Cayenne

Sa., 20.Feb.16, Französisch Guyana/Kourou, Tag 630, 5.573 sm von HH

Die Autovermietung liegt 5 km vom Dinghi-Dock entfernt. Zu weit, um zu Fuß morgens mal eben den reservierten Renault Twingo zu holen.
Da Achim von der letzten Radtour etwas Knie hat (laufen geht übrigens prima, zu 95% schmerzfrei) hab ich die A-Karte gezogen und muss zum Vermieter radeln.
Danach hole ich Achim am Steg ab, der mit unseren Klamotten auf mich wartet.

Da ich ja nun schon sowieso fahre, „darf“ ich gleich sitzen bleiben und uns nach Cayenne bringen.

Die Straßen sind tiptop. Die Landschaft etwas eintönig.
Parallel zur Küste führt uns die Strecke 70 km Richtung Süden. Ab und an kommen wir durch kleine Ortschaften. Etwas Vieh- und Landwirtschaft wird betrieben. Dazwischen befindet sich grünes Brachland mit lichten Wäldern. Nichts Spektakuläres.

Nach einer Stunde sind wir in Cayenne.
Cayenne ist die Hauptstadt von Französisch Guyana und mit 60.000 Einwohnern ungefähr dreimal so groß wir Kourou.
Es ist Samstag-Vormittag und alle Welt schein auf den Beinen. Lebendig, bunt, quirlig und geschäftig geht es zu.

Der Markt ist riesig und ebenfalls gut besucht. Indoor gibt es zig Garküchen, die ihren einladenden Duft verströmen.

Neben dem Markt befindet sich die Fischerflotte, die in einem Kanal, der vom Cayenne Fluss in die Stadt mündet, ihren Fänge auslädt und Netzte flickt.
Auf Grills brutzeln Fisch- und Fleisch-Köstlichkeiten. Dazu findet sich immer einer, der in seinem Pkw die Boxen voll aufreißt und über allem plärrt französische Popmusik.

Bier- und Plastikflaschen schwimmen im Brackwasser und liegen neben den Netzen.  Zum Teil ist es recht schmutzig. matschig, rummelig und kaputt. Je weiter wir den Kanal Richtung Wohngebiete kommen, desto schlimmer wird es.

Es gibt überall Mülltonnen mit den europäischen gelben, grünen und braunen Deckeln zum Mülltrennen. Getrennt wird sich hier bei den Fischern nur vom Müll. Genau dort wo man steht und geht.

In den Straßen (auch in Kourou) sehen wir regelmäßig Müllsammel-Ecken für Metall.
Dort liegen Bleche, kaputte Waschmaschinen und Bettgestelle und „warten“ auf Recycling. Alles ist bereits verrostet und vom Unkraut eingewachsen. Irgendwelche Idioten werfen Hausmüll dazu.
Glascontainer sind bis zum Rand mit Plastik vollgestopft.
Der Umgang mit Müll hat sich bei unseren europäischen Kollegen  noch nicht vollumfänglich rum gesprochen. ;-)

Cayenne hat noch ein paar Ecken mit kolonialen Restbauten und ein wenig morbidem Flair. Scharf anschauen darf man die Häuser allerdings auch nicht, dann fallen sie auseinander.
Die Reste eines Forts kann man nicht besichtigen, da sich dort die Fremden-Legion eingemietet hat und den Zutritt zum Geländer verwehrt.

Außerhalb von Cayenne, im reichen Speckgürtel der Stadt, gibt es ein paar goldgelbe Sandstrände.
Genau wie in Kourou ist das Wasser allerdings braun gefärbt von den Sedimenten, die der Amazonas in großen Mengen vor die Küste spült.
Baden ist wenig einladend.

Als wir zum Schiff zurück kommen, erwartet uns eine vielbeinige Überraschung.
Ein Schwarm Wespen hat sich den Flügel unseres Windgenerators als Sammelstelle gesucht.
Das Vorschiff nutzen sie im Sekundentakt als Einflugschneise.

