Chef an Bord

Do., 05.Feb.15, Gran Canaria, Tag 250, 2.421 sm von HH

Heute Vormittag haben wir Besuch von meinem ehemaligen Big Boss. Bernd spielt in Maspalomas ein paar Tage Golf und wollte es sich nehmen lassen, uns einen Besuch abzustatten. Er schnappt sich also einen Golf-Kollegen, ebenfalls ein Bernd, der mit ihm nach Las Palmas düst.

Wie es aber immer so ist mit Chefs, sind sie natürlich nicht pünktlich und lassen ihre Leute warten. :mrgreen:
Fairer Weise muss ich aber erwähnen, dass dies nicht Bernds Schuld ist, denn die Marina per Auto zu erreichen, muss so schwierig sein, dass es sogar in unserem Hafenhandbuch Erwähnung findet. Dort wird Seglern, die sich ein Auto leihen, geraten sich die Situation und Straßenführung erst zu Fuß anzuschauen, bevor man sich ein Auto leiht.

Wir zeigen unser Schiff, plauschen über unsere Pläne und beschnacken die alte Firma im Allgemeinen und Besonderen, im Guten wie Schlechten und im Lustigen wie Traurigen. Das war wirklich eine sehr nette Idee, Golf Golf sein zu lassen und bei uns vorbei zu schauen. :-)

Murgas

Mi., 04.Feb.15, Gran Canaria, Tag 249, 2.421 sm von HH

Der Wettbewerb der Murgas findet an insgesamt drei Abenden statt, um dann am kommenden Samstag in der Finalrunde zu gipfeln.
Die Häufigkeit der Wettbewerbsrunden deutet schon eine große Beliebtheit an und dementsprechend voll ist heute der Parque Catalina.
Bei den Murgas „schlechten Musikkapellen“ handelt es sich um Gesangsgruppen, die in grellbunten, lustigen Clown-Kostümen unter der Zuhilfenahme von Tröten lautstark Karnevalslieder zum Besten geben.


Die einzelnen Gruppen sind bis 50 Mann (es sind in der Tat nur wenige Frauen darunter) stark und haben 30 Minuten Zeit das Publikum bzw. die Jury (wir wissen es nicht) zu überzeugen.
Es werden zu Beginn bekannte Karnevals-Gassenhauer gesungen, um im Anschluss, auf musikalische Weise, Kritik an politischen und sozialen Themen zu üben.
Die Murgas gibt es seit 1917, allerdings sind sie auf Teneriffa von der Besatzung eines Kanonenbootes  gegründet worden.

Wir als Nordlichter und sowieso absolut nicht Karnevals erprobt, können mit der Darbietung nicht recht was anfangen, und dass wir den Text nicht verstehen hilft ebenso wenig, um Begeisterung bei uns hervor zu rufen.
Wie auch immer, für uns ist es ja auch nicht gemacht und das spanische Publikum steht auf den Stühlen, schwenkt Luftballons und ist begeistert.


Heute entdecken wir auch, dass die vielen Kameras nicht nur die Leinwand vor Ort bedienen, sondern dass die Auftritte auf Canaria TV live übertragen werden.
Es besteht somit inselübergreifend Interesse an 1001 Nacht.

Auf dem Nachhauseweg treffen wir dann unmittelbar vor dem Eingang zu unserem Steg auf den ersten Cucaracha unserer Reise. Wie schön, dass wir keine Gangway haben, aber gab es da nicht die Geschichte, dass die Biester über die Tampen an Bord klettern? :shock:
Wir müssen da wohl was unternehmen…

Unser Tag war aber auch geschäftig, denn am Vormittag treffen wir das zweite Mal auf Freunde von Gert und Ulla.
Die beiden älteren Herrschaften, Ina und Jonny, machen Urlaub hier und wollten sich das ‚berühmte‘ Schiff mal von Nahen betrachten. Leider ist es ihnen auf Grund unserer schwierigen Einstiegs-Situation nicht möglich an Bord zu kommen. Somit bleibt es bei einer Betrachtung von außen und einem netten Schwätzchen am Steg.

Die zwei geben sich quasi die Klinke mit Carsten von der Namastee in die Hand. Wir hatten uns das erste Mal in Portugal getroffen und Carsten weiß Achim zu berichten, dass und vor allem wo es in Las Palmas die von beiden so begehrte Kupferfolie (Amateurfunk-Bedarf) zu kaufen gibt.

Carsten bietet an mit Achim dort hin zu radeln, wenn ich ihm mein Fahrrad leihe…drei Stunden später ist die Crew der Atanga stolzer Besitzer von 4 qm Kupferfolie in der Stärke 0,2 mm und die Bordkasse ist um 100 EUR schmäler.
Guter Preis, guuuter Preis, wie einhellig von Carsten und Achim geträllert wird.

