Was macht Papeete aus?

So., 17.Nov.19, Franz.Polyn./Tahiti/Papeete, Tag 1995, 19.044 sm von HH

Da der Segelmacher uns auf nächste Woche Mittwoch vertröstet hat – eher hat er das Segel nicht fertig – geben wir nicht auf, doch noch ein paar schöne Flecken in Papeete zu finden.
Dazu muss man zehn Kilometer Richtung Norden radeln und Papeete verlassen. Endlich hört die lückenlose Bebauung an der Küste auf. Endlich gibt es öffentlichen Strand, der genutzt werden kann. An den schönsten Stellen haben sich Hotels breitgemacht. Auch klar. Leider bremsen uns Steigungen aus, die wir mit unseren Rädern nicht wuppen können. Hoch müssen wir schieben und runter ist auch kein Vergnügen. Da hängt man nur an der Bremse. Schneller trauen wir uns kaum noch (trotz neuer Bowdenzügen an den Bremsen) auf unseren etwas angeschlagenen Vehikeln bergab zu rollen.
Wir müssen an der vierspurigen Inselstraße entlang fahren, Nebenstrecken gibt es keine. Diese furchtbare Straße verschandelt Papeete und verschandelt die Insel, allgegenwärtig nervt diese Straße. Es gibt einfach zu viele Autos auf Tahiti. Ein Bus fährt ungefähr sechsmal am Tag um die Insel. Definitiv zu wenig.

 

Die schönsten Abschnitte gehören zu Hotelkomplexen

Diesmal Pause mit Aussicht

Im Norden und aus Papeete raus ist Tahiti schön

Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt bei 10% Steigung. Und das Rad der Frau gleich mit :-)

 

 

Öffentlicher Strand, leider direkt neben der vierspurigen Inselstraße

Papeete bleibt schwierig. Das Schönste an Papeete ist das ‚Hinano‘ Mädchen. Das wohl coolste Bier-Logo der Welt. Keine Kneipe ohne Hinano-Mädchen auf Schirmen und Überdachungen, kein Auto fährt ohne Hinano-Aufkleber, selbst Abstinenzler erliegen dem Charme und tragen das Mädchen auf T-Shirts, Kappen und Röcken. Das auf Tahiti gebraute Bier ist zweitrangig, wichtig ist nur das Logo. Der Ansturm von Touristen gilt nicht der Brauerei mit stylischer Glasfasade und Hinano-Mädchen über dem Portal, der Ansturm gilt dem Shop nebenan.

Die Gründung der Brauerei 1914 stand unter einem schlechten Stern, zweimal brannte der Firmensitz bis auf die Grundmauern nieder. Erst 1955, mit Einführung der sitzen ‚Vahine‘, der sitzenden Frau, in ihrem roten Pareo, der Hibiskus-Blüte hinter dem Ohr und dem weißen Blüten-Kranz im Haar, wurde das Bier zum Kult-Objekt. Der Entwurf des schwedischen Malers ‚Peter Heyman‘ wurde bereits fünfmal an den aktuellen Zeitgeist angepasst – ohne an Grazie zu verlieren. Aktuell sitzt das Hinano-Mädchen mit geradem Rücken, wirkt europäischer, es hat seit 1962 einen Busen und schon immer nur vier Zehen.

Hinano-Mädchen im Wandel der Zeit

 

Hinano Bier gebraut auf Tahiti und Sponsor von Sufern und Wassersportarten

Einen weiteren Unterhaltungswert haben die Jugendlichen, die in großen Trupps nach der Schule am Hafen vorbei flanieren. Die Jungs tragen überdimensionale Lautsprecher mit Trage-Griff bei sich. Die sogenannten ‚Bose‘ (nach dem bekannten Hersteller von Boxen) werden übers Handy mit Musik gefüttert. Mit lauter Musik gefüttert, die so einfach aber nicht Musik genannt werden darf: irgendwelcher Elektro-Hipp-Hopp-Techno-Schrott. Schilder, die ‚Boom-Boom‘ und ‚Méga-Bass‘ verbieten, hängen zweisprachig an Lokalen aus. Die Bose tragen Überzieher mit klangvollen Namen wie ‚Batman‘ oder ‚Jet-Pilot‘. Manchmal darf auch ein Mädchen einen ‚Bose‘ tragen, aber das sieht man selten.
Mädchen wie Jungs tragen gerne Kniestrümpfe in Flip-Flops. :roll: Manchmal nur einen Strumpf oder zwei verschiedenfarbige Strümpfe. Gerne auch mit Cannabis-Blättern drauf. Über Mode-Geschmack kann man halt nicht streiten. Cool sind die Jungs, die ein Fahrrad haben. Hunderte von Metern können sie auf dem Hinterrad fahren. Einhändig sogar, geschickt balanciert. Normal gefahren wird praktisch gar nicht mehr. Alle Welt fährt auf dem Hinterrad.