Wir werden ignoriert. Vor unserem inneren Age taucht jedoch eine tausendköpfige Traube auf, die wir fortan mit uns herum fahren müssen.
Da es kurz vorm Dunkel werden ist, können wir heute nicht mehr viel unternehmen. Nur den Windgenerator einschalten und hoffen, dass die Vibrationen den Schwarm vertreiben.
Hauptsache sie werden nicht zornig und wir bleiben als Grund für die Unruhe unerkannt… :mrgrren:

Wie die Made in Frankreich

Do., 18.Feb.16, Französisch Guyana/Kourou, Tag 628, 5.573 sm von HH

Das Mutterland Frankreich lässt es sich einiges kosten, eine Art europäischen Standard in Südamerika zu erzeugen.
Neben guten Straßen wird vor allem dafür gesorgt, dass sämtliche Französische Köstlichkeiten im Supermarkt zu erhalten sind. Und wenn die Franzosen eins können, dann ist es Supermärkte zu bestücken. :-)
Somit leben wir wie die Made in Frankreich.
Die Frage ist nicht mehr, ob, sondern wie viele Sorten Essig im Angebot sind.
Darf es Estragon-Essig, Thymian-Essig oder in 4 Altersstufen angebotener Balsamico sein?

Ich zähle 13 (in Worten dreizehn) verschiedene Crème fraîche oder Crème lègère im Kühlregal. Butter gibt es elf verschiedene Sorten, zum Preis von 1,90 bis 3,40 EUR für ein Packet.

Frische Entenbrust (36 EUR/kg) liegt neben Hähnchenbrustfilet-Spitzen (22 EUR/kg), Rinderleber, Entrecote und Lamm-Koteletts.
Die Gefriertruhen sind voll mit Lamm-Haxe, ganzen Enten, Garnelen in allen Größen und Pizzen für 5,50 EUR das Stück.

An der Flug-Gemüse-Theke hängen Zettel, wann der Feldsalat (Tüte für 5,50 EUR) und die holländischen Tomaten per Flugzeug eingetroffen sind.

Wer den Geldbeutel aufmacht, bekommt alles, was das Herz begehrt.
Inklusive preislich subventioniertem Baguette (endlose Stange für 0,90 Cent) und ofenfrischen Croissants.

Das Gemüse und Obst kommt aus der Kühlung und ist somit auf dem Schiff nicht lange haltbar. Wenn man nicht aufpasst, sind die teuren Paprika bereits am nächsten Tag am schimmeln.
Da ist es besser auf dem Markt die örtlichen, ungekühlten Produkte zu kaufen. Das Angebot ist etwas kleiner, schrumpeliger und preiswerter.
Jetzt gilt es die unbekannten Dinge zu erforschen.

Organisation läuft…

Di., 16.Feb.16, Französisch Guyana/Kourou, Tag 626, 5.573 sm von HH

Trotz aller Hindernisse, die uns sprachlicher und untouristischer Natur in den Weg gelegt werden, bekommen wir etwas gebacken.
Wir finden eine Autovermietung, eigentlich sogar alle drei, die vor Ort ansässig sind.
Die eine hat zu, die andere spricht nur französisch und bei der dritten reservieren wir fürs Wochenende ein Auto. Recht teurer Spaß ist das hier, 82 EUR für zwei Tage und auf 200 km/Tag begrenzt.

Außerdem radeln wir zum Ariane-Space-Center, um uns einen Termin für eine Führung zu holen.
Dies soll man eigentlich per Mail erledigen, wir versuchen es persönlich.
Unser Einsatz wird belohnt: Die Damen vor Ort sprechen sehr gut Englisch und bieten uns Freitag in einer Woche sogar eine Führung auf Englisch an. :-)
Alle bis dahin erhaltenen Informationen lauteten, es gäbe nur Führungen auf Französisch.

Hinter dem Space-Center scheint die ESA ihre europäischen Angestellten mit allerlei Freizeitangebot bei Laune halten zu wollen. Es gibt Bogenschieß-Anlagen, einen Golfplatz, einen Flugplatz für fliegende Seifenkisten, Jogging- und Gymnastik-Parcours und gute Wege zum Radeln.

Am Wegrand scheuchen wir einen Schwarm grüner Sittiche oder Papageien auf. Wie schööön.

