Trekking zur ‚Ciudad Perdida‘

Di., 18.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1144, 11.850 sm von HH

Morgen geht es ans Eingemachte.
Unser ‚Backpacking‘ in Mexiko war eine Kindergarten-Vorstellung gegen das, was kommt.
Im Grunde haben wir ja nur unseren Rucksack vom Hotel zum Bus getragen.
Jetzt erwartet uns ein anderes Kaliber.

Wir wollen zur ‚Ciudad Perdida‘ – zur ‚Verlorenen Stadt‘.

Erst 1975 wieder entdeckt, ist sie eine der größten präkolumbischen Stätten Südamerikas.
Vor über tausend Jahren von den Tairona errichtet, ist die Stadt in Vergessenheit geraten bis Grabräuber sie überwuchert in der Sierra Nevada entdeckten und plünderten.

Vor ein paar Jahren konnte man als Tourist mit dem Hubschrauber dorthin gelangen.
Den Kogi ist die ‚verlorene Stadt‘ heilig und so wurden Hubschrauber-Landungen eingestellt.

Heute ist sie nur zu Fuß zu erreichen. Über einen knapp 25 km langen Treck (und das gleiche zurück) durch den kolumbianischen Utwald.
Der Weg führt über steile Dschungelpfade, es gilt mehrfach Flüsse zu durchqueren und sich auf 1.200 Höhenmeter vorwärts zu arbeiten.
Am Ende sind noch über tausend Stufen zur ‚verlorenen Stadt‘ zu überwinden.

Ohne Handy Empfang, kein Internet, kein Strom.

Der Track gilt als mittelschwer und die häufigsten Beschreibungen lauten: „Du willst aus deiner Komfort-Zone raus…? Nichts, wirklich nichts bleibt trocken. Unglaublich anstrengend. Es gibt Millionen Mücken und zeitweise Bettwanzen.“ :shock:

Wir haben die Wahl zwischen vier oder fünf Tage Wanderung.
Wir entscheiden uns für den fünf-Tage-Track. Vor dreizehn Jahren wurden hier noch Touristen entführt, heute gilt der Weg als sicher. Mit der Farc gibt es ein Friedens-Abkommen und der Coca-Anbau hat sich in den Westen Kolumbiens verlagert.

Übernachtet wird in Hängematten oder in Gemeinschafts-Unterkünften in Stockbetten.
Nachts wird es kühl in den Bergen, aber es soll ‚Decken‘ geben.
Noch angewärmt vom Vorschläfer oder wie muss ich mir das vorstellen? Ein Laken oder Leinen-Schlafsack wird empfohlen.

Um die Verpflegung brauchen wir uns keine Gedanken machen, die wird von Eseln in den Urwald getragen. Für den ersten (halben) Wander-Tag muss man sein Trinkwasser mitbringen. Alle weiteren Tage wird durch ‚Pillen‘ Regenwasser trinkbar gemacht.

Nur :lol: seine persönlichen Sachen muss man selber schleppen: Klamotten, Waschzeug, Handtuch, Toilettenpapier, Taschenlampe und Fotoapparat.

Wie viel kann eine durchschnittlich fitte Mittel-Europäerin tragen?
Bei 30 Grad Hitze und 98% Luftfeuchtigkeit?
Ohne nach zwei Stunden nach einem Sauerstoff-Zelt zu verlangen?

Empfohlen wird nicht mehr als 10 kg mitzunehmen.
Für mich ist das zu viel. Viel zu viel.
Mein erster Stapel, den ich zusammen stelle, wiegt 7 kg. :shock:
Zu viel!

Ich handel mit Achim aus, dass er unser Waschzeug (total albern: Zahnbürsten, Shampoo, Deo und eine Haarbürste), das Mückenspray, Pflaster und Durchfall-Pillen alleine trägt.
Dann mogel ich ihm noch ein Handtuch unter – das hat zur Folge, dass er neun Kilo, inklusive drei Kilo Wasser, tragen muss.
Und ich verzichte auf frische T-Shirts für jeden Tag. Es stinken wahrscheinlich sowieso alle ab Tag zwei.

Auf ein Betttuch muss ich ebenfalls verzichten. Das ist schlimm, ekel ich mich doch in Hotel-Zimmern schon vor den Tagesdecken zu Tode.
Am Ende schaffe ich es auf 5,5 kg inklusive anderthalb Liter Wasser.

Den Kogi-Indianern ist es traditionell noch erlaubt Coca Blätter zu kauen. Vielleicht kann ich einem der Jungs (nur die Männer dürfen kauen) ein paar abschwatzen.
Gilt Coca Blätter kauen doch als Leistung steigernd. Nicht umsonst kaut die indigene Berg-Welt Südamerikas das Kraut.

Vorsichtshalber habe ich mir die Wuchs- und Blattform von Erythroxylum coca – dem Coca-Strauch eingeprägt. Nicht, dass man an seinem Glück noch planlos vorbei läuft. :mrgreen:

Ich melde uns mal ab für die nächsten fünf Tage.

Santa Marta

Do., 13.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1139, 11.850 sm von HH

Santa Marta ist wohl der quirligste Ort an dem wir bislang waren.

Die meisten Geschäfte werden auf der Straße gemacht.
Die Fußwege vor offiziellen Geschäften sind voll geparkt mit Fliegenden Händlern, Saftbuden oder Fress-Ständen.
Dadurch ist der Fußweg kaum mehr begehbar, was die Menschen auf die Straße zwingt.
Dadurch ist die Straße kaum mehr befahrbar, was die Autos zum Hupen zwingt.

Wer es eilig hat, umgeht besser die Einkaufsstraßen.

Touristen laufen fast gar keine umher. Der gemeine Touristen-Segler hasst ja auch nichts mehr als andere Touristen. :mrgreen:
Ein paar Backpacker, die in den angrenzenden Bergen wandern wollen. Das war’s.

Santa Marta gilt als die älteste Stadt Südamerikas. Gegründet 1525.
Schnell jedoch läuft Cartagena der Stadt den Rang ab. Santa Marta verliert an Bedeutung und an Glanz. Den holt sich der große Bruder Cartagena.

Heute ist nicht mehr viel aus der Kolonial-Zeit erhalten, nur ein paar Straßenzüge sind Zeitzeuge, dass vor 500 Jahren die Spanier hier landeten.

Kathedrale von Santa Marta

Kathedrale von Santa Marta

 

Ein zweihundert Jahre alter Friedhof liegt mitten im Altstadt-Centrum. Aufwendige Mausoleen mit Putten, Engeln und Inschriften wechseln mit Gräbern neueren Datums.
Hier wir in zwei Klassen beerdigt. In der ersten Reihe die Nobel-Gräber, dahinter, kaum zu erreichen und verdeckt, die ‚Favelas‘ unter den Gräbern. Grob gebaute Nischen für Urnen.

Die Preisliste steht gleich am Eingang: Vier Jahre ein „Gewölbe“ mieten, kostet 500 Euro.
Ein kleines „Beinhaus“ ist für den gleichen Zeitraum für 160 Euro zu haben.
Der Friedhof ist ein Treffpunkt für Jung und Alt, fröhlich schwatzend wird durch die Gänge flaniert oder die älteren Herrschaften hocken im Schatten der Bäume.

Die Versorgungslage in Santa Marta ist her-vor-ragend.
Es gibt Alles und alles für kleines Geld. Außer Milchprodukte und Schokolade, damit tun sich die Geschäfte schwer.
Obst und Gemüse ist von ausgezeichneter Qualität. Nie waren die Ananas saftiger, süßer und preiswerter. Weniger als ein Euro kostet eine große Frucht.
Auf dem offiziellen ‚Schwarzmarkt‘, mitten im Zentrum gibt es Zigaretten aus China (China Duty not paid :oops: ) und Rum aus Venezuela. Das Rauerherz freut sich, die Stange ist für 13 Euro zu haben.

Schwarzmarkt-Kunde incognito

Schwarzmarkt-Kunde incognito

Mittags können wir für 2,50 EUR pro Person essen gehen. Vorsuppe, Hauptgericht und köstlichen, verdünnten Fruchtsaft, soviel man möchte.
Abends kostet es ein wenig mehr…da muss man schon 4,00 EUR für ein Essen berappen. ;-)
Das Essen ist bodenständige Hausmanns-Kost. Die Suppe ein Reste-Mix, sämig aufgekocht mit Kartoffeln oder Bohnen. Herzhaft lecker.
Das Hauptgericht ist gegrillter Fisch oder Fleisch mit Salat, Reis und Kochbananen-Taler. Manchmal auch Pommes. Keine kulinarischen Höhenflüge, aber grundsolide.

Dafür kann man nicht selber kochen.
Was uns gut in den Kram passt, da die fortschreitenden Lackier-Arbeiten in der Pantry angekommen sind. Sperrzone.

Oder es gibt BBQ auf dem Marina-Gelände.
Organisiert von der kleinen Gemeinde der Langfahrtsegler (Finnen, Amerikaner, Engländer und ein paar Deutsche), die wir uns hier eingefunden haben.
Rinderfilet vom Markt kostet grad 11,00 EUR das Kilo. Da freut sich der Skipper, wenn sich die Grillstangen verbiegen. Fleisch satt.

Koom mi nich an de Farv!

Mi., 12.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1138, 11.850 sm von HH

Dieser Hamburger Schnack als ernst gemeinter Hinweis hat eine Lebensdauer von 15 Minuten. Als mein Held von der Dusche zurück kommt, steht er mit dieser Pose im Salon. :shock:

Breitbeinig und gut aufgelegt.
Das ändert sich spontan als ich an anbölke: „Hand ab! Rechts ist doch frisch gepinselt!“

Szene nachgestellt

Szene nachgestellt

Dass es eine Herausforderung werden würde auf dem Schiff zu wohnen und gleichzeitig heikle Stellen zu lackieren, war zu erwarten. Aber das? Den Kopf nur zum Haare schneiden, oder wie? :mrgreen:

Ist man nur eine Minute abgelenkt, schon hat man Malheur.
Um die kritische Stelle herum liegt Papier, von der Decke hängen Bänder, um auch beim letzten Crew-Mitglied die Erinnerung wach zu halten: „Achtung, frisch gestrichen.“

Dabei sind die Grundvoraussetzungen gar nicht schlecht. Durch die Hitze ist der Lack  nach dreißig Minuten schon staubtrocken. Ich kann morgens den ersten Schlag drauf pinseln und nachmittags bereits anschleifen und die zweite Schicht lackieren.
Trocknung wie im Lackier-Raum. Cool.

Dazwischen gibt es diese schwierige Phase, wo Anfassen unerwünschte Fingerabdrücke hinterlässt.
Die Erkennungsdienstlichen Maßnahmen sind angeschlossen. Alle Fingerabdrücke in die Schiffs-eigene Datenbank übernommen. Ausreden ‚ich war’s nicht‘ sind ab sofort, für uns beide, zwecklos.

Wir kommen um das Pinseln nicht länger herum.
Der Lack ist ab. Weg. Einfach abgegrabbelt. Natürlich nur an Stellen, die tausend Mal am Tag angefasst werden. Scheuerleisten in Bad, Pantry und am Navitisch. Und alle Haltegriffe.

Um uns beiden das Leben zu erleichtern, lackiere ich zuerst die Steuerbordseite, dann kommt Backbord. „Vorsicht, Achtung, Bauch einziehen, nicht gegen lehnen. :shock: Koom mi nich an de Farv, Du Dösbaddel.“

Die Tairona

Di., 11.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1137, 11.850 sm von HH

Die präkolumbischen Ureinwohner in Kolumbien waren die Tairona.
Bereits um 900 zogen sich die Tairona aus unbekannten Gründen aus den Küstenstreifen in die unzugänglichen Bereiche der ‚Sierra Nevada de Santa Marta‘ zurück. Dort errichteten sie Terrassenstädte in den Berghängen. Alle zwischen 900 und 1200 Meter Höhe.

Zur Hochzeit der Tairona soll es 200 dieser Terrassenstädte gegeben haben.

Als die Spanier ins Land einfielen, leisteten die Tairona heftigen Widerstand. Das Christentum lehnten sie rundweg ab. Trotzdem war um 1630 auch die entlegenste Stadt der Tairona erobert. Rücksichtslose Plünderung und die Suche nach Goldobjekten begann.

Das Goldmuseum in Santa Marta (freier Eintritt) stellt ein paar wunderschöne Stücke aus, die alle Plünderungen überlebt haben.
Nasenringe hatten es den Tairona besonders angetan. Im aufwendigen Wachs-Ausschmelz-Verfahren bei dem sowohl die Form als auch die Gussform verloren geht, wurden filigrane Schmuckringe hergestellt.
Das Gold wurde gehämmert, getrieben und gelötet.

Tonfigur

Tonfigur

 

Vielmehr ist nicht bekannt über die Tairona, da sie wie andere Südamerikanische Ur-Völker keine eigene Schrift entwickelten.

Heute leben die Kogi in der ‚Sierra Nevada‘ und gelten als direkte Nachfahren der Taitona. Dieses Volk gilt als eins der am wenigsten akkulturierte der Welt. Sie nehmen kaum Veränderungen und Anpassungen an fremde Kulturen an.
Zurück gezogen leben sie in den Bergen und pflegen ihre Traditionen. Fünf-bis Sechstausend Kogi soll es geben.

Sie sind die Hüter der ‚Verlorenen Stadt‘ in der ‚Sierra Nevada‘ und pflegen die alten gepflasterten Verbindungswege, Brücken, Stege und Treppen zwischen ihren Terrassen-Wohnstätten.

In Santa Marta trifft man hin und wieder auf einen Kogi-Mann.
Auffällig in ihrer weißen Tracht, an den helmartigen Hüten gut zu erkennen, wenig angepasst an die neuen Kulturen.

Arbeiten am Schiff

So., 09.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1135, 11.850 sm von HH

Als erstes widmen wir uns dem Wasser-im-Schiff-Problem.
Kennen wir ja schon von der Steuerbordseite. An Backbord werden die Arbeiten durch den unverrückbaren Salontisch erschwert.

Die Platten und Isolierung hinter der Sitzbank-Rückwand kommen trotzdem raus. Den ollen Kunstleder-Überzug auf den Platten entfernen wir. Der bringt uns nicht nach vorne, sondern verdeckt die Sicht auf Wasserränder.
Auf diser Seite sieht es nicht so schlimm aus, hier war wohl in der Tat das erste Mal, dass Wasser eingedrungen ist.
Alle Salzspuren werden beseitigt und rückwärts wird alles zurück gebaut.

An Deck hat Achim schon mit Sika die Püttinge neu abgedichtet.

Durch die Hitze ist das zeug sehr dünnflüssig und schwierig zu verarbeiten. Es fließt zwar gut in Ritzen, macht aber auch großen Schweinkram.

Jetzt heißt es hoffen, dass es dicht ist. Ein Test mit unendlich zur Verfügung stehendem Süßwasser (ist doch auch mal schön in einer Marina) aus dem Schlauch ist positiv verlaufen.

Allerdings ist Salzwasser tückisch. Es verhält sich anders als Süßwasser. Es scheint Augen zu haben. Augen, die noch die letzte Ritze zu finden, wo es zwischen laufen kann. Süßwasser ist an der Stelle blind.

Mit unserem Dorade-Lüfter bleiben wir erfolglos.
Der wird mit Süßwasser komplett geflutet. Nix! Kein Wasser dröppelt durch die Decke. Es bleibt nur, dass die naheliegende Fensterdichtung undicht ist. Die bekommt jetzt auch noch so eine Sika-Behandlung verpasst.

Nach drei Monaten nur am Anker mit begrenzten Waser-Vorräten war es auch an der Zeit mal wieder das Deck zu schrubben. Peinlich. :oops: Eine schwarze Brühe bürsten wir vom Holz. Hoffentlich hat das keiner gesehen.

Diese Wasser-Arbeiten sind noch die angenehmsten. Unter Deck sind 33 Grad, in der Sonne bestimmt 40. Die Sonne knallt, das Deck glüht, der Schweiß fließt.
Der ständige Wind gibt ein wenig Erleichterung. Körperlich Arbeiten in Santa Marta…nun, muss man nicht wirklich haben. ;-)