Tag 6 – Ankunft in Hurakabra

Sa., 10.Sep.16, Atlantik, Tag 833, 7.092 sm von HH

Mein erster Griff gilt dem Fernglas als wir auf der anderen Fluss-Seite Masten von Yachten erblicken. Ich zähle durch…unfassbar, wir sind nicht die Letzten auf der ersten Etappe der Nereid’s Rally. :-)
Den wirklich guten, vorletzten Platz konnten wir uns sichern.

Über Funk erfahren, wir, dass wir nicht nach Bartica zum Einklarieren müssen. Das ist zwar nur ein paar Meinen flussaufwärts, aber so ist es viel einfacher.
Wir dürfen alle bis Dienstag ‚inoffiziell‘ an Land gehen und Davide erledigt die Formalitäten für uns.

Um 15:00 Uhr gibt es ein erstes Crew-Treffen. Neben großem ‚Hallo‘ mit bereits bekannten Gesichtern und ’nice to meet‘ you mit neuen Crews, kommt die Ernüchterung: Eine Yacht ist noch in Bartica wegen eines Segel-Schadens. Die seien allerdings bereits am Vormittag dort gewesen. Vor uns.
Nun, was soll’s. Dann sind wir eben doch die Letzten. :shock: :sad:
Die Öko-Bilanz sieht miserabel aus. Fast die Hälfte der Meilen mussten wir motoren. Dabei ist uns nicht der Vorwurf zu machen, es nicht segelnd versucht zu haben. Unsere tapfersten vier Stunden zeigen eine Strecke von grade mal 10 sm auf. Jede Oma hätte uns da überholt.

Die erste Etappe der Rally hat nicht den Zweck erfüllt unsere Feuer-Probe zu sein, auf lange Distanz mal hoch am Wind segeln zu müssen. Wind und Welle waren einfach zu schwach, um ein Bild davon zu geben, wie gut wir das aushalten können.
Ohne die Squalls und das Gewitter, wäre es eine reine Kaffe-Fahrt gewesen.
Allerdings haben wir mehr Segelmanöver in den sechs Tagen vornehmen müssen als gesamt im letzten Jahr. Und Squalls hatten wir bislang ebenfalls noch nicht kennen gelernt.

Die letzten 40 Meilen auf dem Essequibo waren spannend.
So ein Urwald-Fluß unterliegt einem ständigen Wandel, unsere Navionic-Karte hat ein paar Monde auf dem Puckel und Seezeichen sucht man im Gewirr der Inseln und Kanälen vergebens.
Navigiert haben wir nur an Hand von Wegpunkten, deren Autor und Herkunft unbekannt ist. Diese werden von Segler zu Segler weiter gegeben.
Schön sind die Stellen im Fluss an denen der Tiefenmesser mehr anzeigt als die Karte.

 

 

 

 

 

Tag 5 – Anker-Stopp im Essequibo-Delta

Fr., 9.Sep.16, Atlantik, Tag 832, 7.049 sm von HH Das Unwetter, was uns gestern die Hucke vollgehauen hat, verzieht sich dann doch irgendwann. Zurueck bleibt Flaute. Kein einziger Windhauch treibt uns voran. Saemtlicher Wind ist von dieser Unwetter-Zelle weggesogen worden. Wir schmeissen den Motor an und hoffen auf Besserung. Wenigstens das Angel-Glueck wohnt an Bord und beschert uns einen Caripe, auch Tuny Fish genannt. Das Fleisch ist dem Thun sehr aehnlich und wird zu Fisch-Curry verarbeitet. Yummi! Das reicht in jedem Fall wieder fuer zwei Tage. Leider haelt die Flaute bis heute Mittag an. Das bedeutet, 24 Stunden am Stueck droehnt der Motor. Wenn ich etwas noch ’schlimmer‘ als segeln finde, dann ist es motoren. ;-) 452 sm liegen nun hinter uns als wir vormittags den Essequibo erreichen. Am Essequibo, einem der groessten Fluesse Guyanas, liegt 45 sm flussaufwaerts unser erstes Rally-Etappen-Ziel: Bartica. Wir kommen drei, vier Stunden zu spaet im riesigen Fluss-Delta an, um noch heute Bartica zu erreichen. Im Dunkeln wollen wir auf keinen Fall im Wirrwarr dieses Flusses verloren gehen. Zudem steht die Stroemung nachmittags gegen uns. Also verholen wir uns ein paar Meilen den Essequibo hoch bis die ersten Flussinseln beginnen. Der Essequibo ist ein wahres Labyrinth aus Kanaelen, Inseln, Inselchen und Untiefen. Je weiter man vordringt, desto enger und verschlungener wird der Weg. Jetzt liegen wir an einem der abgefahrensten Ankerplaetze, die wir je hatten. Vor einer Fluss-Insel, Tiger-Island, mit offenem Blick aufs schlammige Fluss-Delta und einem Traum-Strand, wie selten gesehen. Nach wie vor geht kein Windhauch und es ist totenstill. Nur ein paar Vogelrufe dringen aus den Palmen- und Buschwerk zu uns rueber. Libellen umkreisen uns. Eine perfekte Idylle. An Land duerfen wir nicht, da wir noch nicht in Guyana einklariert haben. Es wird im Revierfuehrer dringend abgeraten dagegen zu handeln. Somit geniessen wir den Blick und die himmlische Ruhe nach dem ganzen Motor-Krach. Morgen mit dem ersten Niedrigwasser geht es um 5:00 Uhr weiter. Dann werden wir mit der Stroemung wohl am Nachmittag Bartica erreichen. Unsere Mitstreiter, die Worlddancer, haben wir aus den Augen verloren. In der Nacht hatte sie knapp 20 sm Vorsprung vor uns und ist dann von der AIS-Anzeige verschwunden. Auch ein verabredeter Funkkontakt konnte nicht hergestellt werden. Bislang ist hinter uns ist kein weiterer Teilnehmer der Rally aufgetaucht. Wir vermuten grad ganz verzweifelt, dass wir das Schlusslicht dieser Regatta sind. :sad:

Tag 4 – Zwei Fehler an einem Tag

Do., 8.Sep.16, Atlantik, Tag 831, 6.957 sm von HH

Unser harmloses vor sich Hinduempeln hat am Vormittag ein jaehes Ende: Vor uns tut sich was Grosses, Schwarzes auf. Als es daraus blitzt, ist klar, darum segeln wir einen Bogen.

Das ist technisch kein Problem, wir fallen etwas ab, verlassen unsere Planroute und halten auf das Ende der Gewitterfront zu. Wie fast die gesamte Zeit auf diesem Toern der Schwachwinde sind wir mit ungerefftem Gross und Vorsegel unterwegs.
„Sollen wir besser reffen?“ frage ich halbherzig. Schliesslich haben wir in den letzten Tagen alle Squalls mit bis zu 30-35 Knoten Wind gut gemeistert.
Dementsprechend winkt Achim ab: „Wir fahren ja dran vorbei.“

Winddreher sind zu erwarten, daher koppeln die Windsteueranlage aus und steuern von Hand. Den Job uebernehme meistens ich. Dass man am Ruder stehend ordentlich nass wird, stoert bei konstant 30 Grad nicht so sehr. Die 20 Minuten halte das gut aus.
Am besten arbeitet man es in Badehose oder Bikini ab, dann bleiben wenigstens die Klamotten trocken. In Regenzeug schwitzt man sich nur den Wolf.

Vor dem Wind kommt der Regen. Viel Regen.
Schnell bin ich auf der windzugewandten Seite nass. Alles noch Spass.
Zum Regen gesellt sich Wind. Viel Wind.

Schnell wird klar, dass wir wohl etwas viel Segelflaeche oben haben. Wir entscheiden vor dem Wind abzulaufen. Das bedeutet, dass der Wind von hinten kommt und alles nicht so schlimm wird.
Ein guter Plan. Im Prinzip.

Jetzt kommt der Regen von hinten, so dass ich bald komplett durchnaesst bin.
Mit mehr Regen kommt mehr Wind. Wir donnern mit sieben Knoten durchs Wasser.
Dass es hinter uns blitz und donnert, foerdert das Wohlbefinden nicht.
Verdammte Axt, wo zieht das Unwetter hin?
Achim macht mir Mut: „Das Unwetter kommt aus Osten, zieht also nach Westen ab.“ „Sicher??“ „Ich bin nicht Kachelmann….“

Die Front will nicht weichen. Der Wind dreht, ich versuche so gut es geht zu folgen.
Achim refft das Vorsegel. Die Front bleibt. Sie scheint uns zu folgen. Mittlerweile fange ich zu frieren an.
Das Oelzeug, seit Monaten nicht mehr in Gebrauch, ist ziemlich eingebaut. Da kommt man nicht eben mal dran.

Wir beschliessen, viel zu spaet, das Gross doch zu reffen. Dafuer muss ich die Nase in den Wind drehen. Atanga erweist sich als zickig. Ist aber nicht ihr Fehler. Mit zu kleinem Vorsegel und vollem Gross dreht sie nicht komplett in den Wind. Achim geht an den Mast und mueht sich das Gross zu reffen. Gefuehlt, Stunden spaeter, ist es geschafft. Endlich Ruhe im Schiff, alles gut.

Fehler Nummer 1: Reffe dann, wenn der erste daran denkt!
Fehler Nummer 2: Schwerwetter-Oelzeug ist auch in den Tropen griffbereit zu halten.
Die Frage, wer eigentlich die Idee mit der Rally hatte, haeuft sich. ;-)

Tag 3 – Kuddelmuddel

Mi., 7.Sep.16, Atlantik, Tag 830, 6.842 sm von HH Am spaeten Nachmittag taucht auf dem Plotter auf einmal ein neues AIS-Dreieck auf. 10 sm hinter uns. Ein Klick auf die Details verraet, es ist die Worlddancer II. Das ist ja ein Ding, denn die Worlddancer nimmt ebenfalls an der Rally teil. Ueber Funk erfahren wir, dass sich kurz vor ihnen die Blue Sun, das dritte deutsche Schiff im Bunde, befindet. Der vierte Deutsche Teilnehmer hat kurzfristig abgesagt. Was fuer ein Zufall, dass wir nun zu dritt auf einem Haufen duempeln. Sichtkontakt besteht leider nicht. Der Rest laeuft nicht so geordnet ab. Das Wetter macht uns ganz karussellig. Wir segeln in alle Richtungen mit Windstaerke 1 bis 6. Gleich im Morgengrauen der erste Squall mit der sich anschliessenden Flaute von einer Stunde. Normaler Wind zum Fruehstueck aus halbwegs richtiger Richtung, muehsam kommen wir mit drei Knoten voran. Dann frischt es gewaltig auf. Um 9:00 Uhr rauschen wir mit 6 Knoten Speed in ein riesiges Regengebiet. Es schuettet wie aus Eimern. Der Wind kommt aus Sued-West, statt Ost. Als nach 1,5 Stunden der Spuk vorbei ist, schliesst sich erneut eine Flaute an. Jetzt im Augenblick druempeln wir wieder mit drei Knoten voran. Aber immerhin, 252 sm haben wir bereits geschafft. :-) Schoen zu beobachten, dass es der Worlddancer nicht anders geht. ;-) Die sind jetzt 10 sm vor uns und wir koennen nur staunen: mal fahren sie Richtung Norden, dann folgt ein Suedkurs und dann kommen sie zurueck. Neben dem ganzen Gemecker ueber die Langsamkeit und des Kuddelmuddels ist zu berichten, dass die Segelbedingungen ansonsten super sind. Hoch am Wind zu segeln, kann bockiges, nasses Segeln bedeuten. Weit gefehlt. Wir liegen ruhig im Wasser. Die Welle ist so harmlos, die wir mit unserem schraegen Bug muehelos durchpfluegen koennen. Nachts machen wir die Luken zum Schlafen nur zu, wenn es regnet. Schlafen, Kochen, das Leben an Bord fuehlt sich an wie ein Ponyhof. Unser Thun ist nun alle. Am zweiten Abend habe ich ihn gebraten, dazu gab es Kartoffelpueree mit Kokosmilch und Chiliflocken. Aus dem Rest der gebratenen Stuecke habe ich heute Mittag einen Thunfisch-Salat mit Tomaten, Zwiebeln, Kapern und ein wenig Mayo gemacht. Eingerollt in Wraps war das ein lecker Fresschen.

Tag 2 – von der Langsamkeit des Seins

Di., 6.Sep.16, Atlantik, Tag 829, 6.773 sm von HH Es gibt einen neuen meistgesprochenen Satz an Bord: „Wer hatte eigentlich die Scheiss-Idee mit der Rally?“ :mrgreen: Bis Mitternacht verfolgen wir unseren Plan, Strecke nach Nord-Osten gut zu machen. Als der Wind unter 10 Knoten faellt, geben wir auf. Wir fahren rueckwaerts. Nachts den Blister zu setzten, ist keine Option fuer uns: 120 qm wildgewordenes Tuch zu baendigen im Fall von Problemen, braucht keiner. Also bleibt nur, die Maschine anzuwerfen. Mit dem Abtauchen des Windes sind auch die Wellen verschwunden. Geht also ganz gut, trotz Wind genau auf die Nase. Wir kommen voran. Im Morgengrauen haben wir Tobago rechts neben uns. Wir setzten Gross und Vorsegel. Ein kleiner Wind von knapp vier Windstaerken stellt sich ein. Wie durch ein Wunder koennen wir unseren Wunsch-Kurs von 150 Grad segeln. Genau zwei Stunden lang. Dann kommt der erste Squall. Squalls sind lokale Wetterstoerungen, dauern meist nicht laenger als 20 Minuten, haben viel Wind im Gepaeck und noch mehr Regen. Da haeufig extreme Wind-Dreher in einem Squall stecken, steuern wir diese von Hand. Nicht, dass man es der Wind-Herta nicht zutrauen wuerde, gibt es zusaetzlich ein gutes Gefuehl nicht den Maechten ausgesetzt zu sein. Der erste Squall hat nur 30 Knoten Wind. Die naechsten schon 35 Knoten. :shock: Mensch und Maschine halten das aus. Trotz Vollzeug, da wir sonst ja gar nicht voran kaemen. Ein uebler Nebeneffekt so einer Wind-Regen-Wolkeist, dass die auf der Rueckfront komplett wind-leer ist. Nach einer Stunde ist der normale Wind wieder da. Bis dahin fahren wir mal wieder rueckwaerts. Die Stroemung drueckt uns genau auf die Kurslinie aus der wir gekommen sind (Beweisfotos koennen geliefert werden). Es ist wie verhext. In diesem Augenblick haben wir 183 sm gesegelt (das ist an sich fuer 54 Stunden schon eine Frechheit – der geneigte Leser erinnert sich, dass wir an ziemlich dem gleichen Ort schon mal 180 sm in 24 Stunden hatten) und sind von unserem Startpunkt 125 sm entfernt. Dafuer geht es kulinarisch heiss her: der Gelbflossen-Thun von gestern ist koestlich und wird uns zwei Tage ernaehren. :-)