Fahrrad nur auf dem Hinterrad

Fünf Jungs, drei Lautsprecher dabei und die Kniestrümpfe in Flip Flops

Und dann liegt noch dieser Geruch über Papeete. In Wellen legt er sich über den Hafen. Als ob Millionen Menschen sich mit Kokos-Sonnenmilch einreiben und gleichzeitig Kokos-Makronen backen. Kokos-Geruch tausendfach verstärkt. Mir haut das auf den Magen. Übeltäter ist die Kokos-Mühle im Hafen, die mit der Koprah, dem Kokosnuss-Fleisch, von den umliegenden Inseln beliefert wird. Gräuslich.

Koprah wird bei der Öl-Mühle angeliefert

Von der Marina kann man durch den Industriehafen bis zum Molenkopf radeln. Die lange, hohe Mauer hält den Schwell aus dem gesamten Bereich halten. Das klappt leider nur bis November, dann jetzt beginnt der Wind auf nördliche Richtungen zu drehen und der Schwell kommt prima in den Hafen gelaufen. Wir sind erschrocken, was aus der ruhigen Einfahrt mit glattgezogenem Wasser geworden ist. Ordentliche Brecher stehen rechts und links der Einfahrt neben den Fahrwasser-Tonnen. Wir merken denn Schwell auch am Liegeplatz in der letzten Ecke des Hafens. Es ruckelt seit ein paar Tagen ordentlich in den Tampen. Es wird Zeit, dass wir hier verschwinden. Also, der Segelmacher soll einen Schlag reinhauen.

Wilde Einfahrt in den Hafen von Papeete bei Nord-Schwell

In der hintersten Eckelinks vor den Bergen befindet sich die Marina im Hafen von Papeete

Wanderung zum Wasserfall Fautaua

Mi., 13.Nov.19, Franz.Polyn./Tahiti/Papeete, Tag 1991, 19.044 sm von HH

Was für eine geile Wanderung. Am Ende hapert es nur an ein paar fehlenden Seilen und dem letzten Funken Mut ohne Seil zur Fallkante eines Wasserfalls zu rutschen.

Fautaua Wasserfall – 120 Meter – und am Kopf kann man ein Bad nehmen

Fautaua – Fluss und Wasserfall tragen den gleichen Namen – liegt fünf Kilometer vom Stadtkern entfernt. Da wir keine Lust auf eine öde Stadtwanderung haben, wählen wir die Räder. Natürlich geht es die gesamte Strecke bergauf. Schweißüberströmt erreichen wir das Wasserwerk. Hier hört die Straße auf, ein ebener Feldweg führt am Fluss entlang. Nach einer Stunde geht es in den Wald hinein. Steil, aber über einen gut begehbaren Trampelpfad. Schon von weitem hören wir den Wasserfall rauschen und auf einer Lichtung bekommen wir ihn auch zu sehen. Eingerahmt von senkrechten grünen Wänden.
Durch den dichten Wald geht es mal moderat, mal heftig weiter. Wir plagen uns vorwärts.

 

Tolle Wanderung am der Bergflanke entlang

auf üppigen Dschungel-Pfaden

Da es keine Hinweis-Schilder gibt, laufen wir zunächst an der richten Abzweigung zum Kopf vom Wasserfall vorbei. Als wir am Ufer vom Fautaua stehen, versuchen wir zunächst unseren Weg über die großen Steine am Flussbett zu finden. Falsch gebaute Steinmännchen führen uns in die Irre. Das Ufer ist eine Sackgasse – hier sind wir falsch. Wir kraxeln zurück. Versuchen mal hier, mal dort den richtigen Weg zu finden, immer den Wasserfall im Ohr.

