Ein Visums-Krimi – (noch) ohne Happy End

Montag, 20.10.25; Neukaledonien/Nouméa; Tag 4.160

Die Vorgeschichte

  • Wir sind vor 2,5 Jahren aus Neuseeland ausgereist.
  • Genug Zeit ist vergangen für einen Neuantrag.
  • Wir wollen sechs Monate bleiben.
  • Als Deutscher bekommt man bei der Einreise mit NZeTa eine dreimonatige Aufenthaltserlaubnis.
  • Verlängerung über drei Monate hinaus im Land möglich durch Wechsel auf einen anderen Visumstyp.

Der Antrag

  • Achim ist wie immer unser Visumsbeauftragter.
  • Im Internet möchte Achim dieses NZeTa beantragen.
  • Die NZ-Immigration-Seite erzählt Achim, er solle besser die App benutzen.
  • Nach dem Download stellt er fest, dass in der App als Einreise-Weg nur Kreuzfahrtschiff oder Flugzeug zur Auswahl steht. Eigenes Segelboot fehlt.
  • Achim wechselt zurück aufs Internet.
  • Er findet ein spezielles Visum: „Ankunft mit eigener Yacht“ – inklusive der Möglichkeiten drei, sechs oder zwölf Monate Aufenthalt zu wählen.

Anm. der Red.: Prima, genau das, was wir wollen. Und wir ersparen uns die Verlängerung nach drei Monaten.

Der Prozess

  • Achim drückt den Knopf ‚anwenden‘ und wird direkt auf das Portal ‚realMe‘ weitergeleitet.

Wieder prima, denn unser altes Account von 2021 ist noch aktiv. Die gesamte alte Visa-Historie ist dort hinterlegt.

  • Achim nennt unser voraussichtliches Einreisedatum: 15. November 2025.
  • Ausreise 05. Mai 2026. Wuchtig, schön unter sechs Monaten bleiben.
  • Der Antrag wird angenommen und in die Verarbeitung geschickt.
  • Bearbeitungszeit: drei Wochen.
  • Die Gebühr von 280 Euro wird sofort eingezogen.
  • Nach ein paar Tagen erhalten wir Fortschritts-Informationen der Bearbeitung: alle persönlichen Daten sind vollständig; Medizinische Untersuchung ist nicht notwendig; falls wir noch etwas brauchen, melden wir uns. Check!

Die Ablehnung

  • Nach knapp sechs Wochen Wartezeit verlieren wir unsere höfliche Geduld.
    Im ‚realMe account‘ kann man niemanden persönlich befragen. Alles ist automatisch generiert. Einen Sachbearbeiter-Namen kennen wir nicht.
  • Achim findet im Internet eine Eskalations-E-Mail-Adresse und schickt eine freundliche Anfrage, was denn mit unserem Antrag ist.
  • Einen Tag später – einen Freitag – erreicht uns eine automatische Mail (no reply), dass die Bearbeitung zwei Werktage dauert.
  • Am Mittwoch erhalten wir über ‚realMe‘ statt einer Visumszusage eine schlechte Nachricht.
  • Achim soll zur medizinischen Untersuchung (Lunge röntgen, Bluttest, allgemeine ärztliche Untersuchung – das volle Programm).
  • Ich werde nicht erwähnt. Sehr merkwürdig.
  • Schnell sieht Achim, dass die Antwort unter der Nummer unseres Visumantrags aus dem Jahr 2022 läuft.
  • Er schreibt an die Eskalations-Mail die Nachricht, dass wohl eine Verwechslung der Antragsnummern stattgefunden hat und bittet um Korrektur.
  • Die Antwort dauert nur eine Stunde.
  • Die Antragsnummer ist nun korrigiert.
  • Aber zusätzlich zur ärztlichen Untersuchung ist jetzt auch noch eine Anforderung eines polizeilichen Führungszeugnisses dazugekommen.
    Alles abzuliefern bis zum 29. Oktober. :mrgreen:

Ein Führungszeugnis kann online beantragt werden. Die Wartezeit kann für ein internationales Führungszeugnis zehn Wochen dauern. Außerdem benötigt man einen Personalausweis mit Chip. Achim hat einen, ich nicht. Okay, ich bin ja auch nach wie vor gar nicht erwähnt …

