Pläne, Änderungen, Verschiebungen

Do., 01. Okt..15, Gran Canaria, Tag 488, 2.728 sm

Achims Knie wird besser. Die Schwellung ist zurück gegangen und die Beweglichkeit nimmt zu. Trotzdem verbringt er viel Zeit unter unserer Sonnenabdeckung im Schatten und überlegt wohin er mich denn noch einmal schicken könnte.
Die letzten zwei Wochen bin ich bestimmt Hundert Kilometer Fahrrad gefahren. :cry:

Nun rückt er damit raus, dass er es für sinnvoll erachtet, dass wir für unser großes Vorsegel neue Schoten (Tüttelbänder) kaufen sollten.
In der Marina gibt es nichts passendes also muss ich nach“ El Sebadal“ ins Industriegebiet fahren.

Klar, mach ich, gerne… logisch, da war ich ja auch grad neulich erst…

El Sabadal liegt am äußersten Ende der Bucht von Las Palmas.
Warum stehen in jeder Hafenstadt am Ende der Bucht so steile Berge? – außer in Hamburg natürlich, Grüße an dieser Stelle an die schönste Stadt der Welt.

Die Anfahrt zum ultimativen Baumarkt und Marine-Laden von Las Palmas (King Hogar) ist zum radeln zu steil, ich muss schieben.
Zur Belohnung für das Erklimmen eines Hügels erhält man ungeahnte Ausblicke auf den unattraktiven Teil der Stadt.

Während ich so durch die Stadt hechel, sinnt Achim sich noch weitere Dinge aus:
Er organisiert einen neuen Krantermin für Samstag, hier in Las Palmas.
Dann gehen wir, wie ursprünglich geplant, drei Tage an Land und am Dienstag, den 6. Oktober wieder zurück ins Wasser.

Da wir nicht direkt vom Kranen in See stechen, sondern noch eine Nacht bleiben wollen, ist es an mir eine weitere Verlängerung für die Marina heraus zu holen.

Diesmal sitzt im Büro eine Dame hinterm Tresen.
Der Trick ‚ich habe ein Problem mit meinem Mann‘ funktioniert also nicht.

Genau genommen funktioniert gar nichts. (Zicke ;-) )
Nein, sie ist unerbittlich, erst am 6.ten darf ich nach einer Verlängerung um einen Tag fragen.
So sind die Hafen-Regeln. So sind die ARC-Regeln. Immer nur einen Tag vorher gibt’s Verlängerung.
Ich schwindel ein wenig und flüstere etwas von einer Nachuntersuchung im Hospital.
No go!

Ich gebe mich geschlagen und bin schon fast draußen…
Ich dreh um… einen Versuch starte ich noch: Ich frage sie, was ich mit dem Schiff machen soll, wenn ich am 6.ten eine negative Antwort bekomme während mein Mann im Hospital ist?
Das kann sie nicht beantworten, wird unsicher und das Eis ist gebrochen. Sie geht zum Chef und kommt mit meiner gewünschten Verlängerung wieder.

Somit bleiben wir nun bis zum Mittwoch-Mittag hier, aber dann sind wir hier wirklich weg. :-) Jetzt wird es auch Zeit, denn am 09. Oktober wartet Besuch auf La Gomera auf uns.

 

Es gibt auf Yachten ein Sprichwort…

Di., 29.Sep.15, Gran Canaria, Tag 486, 2.728 sm

…was kaputt gehen kann, geht auch kaputt.

Aber warum bitte muss es bei uns ausgerechnet die Klobrille sein?
Das ist doch nicht zu fassen. Mitten durchgebrochen.
Und dann auch noch als ich drauf saß. Unverschämtheit!

Das gute Stück stand bereits auf meiner ’sollte-mal-dringend-gemacht-werden-Liste‘.
In die Jahre gekommen war der Lack ganz schön ab.
Aber ich mag es nicht, wenn ich von Gegenständen zwangsverpflichtet werde.

Auf der nackten Porzellan-Schüssel zu hocken ist nicht wirklich toll. Die Brille bekommt somit Prio 1.

Achim leimt sie mir. Das gelingt ihm auch sehr gut.
Allerdings hinterlässt er große Mengen Leim, die ich mühevoll abschleifen muss. Deshalb darf er auch bei uns nicht malern oder lackieren.
Er verteilt mehr Farbe an seinen Händen und dem Fussboden als auf dem Malobjekt.

 

Ich habe schon eine ganze Menge lackiert. Allerdings ist der Unterschied bei 30 Grad auf dem Vorschiff, statt 20 Grad im heimischen Keller zu pinseln enorm.
Einschlafen darf man dabei nicht. Der Lack trocknet einem unterm Pinsel weg.

Der Vorteil: der Lack ist so schnell staubtrocken, dass Fliegen oder irgendwelche Fusel-Pflanzen-Samen keine Chance haben fest zu kleben.
Somit kann ich beide Seiten mit zwei Schichten am Tag pinseln.

Übermorgen sollten wir wieder gemütlicher auf der Toilette Platz nehmen können.

Puma an Bord

Fr., 25.Sep.15, Gran Canaria, Tag 483, 2.728 sm

Meine letzten Tage waren sehr verwirrend.

Während ich sonst morgens gemütlich im Cockpit bei einem Becher Tee auf frisches Brot warten darf, musste ich die letzen Tage selber los, um Brot zu kaufen. Da werde ich normalerweise sehr vom Brötchen-hol-Dienst verwöhnt.

Mit dieser ungewohnten Aufgabe ist nun Schluss, denn heute kommt der Verband von Achims Knie ab.
Der Doc ist sehr zufrieden und ordnet an: das Knie muss bewegt werden, moderat zwar, aber laufen sei jetzt ganz wichtig.
Zum Fäden ziehen muss er nicht, denn die Fäden an den beiden kleinen Schnitten lösen sich von alleine auf. Seine Schmerzen halten sich in Grenzen, nur ein wenig geschwollen ist das Knie noch.

Somit ist der weite Weg zu den Duschen auch endlich wieder erlaubt.
Zum Glück! Atanga erinnerte kurzzeitig an einen Puma-Käfig.
Nicht duschen können und nur Katzenwäsche bei 30 Grad im Schatten haben den Skipper mehr und mehr in einen pumösen Zustand versetzt :mrgreen:

Jetzt herrscht wieder reinliche Frische an Bord und Brot bekomme ich auch gebracht. :-)

 

Wir gehen in die Verlängerung

Di., 22.Sep.15, Gran Canaria, Tag 480, 2.728 sm

Alle Nicht-ARC-Schiffe werden spätestens am 30. September aus dem Hafen geworfen.
Man kann dann vor Anker in die angrenzende Bucht gehen, aber mit einem frisch Knie-Operiertem ist das keine so gute Lösung.

Unser Aufenthalt läuft am 28. September aus, also muss eine Verlängerung für eine Woche her.

Man sollte meinen, dass die Marina-Leute im Jahr 30 der ARC ihren Laden hier im Griff haben sollten. Klingt nicht nach einem unlösbaren Problem:
Es existieren 1.250 Liegeplätze an Stegen die durchbuchstabiert und Plätze die durchnummeriert sind.
Anhand dieser schlauen Matrix markiert man die Plätze der Dauerlieger, bestimmt welcher Platz für welches ARC Schiff reserviert ist und sieht dann die übrig gebliebenen Plätze.
Es ist ja nicht so, dass den Jungs im Office keine Technik zur Verfügung stünde: Flach-Bildschirme, echte Computer und große HP Laserdrucker. Alles da.

So wie wir es mitbekommen, regiert in der Organisation das Chaos.
Schiffe werden von einem Steg zum anderen verlegt, ohne dass die Lücke wieder geschlossen wird.
Andere Schiffe dürfen nur bis zum 23. September bleiben und werden ohne Angabe von Gründen in die Bucht gejagt. Anschließend sieht man auch hier erst tagelang eine Lücke und statt des erwarteten ARC Schiffes liegt dann dort ein anderer Nicht-Teilnehmer. :roll:

Unser Spanischer Nachbar musste letztes Jahr selbst als Dauerlieger seinen Platz verlassen, sorry Fehlplanung.
Er berichtete, es ging schon so weit, dass Schiffe vom Marina-Personal losgebunden worden sein sollen.

Über die Jungs im Office hört man die letzten Tage nur, sie seien unfreundlich, überfordert, unflexibel und nicht kooperativ.

Mit diesem Wissen im Gepäck mache ich mich auf den Weg ins Büro.