Fautaua

Am Ufer vom Fautaua sind wi falsch – er gibt aber eine schöne Abkühlung

Auf dem Rückweg entdecken wir dann die Stelle für den Abstieg. Au weia. Hier geht es aber steil runter. Zum Glück hat es die letzten Tage nicht geregnet, wir wagen es und lassen uns mit Hilfe von Seilen den Abhang hinunter. Die Frage, wie man wieder hoch kommt, ist später zu klären.

Fast senkrecht

geht es hundert Meter

geht es hundert Meter

zum Wasserfall

runter

Die Belohnung soll ein kühles Bad im glasklaren Fautaua sein und für die Mutigen ein Blick den Wasserfall hinunter. Zwei Becken sind durch eine natürliche Wasserrutsche miteinander verbunden. Darüber wölbt sich der Fels zu einer Art Grotte. Von oben tropfen schmale Kaskaden in die Becken. Ein verwunschener Platz.
Die Seile an der Wasserrutsche sind leider gerissen. Kommt man überhaupt ohne Seil zurück? Oder nur mit üblen Hautabschürfungen? Oder ist man für immer gefangen im letzten Becken vor dem Fall? Wir überlegen und entscheiden uns gegen die Rutsche. Feiglinge! Also begnügen wir uns mit einem Picknick.

Das Becken vor dem freien Fall

Von hier gelangt man in die Becken, aber ohne Seil auch zurück?

Erste Kaskade vor den Becken

Der Rückweg führt die gleiche Strecke zurück. Die Kletterpartie aufwärts an den Seilen entpuppt sich als harmlos. Wurzeln, die als Haltegriffe dienen und das Seil machen es einfacher als befürchtet. Fünfeinhalb Stunden erreichen wir wieder den Eingang und sind froh, dass unsere Räder dort stehen und wir nicht weitere fünf Kilometer laufen müssen. Eine geile Wanderung.

Wanderweg Informationen

1. Man muss sich im Rathaus eine Genehmigung für die Wanderung holen (Kostenpunkt 6 USD/Person/Stand 11/2019). Das geht bereits am Vortag. Das Rathaus öffnet um 8:00 Uhr. Bei Regenwetter wird keine Genehmigung erteilt. Unsere Genehmigung wurde kontrolliert hinter dem Tor vom Wasserwerk. Dort kann man kein Ticket kaufen.

Kontrollstation

2. Von der Innenstadt Papeete bis zum Tor sind es ca. 5 Kilometer relativ öde Strecke durch Wohngebiet. Es gibt auch einen Bus, der am Wasserwerk hält. Welcher Bus dort fährt, kann nur jemand herausbekommen, wer fließend Französisch spricht. Die Touristeninformation ist keine Hilfe dabei. Es ist der Bus Nummer 8A – Abfahrt ab dem Busterminal bei der Kirche.

3. Es gibt einen Wanderweg zum Fuß und einen Weg zum Kopf des Wasserfalls. Zu Beginn sind beide Strecken identisch. Ein leicht zu laufender Wirtschaftsweg führt am Fluss entlang. Nach ca. einer Stunde gabelt sich der Weg. Wer zum Kopf des Wasserfalls möchte, muss links über die Brücke.

Über diese Brücke kommt man zum Kopf des Fautaua Wasserfalls

4. Von jetzt an geht es auf einem gut erkennbaren Pfad bergauf durch den Wald. Nach ca. 1,5 Stunden erreicht man die Reste eines alten Forts. Hinter der Mauer muss man rechts abbiegen.

An dieser Mauer muss man entlang, um zum Abstieg zu kommen

5. Hinter den Mauerresten geht es ca. 100 Meter steil bergab zum Wasserfall. Gespannte Seile und Wurzeln helfen beim Abstieg.

6. In den beiden Tümpeln vor dem Wasserfall kann man baden. Seile helfen, dass man über die natürliche Wasserrutsche wieder zurück kommen kann. Bei uns fehlten die Seile zum Teil oder waren kaputt, so dass wir auf ein Bad verzichtet haben.