Als der Weg in den Wald hineinführt, hört der Spaß spontan auf.
Die Geschwindigkeit darf nicht unter 10 km/h abfallen. Sofort fallen die Mücken über uns her, wir geben Gas. Nicht genug, wir holen uns reichlich Stiche ab. Merke!, nie ohne Mückenspray auf Tour gehen, selbst tagsüber nicht. :cry:

Untouristisches Kourou

Mo., 15.Feb.16, Französisch Guyana/Kourou, Tag 625, 5.573 sm von Hh

Unsere kurze Atlantik-Überquerung; bei der wir gegenüber der Karibik zwei bis vier Tage gespart haben, müssen wir uns nun teuer „bezahlen“.
In der Karibik ist alles auf die Ankömmlinge aus der Alten Welt eingestellt.
Boat-Boys, die wahlweise Brot, Wäschedienst, Ausflüge und Shuttle-Service anbieten.
Nimmt man an einer der Rallyes teil, warten sogar Früchtekorb und kühler Rum-Punch auf einen.
In Kourou herrscht touristisches Niemandsland. Nicht nur, dass uns keiner winkend und voll Begeisterung in Mindelo verabschiedet hat, in Kourou wartet auch keiner auf uns.  :-(

Weder befreundete Segler, noch überhaupt jemand.
Kourou ist der untouristischte Ort, den wir je gesehen haben. Niemand wartet hier auf uns, niemand auf Urlauber im allgemeinen.
Keiner scheint hier vom großen Kuchen Tourismus etwas abhaben zu wollen.

Kein Hinweis, wie man zum Weltraum-Bahnhof kommt, der Haupt-Attraktion in Kourou.
Keine Wegweiser zu Autovermietungen, zum Archäologie-Zentrum, keine Werbung für Fahrten zu den Teufelsinseln, keine Busfahrpläne, Nichts.
Ja, es gibt noch nicht mal ein Marina-Office in dem wir sonst die wichtigsten Infos schon bei der Anmeldung erhalten.

Unser Land-Reiseführer berichtet von einer Touristen-Information. An der beschriebenen Stelle ist sie schon mal nicht.
Am Fluss weist ein Schild auf einen Tourist-Point an der Marina hin. Das finden wir erst an Tag vier, da es abgebrochen auf der Erde liegt.
An einer verrammelten Tür gibt es Öffnungszeiten, die mit der Realität nichts gemein haben.
Es wird noch auf ein weiteres Büro am Strand hingewiesen. Das finden wir, allerdings ebenfalls verschlossen.

Nach einer knappen Woche erwischen wir dann doch jemanden im Touri-Büro.
Wie kann es anders sein, die nette Dame spricht nur Französisch. Mit Hilfe eines Wachmanns werden für uns in eine Karte von Kourou dort Kreuze hin gemalt, wo Autovermietungen zu finden sein sollen.

Eine Recherche zu Fuß und mit dem Rad ergibt dann, Fehlanzeige. Wo die zwei Experten Kreuze in die Karte gemalt haben, ist maximal der Friedhof in der Nähe. :mrgreen:

Apropos Friedhof.
In Kourou hat man es mit Kacheln. Alles, was die Schwimmbäder-Kachel-Ausstellung hergibt, wird hier zu Kachel-Turm-Gräbern zusammen gebaut.
Die meisten Gräber sind ohne Namen, so dass man wissen muss, Oma liegt unter den Pastel-Mauve-Fliese mit den  Blumenranken.

Da die Touri-Info uns nicht weiter bringt, versuchen wir weiterhin alleine unser Glück.
Selbst die allwissende Google-Maschine ist wenig hilfreich. Ein paar spärliche Hinweise, meistens der Natur „es gibt in Kourou nichts“, sind zu finden.

Wir haben jetzt das zweite Fahrrad an Land, so dass wir auf Bus fahren komplett verzichten werden. Äh, ganz ehrlich, eher verzichten müssen.
Wir kennen keine Linie, keine Zeiten, keine Haltestellen.

