Auf den Landkarten wimmelt es plötzlich vor Straßen. Auf den Straßen wimmelt es vor Autos. Im Outback grüßt man lässig mit zwei Fingern jedes entgegenkommende Fahrzeug. Hier kann das nur zu Grußkrämpfen führen.
Statt alle dreihundert, kommen wir nun alle zwanzig Kilometer durch ein Dorf. Und die Preise! Eben kostet der Liter Diesel noch 2,70 Dollar, um nun für 1,70 Dollar (1,05 Euro) verschleudert zu werden. Alles ist günstiger – das Outback hat seinen Preis.
Es gibt wieder Supermärkte, die den Namen wirklich verdienen. Wie viele Sorten Brie dürfen es sein? Yoghurt! Nüsse! Anderes Obst als Äpfel oder Bananen.
Zwei Monate haben wir mit dem Angebot der Land-Dorf-Läden ganz gut, aber eintönig überlebt (wie viele Hackpfannen mit wechselndem Gemüse sind in unsere Mägen gewandert?) Auf einmal stellt sich nur die Frage, in welcher der Mega-Ketten wir einkaufen: Aldi? Coles? Oder Woolworth – dem Edeka Australiens?
In vier Etappen schaufeln wir uns an Adelaide vorbei. Auf Großstadt haben wir keine Lust, konzentrieren uns auf den ländlichen Bereich.
Der erste Stopp, noch vor Adelaide, heißt Port Pirie. Die großen Silos im Hafen verraten, dass der Süden von South Australia Weizen-Country ist. Pirie ist ganz nett, verfügt über die besagten Supermärkte und beschert uns innerhalb von dreißig Stunden drei Gewitter. Etwas viel Wetter für den Anfang.
Wir drehen wieder von der Küste weg. Weizenfelder wechseln sich mit Schaftweiden in anmutiger Hügellandschaft ab. Der Weizen steht weizengelb ( ) auf den Feldern. Bereits im Vorfrühling ist Erntezeit. Uns wundern die zum Teil mickrigen Halme. Seit wann wird Weizen nur 30 Zentimeter hoch? In Clare, unserem zweiten Stopp lernen wir von einem gesprächigen Herrn des örtlichen Bowling-Clubs, die Ernte sei verloren. Es gab zu wenig Regen.
Dieser Regen wird während unseres Aufenthalts nachgeholt. Der zweite Tag in Clare gehört dem Dachzelt mit Lesen und dem Vertilgen der Süßigkeiten vom Aldi.
Bald hinter Clare verschwinden Weizen und Schafe. Wir erreichen das Barossa Valley. Eine der exklusivsten Weingegenden Australiens. Und eine der ältesten. Sei 1847 wird in diesem Tal Wein angebaut.
Die kleinen Dörfer sind entzückend. Mit mediterranem Flair – Lavendel steht vor hellen Steinhäusern in voller Blüte. Und es muss ein Gesetz in diesen Dörfern geben, dass man Rosen in seinen Garten pflanzen muss. In jedem Garten, vor Restaurants und Kirchen und im öffentlichen Grün stehen Rosen in voller Blüte. Knospen ohne Ende. Gesund. Kein Lochfraß von Blattläusen zu sehen, kein Mehltau, kein Sternrußtau. Wie die das hier machen, ich weiß es nicht. Es ist jedenfalls eine Augenweide.
Wir bleiben bei feinstem Wetter zwei Tage in Tanunda. Ein Lehrpfad führt durch den Ort mit sieben Kirchen. Unter den ersten Siedlern befanden sich viele Deutsche. Um 1840 kam ein Deutscher Pastor mit seiner Kirchengemeinde von 250 Personen nach Tanunda, was in den Gründerjahren noch Langmeil hieß. Deutsche Winzer folgten. Eine Sonntagsschule wurde gegründet in der Deutsch unterrichtet wurde. Es folgte eine deutsche Zeitung.
Mit dem ersten Weltkrieg wurde der Deutsch-Unterricht verboten, deutsche Straßennamen geändert. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde auch die deutsche Beschriftung der Grabsteine untersagt. Aber bis heute tragen viele Weinkeller noch ihren ursprünglich deutschen Namen.
Nach dem Barossa Valley wird die Landschaft langweilig. Flach. Nur Landwirtschaft. Weizen in erster Linie. Manchmal Schafweiden. Viel ändern können wir nicht und müssen da durch. Erst weiter im Osten liegen die großen Nationalparks.
Wir teilen die 450 Kilometer mit einem Halt in Bordertown. Der Campingplatz liegt verkehrsgünstig mitten auf dem Highway – zumindest klingt es so. Augen auf bei der Beschreibung der Plätze in der Camping-App.
Bordertown ist so langweilig wie die Landschaft. Der Ort lebt von einem Schlachthof – nur Schafe und Lämmer – was bis zu 8.000 Tiere täglich schlachten kann. Die Laster, die diese Tiere herankarren, fahren die ganze Nacht durch unser Zelt.
Ein letzter Fliegen-Talk
Mit dem Outback sind wir auch die Fliegen los. Schlagartig. Das ist gut.
Diese Fliegen sind schwierig zu verstehen. Sie mögen keine Orte. Selbst das kleine Quorn, umzingelt von Berglandschaft mit Fliegen, ist absolut Fliegen frei.
Fährt man mit dem Auto nur ein paar Kilometer raus, so sind sie wieder da. Aber wo genau sind sie, diese Fliegen? Steigt man aus dem Auto ist noch für zwei, drei Minuten himmlische Ruhe. Man wähnt sich schon in Sicherheit. Aber dann wird man von den Viechern gefunden und fortan kleben an sie an einem wie Hundedreck am Schuh.
Schüttelt man einen Busch oder läuft durch Gras, ist es nicht so, dass tausende Fliegen aufwirbeln. Man fängt sie auch nicht mit der Windschutzscheibe ein. Egal wohin man schaut und nach ihnen sucht, sie bleiben unsichtbar.
Schatten hilft. Selbst eine nach zwei Seiten offene Überdachung lindert die Invasion. Kälte hilft auch. Die letzten Tage im Outback war es morgens noch so frisch, dass wir fliegenfrei frühstücken konnten. Erst mit 15 Grad plus kommen sie aus ihren Löchern, Nestern, Sammelplätzen. Jetzt sind wir in Farmers-Schafland. Und keine Fliege zu sehen. Die verrückte Welt der Outback-Fliegen.