Warten auf den richtigen Wind

Mo., 11.Nov.19, Franz.Polyn./Tahiti/Papeete, Tag 1989, 19.044 sm von HH

Wir sitzen total weichgespült vor den Windvorhersagen: „Zu viel Wind, zu wenig Wind, falsche Richtung, falscher Tag.“ Noch nie hatten wir so wenig Motivation weiter zu segeln. Wie befürchtet. Wer vom Pferd fällt, soll sofort wieder aufsteigen. Gilt das auch für Segler, die zweimal umdrehen? Uns egal.
Seit 1. November ist Nebensaison, die Marina kostet weniger als die Hälfte vom normalen Preis – nur noch 15 USD/Tag. Warum also weiterfahren? ;-) Keine Ausrede ist uns zu doof. Gespräche mit den Crews von Nachbar-Booten, die schon ein paar Jahre hier segeln, helfen unserer Demotivation: „Geduld, der Nord-Ost-Wind, den ihr braucht, er wird kommen.“
Achim packt die Fahrräder wieder aus, auf dem Vorschiff ist die Wäscheleine gespannt. Wir werden zum Wohnschiff. Und dann entdecken wir auch noch eine offene Naht am Vorsegel. Der UV-Schutz hat sich großflächig abgelöst. Na, wenn das kein Grund ist zu bleiben? Zum selber nähen, ist die Strecke zu lang, also kommt der Segelmacher am Freitag und holt das Segel ab.

Jetzt, wo die Räder mal draußen sind, machen wir das Umland unsicher. Sobald man den halbschönen Innenstadt-Kern verlässt, wird es richtig hässlich. Vierspurige Ausfallstraßen führen an der Küste entlang. Halt! Nicht an der Küste. Einen Blick aufs Wasser zu werfen, ist unmöglich. Der gesamte Uferbereich ist zugebaut. Stichwege, die zum Wasser führen, enden an einer Mauer oder Zaun. Wohnblocks, Kleingewerbe, wie Autowerkstätten und Tischlereien, versperren den Weg. Es gibt keine Parks, keine Bänke, keinen Platz für eine nette Brotzeit. Fahrradwege existieren selten, bevorzugt dort, wo der Verkehr sowieso schon dünner ist. Wir fahren auf den menschenleeren Fußwegen. In Papeete geht niemand zu Fuß. Das Auto oder ein Motorroller sind Transportmittel Nummer 1. Auf den Fußwegen stehen Reklametafeln oder Laternenpfähle im Weg. Alle fünf Minuten muss man absteigen. Die Küstenstraßen kann man in alle Richtungen vergessen, ist an Unattraktivität kaum zu überbieten.

Unsere Rast machen wir an einer Bushaltestelle an der vierspurigen Schnellstraße

Besser wird es, wenn man ins Landesinnere radelt. Hier stehen unerhörte Steigungen in die schroffen Berge unseren Rädern entgegen. Nur in den Tälern kommt man ohne Herzkasper voran.
Eingebettet zwischen den Bergen stehen einfache Häuser mit Wellblechdächern, aber auch eine Art Reihenhäuser, die uns fehl am Patz erscheinen. Mit „Abenteuerspielplatz“ vor der Haustür, wo hundert Meter weiter der Dschungel mit mehr Abenteuer aufwartet als man braucht.

Reihenhäuser am Ende vom Tal mit Spielplatz

Typischer Querweg, der durch Wohnviertel steil in die Berge führt

Jungs sitzen vor einem Gemeinschaftsfernseher am Straßenrand, schauen Fußball. Die Mädchen flanieren Arm in Arm von der Mehrzwecksporthalle mit Picknickplatz zum Fluss, in dem sich die Kinder amüsieren. Wir werden freundlich gegrüßt, uns wird der Weg gezeigt, wenn wir nicht weiter wissen.
Die schöne Seite von Tahiti.

Wohnen im Tal – alles ist blitzsauber und aufgeräumt

Wohnen am Fautaua

Fußball gucken an der Straße

Badespaß im glasklaren Wassers des Fautaua, der weiter flußaufwärts mit Hilfe eines Wasserwerkes Tahiti mit Trinkwasser versorgt

Scheitere erneut, scheitere besser!