Grrr, das wir aber auch kein Französisch können.
Kinder, ein gut gemeinter Rat uns von weit gereisten Menschen: Lasst die Finger von Latein! Wählt unbedingt Französisch oder Spanisch.
Für uns ist zu spät, sich an das unlernbare Französisch zu wagen. Alea iacta est.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kourou per Rad

So., 14.Feb.16, Französisch Guyana/Kourou, Tag 624, 5.573 sm von HH

Schnell wird klar, dieses Kourou kann man effizient und sinnvoll nur mit dem Rad bereisen.
Bis zum Super ‚U‘ sind es sechs, bis zum Waschsalon drei Kilometer, eine Tour, versteht sich.

Da es recht umständlich ist das Fahrrad im Dinghi hin- und herzufahren, muss dafür ein sicherer Platz an Land gesucht werden. An dem soll es dann über Nacht bleiben.
Meine Idee bei der Feuerwehr zu fragen, scheitert schlicht an mangelnden Sprachkenntnissen. Achim meint, dass die denken ich wolle ihnen mein Rad schenken und dass sie ein neues Dienstfahrzeug haben.

Dann kommt uns die Idee, es in der Marina anzuschließen.
Eine Marina im herkömmlichen Sinn ist der Steg allerdings nicht. Vielleicht ein Dutzend Schiffe finden dort ihren Platz. Es handelt sich bei den Schiffen allerdings um die vergammelte Flotte von dauerliegenden Franzosen.
Die Dinger sind in einem furchtbaren Zustand, aber alle sind super freundlich und hilfsbereit.
Außer Pierre kann kaum einer ein paar Brocken Englisch.

Der Marina-Steg wird bewacht. Wobei der Wachmann häufig durch Abwesenheit glänzt. Trotzdem halten wir die Räder hier für sicher.


Direkt neben der Marina gibt es noch einen Fischerei-Steg an dem nachmittags die Fischer festmachen.
Zuerst haben wir dort mit dem Dinghi geparkt, aber wen die Fischer kommen, liegen wir dann etwas im Weg.
Uns schein diese Tatsache mehr als die Fischer zu stören, denn es wird uns hilfsbereit beim Festmachen geholten und gleich Fisch offeriert (Flussfisch 5,50EUR/kg, Dorade-Filet 7,00 EUR/kg).

Mein erster Weg mit dem Rad führt zum Waschsalon. Nach über drei Wochen hat sich so manches schweißige Shirt angesammelt. Den Waschsalon haben wir zufällig beim Rundgang durch den Ort gefunden.
Moderne 7 oder 14 kg Maschinen, alles sauber. TipTop und noch recht preiswert dazu.
14 kg Wäsche kosten gerade mal 10 EUR. Das hatten wir schon teurer.

Bei der französischen Gebrauchsanweisung steht man mir hilfreich zur Seite.
Ein Farbiger in meinem Alter erklärt amüsiert, wie man am Schaltpanel die richtige Maschine wählt und wie man Waschpulver erhält, so man welches benötigt.
Immer wenn jemand rein kommt, lacht er sich kaputt, da er einer Frau erklären muss, wie gewaschen wird.

Der Salon befindet sich mitten im Wohngebiet und ist gut besucht.
Um mir die Wartezeit zu vertreiben, packe ich den Laptop aus und schreibe diesen Bericht. Niemand interessiert sich für mich. Es fühlt sich, wie überall in Kourou, alles sicher und freundlich an.
Ein kleines Mädchen bietet mir einen klebrigen Erdbeer-Gummibären an. Leider kann ich mich mit nichts revangieren, da ich es schon lange aufgegeben habe, Süßigkeiten mit zu nehmen. Da sind schon die schlimmsten Dinge im Rucksack zusammen geklebt. ;-)

da so viele Einheimische mit dem Rad unterwegs sind, gibt es sogar Fahrradwege entlang der Ausfallstraßen. Diese sind in einem passablen Zustand, nur wenn es stark geregnet hat, steht ein Drittel wadenhoch voll Wasser.

Die Schwarzen fahren übrigens alle, egal ob jung oder alt, Mann oder Frau mit dem Sattel ganz unten. Das sieht etwas merkwürdig aus, wenn ein 80 kg Mann mit krummen Beine, wie auf einem Kackstuhl hockt.
Jedem das seine…. :roll: