Nachruf

Mo., 05.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2318, 21.218 sm von HH

Mein Vater ist gestorben. Gert lebt nicht mehr. Trotz einiger altersbedingter Krankheiten kam sein Tod überraschend. Sein Leben lang wird man darauf vorbereitet, dass die Eltern vor einem sterben und dann ist es doch ein Schock. Gerne hätte ich meinen Vater im Mai noch einmal gesehen, aber der Corona-Wahnsinn hat das vereitelt.  Mein Leben lang habe ich meinen Vater Gert genannt, wie das gekommen ist, weiß ich gar nicht. Und jetzt kann ich ihn nicht mehr fragen. Er nannte mich ‚Schietbüdel‘ – auch noch als erwachsene Frau. Woher das stammt, kann man ahnen.

Seebär und Brummbär. Als junger Mann, vor meiner Geburt, ist Gert zur See gefahren als Schiffszimmermann. Ich habe als Kind an seinen Lippen gehangen und gelauscht. Seinen Geschichten gelauscht von haushohen Wellen, von Abenteuern, Freiheit und Fernweh und wurde infiziert. Ich habe von Sydney und Westafrika gehört, bevor ich zur Schule kam. Und an Heiligabend lief bei uns immer ‚Gruß an Bord‘, eine Radiosendung, die Matrosen tränenfeuchte Grüße von Mutti übermittelt hat. „Das Schiff kenn ich noch, den Käpt’n auch“, hieß es in den ersten Jahren. Diese Sendung lief auch noch, nachdem Gert niemanden mehr erkannte. Er war Äquator getauft, seefest und standsicher – ein echter Seebär. Dem Meer verbunden und mit Bergen nichts am Hut.

Brummbär und Seebär. Was konnte Gert brummig sein – warum vererben Väter eigentlich nicht nur ihre guten Seiten weiter? Laut in der Stimme war er in der Lage die ganze Elbe zu beschallen. Laut auch sein herzliches Lachen. Laut seine Freude, wenn er auf Feiern das Leben als ‚tau schön, tau schön‘ beschrie. Brummig, aber niemals bösartig. Brummig, aber immer den Schalk im Nacken – oder warum wettet ein erwachsener Mann, dass er fünfzig Eier essen kann?
Stets hilfsbereit und mit handwerklichem Geschick gesegnet. Nichts, was Gert nicht aus Holz bauen konnte. Er hat ein Haus gebaut und er hat für sich einen alten Schiffskutter ausgebaut, Möbel gezimmert, alte Sachen repariert und neue Dinge erfunden. Er hat uns beim Deck-Refit für Atanga geholfen und Schwalben-Nester und andere Spielereien fürs Schiff entworfen.
Und er war mit der richtigen Prise zivilen Ungehorsams ausgezeichnet: „Meine Haare wachsen während der Freizeit und während der Arbeit – also gehe ich jedes zweite Mal während der Arbeitszeit zum Friseur“.

Seine Asche wird in der Elbmündung verstreut. Das ist schön, er folgt dann unserem Kielwasser und braucht sich bei der ersten Tide nur etwas zu beeilen und kann uns bald eingeholt haben. Gemeinsam können wir dann weiterschippern. Zusammen mit Gert, der sich über unsere Reise mehr als alle anderen gefreut hat.

Brummbär und Seebär. Seebär und Brummbär.
In Liebe, Deine Tochter.

Gert am Tag unser Abreise mit Atanga

Und manchmal mache ich einfach die Augen zu, damit ich Dich sehen kann.

Die ganze Wahrheit – Teil 2

So., 04.Okt.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2317, 21.218 sm von HH

Natürlich hatten die anderen Recht. Natürlich stimmt die Aussage „hast du eine an Bord – wächst unter den Bodenbrettern garantiert eine Klon-Armee heran“. Die Rede ist von ‚Periplaneta americana‘ – der Amerikanischen Großschabe. wie alles begann
Im Januar hatten Achim und ich unter Einsatz von List und Tücke das vermeintlich letzte Exemplar an Bord weg gefangen. Wir wähnten uns bis zur Ankunft auf Gambier sicher.  Keine Amerikanischen Freunde mehr zu sehen.
Ungefähr vier Wochen später sah ich ein klitzekleines Insekt über die Kühlschrank-Klappe laufen. Zack, und Matsch! Drei Tage später wieder eines dieser Krabbelviecher. Eine genaue Untersuchung ergab keinen Zweifel:  eine Amerikanische Großschabe in Miniatur-Format. Auf Gambier gibt es keine Mittel gegen Kakerlaken zu kaufen, also blieb uns nichts anderes übrig als unsere letzten – seit 2017 abgelaufenen – Kakerlaken-Hotel-Fallen aufzustellen.  Erfolglos, unsere Kakerlaken lachten sich über das alte Gift kaputt und zeigten sich unbeeindruckt. Also konnten wir die sechs Monate auf Gambier prima den Entwicklungsfortschritt von Periplaneta verfolgen. Wie schnell die wachsen. Gru-se-lig! Hin und wieder konnte Achim eine erlegen und er wurde nicht müde zu betonen, dass ‚dies aber nun wirklich die letzte gewesen sei!‘ :mrgreen:
Natürlich hatten die anderen Recht. Natürlich war es nicht ‚die Letzte‘. Natürlich fand ich weiterhin Reste von ihren Panzern, mal einen Fühler oder ein Bein und natürlich ihren Dreck. Sechs Monate mussten wir uns in ungewollter Koexistenz Atangas Pantry teilen.

Damit ist nun Schluss. Natürlich hatten die anderen Recht, ‚das einzige, was hilft, was wirklich hilft, ist Borsäure‘! Das kann man in Papeete in der Apotheke in großen Mengen kaufen. Das Pulver mixe ich seit fünf Wochen mit Milchpulver (oder auch mal mit Kartoffel-Stampf) zu einem lecker Brei. Ein Schuss Zucker dazu, denn spätestens seit Edgar, der Schabe aus MIB, weiß man Bescheid – Kakerlaken lieben Zucker.
Damit unsere Amerikaner sich auch eingeladen fühlen von meinem Mix, habe ich ihnen aus Klopapier-Rollen kleine Hotels gebaut. Man möchte ja nicht unfreundlich erscheinen.

Ein Hotel für unsere Amerikanischen Freunde

Und was soll ich sagen? Hehehe, es wirkt. Vorzüglich! Nach vier Wochen tauchten die ersten Leichen auf. Mausetot auf dem Rücken liegend. Mal hier eine, mal dort eine. Inzwischen fast so groß herangewachsen wie ihre Eltern. Bäh! Es graust mich. Inzwischen habe ich alle Schränke auf den Kopf gedreht. Noch mehr Leichen. Hehehe. Über die Anzahl möchte ich kein Wort verlieren, natürlich hatten die anderen Recht, natürlich ist es eine Klon-Armee.
Noch etwas Geduld und noch mehr Brei für die Hotels und dann werden wir wohl hoffentlich bald komplett Kakerlaken frei sein.

Das Rätsel um den verschwundenen Wasserfall

Fr., 25.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2308, 21.218 sm von HH

Vor einem Jahr sind wir zum Kopf vom Wasserfall von Fautaua gewandert (Atanga berichtete). Diesmal soll es der Fuß des Wasserfalls sein. Zunächst sind beide Wanderwege identisch, nach der bekannten Gabelung zum Kopf vom Wasserfall *** folgen wir diesmal dem Flusslauf des Fautaua. Ein kleiner Trampelpfad führt parallel zum Fluss durch dichten Dschungel. Viele wohlbekannte Freunde wuchern hier im XXL-Format: Efeutute, Tradescantia oder Zebrakraut, diverse Korb-Maranten und Papyrusgras, Fleißiges Lieschen und natürlich Philodendron, der sich meterhoch an den Bäumen empor rankt. Es sieht aus wie in einer Zimmerpflanzen-Gärtnerei. Wir laufen recht ebenerdig, aber rechts und links werden die Berge steiler, die Schlucht enger.
Zunächst ist der Weg gut erkennbar. Steinmännchen oder mal ein Fetzten Stoff an einem Ast weisen den Weg. Dann führt der Pfad aus dem Wald hinaus zum Ufer vom Fautaua und wir werden mehrmals auf die andere Fluss-Seite geleitet. Achim in Wanderschuhen versucht es trockenen Fußes über Steine. Ich wähle den Weg des geringsten Widerstandes und der kleinsten Rutschgefahr und wate direkt durchs Wasser. Erfrischend, aber stellenweise doch tiefer als erwartet. Es dauert nicht lange, da habe ich einen nassen Hintern.

Achim versucht es trockenen Fußes

Stellenweise ist es so tief

dass es auch mal einen nassen Hintern gibt

aber angenehm erfrischend

Der Weg ist immer schwieriger zu finden. Auf den Steinen kann man ihn kaum noch entdecken. Ist das dort ein Steinmännchen oder liegt nur zufällig der kleine Stein auf dem Dicken? Wir arbeiten uns vorwärts. Nein, hier sind wir falsch, dort muss es weitergehen. Sieh mal, da hängt ein Zeichen! Wir krabbeln Steine hoch und Steine wieder runter und queren noch mehrmals den Fluss.
Und dann hört man ihn schon rauschen, den Wasserfall. Noch ein paar dicke Felsen liegen im Weg, dann haben wir ihn erreicht. Aber halt! Was ist das? Das kann doch unmöglich unser Wasserfall vom letzten Jahr sein. Wir gucken doof aus der Wäsche. Hat der Wasserfall sich verändert, können wir nur den unteren Teil von unserem Standort sehen? Sind wir gar am falschen Wasserfall?

Der große Fautaua Wasserfall

Niemals ist dieser kleine Wasserfall identisch mit dem im oberen Bild

Aus einer Rast und einem gemütlichen Picknick wird leider nichts. Es wimmelt vor kleinen Fliegen und sobald wir es uns gemütlich machen, fallen Zebra-Mücken über uns her. Und, Achim bemerkt es zuerst, der Himmel hat sich deutlich zugezogen. Wenn es jetzt zu regnen anfängt, dürfte der Wasserstand im Fluss schnell steigen. Er hat Recht, wir sollten zurück, ich möchte nicht durch brusttiefes Wasser zurück laufen müssen.

Also gibt es nur ein paar schnelle Fotos und wir treten den Rückweg an. Im letzten Drittes des Rückweges finden wir uns plötzlich auf einem steilen Pfad wieder, der in den Wald hineinführt. Der Trampelweg ist deutlich zu erkennen, aber wir kommen nur noch mit Hilfe der Hände vorwärts. Hier sind wir doch nicht gekommen, oder? Hm, ich bin mir sicher und bleibe wo ich bin, Achim quält sich noch ein Stück vorwärts bis zum Ende des Grats. „Hier oben geht es auf der anderen Seite mal richtig steil runter“, ruft er mir zu. „Senkrecht! Und du wirst es nicht glauben, da ist noch ein zweiter Fluss! Aber hier geht es definitiv nicht weiter.“
Sind wir falsch abgebogen und der Fluss auf der anderen Seite des Berghanges wäre der richtige gewesen? Wir drehen um und gehen zur Stelle zurück an der wir falsch abgebogen sind. Da, endlich, ein Steinmännchen und da, die Stein-Formation erkennen wir wieder, hier sind wir gekommen. Ab jetzt bleibt es einfach, wir finden sogar eine Lichtung ohne Mücken und dann gibt es auch endlich eine Brotzeit.

Gerettet, ein Steinmännchen zeigt uns den Weg

 

Auf kaum zu erkennenden Pfaden durch den Wald

oder am Fluss entlang

durch urige Landschaft

Das war eine tolle, abenteuerliche Wanderung (mit gutem Muskelkater zum Lohn), jedoch waren wir definitiv am falschen Wasserfall. Aber wir sind nicht die einzigen. In der Marina rätseln wir zusammen mit Doris und Wolf, wo sich der große Wasserfall verstecken könnte. Die beiden sind ein paar Tage vor uns genauso in die Irre gelaufen. Der Witz ist, dass sie vor fünfzehn Jahren schon einmal am richtige Wasserfall gewesen sind. Es gibt ein Beweisfoto davon.
Aber wo ist der Wasserfall heute? So ein hundert Meter Fall verschwindet doch nicht so einfach. Fragen über Fragen, ein Teufelskreis.

Das wilde und unberührte Innere von Tahiti

Vorbereitungen für die Weiterreise

Do., 24.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2307, 21.218 sm von HH

Da Neuseeland uns ja nun einen Strich durch die Rechnung macht, bleiben wir halt in Französisch Polynesien. Auch gut, die Marquesas kennen wir noch nicht und erscheinen uns als ein attraktives Ziel.

Der Beschaffungs-Marathon für die versorgungsarmen Inseln hat begonnen. Vor allem Ersatzteile für Atanga sind uns wichtig, um unser schwimmendes Haus am Laufen zu halten. Als erstes soll noch ein Paket mit einer neuen Membran für den Wassermacher zu uns. Die Membran liegt zu Hause bereits seit Monaten und ich wollte sie im Mai aus Deutschland mitgebracht haben. Da ein Paket unserer englischen Nachbarn per DHL innerhalb von einer Woche hier war, geht Achim frohgemut auf die Internetseite von DHL Deutschland und dort erscheint Französisch Polynesien in rot: ‚keine Lieferung möglich‘. Abgelegene Atolle, die kaum jemand kennt, wie Guam und Heard leuchten ‚grün‘. Achim glaubt an einen Programmfehler. Aber nein, die liebe Ulla, die in Deutschland mit unserem Paket zur Post geht, bekommt die gleiche Info: ‚keine Lieferung möglich – hat mit Corona zu tun‘. Aha! Viren kommen jetzt schon mit der Post? Nein, der Grund gibt mir prima die Gelegenheit noch etwas Neuseeland Bashing zu betreiben. ;-) DHL Deutschland schickt seine Pakete (grundsätzlich) über Neuseeland nach Tahiti. Die Kiwis haben aber jeden Flugverkehr hierher eingestellt – auch Frachtmaschinen. Warum DHL Deutschland sich nicht der Lieferkette über England oder Paris nach Los Angeles bedienen kann? Man mag nicht darüber nachdenken.

DHL Versand nicht möglich nach Französisch Polynesien – was Teil der EU ist

Die Membran soll aber hierher. Die ist uns für den Aufenthalt in den kleinen Atollen wichtig. Also besucht Achim einen Agenten, der für Ausländer die Verzollung von einkommenden Paketen übernimmt. Der Mann sieht kein Problem. Wir sollen das Paket nach Paris schicken lassen in sein ‚Büro‘ und von dort aus übernimmt seine Agentur den weiteren Versand. Voila, so einfach. Man muss auch mal bereit sein, die Spendierhosen auszuziehen, dann bekommt man auch sein Paket. Ohne den Versandt nach Paris kostet uns der Spaß ca. 350 USD. Aber nur, weil wir unter fünf Kilo bleiben. Sonst würde es teuer werden. :lol: Danke, Neuseeland.

Die Geschichten über Beschaffungen ziehen sich. Man bekommt auf Tahiti wirklich viel, aber die Puff-Preise schrecken ab. Achim ist auf der Suche nach Motor-Öl zum Ölwechsel, stinknormales 15-W40. Er bekommt fast einen Herzkasper vom Preis:  80 Dollar für fünf Liter Volvo-Öl.  Aber der gute Mann hat ja ein Fahrrad. Zehn Kilometer später und weit entfernt von jedem Schiffausrüster hält er schlichtes Hauruck-Öl für 33 Dollar in der Hand. Super!

Beim Schiffsausrüster schießen einem die Tränen in die Augen, man denkt das Geschäft ist pleite. Wer Tampen oder Fallen braucht, wird bitter enttäuscht. Fast alles ausverkauft. Zündkerzen? Fehlanzeige. Hier muss der Skipper wieder eine Radtour unternehmen, um fündig zu werden.
Auch in dem Geschäft in dem wir letztes Jahr noch unsere Ankerkette gekauft haben, steht man vor leeren Tonnen. Die Segelboote, die hier jetzt festhängen, rüsten auf. Die Boote, die nicht in Tahiti bleiben wollen, haben viele Meilen vor dem Bug. Alle Käufe und Ersatzbeschaffungen, die in Neuseeland erledigt werden sollten, finden jetzt vor Ort statt. Viele klagen über ihr schrumpfendes Budget – so war das nicht geplant. Das alles hättest du dir verdienen können, Neuseeland.

Neuseeland – eine Segler-Nation

Sa., 19.Sep.20, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2302, 21.218 sm von HH

Vorbei. Ende. Ausgeträumt.
Wir haben unsere Entscheidung getroffen und Neuseeland (für dieses Jahr?) von unserer Reiseliste gestrichen. Die vermutlich größte Segler-Nation der Welt hat kein Herz für Segler. Wir werden von der Regierung hingehalten und es werden immer neue Fußangeln nach uns ausgeworfen. Frau Premierministerin Jacinda Ardern und ihr Gesundheitsminister erkennen im Prinzip ‚Humanitäre Gründe‘ als Begründung für eine Einreise in ihr Land an. Nur leider hat bisher noch niemand herausgefunden, was als ‚humanitär‘ gelten könnte. Die herannahende Zyklon-Saison im Südpazifik ist es jedenfalls nicht! „Sollte ein Zyklon im Anmarsch sein, wo sich ein Schiff befindet, so bin ich bereit von Fall zu Fall zu entscheiden, ob ich eine Einreise genehmige“.  Der Gesundheitsminister übertrifft in seiner Plattheit durchaus noch unseren Bundes-Spahn. „Suchen Sie doch rechtzeitig Schutz in einem sicheren Hafen – zum Beispiel in ihrem Heimatland „.
Ein Schaden am Schiff, der hier nicht zu reparieren ist und dadurch bedingte finanzielle Einbußen oder gar der Verlust des Schiffes sind ebenfalls nicht humanitär. Und Frau Ardern sieht nicht, dass für die meisten Segler ihr Boot das zu Hause ist, sondern sie hält Segler für ‚privilegierte Reiche‘, denen sie kein Hintertürchen öffnen möchte, um ins Land zu schlüpfen. Es ist halt Wahlkampf.

Herr Minister, das sind die Flugbahnen von Zyklonen über einen Zeitraum von 25 Jahren im Südpazifik – nur mal so

Die Neuseeländische Regierung hatte aber trotz aller Bedenken kurzfristig die Dollar-Zeichen in den Augen und signalisierte, dass Schiffe, die einen finanziellen Vorteil von mindesten 30.000 Euro ins Land spülen, einen Antrag auf Einreise stellen können. Humanitäre Gründe zählen nicht – aber Geld ist willkommen. Pfui, schämt euch. Wir haben an einem Pilot-Programm teilgenommen und den Antrag gestellt, da wir in größerem Umfang Arbeiten am Schiff zu erledigen hätten.
Wir sind unter dem verlangten Betrag geblieben, aber das ist nicht der Grund, warum wir seitdem hingehalten werden. Das Konzept für die Quarantäne sei auf einmal nicht mehr ausreichend. Der ursprüngliche Ort könne die Auflagen nicht erfüllen, der Quarantäne-Steg an dem neu gewählten Ort sei jedoch zu kurz. Dabei ist die Quarantäne für Segler denkbar einfach, bringen wir unsere Quarantäne-Behausung praktischer Weise doch gleich mit. Außerdem wären wir ohnehin ungefähr drei Wochen auf See. Und müssten vor Abreise einen negativen Corona-Test vorweisen. Die neuen Argumente sind Ausreden, wie wir glauben. Solange noch Wahlkampf herrscht (bis Ende Oktober), wird hier keine Entscheidung getroffen werden. Und danach ist es für uns zu spät.

Die Seglergemeinde, die nach Neuseeland möchte, ist sauer. Ein britischer Kommentar hat die Premierministerin als ‚AdolfArdern‘ beschimpft. Wir finden die Entscheidungen der Kiwis schlicht unanständig. Zumal der Start für den berühmten ‚Americas Cup‘, der Mutter aller Segel-Regatten, planmäßig im Dezember in Auckland stattfinden soll. Das lässt sich die große Segler-Nation nicht nehmen. Dafür werden 110 (in Worten einhundertzehn) Team-Mitarbeiter mit Familie, Anhang, Tross und Kegel erwartet. Für uns ist das zweierlei Maß. Dann könnte man doch auch die ca. 250 Boote rein lassen, die jährlich im November nach Neuseeland möchten.

Ihren eigenen Landleuten gegenüber verhält sich die Regierung übrigens auch recht schäbig. Nach wie vor kommen die Kiwis nur häppchenweise ins Land zurück. Man muss nach der Ankunft in eine überwachte vierzehntägige Quarantäne und dafür gibt es nicht genug Plätze. Paare sind seit Monaten getrennt, ein Ende ist nicht in Sicht.
Eine Familie in Südafrika, der Vater mit einem Arbeitsvertrag in der Hand, hat ihr Haus und Hof verkauft, Hab und Gut in einem Container verpackt, der auf dem Weg nach Neuseeland war. Da kam Corona. Der Flug nach Neuseeland gestrichen und die Familie nur noch mit ihrem Handgepäck und den Klamotten am Leibe bekommt zu hören : „Ihr kommt hier nicht rein“.

Neuseeland erscheint uns als das ängstlichste Land im weltweiten Corona-Vergleich. Drei positive Tests in der Millionenstadt Auckland: Lockdown! Ein Infizierter im Supermarkt: Desinfektion des gesamten Geschäfts!  Die Maßnahmen werden in halbe Stufen eingeteilt: Level 2, Level 2,5, Level 3. Die Nachrichten überschlagen sich im Panik-Modus. Frau Ardern will die beiden Inseln partout Covid-19 frei bekommen. Koste es was es wolle. Leben mit dem Virus ist für sie keine Option. Ihr Volk kommentiert dies eher positiv. Aber es gibt auch spöttische Meinungen zu den Maßnahmen: „Wo bleibt eigentlich Level 2,49?“
Und der Inhaber eines Werftbetriebes in Neuseeland beteuert uns Seglern gegenüber sein Bedauern über die Entscheidungen. Gerne hätte er für die Yachties seine Tore geöffnet, so wird er wohl ein Jahr ohne Einnahmen bleiben. Hoffentlich kann er bis nächstes Jahr überleben.

Wir haben jetzt genug davon. Wir fühlen uns unwillkommen. Das gibt uns eine Ahnung, wie die Menschen auf Lesbos sich fühlen müssen. Wir haben vom Schwebezustand die Nase voll. Keine Entscheidung, ob wir am Boot noch in Tahiti etwas reparieren; ob wir Essen und Trinken für mehrere Monate bunkern müssen; ob Achim sich neue Schuhe kauft, die er eigentlich gar nicht mag; keine Entscheidung kann getroffen werden. Damit ist jetzt Schluss und das fühlt sich richtig gut an.
Neuseeland, du enttäuscht und kannst uns mal den Buckel runter rutschen.