Beim Zahnarzt – Teil 2

Di., 27.Jan.15, Gran Canaria, Tag 241, 2.421 sm von HH

Kurz vor 7:00 stehe ich auf, um mir wenigstens noch ein Frühstück rein zu quälen (wer weiß, wann und ob ich je wieder essen kann) und mache mich um 8:00 mit ganz schön viel ‚Schiss in de Büx‘ auf den Weg. Das bange Gefühl wird noch durch die etwas surrealen Umstände verstärkt, dass ich mit dem Fahrrad in einer mir unbekannten Stadt zum Zahnarzt fahre.

Nun, ich werde von den Mädels herzlich begrüßt, in ein großes Behandlungszimmer und sofort in die Waagerechte gebracht und mit OP-Tüchern abgedeckt. Nur der Mund schaut noch raus. Haare ins Netzt, Schuhe in Plastik gehüllt und dann kommt auch schon der Doc.

Da ich nichts sehen und dem spanischen Gespräch von Arzt und Helferin keinen Sinn entnehmen kann, frage ich vorsichtshalber nach, ob es auch eine Betäubung gibt. Ja, gibt es, wie man mich beruhigt und die folgt dann auch umgehend.

Dottore macht das so gut, dass ich noch nicht mal was von der fiesen Gaumenspritze merke. Über den dann folgenden Eingriff schweige ich lieber, wer es schon mal erlebt hat, weiß was ich meine und wer es noch vor sich hat, dem will ich die Überraschung nicht verderben. :mrgreen:

Der zweite Vorname meines Arztes ist in jedem Fall nicht Empathie, denn als ich einmal etwas zucke und mich klein mache, fragt er, ob es weh tut. Mein ‚ja‘ wird so kommentiert: „Sie schwindeln! Das tut nicht weh, das ist nur der Druck den Sie verspüren. Wenn Sie mich meine Arbeit machen lassen, sind wir in 15 Minuten fertig.“

Oh ha, was für eine Ansage! Er verdient sein Geld also als Handwerker und nicht als Seelentröster, soviel ist mal klar. Ich halte ab sofort still und meine Fresse.

Zu seiner Entlastung muss man aber sagen, dass er ein weiteres Zucken als Schmerz interpretiert und sofort nachspritzt.

Nach der Behandlung kommt wieder die Kreditkarte zum Einsatz, weil 60% des Gesamtbetrages sofort fällig sind. Fix und fertig, komplett alle und wie durch den Wolf gezogen, strampel ich mich dann zum Schiff zurück und warte unheilvoll darauf, dass die Betäubung nachlässt.

Tut sie dann auch, aber die Schmerzen halten sich zum Glück in Grenzen. Ein Anruf aus der Praxis (!), ob es mir gut ginge, streichelt dann doch noch die Seele.*

Abends kocht mir Achim dann noch Kartoffelmus mit Rührei und meine Welt scheint wieder etwas rosiger. Endlich bin ich meine hässliche Zahnlücke los bzw. brauche nicht mehr den falschen Zahn zum Einsetzen tragen. Die provisorische Krone vom Implantat ist etwas kürzer als mein normaler Zahn, damit in den nächsten drei Monaten die Krone nicht an die Zähne vom Unterkiefer stößt. Optisch gelungen, ich glaube, wer es nicht weiß, sieht das gar nicht. :-) :-)

* am nächsten Tag gab es übrigens noch so einen Anruf. :-)

Beim Zahnarzt

Mo., 26.Jan.15, Gran Canaria, Tag 240, 2.421 sm von HH

Sechs Wochen bevor wir unsere Reise begonnen haben, ist noch der Super-Gau eingetreten und ich musste mir einen oberen Eckzahn ziehen lassen. Dieser sollte durch ein Implantat ersetzt werden, aber leider ziehen solche Implantat-Behandlungen über Monate. Die Zahnärztin bei der ich noch in Deutschland war, hat mit Knochengranulat einen Aufbau meines Kiefers begonnen und das Implantat sollte im August gesetzt werden. Ich bin dafür dann extra nach Hause geflogen, leider vergeblich, weil zu wenig Knochen vorhanden war. Also hatte ich beschlossen mein Glück mit Knochenaufbau und Implantat auf den Kanaren fortzusetzen bzw. zu versuchen.