Hitchhiker

Di., 03.Feb.15, Gran Canaria, Tag 248, 2.421 sm von HH

Boat-Hitchhiker werden die Tramper genannt, die hier in Las Palmas zu Dutzenden eine Passage, meist über den Atlantik, suchen. Es gibt aber auch einige, die wollen nur eine Insel weiter oder nach Afrika.
In allen öffentlichen Räumen, wie dem Waschmaschinen-Raum, hängen die meist Anfang bis Mitte 20-jährigen ihre, oft originellen, Suchanzeigen für eine Passage aus.
Die meisten sind Einzelkämpfer, aber es gibt auch eine Reihe Pärchen auf der Suche.

Zur Zeit der ARC, wenn hier am meisten Betrieb ist, sind es bis zu 60 Tramper, die ein passendes Boot suchen. Da jetzt bereits die meisten Schiffe für diese Saison drüben sind, ist die Gemeinde der augenblicklich Suchenden nur ca. 20 Personen stark.
Die jungen Leute klappern fast täglich die Stege nach neu angekommenen Schiffen ab und somit werde ich von Anna und Paul angesprochen.
Nach einer kurzen Vorstellung erinnere ich mich, dass mir schon ihr individueller „Koch-Arround-the-World“-Aushang aufgefallen war.

Die zwei wollen aber gar nicht bei uns mit segeln, sondern laden uns zum Essen ein.
Sie berichten mir, dass sie auf einem großen Schiff Unterschlupf gefunden haben und heute Abend kochen wollen und dazu „alle“ Hitchhiker und ein paar Segler einladen, damit man sich besser kennen lernt.
Die beiden sind mir sofort sympathisch, also sage ich spontan zu, dass wir um 20:00 Uhr bei ihnen auftauchen werden.

Somit finden wir uns abends unerwartet mitten zwischen einer super bunten Schar Tramper wieder. Außer uns ist nur noch ein Franzosenpaar mit Säugling von der Segler-Fraktion vertreten. Die drei werden besonders hofiert, da sie innerhalb der nächsten zwei Wochen weiter wollen und vor allem die französischen Landsleute sich eine Chance ausrechnen von ihnen mitgenommen zu werden.
Dass wir erst in Monaten weiter fahren, spricht sich schnell rum und somit können wir unbefangen plaudern.

Anna und Paul kochen eine vegetarische, indonesische Bananen-Reis-Pfanne mit Erdnüssen und ist total lecker. Da es zu wenig Teller gibt, wird in Etappen gegessen und Pärchen müssen sich einen Teller teilen. Zum Nachtisch macht Anna in Weißwein karamellisierte Birnen und zu trinken gibt es alles das, was die Gäste mitbringen.
Das Segelboot auf dem sich die ca. 20 Menschen tummeln, ist ein Chaterboot, welches hier wegen einer Reparatur festliegt und wird von einem jungen Bayern, selbst erst knapp 30, als Skipper betreut. Er hat Anna und Paul eine Koje zur Verfügung gestellt, damit sie nicht mehr in besetzten Häusern übernachten müssen (wie gut, dass der Eigner nichts von seinem Glück weiß).

Die meisten der Anhalter schlafen in besetzen Häusern hier in Las Palmas.
Die Mischung der Tramper könnte nicht bunter sein, Spanier, ein Argentinier, US-Amerikaner, Franzosen und fast alle haben eine coole Geschichte zu erzählen.

Anna und Paul haben nach dem Studium (Politik) ihre Reise im Iran begonnen und sind über die Türkei bis nach Spanien getrampt und dann, vor vier Wochen, hier gelandet. Sie geben sich noch Zeit bis Sonntag, dann brechen sie ihre Hitchhiker-Aktion ab und werden vom spanischen Festland aus nach Mexico fliegen. Aber mit einer Reise nach Brasilien hätten sie auch kein Problem.
Aurora, Französin, will nach Kanada, da sie dort ein work-and-travel-Visum hat.
Manchmal klopfen verrückte Jungs sogar mit Hausratte auf der Schulter bei den Seglern an und selbst solche Exoten finden das passende Schiff, wenn auf der anderen Seite ebenfalls ein Rattenliebhaber steht. Wie man uns berichtete ist die allgemeine Erfolgsquote sehr hoch und die Wartezeit selten länger als 4 Wochen. Große Schiffe nehmen auch mal ein Dreierteam auf Schlag mit.
Meistens „müssen“ die Tramper dann sauber machen, Kinder an Bord bespaßen oder kochen. Zum Segeln kann man die wenigsten gebrauchen, da fast keiner der Anhalter Segelerfahrung hat. Aber man erhält Sprachen- oder Gitarrenunterricht.

Aus Rücksicht zu den benachbarten Booten, ziehen wir alle um kurz vor Mitternacht noch an den Strand, denn es werden die Gitarren und Trommeln bearbeitet und Paul holt seine Trompete raus mit der er in Teheran 20 EUR in der Stunde als Straßenmusiker verdient hat.

Wir verabschieden uns um kurz nach 2:00 von dem sympathischen Haufen, ziehen mit dem Kopf voller toller Geschichten auf unser Schiff zurück und sind begeistert von dem Mut, den diese Youngsters haben.

