So/Mo., 04./05.Sep.16, Atlantik, Tag 827/8, 6.695 sm von HH Zuerst denke ich, dass uns Engel in den Hals gepinkelt haben. Soviel Glueck kann man von alleine nicht haben. 24 Stunden spaeter bin ich ueberzeugt, dass es gefallene Engel gewesen sein muessen Nie, niemals, zu keiner Zeit gibt es in der Karibik Westwind. Und doch, wir erwischen diesen einen Tag. Dieser Westwind ist zwar mit unter 10 Knoten schwach, aber der Blister zieht uns auf Badewannen-glattem-Wasser Richtung Tobago. Am Nachmittag nimmt er zu und wir tauschen Blister gegen die Genua, unserer grosses Vorsegel. Sanftes Gleiten mit 3,5 Knoten Speed, genauso viel wie wir erwartet habe. Als dann noch ein Thun-Fisch an der Angel haengt, ist der Tag perfekt. Um 20:00 schlaeft der Wind komplett weg. Wenn wir uns treiben lassen, drueckt uns die Stroemung zurueck, also muss der Motor ran. In den fuenf Stunden machen wir weiter Meilen Richtung Ost gut. Der Wind, der mitten in der Nacht einsetzt, kommt aus Sued-Ost. Kraeftig, mit 20 Knoten. Durchs Wasser machen wir gute Fahrt, nur die Stroemung bremst unser Vorwaertskommen. Bis hierhin alles gut, unser Plan geht auf und ich glaube an die Kraft des Engels-Saft. Am fruehen Vormittag rechnen wir uns aus, dass wir langsam eine Wende fahren sollten. Rechnerisch muesste es passen, dass wir oestlich an Tobago vorbei kommen. „Klar zu Wende?“ „Ree“. Auf dem Plotter trauen wir unseren Augen nicht. Wir haben einen Wendewinkel von 150 Grad, fahren also fast auf der alten Kurslinie zurueck. Atanga ist kein Wende-Wunder, aber das ist nun doch zu viel. „Das gibt es doch gar nicht“, ist der meistgefallene Satz. Es kann nur die Stroemung sein. Wir gehen auf den alten Bug zurueck, wieder Richtung Nord-Osten. Vielleicht kommt der Wind bald oestlicher, dann wird unser Winkel besser. Am Nachmittag versuchen wir es erneut: „Ree“. Mit dem gleichen Effekt: Wendewinkel 150 Grad. Waehrend ich das schreibe, haben wir 105 sm zurueck gelegt. Vom Startpunkt aus sind wir 75 sm entfernt. Im Augenblick sind wir im Dreieck Grenada-Tobago-Barbados gefangen. Fuer eine Crew, die gerne segelt ein Hochgenuss. Die Bedingungen sind moderat bis nett. Einer Crew, die lieber ankert, beschert das Unlueste.
Start zur Nereid’s Rally
So., 04.Sep.16, St. Georges/Grenada, Tag 827, 6.590 sm von HH
Offizieller Start ist erst am Montag, wir fahren einfach schon heute los.
Ist aber erlaubt.
Es gibt keine Startlinie, es gibt nicht zu gewinnen, somit kann jeder loslegen, wie er will.
Wir sind von 16 teilnehmenden Yachten, die einzige, die auf Grenada hängt.
Alle anderen befinden sich schon auf Tobago und Tobago liegt 90 sm südlich-östlich von uns. Das müssen wir erst mal wettmachen.

Rally Strecke
Vor uns liegen ca. 400 sm mit einem Kurs, der exakt der vorherrschenden Windrichtung entspricht.
Das können wir nicht segeln. ![]()
Also müssen wir zunächst knapp 100 sm Richtung Osten gut machen, um dann einen Südkurs anlegen zu können.
Die Vorhersage für heute sagt Wind mit Südkomponente vorher.
Das ist gut, damit könnten wir nach Osten segeln.
Stimmt das nicht und der Wind kommt doch aus Osten, werden wir nördlich, irgendwo auf den großen Atlantik, hinaus segeln müssen.
Die Vorhersage sagt schwachen Wind vorher.
Das ist schlecht, weil wir dann nur sehr langsam voran kommen. Sollte es dann auch noch in die falsche Richtung sein, kommen wir nie an.
Unser Blister, das Leichtwind-Segel, liegt bereit. Das ist ein bisschen wie Pfeifen im Wald.
Die Strömung, die uns vor vier Monaten mit Lichtgeschwindigkeit in die Karibik geblasen hat, die gibt es auch noch. Um diese Jahreszeit zwar schwächer, aber 1 bis 2 Knoten Gegenstrom sind zu erwarten.
Was das für uns bedeutet hoch am Wind gegen Welle und Strom zu fahren, darüber denken wir lieber nicht nach.
Eine Prognose, wann wir ankommen werden, ist unmöglich.
Wir haben keinen Plan, was uns erwartet. Normal wären für 400 sm vier Tage.
Wir rechnen mit sechs bis acht. Das entspräche unserer halben Atlantik-Überquerung. ![]()
Mit Essen und Trinken sind wir entsprechend präpariert.
Der Rest wird sich zeigen. Wie immer werden wir versuchen von unterwegs täglich zu schreiben, wie es uns ergeht.
Daumen drücken nicht vergessen!
Auf Wiedersehen Karibik
Sa., 03.Sep.16, St. Georges/Grenada, Tag 826, 6.590 sm von HH
Ist die Karibik ein Traumrevier habe ich vor vier Monaten gefragt?
Zum Segeln und Baden, einen klaren Daumen nach oben. Der konstante Wind, die moderate Welle, dazu Sonne und das unbeschreiblich klare, türkis Wasser.
Kurze bis medium Distanzen zwischen den Inseln. Perfekt.
Zum Einkaufen, einen klaren Daumen nach unten.
Das Angebot ist medium bis nicht vorhanden. Das was es gibt, ist teuer. Nur auf dem Markt, Obst und Gemüse kaufen, macht Spaß.
Über die Menschen, einen klaren Daum nach oben.
Allerdings nur für die, die einen nicht beklauen. Die Berichte über Überfälle, Entführungen, Raub mit Messer, Machete oder Pistole häufen sich. Kaum einer, der nicht hautnah dabei gewesen ist.
Das nervt.
Über die Musik, einen klaren Damen nach unten.
Soca ist echt eine fiese Erfindung.
Wir fühlen uns wohl, trotzdem steht fest, dass wir hier nicht dauerhaft leben wollten (alle, die Angst haben, ich komm nicht wieder heim, können aufatmen. Alle, die sich wünschen, ich bleib weg, müssen zittern
).
Die Kleinen Antillen gefallen uns, aber als Heimat sind sie uns dann doch zu eintönig.
In zwei Monaten, nach unserem Ausflug nach Südamerika kehren wir nach Grenada zurück.
Dann erkunden wir den westlichen Teil der Karibik.
Als kleine Hommage an die hübsche Insel, haben wir einen neuen Film gedreht.
Viel Spaß mit ein paar Eindrücken von St. George’s und einem Ausflug mit Hindernissen.
Versaut für’s Leben
Do., 01.Sep.16, St. Georges/Grenada, Tag 824, 6.590 sm von HH
Ein Leben in Deutschland ist möglich. Aber sinnlos.
All die lieben Menschen, die ich in Deutschland getroffen habe, müssen mal eben kurz weg lesen. Mit Euch war es toll und hat viel Spaß gemacht, egal ob wir exzessiv gegrillt oder nur telefoniert haben.
Ihr seid nicht gemeint.
Alle anderen Menschen sind doof, unfreundlich, griesgrämig und gestresst.
Nach nur vier Monaten in der Karibik ist man versaut für’s Leben.
So schnell gewöhnt man sich an das freundliche Wesen der Einheimischen. Die immer einen Gruß auf den Lippen haben und im Baumarkt lauthals zur dudelnden Musik mitsingen.
Beim Bäcker habe ich der Fachverkäuferin ein „Genieß Deinen Tag, Liebling“ zum Abschied mitgegeben. Unverhohlenes Staunen gepaart mit entsetzter Fassungslosigkeit strömten mit entgegen. Auf ein Lächeln habe ich vergeblich gewartet.
Grüßt man wildfremde Menschen auf der Straße, steht man kurz der der Einweisung in eine Klappsmühle. Gut, nun ist Hamburg nicht so ein Dorf wie die kleinen Inseln, aber trotzdem. Etwas mehr Fröhlichkeit würde allen gut zu Gesicht stehen.
Fröhlich bin ich vom gesamten Personal im Yacht-Club begrüßt worden.
Jeder erkundigt sich, wie mein Besuch war, ob ich eine schöne Zeit hatte. „Herzlich Willkommen zurück in der Karibik“, tönt es von allen Seiten.
Die Menschen sind schon etwas ganz besonderes hier.
Fröhlich bin ich auch von Achim empfangen worden.
Er stand ja kurz davor an einer Überdosis Rührei mit Ketchup zugrunde zu gehen (Birgit, lieben Dank für diese zutreffende Formulierung
).
Und fröhlich stürzen wir uns in die Vorbereitungen zum Aufbruch am Sonntag.
Alles, was ich aus Deutschland mitgebracht habe, muss seinen Platz finden.
Ein Großeinkauf ist gemacht, Fleisch eingekocht und das Unterwasser-Schiff geschruppt.
Viel Zeit haben wir nicht, um noch Wäsche zu waschen und tausend andere Kleinigkeiten zu erledigen.
Es ist schön wieder zu Hause zu sein.
Final Countdown
Mo., 29. Aug.16, St. George’s/Grenada, Tag 816, 6.590 sm von HH
Seit drei Wochen bin allein an Bord und arbeite meine Liste ab. Das meiste erweist sich als machbar, wenn manches auch aufwendig ist. Der ein oder andere Punkt bleibt unerledigt. Nicht alle Überlegungen hielten einer weiteren Prüfung stand. Sei es drum, man kann nicht alles haben.

Während die Bastelarbeiten an Bord noch einen gewissen Standard halten können, geht das Niveau der Nahrungszubereitung steil nach unten. Ich kann nicht kochen und Spaß macht es mir schon gar nicht, für mich allein mehr als auch nur einen Topf oder eine Pfanne schmutzig zu machen. Mein derzeitiges Lieblingsgericht (Wraps mit Huhn, Möhren, Gurke, Zwiebel und Chilisauce aus der Flasche) kann ich mir sechs Mal machen. Dann sind die Packungen mit den Tortilla Shells alle. Die verbliebene Alternative heißt Nudeln mit Tomatensauce…. gefolgt von Bratnudeln aus den übrig geblieben Teigwaren. Immer wieder beliebt sind auch Scrambled Eggs….schön trocken gebraten. Mit Ketchup bringt man die Feuchte der Eierkrümmel auf den alten Level und verdeckt, dass durch Zugabe weiterer Zutaten das Ganze hätte schmecken können. Eigenartigerweise nehme ich nie Ketchup zu den Eiern, wenn Bine sie zubereitet…
Das einzige, was immer funktioniert ist das Brot-backen. Ein 750g Brot (meist ein Mix aus Bauernbrot und Sonnenblumenbrot) reicht für mich drei Tage und somit wiederholt sich die Prozedur entsprechend. Was wäre ich nur ohne unseren Automaten.
Am schlimmsten ist die Aufgabe, das Schiff wieder in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Ich putze und wische so gut ich kann, wasche Wäsche und falte sie nach dem Trocknen, um sie wieder sauber in den Schränken verschwinden zu lassen. Meine Falttechnik erweist sich als nicht ausgereift. Irgendwie passen die T-Shirts nicht so gut an ihren Platz wie sonst. Egal…man kann ja ein bisschen drücken.
Morgen ist Bine wieder Zuhause und das ist auch gut so.