Diese Aktion ist nun am Montag angelaufen. Im Internet finden wir einen deutsch sprachigen Implantologen und klingeln Montagvormittag an seiner Praxistür.

Ich nehme Achim mit, da zum einen mir seine Einschätzung wichtig ist und wir gleich vor Ort besprechen könnenn, ob wir zeitlich mit den Vorschlägen des Arztes hinkommen. Den Damen am Empfang ist schnell klar gemacht, was ich möchte und wir müssen nur eine halbe Stunde warten bis der Chef uns empfängt.

Während seine (es sind mindestens sechs) ‚Mädchen‘ einheitlich in grau-weiß gekleidet sind, erscheint der Doc in einem schwarzen Arzt-Outfit. Der Herr ist so an die 60 Jahre alt und der Inbegriff eines spanischen Patriarchen. Er bietet eine gehörige Portion Autorität, ein überstarkes Ego und Konversation auf englisch und deutsch an.

Ein, aus Deutschland mitgebrachtes, Röntgenbild auf CD läßt ihn sofort die Entscheidung treffen: „Von der Knochen-Breite kein Problem, aber ich brauche ein 3D Scan, damit ich die Tiefe des Knochens beurteilen kann. Das kostet 150 EUR, wird aber angerechnet, wenn es zum Implantat kommt.“ Also stehe ich fünf Minuten später im Röntgenraum…

Sein Beurteilung meines Kiefers fällt weiterhin positiv aus, Einwände von mir, dass es in Deutschland Probleme mit dem Knochenaufbau gab, wischt er bei Seite: „Nein, alles kein Problem, ein Implantat geht, Knochen und Platz sind genug vorhanden, es kommt eine provisorische Krone drauf und nach 3-4 Monaten die endgültige.“ Basta!

Der Mann gibt wenig Raum für Widerworte. Sein Preisangebot liegt 1/3 unter dem deutschen Kostenvoranschlag, die Praxis und die selbstischere Einschätzung des Docs gefallen uns, so dass ich zusage. A

Am Empfang wird dann der Termin vereinbart und zu meinem großen Schreck werde ich dazwischen geschoben und bekomme für Morgen um 8:30 Uhr meinen Termin. :shock:

Auf meine Nachfrage hin, ob Zahnreinigungen ebenfalls vorgenommen wird, kann ich gleich da bleiben. Achim kehrt zu Atanga zurück, während eines der Mädels mir überaus freundlich, schnell und gründlich die Reinigung zukommen lässt. Das muss ich sofort bezahlen (cash, EC, Kreditkarte kein Problem) und liegt ebenfalls 30% unter deutschen Preisen. Mit einem fröhlichen hasta mañana werde ich verabschiedet.

Las Palmas

So., 25.Jan.15, Gran Canaria, Tag 239, 2.421 sm von HH

Über 400.000 Einwohner hat Las Palmas und ist damit die größte Stadt der Kanaren. Sie wurde 14 Jahre, bevor Kolumbus von hier aus in die neue Welt aufgebrochen ist, gegründet.

Aus dieser Zeit gibt es noch einen kleinen, hübschen Altstadtkern, der sich uns menschenleer präsentiert. Das Leben spielt sich in den Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen und deren benachbarten Gassen ab.
In der Altstadt wird weder gewohnt, es gibt keine Bars oder Kneipen, sondern hier haben sich nur Architekten und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angesiedelt. Das ist schade, denn so wirkt das schöne Viertel ausgestorben und langweilig. Der Eindruck wird noch verstärkt, da es bei unserem ersten Rundgang immer mal wieder leichte Regenschauer gibt.

Die Einkaufsstraßen sind im Schachbrettmuster angelegt und der Verkehr hält sich hier, im Gegensatz zu Lissabon und La Coruna, in Grenzen. Dieser wird nämlich über eine 9 bis zu 11 Spuren breite Straße um die Stadt herum geleitet. Leider verläuft diese Straße zwischen Hafen und der City und uns Fußgängern und Fahrradfahrern wird es nicht gar zu leicht gemacht ins Stadtzentrum zu gelangen. Es gibt einen Tunnel, der eigentlich nur für Autos gedacht ist, und an den Fußgängerüberwegen schießt einem ‚ich hab Zeit, ich bin ja noch jung‘ in den Kopf.