Vor mir sind noch drei weitere Kunden, so dass ich mir meine Taktik überlegen kann.
Der mittelalte Herr spricht gut englisch, aber ich entscheide mich dafür, ihn auf Spanisch anzusprechen:
„Hallo, ich heiße Sabine. Ich habe ein Problem mit meinem Mann.“

Ganz bewusst wähle ich diese Formulierung und meine Rechnung geht auf.
Er stutzt, denkt ich bin verrückt geworden, wirft sich dann in die Brust, grinst und bietet seine Hilfe an.
„Ein Problem mit deinem Mann? Wie kann ich helfen?“ und grinst mehr…

Zehn Minuten später haben wir, ohne wenn und aber, eine Verlängerung bis 04. Oktober. :-)

Statt Atanga am Kran hängt Achim am Tropf

Mo., 21.Sep.15, Gran Canaria, Tag 479, 2.728 sm

Für heute war unser Krantag geplant mit dreitägigem Land-Aufenthalt zum Pinseln von neuem Antifouling, Anoden-Erneuerung und einer Politur des Überwasserschiffs.
Es kommt anders.

Seit drei Wochen klagt Achim über Schmerzen im Knie. In der Annahme „ist von alleine gekommen, geht auch von alleine“, versucht er es zu ignorieren.
Leider ohne Erfolg. Als das Knie dann endlich auf doppelte Stärke angeschwollen ist, entscheidet Mann sich einen Arzt aufzusuchen.

Die Diagnose des Arztes, dass er einen Riss im Meniskus haben könnte, bestätigt ein Magnet-Resonanz-Scan.
Der Doc verordnet eine OP. :shock:
Sowas erfolgt heute minimal invasiv, keine große Sache, aber trotzdem…

Ein Preis wird ihm auch gleich mitgegeben: 3.500 EUR soll der Spaß kosten.
Ein Anruf bei unserer Krankenversicherung verläuft mehr als positiv. Sofort wird eine volle Kostenübernahme zugesagt. Allerdings müssen wir nachweisen, wann wir Deutschland verlassen haben.
Hm, ohne Flugticket oder auch nur einen einzigen Stempel im Reisepass nicht so einfach. Wir schlagen unseren Blog mit dem AIS Treck vor. Damit ist der freundliche Herr einverstanden.

Heute Morgen um 8:00 Uhr soll Achim sich im Krankenhaus einfinden. Das ist nur 1,5 km entfernt, da kommt er auch mit kaputtem Knie noch gut zu Fuß hin.

Es erfolgen die üblichen Untersuchungen: Blut, Blutdruck, EKG und um 9:00 Uhr bekomme ich eine SMS: „es gibt keine Vollnarkose, sondern eine Rückenmarkspritze.“
Also bekommt Achim den Eingriff voll mit und darf am Monitor sogar mitarbeiten.

Um 14:00 Uhr erneut eine SMS: „In meinen Beinen habe ich schon wieder Gefühl…aber im Po und Gemächt noch nicht… Alles totes Fleisch zwischen meinen Beinen.“  :mrgreen:

Zwei Stunden später die Entwarnung! Alles im Lot, sämtliche Körperteile sind wieder da.

Um 18:00 Uhr ein Anruf: „Du musst mich bitte auslösen. Meine Kreditkarte ist gesprengt.“
Da Arzt und Krankenhaus in zwei Etappen bezahlt werden müssen, wird Achims Kreditkarte nicht mehr für die fehlenden 2.000 EUR akzeptiert.
Das wäre meine Gelegenheit gewesen ihn in der Krankenhaus-Küche zum Abarbeiten zurück zu lassen.
Aber ich radel brav hin – ein gesunder Mann an Bord, unbezahlbar, für alles andere gibt es VisaCard.

Um 22:00 Uhr bringt ihn ein Taxi nach Hause (super Fahrt für den Fahrer, der hatte Spaß).
Über unseren Bug bekommen wir ihn unmöglich auf Atanga.
Aber ich habe schon unsere Nachbarn klar gemacht: Über deren flaches Heck kann er problemlos einsteigen und dann Mittschiffs, wo unsere Schiffe am dicksten sind, zu uns ebenerdig rüber steigen.

Dem Patienten geht es gut und ich habe jetzt einen Pflegefall an Bord. Man darf sich besorgt fragen, wer es schlimmer getroffen hat?