Archiv der Kategorie: Neuseeland

Verratzt in Marsden Cove

Di.,16.Mai. 23, Neuseeland/Marsden Cove, Tag 3271, 24.696 sm von HH

In Marsden Cove ist der Hund begraben. Neben der Marina hat man künstlich eine verzweigte Flusslandschaft geschaffen. Durch mehrere Seitenarme sind so Wassergrundstücke mit eigenem Bootsanleger entstanden. Hier wohnen Richy Rich und seine Freunde. Mein Haus, mein Boot, mein Wohnmobil! Und mein Auto – gerne ein deutsches Fabrikat. Aber ein Jaguar oder Oldtimer erfüllt auch seinen Zweck.  Damit die Lagune nicht leer läuft, gibt es zwischen Marina und Siedlung eine aufwendige  Schleuse, die von den Crews selber bedient werden kann.

Eine Fußgängerbrücke über der Schleuse – alles nur vom Feinsten – Edelstahl overkill

Mein Haus – mein Boot

Alle Wasserwege wurden künstlich angelegt

 

Die Siedlung ist gerade erst entstanden. Noch sind Grundstücke zu haben. Der Quadratmeter nicht unter 1.200 Euro. Inklusive Steg, die bereits überall errichtet worden sind. Schöne Häuser, angelegte Gärten, große Grundstücke. Viel Rasen. Rasen vor dem Haus, Rasen hinter dem Haus. Achtung, eine Warnung für Kaufinteressenten. Irgendeiner mäht hier immer Rasen.
Sehr edel, aber (noch) etwas steril. Viel mehr gibt es in Marsden Cove nicht zu sehen. Wanderwege nicht vorhanden. Plattes Land um uns herum. Die hübschen Whangarei Heads liegen unerreichbar auf der anderen Flussseite.

Viel gemähter Rasen – irgendein Mäher läuft hier immer

Das Grundstück rechts neben dem Segelboot ist noch zu haben – 1250 qm

Die Marina bei Sonne – im Hintergrund die Whangarei Heads – mehrfach waren wir dort zum Wandern

Attraktion in der Marina – das Siegerboot vom America’s Cup 2000 – man achte auf die Hütchen – typisch NZ ;-)

Luftlinie ist es nicht weit nach Whangarei, aber auf der Straße läppert es sich eine Strecke auf 35 Kilometer zusammen. Zu weit fürs Fahrrad. Einen Bus gibt es nicht. Also mieten wir am Donnerstag einen Leihwagen. Der ist mit 45 Euro zwar teuer, aber nötig. Der Supermarkt auf dem Hafen-Gelände ist ganz gut sortiert, mangels großer Laufkundschaft ist das Obst und Gemüse leider häufig überlagert. Nicht mehr geeignet für auf See. Da wir unsere Vorräte für die Überfahrt täglich mehr auffuttern, kommen wir ums Nachbunkern nicht herum.

Aber ein Ende ist in Sicht. Diesmal sieht es wirklich gut aus. Echt! Ob Samstag oder Sonntag ist noch unklar. Zuerst muss noch ein hässliches Tief über Neuseeland ablaufen. Auf dessen Rückfront können wir nach Osten reiten. Reiten im wahrsten Wortsinn. Rodeo-Reiten.
Und wir haben tatsächlich Mitstreiter für dieses beknackte Unterfangen getroffen. Nette Italiener: Anna und Paulo von der ZoomaX. Sie werden uns allerdings nur für ein paar Stunden als Begleitung erhalten bleiben. Ihr Schiffchen ist sechszehn Meter lang und läuft mindestens anderthalb Mal so schnell wie Schnecke Atanga. Und auch sonst ist ein Vergleich mit ihnen albern. Sie sind bereits ums Kap Hoorn gesegelt und vertreten das Motto: „Ist der Westwind nicht auf 40 Grad zu finden, gehen wir halt auf 50 Grad.“  :mrgreen: Genau unser Thema.
Trotzdem gibt es ein gutes Gefühl, dass auch andere Crews das Wetterfenster sehen. „Wer einen sportlichen Start mag, der geht Samstag“, lacht Anna mich an, als ich sie nach ihrem Abfahrtstag frage. Ich ziehe vorsichtshalber eine unbestimmte Schnute als Antwort.
Na dann – das kann ja heiter werden.

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Neuseeland – Traumland?!!