 

  • Das etwas vermixt wurde, ist offensichtlich.
  • Eine ärztliche Untersuchung wird nur (!) angefordert bei Aufenthalten über sechs Monate.
  • Ein Führungszeugnis erst bei Aufenthalten über zwei Jahre.
  • Offensichtlich denkt der Algorithmus oder der Sachbearbeiter, dass wir uns seit 2022 dauerhaft in Neuseeland aufhalten.
  • Achim fasst den Sachverhalt zusammen und hinterlegt das Schreiben in unserem ‚realMe‘ account und sendet es an die Eskalations-E-Mail.

Die Alternativen

Am 1. November beginnt offiziell die Zyklonsaison. Wir denken über die Ausweichländer nach. Das sieht dünn aus.

Australien
Leicht zu erreichen. Zyklonsicher. Allerdings waren wir dort ja 19 Monate. Die Australier würden uns (wohl) ein Visum erteilen. Dann müssten wir gegebenenfalls nach drei Monaten rausfliegen und ob sie uns dann wieder reinlassen würden, weiß keiner. Zu leicht stinkt das nach Visums-Missbrauch.

Pazifische Inselstaaten um uns herum
Vanuatu, Samoa und Tonga fallen weg. Dort gibt es keinen Schutz vor Zyklonen. Zudem liegt das ganze Insel-Gelumpe nicht mal eben um die Ecke.

Fiji
Allein Fiji käme überhaupt in Frage.
Dort gibt es sogenannte ‚cyclon pits‘. Nahezu einmalig auf der Welt werden dort Boote mit ihrem Kiel eingegraben. Die Anzahl dieser Löcher ist begrenzt. Vor ein paar Tagen gab es noch zwei Restposten. Ob die noch frei sind? Außerdem darf man dann nicht auf dem Schiff wohnen. Eine weitere Schwachstelle.

Neukaledonien

Wir könnten einfach hier bleiben. In der Lagune zu ankern, ist bei einem Zyklon sicher keine gute Idee. Die Marina, in der wir gerade liegen, gilt als relativ sicher. Allerdings benötigt man einen extra vermessenen Liegeplatz. Ob einer frei ist, haben wir noch nicht gefragt.

Die bessere Lösung
Sollte Achims Mail keine Nachbesserung unseres Antrags bewirken, ziehen wir den Antrag zurück. Natürlich ohne Geld zurück. Einen abgewiesenen Visumsantrag gilt es unbedingt zu vermeiden. Der fällt einem bei jedem Antrag in kommenden Ländern auf die Füße.
Achim beantragt dann ein normales NZeTa, was uns drei Monate Aufenthalt ermöglichen sollte (sofern der Immigration-Mann nicht der Bruder vom Sachbearbeiter bei ‚realMe‘ ist).
Sind wir dann mal drin im gelobten Land, sehen wir weiter. Entweder wir können vor Ort eine Verlängerung beantragen oder wir müssen raus- und wieder einfliegen.

So der Status.

Zum Visumsantrag muss man Fotos mit einreichen. Eine Story für sich. Hintergrund einfarbig, hell, neutral. Keine Schatten im Gesicht. Kein Lächeln. Augen offen, Mund geschlossen. Keine Filter. Wer eine Brille trägt, nimmt sie besser ab.
Wir haben die Fotos vor der Wand vom Marina-Büro geschossen. Fotos auf denen wir halbwegs, also nur halbwegs vertrauenserweckend aussehen, hat das System abgelehnt. :lol:

Ich würde uns auch nicht reinlassen. Grausam!

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Wundervolle Lagunenzeit

01.–14.10.25; Neukaledonien/diverse Buchten und Inseln; Tag 4.141–54; 29.298 sm von HH

Die Lagune von Neukaledonien hat den Vorteil, dass man im Zickzack Buchten und Inseln abfahren kann. Der Nachteil ist: Man muss es auch. Der vorherrschende Süd-Ostwind bläst gerne mal aus Westen.
Sofort verlieren die Inselchen ihren Charme. Erreicht der Wind dann noch über zwanzig Knoten, ist Schluss mit lustig. Wir liegen aufriffig. Schaumkronen und einen halben Meter hohe Wellen – es fühlt sich an wie ankern auf dem offenen Ozean. Wir fliehen. Nicht nur einmal.
Der Vorteil: Nur fünf, acht oder zwölf Meilen weiter, an der Mutterinsel, finden wir Schutz.

Wir flüchten …

Typische Sandbankinsel in der Lagune. Das Riff ist zehnmal so groß wie die Inselchen. Schutz allerdings nur bei Süd-Ostwind. Foto credit: rocket cruising guide

Die Buchten auf der Westseite gefallen uns nicht so gut wie im Osten. Es ist nicht so abwechslungsreich und wir kommen kaum an Land. In Neukaledonien gilt das Gesetz, dass private Grundstücke den Zugang zur Küste nicht blockieren dürfen. Der öffentliche Uferbereich ist der Gezeitensaum und darüber hinaus noch mindestens drei weitere Meter. :roll:
Und so finden wir es auch vor. Hinter den drei Metern versperren Zäune das Fortkommen. Es wohnt kaum jemand hier, die Zäune sind für Weidevieh. Rindviecher und Wild.

Unbewohnte Küste an der Haupinsel.

An der Mutterinsel ist nicht so viel los – das Wasser immer leicht undurchsichtig und der Strand, wenn es einen gibt, meistens steinig. Außer paddeln, kann man nicht viel unternehmen.

Die Tage auf den unbewohnten Sandbank-Inseln entschädigen. Manchmal haben wir sie für uns alleine, ab und an kommen noch zwei, drei Schiffe dazu.
Die Korallenbänke sind gesund und leuchten unter Wasser. Perfekte Schnorchelbedingungen. Sieht man von der Wassertemperatur ab. Noch immer keine 24 Grad. Zu kalt, um längere Zeit ohne Neopren zu schnorcheln. Der Fischreichtum beeindruckt. Große Teile der Lagune sind Schutzzonen, Fischen verboten. Die Rifffische danken es mit stattlichen Größen. Dazu die unfassbare Menge an Schildkröten. Wir sehen so viele Panzer, dass wir trockenen Fußes, von Kröte zu Kröte hüpfend, an Land kommen könnten.
Wundervolle Tage. Besonders die Tage komplett ohne Wind. Da brauchen wir nicht schnorcheln. Mit dem Waka über das Riffdach zu gleiten, ist wie in einem Glasboden-Boot zu sitzen.

Morgens hat man die Inseln noch für sich alleine.

Unser Dinghy brauchen wir gar nicht. MIt dem aufblasbaren Waka kommen wir überall gut hin. Mit zehn Zentimeter Tiefgang können wir herrlich über die Korallen gleiten.

Schnorcheln? – die Sicht ist schon über Wasser atemberaubend.

Leider ist der Akku unserer Unterwasserkamera kaputt – braucht man gar nicht. Zumindest bei Windstille.

Hunderte Schildkröten – zeitweise tummeln sich sechs, sieben Stück auf einer Stelle.

Der Beweis – das Wasser ist bebadbar.
Aber uns sind 23,5 Grad noch etwas zu frisch für Hochgenuss.

Und immer wieder Seeschlangen. Auch neben dem Boot und beim Tauchen. Von Australieien hören wir die Geschichte, dass sie in ihren Lenzrohren im Cockpit hoch gekommen sein sollen. Gerne klettern sie auch in Kajaks, wenn diese an Land lagern. Kontrollen sind angebracht.

Das Ende dieser Zeit ist eingeläutet. Vier Wochen sind rum und unser Essen ist aufgefuttert. Das ist der zweite Nachteil der neukaledonischen Lagune. Als Stadt gibt es Nouméa und sonst keine Einkaufsmöglichkeiten vom Schiff aus. Wir müssen zurück.