Do., 07.Nov.19, Franz.Polyn./Tahiti/Papeete, Tag 1985, 19.044 sm von HH

Wir sind schon wieder umgedreht! :mrgreen:
Diesmal nach Tahiti zurück. Wären wir bloß letzte Woche weiter gesegelt, da hatten wir nur Windstärke 6, heute hatten wir Windstärke 7.

Als wir aus der Cook Bay kommen, gibt es zunächst in der Abdeckung keinen Wind. Bis zur Windkante motoren wir. Die Dünung, die uns entgegenkommt, ist unangenehm hoch und spitz und kurz in der Frequenz. Das hätte uns stutzen lassen können. Nach einer Stunde stellt jemand die Windmaschine an: von jetzt auf sofort haben wir 25 Knoten Wind. Ätzend. Wir fahren im zweiten Reff im Groß und in der Fock hoch am Wind. Liegen hart auf der Kante. Aber wir kneifen die Backen zusammen. Umdrehen kommt nicht in Frage. Das ruiniert ja den Ruf total.

Beweisstück Nr. 1 – hier zittern sogar dem Fotografen die Hände und alles ist verwackelt

Vorhergesagt ist ein Grundwind von 16 Knoten. Der Wind weiß davon nichts und legt eine Schippe drauf. Über 30 Knoten in Böen. Wir müssten eigentlich noch ein Reff mehr einbinden. Achim spricht als erster von ‚umdrehen‘. Ich stehe am Ruder (mach ich immer, wenn es etwas wilder zugeht. Das bewahrt mich vor Seekrankheit – bei hoch am Wind trifft es mich am leichtesten – und vermeintlich habe ich dann die Kontrolle, was mir ein besseres Gefühl gibt als nur auf den Windmesser zu starren) und will davon nichts hören. „Lass uns noch warten, vielleicht lässt der Wind ja nach.“ Wenn wir jetzt umdrehen, weiß ich nicht, wo ich erneut die Motivation für einen dritten Versuch (eigentlich ja sogar fünften Versuch, wenn man die beiden Abbrüche wegen ‚kein Wind‘ mitzählt) hernehmen soll.

Beweisstück Nr. 2 – Schieflage

Beweisstück Nr. 3 – gute Laune sieht anders aus

Beweisstück Nr. 4 – ’n büschen Wind

Zwei Stunden donnern wir nach Norden, schaffen zwischen 10 und 20 Grad, das ist nicht berauschend, wir wollen doch Ost gut machen. Teilweise schaffen wir 7,5 Knoten, manchmal blitzen sogar 8 Knoten auf. Ein weiteres Reff wäre nicht schlecht, aber wir bleiben hart gegen uns selber. Die Welle kommt sehr seitlich und ungewöhnlich hoch. Noch nie haben wir so viel Wasser genommen, selbst auf dem schlimmen Trip nach Kolumbien nicht.
Am Ruder stehend, bekomme ich eine Dusche nach der anderen und das Wasser, was wir über den Bug aufnehmen, schwappt buchstäblich als Welle an unserer Sprayhood hoch. Achim steckt tatsächlich das untere Schott vor den Niedergang. Das machen wir nur äußerst selten. Hab ich schon gesagt, dass ein Reff nicht schlecht wäre?

Beweisstück Nr. 5 – frisch geduscht

Es wird immer unerfreulicher, statt besser. Ich sehe es ein, das ist es nicht wert. Wir drehen um! Nach Moorea wollen wir nicht zurück, die 15 Meilen Ost-Gewinn geben wir nicht wieder her. Das bedeutet, der Rückweg ist ebenfalls hoch am Wind. Eigentlich müsste ein weiteres Reff in die Segel, ;-) aber unser Wendewinkel ist mit 150 Grad so schon bescheiden genug. Damit wären wir nie angekommen. Wir bleiben hart und reffen nicht. Der Wind bleibt ebenfalls hart. Keinen Knoten gibt er nach, Grundwind 10 bis 12 Knoten mehr als vorhergesagt. In Böen entsprechend mehr.