Fr.,12.Mai. 23, Neuseeland/Marsen Cove, Tag 3267, 24.696 sm von HH

Update über die Weiterfahrt: Unser Wetterfenster ist zu – wir fahren diese Woche nicht. Für alle, die nach Norden wollen, geht sich der Wind aus. Wir würden in einer großen Flaute enden. Dafür ist die Strecke zu weit als dass wir gleich zu Beginn zwei Tage motoren könnten. Außerdem hat es so viel geregnet, dass am Kabeldurchlass am Mastfuss  Wasser in den Salon getropft ist.( :roll: – hört das denn nie auf?) So wollten wir dann auch nicht los. Der Skipper hat es zum Glück inzwischen behoben.
Nun heißt es auf das nächste Wetter-Angebot zu warten.

Wir wären gut aus NZ weg gekommen, um dann in diesem blauen Wind losen Loch zu enden

Das gibt mir die Gelegenheit mit Neuseeland abzurechnen. Traumland oder nicht?
Bei der Ankunft freuten wir uns, das ‚Französische‘ hinter uns zu lassen. Endlich ein Land mit einer Sprache, die man lesen und verstehen kann. Aber halt – ‚heavy accent‘- Alarm. Die Kiwis verdrehen die Vokale bis zur Unkenntlichkeit der Sprache: ‚seven tents, please‘ wird zu ‚siiven tints, pläjs‘. Was will der Kiwi, wenn er nach einem pin verlangt? Einen pen oder einen pin? Sich selber nennt er ‚Käiwaj‘ – da kann es am Anfang passieren, dass man nur Railwaystation versteht. 

Selbst das Lesen verläuft nicht ohne Stolperfallen. Hinweis-Schilder und Zeitungsartikel sind mit Maori-Begriffen (zweite Amtssprache in Neuseeland) gespickt: Die Warnung „Nur für tamariki“ muss man dann halt kennen. Betrifft es einen oder nicht? Eine Übersetzung gibt es nicht dabei.

Neuseeland ist bürokratisch bis zum Umfallen und vieles ist total einfach. Fortschrittlich und umständlich zugleich. Der Akt der Visums-Verlängerung hat Achim die letzten Haare grau gefärbt. Neben tausend gestellten Fragen sollten auch zwei Fotos dem Antrag beigefügt werden: Bitte vor hellem Hintergrund ohne Muster. Keine Schatten im Gesicht, keine Passanten im Hintergrund, keinen Schmuck tragen und auf keinen Fall lächeln. Horror-Monster-Fotos waren das Ergebnis. Die Fotos auf denen wir noch halbwegs nett aussahen, hat das System abgelehnt. Es folgen ein medizinischer Check  (Blutdruck, Hören, Sehen), das Röntgen der Brust (Tuberkulose) und ein Bluttest. Eine Prüfung auf Syphilis und Aids sind kostenpflichtig enthalten. Keine Geschlechtskrankheit vorhanden. Wir durften bleiben.

Ein Auto als Ausländer anzumelden und zu versichern, ist formlos möglich und in dreißig Minuten abgearbeitet. Auch ein Bankkonto zu eröffnen, ist nicht allzu schwierig.
Neuseeland wird seit einigen Jahren ‚grün‘ regiert und ist ein Kindermädchen-Staat: mind your head – watch your step – drive carefully – und doch ist vieles erlaubt.  Auf dem Boat-Yard hält man sich an staatliche Vorgaben. Es heißt, fällt ein Arbeitnehmer auf sein Knie, müssen am nächsten Tag alle Arbeiter Knieschoner tragen. Dafür sieht man in der Provinz Kinder mit Quads umher heizen und Familienmitglieder, die keinen Platz im Auto finden, sitzen halt auf der Ladefläche. Mit dem Auto an den Strand fahren oder zum Ziegen oder Schweine Jagen gehen, hey, warum nicht? Gewähre stehen zum freien Verkauf  im Camping Laden.
Die Kiwis lästern, sie seinen das Land der ‚orangenen Hüttchen‘. Das können wir bestätigen. Vor lauter Pylonen erkennt man die Straße vor sich nicht mehr. Dafür brettern 60 Tonnen Laster mit Holzstämmen beladen die schmalen Straßen entlang. Ein Tempolimit für Trucks existiert nicht. Diese Laster sind Furcht einflößend.