Genau wie die Marina ein Shopping-Paradies für Yachties ist, so erhält man in der Innenstadt den kompletten Rest. Es gibt Kaufhäuser wie das Corte Ingles, das zu 100% genau wie Karstadt Mönkebergstraße aussieht und auch das gleiche Sortiment anbietet. Gleich daneben kleine Boutiquen, Ramschläden und Gemüsehändler, die Orangen für 0,49 EUR/Kilo verkaufen.

Außerhalb des Centrums haben sich Lidl, Media Markt und Ikea angesiedelt und die Supermärkte sind zweigeschossig.
Bei Las Palmas handelt es sich wahrscheinlich um die letzte Bastion gut sortierten, mitteleuropäischen Standards und globalisiertem Einerlei bevor man weiter Richtung Westen zieht.

Marina Las Palmas

Sa., 24.Jan.15, Gran Canaria, Tag 238, 2.421 sm von HH

Die Marina „Muelle Deportivo“ in Las Palmas bietet über 1.200 Schiffen Platz und steht damit so richtig im Kontrast zu den ruhigen, kleinen Häfen, die wir in der letzten Zeit besucht haben.
Las Palmas auf Gran Canaria ist traditionell ein wichtiger Starthafen, um den Atlantik zu überqueren und in die Karibik zu segeln. Angefangen mit dem Blödsinn hat vor über 500 Jahren Kolumbus und in der Neuzeit gibt es eine große Regatta (ARC) mit mehr als 250 Schiffen, die im November diese Tradition fortführt.

Die Marina ist sehr geschäftig, es herrscht ein Kommen und Gehen, aber es liegen auch viele Segler hier, die bereits im Hafen festgewachsen sind, weil ihnen entweder das Geld, der Mut oder ein seegängiges Schiff verloren gegangen ist.
Diese Geschäftigkeit und natürlich die ARC haben dafür gesorgt, dass es hier eine unendliche Zahl an Schiffsausrüstern, Segelmachern, Tauchshops, Zubehör-Lieferanten und sonstigen Teile-Höckern gibt. Man braucht noch nicht mal das Marinagelände zu verlassen und wird fündig. Der erste Landgang den Achim macht, nur um ein Brot zu kaufen, lässt ihn zu Begeisterungsstürmen hinreißen: „Hier ist das Paradies, hier gibt es alles. Alles! Ich bin im Paradies.“

Zudem ist es extrem preisgünstig hier zu liegen, denn wir zahlen, obwohl wir Internet extra kaufen müssen, noch nicht einmal 10 EUR pro Tag. Darin sind lauwarme Duschen, Strom und Wasser enthalten.
Leider gibt es hier keine Finger an den Schwimm-Pontons. Üblicherweise sind im rechten Winkel zu den Hauptstegen etwa 8 Meter lange, etwas schmaler Stege angebracht, so dass jedes Boot einen Steg neben sich hat und man seitlich vom Schiff steigen kann.
In Las Palmas fehlen diese Finger und man muss vorne oder achtern vom Schiff klettern. Rückwärts legen wir nicht so gerne an, da dann immer die Windsteueranlage in potentieller Gefahr schwebt beim Anlegen an den Steg zu donnern. Außerdem ist das auch nicht wirklich komfortabel, da wir ja ein Mittelcockpit haben und somit achtern auch nicht wirklich flach sind.
Also heißt es über den Bugkorb an Land zu steigen. Nun will es das Unglück, dass die Stege hier sehr niedrig sind und somit ist unsere neueste Erwerbung ein Einstiegs-Tritt.
Wie demütigend, aber Mutti schafft es sonst nicht alleine zurück an Bord. :mrgreen:

Mit halben Wind nach Gran Canaria

Fr., 23.Jan.15, Gran Canaria, Tag 237, 2.421 sm von HH

Gerade als wir los wollen, stellt Achim fest, dass unser Toplicht nicht funktioniert. Also noch mal eben in den Mast geklettert, Wackelkontakt lokalisiert, behoben und los geht’s. Leider stellen wir dann unterwegs fest, dass der Wackelkontakt noch besteht und wir als Licht-Orgel den Atlantik besegeln. Da muss er dann wohl noch mal ran. ;-)

Die Windvorhersage auf den Kanaren ist ‚jeden‘ Tag gleich: Nord- bis Nord-Ost in Stärke 4,5 oder 6. Man braucht hier also nicht auf die berühmten Wetterfenster warten, sondern entscheidet, Morgen geht es weiter. Wir entscheiden uns extra für Donnerstag mit nur 5 Windstärken als Vorhersage. Es gibt hier auf den Kanaren örtlich genau abgegrenzte Wind-Beschleunigungs-Punkte, an denen der Wind mit bis zu drei Windstärken stärker ausfallen kann. Diese Gebiete befinden sich meistens an Kaps der einzelnen Inseln (blau auf dem Foto) und sind mit Vorsicht zu genießen. Immer wieder bekommt man Hinweise darüber.

Dieser Windverstärungs-Effekt ist um so stärker, je heftiger der Wind sowieso schon weht. Da wir bei der Rundung der Südspitze von Fuerteventura durch zwei solcher Zonen kommen und dies auch noch, wenn es bereits dunkel ist, entscheiden wir uns als Besegelung für unsere kleine Fock und lassen das Großsegel unten. Von diesen Düsen bleiben wir zum Glück unbehelligt, im Gegenteil in der Abdeckung der Insel haben wir wenig Wind und Welle. Das beschert uns bis Mitternacht fünf Stunden ruhige, aber auch eine etwas langsame Rundung Fuertes.

Wir sind für diese Windverhältnisse etwas untertakelt, behalten das aber bei, denn bereits um 21:00 Uhr ist auch die kleine Monsichel unter gegangen und erste Wolken ziehen auf, so dass das Meer schwarz vor uns liegt. Boen rechtzeitig auf dem Wasser zu erkennen ist somit nicht möglich.

Um 0:30 kommen wir aus der Abdeckung von Fuerte raus und bekommen nun den Wind genau von der Seite. Das ist unter Seglern eigentlich recht beliebt, beschert einem Segelboote bzw. dessen Crew aber die größtmögliche Krängung (Schräglage). Zunächst frischt der Wind auf 18 bis 22 kn auf (Windstärke Ende fünf, Anfang sechs wie vorher gesagt) und unsere Fock zieht uns recht gemütlich Richtung Las Palmas. Nach einer Stunde haben wir konstant 25 kn Wind und erste 30er Boen sind dabei.

Ausgerechnet als wir etwas reffen wollen (Achim hatte sich gerade hingelegt), kommt uns auf unserer Kurslinie eine Schnellfähre entgegen. Da noch nicht ganz klar ist, wer wen an welcher Seite passieren wird, funken wir sie an und warten ab, bis die Situation klar ist. Diese Zeit reicht aus, um auch den Wind wieder auf Anfang 20 Knoten zurück gehen zu lassen.

Achim verschwindet also wieder im Bett und natürlich sind bereits eine halbe Stunde später die 30er Boen wieder da. Ich entschließe mich, ihn schlafen zu lassen und beobachte das Elend. Zunächst bin ich mit Adrenalin voll und hadere mit meiner Entscheidung, aber nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich an alles und ich kann mich fast entspannen. :mrgreen:

Die Welle nimmt mit stärkerem Wind ebenfalls zu, die Höhe ist für mich aber nicht zu schätzen, weil es zu dunkel ist. Ich glaube aber nicht, dass sie 2 Meter übersteigt. Ab und an hört man es neben sich auf dem Wasser giftig fauchen. Das sind Wellenkämme, die direkt neben Atanga brechen und schlürfend, gurgelnd und rauschend im Nichts verschwinden. Dazu heult und pfeift der Wind mächtig in den Wanten. Zusätzlich rauscht der Windgenerator und unter Deck ist alles am Klappern. Diese Ruhe auf See ist doch mit nichts zu bezahlen. ;-)

Wenn eine Welle und Boe uns unglücklich zeitgleich erwischen, legen wir uns mit 25 bis 30 Grad auf die Seite, richten uns wieder in die Senkrechte auf, um dann erneut, etwas weniger tief, auf die Seite zu gleiten. Dazu gibt es hin und wieder einen kleinen Nieselschauer und die Temperatur sinkt auf 16 Grad. Lange Unterwäsche, dicke Socken und Mütze sind Pflicht. Da muss ich dann schon schwer an mir arbeiten, um dem ganzen etwas Positives abzugewinnen. :-)

Im Morgengrauen läst der Wind dann ein wenig nach und um 10:00 erreichen wir wohlbehalten, nur etwas müde Las Palmas.