Die letzten zwei Nächte verbringen wir noch einmal vor der Hotelinsel Îlot Maitre. Viele Segler fangen an, sich für Neuseeland vorzubereiten. Die Gerüchteküche brodelt. Neben uns liegen Neuseeländer – sie wissen zu berichten, dass die ‚Biosecurity‘ dieses Jahr streng sein soll. Angeblich wird jedes dritte Schiff bemängelt und aus dem Wasser gekrant.
Achim füllt unsere Tauchflaschen. Wir gehen noch einmal den Rumpf putzen. Die letzte Reinigung darf nicht länger als dreißig Tage her sein. Wir rücken dem neuen Schleim und vergessenen Tieren am Ruderspalt auf den Haltefuß.
Der Rumpf ist jetzt sauber für Operationen am offenen Herzen. Unsere Kiwi-Nachbarn sind so nett und leihen uns ihre Unterwasserkamera.  Unsere GoPro hat einen kaputten Akku. Ein Ersatz ist in Neukaledonien nicht zu bekommen. GoPro liefert hier nicht her. Was für eine merkwürdige Vertriebs-Politik. Grrr.

Unterwasserschiff – wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Gute Arbeit. :-)

Wir fahren morgen nach Nouméa zurück und bereiten dort den Rest für die Überfahrt vor.
Dass wir nach sieben Wochen Wartezeit noch kein Visum von den Neuseeländern erhalten haben, ist eine andere Geschichte. Die normale Wartezeit beträgt drei Wochen. Achim, der geduldigste Visums-Antragsteller, den ich mir wünschen kann, hat eine E-Mail-Adresse gefunden, wo sich vergessene Antragsteller „beschweren“ können. Es gab eine Antwort, dass wir innerhalb von drei Werktagen eine Antwort erhalten werden. Die sind morgen rum.

Ungewohnter Scheinwerfer-Sonnenuntergang.

Jeden Abend Farbenzauber. Das erste Mal sehen wir einen ‚green Flash‘ beim Sonnenuntergang. Nicht bei diesem. ;-)
Tatsächlich gibt es Gerüchte, dass die grünen Blitze nur nach dem Konsum Bewusstseins erweiternden Drogen auftreten. Nein! Sie erscheinen bei sehr klarer Luft und wenn keine Wolken am Himmel sind. Lange mussten wir warten und haben schon nicht mehr dran geglaubt.

Alle zehn Tage kommt mal ein Kreuzfahrtschiff vorbei. Die halten aber nur in Nouméa.

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Das Video unserer Rundreise in Australien

06.10.2025; Neukaledonien/Baie Papaye; Tag 4.146; 29.307 sm von HH

Wir ankern immer noch in der Lagune. Herrlich türkisene Tage.

Aber heute gibt es keine Strandfotos, sondern einen Blick zurück nach Australien.
Das Video über unsere komplette Rundreise ist fertig. Das Abenteuer im Abenteuer – die Simpson-Wüste – wurde ja bereits gewürdigt. ;-)

Vierzehn Monate in einen Film zu bringen, war eine Herausforderung. Neben einigen Video-Schnipseln hatte ich die Auswahl von 9.000 Fotos. Verteilt auf 132 Ordner.
Knapp 2.000 Fotos haben es in die engere Wahl geschafft; 400 davon in die Endfassung.
„Kill your darling“, eine gut gemeinte Video-Schneide-Regel. Aber von welchem liebgewonnenen Foto soll ich mich trennen? Das sind schwierige Entscheidungen.
Hunderte Male habe ich die Fotos verschoben und neu sortiert. Die Standzeiten wieder und wieder verändert. Zwei Sekunden oder besser nur eine?

Ein Panorama unseres großen Abenteuers. Das Ergebnis ist in sechzehn Minuten zusammengefasst. Ich glaube, dass es schöne Minuten geworden sind. Sie zeigen die tollsten Ausblicke und Momente, die wir unterwegs hatten.

Ich wünsche Euch viel Spaß damit.

#32 In 14 Monaten rund um Australien

40

Schlangengrube

25.–30.09.25; Neukaledonien/Îlot Larègnére, Îlot Signal; Tag 4.135-40; 29.298 sm von HH

Die Inselchen zwischen Außenriff und Hauptinsel liegen wie an einer Schnur aufgereiht. Nur ein paar Meilen auseinander.
Wir fahren rüber zur Îot Larègnére. Unbewohnt und winzig klein. Keine 250 Meter lang, das dazu gehörige Riff ist zehnmal so groß. Eine Handvoll Boote ist schon da. Gute Moorings hängen in fünf Meter tiefem Wasser. Ein Schwarzspitzenriffhai schaut zur Begrüßung vorbei. Schildkröten schnappen nach Luft.

Black Tip im Swimmingpool

Larègnére ist winzig

Wir paddeln an Land und stolpern fast über eine Schlange. Eine Seekrait oder auch Neukaledonischer Plattschwanz, eine Laticauda saintgironsi. 

Wunderschöne Tiere – grad 80 cm lang

Die Plattschwänze gehören zu den Seeschlangen. Sie kommen aber gerne und häufig an Land, um sich auszuruhen. An Land finden sie besseren Schutz vor ihren Feinden, während sie verdauen. Außerdem häuten sie sich an Land und kommen bei kaltem Wasser (aktuell noch immer kühle 23,5 Grad) zum Aufwärmen an Land.
Diese Exemplare legen ihre Eier an Land, während andere Arten lebend im Wasser gebären.

Seeschlangen haben einen schlechten Ruf. Zwei der fünf giftigsten Schlangenarten der Welt sind Seeschlangen. Allerdings ist ihnen gemeinsam, dass ein winziges Maul haben. Ihre Beute besteht aus kleinen Fischen. Sie bekommen die Klappe nicht weit genug auf, um gut in einen Menschen hinein beißen zu können. Außerdem liegen die Giftzähne weit hinten im Maul, so dass es meistens „Trockenbissen“ sind, wenn doch mal ein Mensch in die Hand gebissen wird. Der miese Ruf ist also ungerechtfertigt.

Kleiner Kopf – noch kleineres Maul. Die Größe der Sandkörner ist ein guter Größenvergleich.

Das gilt erst Recht für den Neukaledonischen Seekrait zu unseren Füssen. Im Giftigkeits-Ranking landet er weit abgeschlagen auf Platz fünfundzwanzig. Diese Schlangenart kommt nur im Süden und Südosten Neukaledoniens vor und es sind keine Unfälle mit Plattschwanz überliefert. Es gibt sogar Geschichten, dass Kinder mit ihnen am Strand spielen sollen. Das gilt allerdings als unvernünftig. :mrgreen:

Ihr Verhalten ist weder scheu noch aggressiv. Keine Fluchtreflexe, wie bei den Landschlangen in Australien. Wir können uns vorsichtig nähern. Gemütlich kriechen sie weiter am Strand entlang.  Kommen für Fotos sogar auf uns zu. Sehr kooperative Tiere.

Kein bisschen scheu … ob das gut oder schlecht ist? Es sind keine Todesfälle dokumentiert.

Ihre mechanischen Sinnesorgane sind auf Wasserbewegung und nicht auf Bodenvibration optimiert. Andere Wasserschlangen-Arten sollen da sensibler sein und höhere Fluchtreflexe zeigen. Die Gewöhnung an Menschen dürfte ebenfalls eine Rolle spielen. In fünfzehn Minuten ist die winzige Îot Larègnére umrundet. Da dreht jeder gerne noch eine zweite und dritte Runde. Und bei jeder Runde kommen alle Besucher an den gleichen Schlangen vorbei.

Wir wechseln ein Eiland weiter, auf die nächste Insel ‚Îlot Signal‘. Ebenfalls unbewohnt, nur etwas größer. Bei einer ersten Inselrunde sehen wir fünf Plattschwänze. Ohne ernsthaft zu suchen. Eine echte Schlangengrube!

Im Morgendunst zeigen sich die Berge der Mutterinsel.
Wir sind kurz nach Sonnenaufgang bereits auf Inseltour, dann hat man den Strand noch für sich alleine.

Kleine Wunder – diese Inseln in der Lagune.

Hübscher Krebs

Auf Larègnére wohnt ein Seeadler-Paar mit Jungem.

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Die Haie von Neukaledonien

Di., 23.09.25, Neukaledonien/Îlot Maître, Tag 4.133, 29.269 sm von HH

Ein Vorteil von Nouméa: Bereits nach einer Stunde Fahrt erreicht man türkisene Lagunenträume. Wir entscheiden uns für ‚Îlot Maître‘, eine Hotelinsel. Auf der windabgewandten Seite stehen kostenlose – gut gewartete – Moorings zur Verfügung. Atanga schwebt in kristallklarem Wasser. Schildkröten tauchen zum Atmen auf. Herrlich.
Und ideal für die Aktion, die wir vor uns haben: eine Rumpfreinigung.

Die erste Nacht waren wir alleine – nur zum Wochenende wird es voll. Wir zählen bei bestem Wetter am Sonntag über fünfzig Boote. Da gibt es viel zu gucken.

Erstmal gehen wir an Land. Unüblich für eine Resort-Insel haben auch Nichtgäste Zutritt auf das Inselchen, grade 800 Meter lang, 200 Meter breit. Ich finde selten einen Ort komplett hässlich. Irgendwas Schönes findet sich immer. Aber das ‚Double Tree Hotel‘ ist schon fast abstoßend.
Wenige Gäste logieren zurzeit auf der Insel. Im Inselinneren stehen Bungalows eng an eng. Düster stehen sie unter einem dichten Baumdach. Fenster bis zum Boden sind mit Stores zugezogen. Erinnerungen an üble Ibis-Seminar-Hotels werden wach. Preisklasse 170 Euro die Nacht. Die Wasserbungalows kosten das Doppelte.
Ein Labyrinth an Holzwegen verbindet die Bungalows. Die Elektro-Service-Wagen, die von Bungalow zu Bungalow fahren, hören wir bis auf Atanga. Ratter, ratter, ratter – wie ein Zug auf alten Bahnschwellen.  ;-)

Unsympathische Häuser in leicht ungepflegter Umgebung

Auch die Wasserbungalows haben das gewisse Nichts. Das geht schöner.

Die Schönheit von ‚Maître‘ ist das umgebende Riff auf der Ostseite. Eine riesige Seegras-Fläche, nur einen halben Meter tief. Hier badet niemand. Zu flach, zu viel Gras. Selbst Schnorcheln ist im flachen Wasser schwierig.
Viel Seegras lockt viele Schildkröten an. Als wir mit dem Kajak über das Riff gleiten, poppen überall Köpfe vor uns auf. Dutzende Schildkröten. So viele haben wir noch nicht auf einem Haufen gesehen.                                    Schildkröten stehen bei Tiger- und Bullenhaien ganz oben auf der Speisenkarte.

Schildkröten – alle fünf Meter paddelt eine herum.

Die Südspitze zeigt bei Ebbe ein paar Baumgerippe.

Einer von zwei Seeadlern auf den Baumgerippe auf Maître

Vom Wasser betrachtet ist die Insel ein Träumchern.

Viele Schildkröten, viele Haie? Ob es da einen Zusammenhang gibt? In den letzten sechzig Jahren hat es 67 Hai-Angriffe auf Menschen in Neukaledonien gegeben. Im Vergleich zu Australien oder Florida ist das eine kleine Zahl – dort werden 15 bis 20 Angriffe jährlich (!) gemeldet. Zieht man die geringe Bevölkerung Neukaledoniens mit in die Betrachtung, steigt das Risiko eines Hai-Angriffs von 0,6 Fällen auf eine Million Einwohner in Australien, auf 3,9 Fälle in Neukaledonien an. :shock:

Anfang 2023 gab es eine Serie von vier Haiangriffen im Umkreis von Nouméa. Zwei waren tödlich. Die Stadtverwaltung sperrte Strände und eine blutrünstige Jagd auf Haie wurde eröffnet. Es wurden 127 Haie gefangen und getötet. 83 Tigerhaie und 44 Bullenhaie. Die Fänge fanden ausschließlich im näheren Umkreis der Küstenlinie von Nouméa statt. Wow! Was für eine Anzahl an Haien!
Eine Umweltorganisation reichte Klage gegen die Tötungen ein. Auch die Kanak beschwerten sich. Für sie gelten Haie als Totemtiere, Ahnengeister, die mit ihren Vorfahren verbunden sind.
Im Dezember 2023 stoppte ein Gericht diese Tötungs-Orgie und stufte sie als unverhältnismäßig ein. Im gleichen Monat errichtete die Stadtverwaltung einen Hai-Zaun am beliebtesten Strand von Nouméa. An allen Stränden, die wir besucht haben, stehen Warnhinweise.
Seitdem gab es keinen Unfall mehr in der Umgebung von Nouméa.

Hai-Fangzaun am Strand in Nouméa.

Überall an der Küste stehen Warnhinweise – etwas zu viele für unseren Geschmack.

Als wir an der Mooring von ‚Maître‘ festmachen, suche ich im Internet nach ein paar Informationen über die Insel. Gleich der erste Bericht erzählt von einem tödlichen Haiangriff 2021. Auf einen Mann, der um sein Boot herum schwamm.

So ist es um unsere Informationen bestellt, als wir unseren Bewuchs am Rumpf im klaren Wasser betrachten. Wir erkennen viel Schleim, Schwämme und ein paar korallenartige Gewächse. Zum Glück wenig hartes Zeug, wie Seepocken.
Wir sind zufrieden mit der Arbeit von unserem Coppercoat.

Dennoch. Das Zeug muss runter. Neuseeland erwartet ein sauberes Unterwasserschiff. Meistens taucht Achim alleine nach dem Rumpf. Aber die Hai-Informationen stecken ihm im Hinterkopf. „Wäre doch schön, wenn du auf mich aufpasst.“
Ich soll also in die Rolle von Ocean Ramsey übernehmen? Jener jungen Frau, die in ihren Videos zeigt, dass Haie ungefährlich sind? Dass man sich nur senkrecht ins Wasser stellen braucht? Den Hai im Visier? Und wenn er auf einen zuschwimmt, ihn mit beiden Händen freundlich umleitet? Diese Rolle bekomme ich? Prost Mahlzeit.

Ocean Ramsey mit Tigerhai – das könnte ich sein …

Achim macht unser Tauchzeug fertig. Wir haben beim Tauchen keine Angst vor Haien. Eigentlich. Trifft man doch meistens auf die harmlosen Riffhaie.
Ungeigentlich denken wir natürlich immer mal an einen neugierigen Einzelgänger. Und ein gelegentlicher Schulterblick kann ja nicht schaden. Ist auch der heiße Tipp von Ocean Ramsey. Haie immer im Auge behalten. Tiger greifen von hinten an.

Meine Rolle als Aufpasserin zerstört Achim schon an der Wasseroberfläche: „Hier sind deine Bürste und dein Abrazzo-Schwamm. Ich kümmere mich um Propeller und Welle.“
Okay. Wir tauchen ab. Unter Atanga frisst eine Schildkröte am Grund. Ein leckerer Haibissen. Aber wir sind abgelenkt. Durch die lange Standzeit sind die O-Ringe vom Jacket-Inflator eingetrocknet. Das Jacket bläst sich langsam, aber kontinuierlich wieder auf. Vernünftig tarieren: unmöglich. Dabei noch den Schleim vom Rumpf bürsten, da bleiben keine Gedanken an Haie mehr übrig.

Wir brauchen zwei Tauchdurchgänge, um den Rumpf zu säubern. Am Ende ist das Gefährlichste, dass man sich die Hand aufschneidet. Und eine kleine Seeschlange, die neben uns auftaucht, um Luft zu holen.
Zu gerne wüsste ich, ob, und wenn ja, wie nah, wie viele Haie in unserer Nähe waren. Aber vielleicht tauchen wir dann nie wieder. ;-)

Seeschlange – noch ohne eine ausgeprägte Bänderung. Erste Anzeichen vom schwarz-weißen Muster sind erkennbar. Diese haben wir in der Marina gesehen. Verwechslung mit einem Fisch ist ausgeschlossen, da sie regelmäßig zum Atmen an die Oberfläche kommt. Seeschlangen sind giftig, haben aber so ein kleines Maul, dass sie Menschen fast nicht beißen können.

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