Neuseeland ist das Land der Kontraste: Yin Yang, Zuckerbrot und Peitsche, modern und hinterwältlerisch. Diese Mischung ist reizvoll. Es geht geordnet zu, man bekommt alles, Dinge sind geregelt. Die Kiwis sind durchaus zuverlässig und pünktlich. So mag der Deutsche das. Und als Individualist findet man Nischen, wo man sich austoben kann.
Als Ausländer wird man neugierig ausgefragt. Falls der „Käjwai „ seine undeutliche Frage wiederholen muss, bleibt er geduldig und freundlich. Ich bin Prozente-erhalten-Mitglied im örtlichen Handarbeitsladen. Nach zwei Besuchen war ich von Person bekannt und wurde immer auf nette Schwätzchen eingeladen.  Im Supermarkt packen die Kassierer die Waren mit perfekten Tetris-Künsten in den Einkaufswagen oder in mitgebrachte Taschen. Das einzige Land auf unserem Weg ohne Einkaufswagen-Chips. Die Kiwis mögen es gemütlich und schaffen Nebenjobs für Einkaufswagen-Zurückbringer.

Zwei wenig besiedelte Inseln zur freien Entfaltung. Wir lieben das. Vor allem die wenigen Menschen überall. Und dabei waren wir nur auf der „dicht“ besiedelten Nordinsel. Neuseeland – nicht ohne Grund eines der begehrtesten Auswanderländer der Welt. Wenn sie uns nehmen würden, wir könnten uns ernsthaft vorstellen zu bleiben. Trotz zu viel Regen.
Aber wir sind zu alt, zu nutzlos und haben zu wenig Knete. ;-)  In unserem Alter beträgt die Investition-Anforderung bereits mehrere Millionen Neuseeland Dollar.
Somit warten wir auf unser Wetterfenster, um in den türkisten Traum der Tropen zurück zu kehren. Auch schön.

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Umzug für die Abfahrt

07.Mai.23, Neuseeland/Marsen Cove, Tag 3262, 24.696 sm von HH

Neuseeland ist etwas umständlich bei der Abreise. Statt dass wir gemütlich in Whangarei Down Town ausklarieren können, schickt man uns Segler an die Mündung vom Hatea. Dort gibt es eine gepflegte Marina, einen mittelgroßen Supermarkt und mehr nicht. Nur zwei Meilen bis zum offenen Ozean.
Mindesten zwei Tage vor Abfahrt erwartet Immigration online eine Ankündigung über Ausreise-Absichten. Außerdem muss ein mehrseitiges Formular ausgefüllt werden mit den gleichen Anfragen wie bei der Einreise. Und wir müssen deklarieren, wie viel Alkohol ausgeführt wird. Peinliche Befragung. Wir kennen ja die Preise in Französisch Polynesien und sind entsprechend präpariert. Nudeln brauchste da nicht mit hinnehmen – Barilla kostet dort weniger als überall anders auf der Welt.  :mrgreen:

Also sind wir heute Morgen bei schittigem Wetter umgezogen und zwei Stunden den Fluss abwärts getuckert. Alle Systeme arbeiten reibungslos. Nur unser Radar will noch immer nicht. Vielleicht erfolgt ja noch eine Selbstreparatur … :roll:

Überhaupt das Wetter. Neuseeland macht uns den Abschied leicht. Die letzten drei Wochen waren grau und regnerisch. Die Temperaturen sind mit 18 bis 20 Grad noch angenehm, aber der Dauerregen schlägt etwas auf die Laune. Unser neues Deck ist grün. Tampen und Fallen sind grün. Die Sprayhood ist grün. Da ist Morgen noch Handarbeit angesagt.
Viele Wege zum Einkaufen und für letzte Besorgungen in der Zivilisation endeten klitschnass.

Alles grün nach nur drei Wochen – unser schönes Deck – heul! Okay, Holz wäre genauso grün geworden – das ist ein Trost

Ein Wetterfenster ist in Aussicht. Donnerstagnachmittag vielleicht. Wahrscheinlicher ist jedoch der Freitag. Es hängt etwas davon ab, wie schnell der Wirbel abgezogen ist, der aus Australien zu uns rüber kommt. Der Wirbel bringt Westwind, später Südwind. Perfekt!
Man soll freitags ja nicht auslaufen. Diesem Aberglauben messen wir hohe Bedeutung bei, haben uns aber die Sache schön zu recht gelegt: wir sind ein Deutsches Schiff und am Freitag ist in Deutschland noch Donnerstag. Voila, somit können wir ohne Probleme auch am Freitag los.