Tausend und eine Nacht

So., 01.Feb.15, Gran Canaria, Tag 246, 2.421 sm von HH

Seit gestern ist offiziell der Karneval 2015 in Las Palmas gestartet und es steht drei Wochen lang eigentlich jeden Tag eine Veranstaltung auf dem Programm. Das Motto des diesjährigen Karnevals lautet 1001 Nacht – Las mil y una noches.

Die meisten Veranstaltungen finden auf einer Bühne im Parque Catalina statt, ungefähr 15 Laufminuten von der Marina entfernt. Dem Motto entsprechend wurde eine ‚orientalische‘ Szenerie aus Pappmaschee aufgebaut. Das Ganze ist aufwendig ausgeleuchtet und mindestens sechs Kameras übertragen das Geschehen auf eine große Leinwand, die in das Bühnenbild eingebaut wurde. Es gibt zwei Tribünen für die man Karten für die großen Veranstaltungen kaufen kann. Bei den kleineren Wettbewerben ist der Eintritt frei.

Unser erster Besuch gilt dem Wettbewerb der Kinder Comparsas. Bei Comparsas handelt es sich um verkleidete Straßen-Tanzgruppen, die bei den großen Umzügen die Wagen begleiten.Jedoch gibt es vorher Wettbewerbe, um die besten Tanzgruppe zu ermitteln.

Die Veranstaltung ist gut besucht und es wird auch viel gejubelt, geklascht und angefeuert. Aber wir haben den Eindruck, dass die Begeisterung subjektiv gefärbt ist, da das Publikum zum größten Teil aus Eltern und anderen Angehörigen besteht. ;-) Die Besucher deren Kinder gerade keinen Auftritt haben, schauen zum Teil etwas gelangwelt aus der Wäsche.
Wir finden es etwas lahm, denn die Musik ist nicht wirklich mitreißend. Es klingt ein wenig nach spanischer Folklore mit ein paar lateinamerikanischen Elementen, aber ohne Druck und Dramatik. Die Lütten, überwiegend Mädchen (aber das dürfte kaum verwundern) hüpfen hübsch anzusehen über die Bühne und es macht Spaß die begeisterten Eltern zu beobachten.

Auch in Südeuropa gibt es Menschen, die mit Tradition nichts am Hut haben und sich von derartigen Großveranstaltungen wie dem Karneval belästigt fühlen. Die sogenannten Mogollones, die Feiern am Rande der großen Umzüge und Galas, sind gestern abgesagt worden. Die Stadt reagierte damit auf eine einstweilige Verfügung, die von den Bewohnern eines Hauses in der Nähe des Parkes Catalina. Bereits aufgebaute Buden bleiben nun geschlossen.

 

Las Palmas näher betrachtet

Sa., 31.01.15, Gran Canaria, Tag 245, 2.421 sm von HH
Bis Mittwoch war das Wetter mit heiter bis wolkig noch ganz anständig hier und ich konnte in der Sonne im Cockpit liegend meinen Zahn schonen und genesen.
Am Donnerstag war dann das Schlimmste überstanden, feste Nahrung wieder Normalität.
Im Internet schauen wir noch mal nach Kinovorstellungen von dem 3.Hobbit-Film. Und tatsächlich, ein Kino, knapp 4 km entfernt, wirbt mit deutschem Titel.
Da die Vorstellung erst um 22:00 Uhr statt finden soll, beschließen wir tagsüber vor Ort zu prüfen, ob das wirklich stimmt, damit wir nicht „mitten in der Nacht“ vergeblich zum Kino laufen.
Es wird tatsächlich der Hobbit gezeigt, aber leider nur auf spanisch. Somit machen wir uns bei nasskaltem Wetter unverrichteter Dinge wieder auf den Rückweg.
Aber außer deutschem Kino gibt es hier in Las Palmas wirklich alles.
Die Aufnahme dieses Weinschrankes haben wir in einem stinknormalen Supermarkt gemacht. Montags bis freitags erscheint zudem noch stundenweise ein Somalier.
Ich wüsste in Hamburg kein Kaufhaus oder Supermarkt zu benennen mit einem derartigen Weinangebot.
Als Kontrast gibt es hier aber auch noch eine altmodische, wunderbare Markthalle. Es gibt dort neben Obst- und Gemüsehändlern auch gut sortierte Schlachter und Fischhändler.
Der einzige Nachteil vom gemütlichen Einkauf auf dem Markt sind die unglaublichen Tüten mit denen man nach Hause kommt.
Porreestange – extra Tüte, Möhren – extra Tüte, drei Orangen – extra Tüte und das Ganze dann noch mal extra in eine Tragetasche, obwohl ich gar keinen Beutel benötigen würde, da ich ja mit Rücksack da bin.
Selbst wenn man abwinkt, kann man den Tütenwahn nicht verhindern.
Da ist in Spanien noch Lernpotential nach oben offen.
Auch der Geschmack von Schnittblumen und deren Präsentation unterscheidet sich deutlich. Aber offensichtlich werden Blumenpräsente sehr geschätzt, denn ständig sieht man jemanden mit einem Strauß durch die Straßen laufen.