Jetzt liegen wir in Papeete und halten es mit ‚Samuel Beckett‘: „Immer versucht, immer gescheitert, egal, versuch‘ es wieder, scheitere erneut, scheitere besser.“

Beweisstück Nr. 6 – auf dem Rückweg ist die Laune schon besser

Beweisstück Nr. 7 – weiterhin viel zu viel Wind für hoch am Wind

Beweisstück Nr 8 – Kleiner Ausritt nach Norden. Zwanzig Meilen gesegelt und Nach Osten vielleicht 4 Meilen gut gemacht

Wem soll man glauben?

Mi., 06.Nov.19, Franz.Polyn./Moorea/Cook Bay, Tag 1984, 19.044 sm von HH

Neben uns am Anker liegt die Alrisha. Brigitte und Ferry kennen wir seit Kolumbien, bereits seit über zwei Jahren. Immer wieder haben sich unsere Wege getrennt und erneut gekreuzt: Panama, Ecuador, Osterinsel, Gambier und jetzt Französisch Polynesien.
Die beiden warten genau wie wir auf ihr Wetterfenster. Sie wollen auf die Marquesa Inseln, ein harter Ritt von 700 Seemeilen gegen den Wind – hier zu verfolgen.
Der logische Weg für die Alrisha führt über die Tuamotu, deckt sich also über zweihundertfünfzig Meilen mit unserem Plan. Eine kurze Nord-West-Wind-Lage am Wochenende haben wir verstreichen lassen, weil sie uns zu kurz erschien, um das Ziel zu erreichen. Die Alrisha, weil sie technische Probleme hatte.

Alrisha und Atanga am Anker

Jetzt hocken wir gemeinsam über den Wetterkarten und grübeln. Alrisha ist Kunde eines bekannten deutschen Anbieters für Wetterdaten. Wir beziehen unsere (kostenlosen) Infos von zyGrib oder Saildocs.
Unsere Vorhersage prophezeit Süd-Ost. Die Angaben von Alrisha sind um 180 Grad gedreht, verheißen einen Nord-West-Wind. Da soll man nicht bekloppt werden. Wem soll man glauben?
Der Nord-West-Wind wäre göttlich. Er würde uns ein gutes Stück nach Osten bringen ohne gegen an knüppeln zu müssen.
Die Crews haben unterschiedlich entschieden. Alrisha ist heute gefahren, wir brechen Morgen auf. Ich habe wieder vorgekocht. Obwohl ich das aus abergläubischen Gründen eigentlich sein lassen sollte. Aber wenn wir hoch am Wind segeln müssen, gibt’s Achims berüchtigten Nudeln mit Ketchup. Da sorge ich doch lieber für zwei Tage mit richtigem Essen vor. Sollte der Nord-West-Wind wirklich eintreffen, so schmeckt mein Essen auch mit achterlichem Wind. :roll:

Unser Ziel? Das wissen nur die Götter. Es kommt darauf an, welche Wind-Vorhersage eintreffen wird. Es stehen uns ein paar Atolle in den Tuamotu zur Auswahl.

Nebenbei erkunden wir die nähere Umgebung oder laufen die unendlichen Kilometer zum Internet. Gegenüber von unserem Ankerplatz liegt ein kleiner Friedhof hoch in den Hang gebaut. Am Abend von Allerheiligen ist dort mächtig Betrieb. Die Autos verursachen regelrecht einen Stau vom Friedhof bis zur Kirche. Aus der Kirche schallt Allerheiligen mehrere Stunden Gesang und der Gottesdienst zu uns herüber.
Am nächsten Tag sehen wir den Grund für die vielen Autos: Die Gräber sind mit überdimensionalen Blumengestecken regelrecht zugepflastert. Die Gestecke wurden am Straßenrand von fliegenden Händlern und schon Tage vorher in Papeete auf dem Markt zu hunderten verkauft. Ich hatte mich schon über das Überangebot an Blumengestecken gewundert, auf Grabschmuck war ich nicht gekommen. Jetzt ist es klar.

Friedhof mit phantasitscher Aussicht

St: Joseph Kapelle in der Cook Bay

Blumengestecke zu Allerheiligen auf dem Friedhof