Die Aussicht für Mittwoch – ideale Windrichtung – Grundwind 30 Knoten – der mutige Segler würde fahren – uns Hasenfüßen sind Böen mit bis 40 Knoten aber zu viel ;-)

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Kiwi, Kiwis, Kiwifruit

27.Apr.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3251, 24.696 sm von HH

Immer der gleiche Name: Die Vögel, die Menschen und die Früchte. Um allzu große Verwirrung zu vermeiden, werden in Neuseeland die Vögel ‚Kiwi‘ genannt, die Leute ‚Kiwis‘ und beim Ost wird ein ‚fruit‘ angehängt.
Aber was war zuerst da?
1. der Vogel: Der heutige Nationalvogel Neuseelands wurde aufgrund seines Rufes bereits von den Maori Kiwi genannt. Im Internet finden sich Tonaufnahmen – mit etwas Phantasie hört man tatsächlich den ‚Kiwi‘ heraus.
2. die Neuseeländer: Während des 1.Weltkreiges sollen neuseeländische Soldaten Schuhcreme mit einem Kiwi als Logo mit in die Truppen gebracht haben. Schnell bekamen die neuseeländischen Soldaten den Spitznamen Kiwi verpasst und nahmen ihn mit in die Heimat. Eine Erfolgsgeschichte: heute bezeichnen sich alle Neuseeländer stolz als Kiwis.
3. Die Frucht. Seit über hundert Jahren wird in Neuseeland die ursprünglich aus China stammende Stachelbeere angebaut. Der internationale Export begann 1952. Die neue Frucht erfreute sich sofort großer Beliebtheit. Ein guter Handelsname sollte her. Weder der chinesische Name ‚Yang Tao‘ noch Stachelbeere waren tauglich. Warum nicht nach dem Vogel benennen? Beide sind ja schließlich braun, rund und pelzig. Die Kiwi-Frucht war geboren.

In den Supermärkten finden wir gerade eine Kiwifruit-Schwämme. Es ist Haupterntezeit. Für 2,40 Euro bekommt man ein Kilo herrlichster Gold-Kiwi.  Auch Kiwis haben wir reichlich kennen gelernt. Meist aufgeschlossene, freundliche Menschen, die interessiert auf jemanden zu gehen und viel Geduld mitbringen. Sie pflegen einen gemütlichen Lebens-Stil. Bitte nicht zu viel Hast – laid back – Fischen gehen und ein Bierchen dabei trinken, ist eine große Leidenschaft.

Somit fehlen noch die Kiwi in unserer Sammlung. Kein Neuseelandbesuch ohne Kiwi. In freier Wildbahn haben wir weder welche gehört, noch gesehen. Kein Wunder, der scheue Laufvogel kommt nur nachts aus seinen Erdhöhlen. Aber Whangarei hat ein Kiwi-Haus. Mit dem Rad strampeln wir uns sieben Kilometer bergauf und fragen uns, warum wir es nicht geschafft haben dorthin zu fahren als wir noch das Auto hatten (zumal Achim auf den Rückweg auch noch einen Platten hatte – andere Story :roll: ).

In einem ungefähr 60 Quadratmeter großen Terrarium wird mit Bäumen, Sträuchern und Laubboden naturgetreu eine Wald-Szenerie simuliert. Es ist stockdunkel als wir eintreten. Nur ein paar dezente Lampen täuschen Mondlicht vor. Unsere Augen gewöhnen sich und dann entdecken wir die Kiwi Dame. Aufgeregt und flink auf den Beinen – sehr flink – stochert sie mit ihrem langen Schnabel im Erdboden. Per automatischer Steuerung wird die Nacht zum Tag gemacht. Inklusive Dämmerungsphasen und zweimal in der Woche regnet es. Fotografieren ist verboten, um den Kiwi nicht zu stören.

Kiwi-Skelett mit Ei – im Verhältnis zur Körpergröße tragen die Kiwi-Weibchen die größten Eier im Vogelreich. Ein Kiwi ist so groß wie Huhn, wiegt bis 5 Kilogramm und das Ei 500 Gramm.

Das Weibchen ist knapp drei Jahre alt und bald geschlechtsreif. Bis vor kurzem wohnte sie noch mit einem Männchen zusammen. Aber der aufdringliche Kerl war frühreif und hat das Weibchen zu sehr begatten wollen. Er wurde bereits ausgewildert. Sie wird ihm demnächst in die Freiheit folgen. Dann ziehen neue Küken in den das Kiwi-Haus ein, um groß gezogen zu werden.
Von gelegten Eiern und geschlüpften Küken schaffen es grade mal 5 Prozent zu überleben. Zu hoch ist die Anzahl an eingeschleppten Jägern, die nachts die Höhlen plündern: Hermeline, Frettchen, Wiesel, Possums, Ratten und verwilderte Katzen lecken sich die Lefzen nach Kiwi Fleisch. Erwachsene Vögel sind groß und kräftig genug sich gegen die viel kleineren Angreifer zu wehren.  Sie müssen für den Erhalt des bedrohten Bestandes sorgen. Um ihnen zu helfen nicht auszusterben, hat die Umweltbehörde Neuseelands das große Ziel, dass die Inseln bis 2050 frei von Fress-Feinden sein sollen. Viel Erfolg!

Kiwi-Federn – sie wurden früher von den Maori zu prachtvollen Mänteln verarbeitet

Die grau-braunen Kiwi-Federn haben eine Besonderheit: Sie sind Daune und Deckfeder in einem. Alle anderen Vögel haben zwei verschiedene Federsorten. Weiche Federn bis in die Spitzen.

Neben dem Kiwi-Haus, gibt es ein kleines Museum und ein einige Terrarien mit Kiwi-Futter, heimischen Geckos und Stabinsekten. Eines dieser bizarren Tiere haben wir vor ein paar Monaten mal auf einem Auto entdeckt.

Ein schöner Ausflug – 12 Euro Eintritt pro Person. Kein Neuseelandbesuch ohne Kiwi ;-)

Stabinsekt – heimisch in Neuseeland – ein ungefähr zwanzig Zentimeter langer Stock

Wanderheuschrecken – Kiwi-Futter

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24 Minuten

25.Apr.23, Neuseeland/Whangarei, Tag 3249, 24.696 sm von HH

Die letzten vier Tage haben wir einen heißen Marathon durchlaufen. Von „das gibt es doch gar nicht“, bis „wir haben doch wohl kein Loch im Schiff“,  hin zu „dann müssen wir eben noch mal aus dem Wasser“, haben wir alle freudlosen Gefühle hinter uns.

Donnerstag
Bei der Fahrt zur Brücke hören wir die Bilgepumpe das erste Mal. Da es die Tage zuvor viel geregnet hat, regt uns das nicht auf. Unsere Backskiste hinten auf dem Deck hat eine Ablaufrinne. Schafft die Rinne es nicht den anfallenden Regen zu entwässern, läuft dieser durch die Backskiste ins Schiffs-Innere, wird dort durch die Bilgepumpe empfangen und wieder nach außen befördert. Kein sehr schönes System, kommt doch so unerwünschte Feuchtigkeit unter die Bodenbretter, aber so hat man in den 80er Jahren halt Boote gebaut.

Bei der Ankunft in der Marina hören wir erneut die Pumpe. Schulterzucken. Dann, beim Mittagessen wieder … verflixt, das gibt es doch nicht. Wo kommt das Wasser her? Achim prüft die Hauptverdächtigen, die Ventile und die Welle. Nichts zu fühlen. Im aufgeräumten Schiff bricht Chaos aus. Augenblicklich stehen alle Bodenbretter hoch. Irgendwo muss das Wasser  ja herkommen. Alle 24 Minuten springt die Pumpe an. Geschätzt pumpt sie jedes Mal einen Liter nach draußen. So ein Rinnsal muss doch zu sehen sein. Unter den Bodenbrettern ist nichts zu finden.

Freitag
Achim schläft schlecht in der Nacht. Alle 24 Minuten pumpt es. Durch die herbstlichen Nacht-Temperaturen bildet sich im Boot an Metall etwas Kondenswasser. Die Wellendichtung und Ventile legen wir komplett trocken und wickeln sie in Tücher. Wir verlassen für ein paar Stunden das Schiff. Als wir wiederkommen, sind die Tücher noch immer trocken. Es pumpt trotzdem nach 24 Minuten. Ventile und Welle werden als Schuldige ausgeschlossen.

Vielleicht ist ja die Pumpe kaputt? Wir stellen die Automatik der Pumpe ab und warten dreimal 24 Minuten. Dann stellen wir die Pumpe wieder an. Brav wird die dreifache Menge nach draußen befördert. Die Pumpe wird als Schuldiger ausgeschlossen.

Die entscheidende Frage, handelt es sich um Salz- oder Süßwasser, muss geklärt werden. Der Sumpf auf Atanga ist ein Schlund in die Hölle. Ein dreißig mal dreißig Zentimeter großer Schacht, achtzig Zentimeter tief. Seit 34 Jahren entwässert sich das Schiff über diesen Schacht. Er ist schmutzig. Eklig. Rostig. Ölig. Überlaufende Wassertanks, die Dusche, ausgekippte Putzeimer,  Salzwasser, was jemals ins Schiff gelangt ist, alles, was an Wasser unterhalb der Bodenbretter schwappt inklusive Dreck, wird über ausgeklügelte Kanäle zu diesem Sumpf geleitet.
Zu erreichen ist dieser Schlund genau genommen nicht. Einzusehen schon gar nicht. Er befindet sich halb unter dem Getriebe. Zusätzlich ist ein Schrank davor gebaut. Die Sicht behindert durch die Wellendichtung und andere Versorgungs-Schläuche. Steckt man den Kopf in den Schrank ist kein Platz mehr für einen Arm zum Leuchten. Streckt man den Arm Richtung Schacht aus, kann man nichts mehr sehen.

In diesen Schrank muss man auf der rechten Seite seinen Kopf stecken – so weit bis man mit der Schulter hängen bleibt

Wir lassen den Schacht erneut fluten, um das kühle Nass mit der Soßenkelle erreichen zu können. Unbekannt ist leider auch, ob der Fluss in dem wir schwimmen salzig oder süß ist. Ich opfere mich zur Geschmacksprobe. Achim schöpft mir eine Kelle aus dem Hafenbecken. Das Wasser ist schlammig braun. Eine echte Brühe. Viele Schiffe sind bewohnt, die Toiletten immer frei, wenn man zu den Waschräumen geht. Ich teste tapfer: salzig!
Die Probe aus dem Sumpf sieht klar aus. Eine leicht ölige Schicht ist mit bloßem Auge zu erkennen. Neben salzig schmecke ich Diesel. Ich möchte mir den Mund mit Seife auswaschen. Achim, die Dreckschippe, schlägt vor, dass wir beim nächsten Mal einfach Silbernitrat benutzen, um das Silberchlorit auszufällen. Das sei der einfachste Weg, um Salz nachzuweisen, grinst er frech.
Undichte Wassertanks werden als Schuldige ausgeschlossen.

Samstag

Haben wir etwa ein Loch im Rumpf oder was ist hier los? Unwahrscheinlich. Aber alle 24 Minuten läuft die Pumpe. Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.
Achim hat eine Idee. Ist vielleicht doch die Wellendichtung Schuld? Wir haben eine PSS-Dichtung. Die ist nagelneu und im Rahmen einer Motorwartung noch an Land ausgetauscht worden. PSS-Dichtungen sind der Mercedes unter den Dichtungen. Ein Balg wird mittels Schellen über dem Rohr festgezogen in dem sich die Welle dreht. Der Platz um die Schellen herum ist eng und verwinkelt. Vielleicht sind die Schellen nicht fest genug angezogen worden? Der tolle Motor-Mann, den wir an Bord hatten, war schon ein älterer Herr, etwas steif beim Kriechen auf allen Vieren.
Achim gibt den Schrauben eine Viertelumdrehung. Gespannt stoppen wir die Zeit. Und hurra, die Pumpe meldet sich nach 48 Minuten. Ist der Übertäter gefunden? Die Schellen bekommen noch eine Viertelumdrehung. Wir enden bei zwei Stunden, dann bei vier.

Sonntag und Montag

Die Abstände werden immer größer. Sind irgendwann nur noch schwierig zu ermitteln. Hat die Pumpe nachts gepumpt oder haben wir es nur nicht gehört? Seit 36 Stunden haben wir jedenfalls kein Pumpgeräusch mehr wahrgenommen.
Böse Zungen können jetzt natürlich fragen: Ist vielleicht die Pumpe kaputt? :mrgreen:

P.S. Unsere Abfahrt ist etwas nach hinten gerutscht. Ein Windsystem baut sich gerade unterhalb von Neukaledonien auf und wird in ein paar Tagen Neuseeland erreichen. Da möchten wir nicht los segeln. ;-)
Dahinter wird eine Flaute folgen – wir hoffen, dass danach ein Wetterfenster kommt.

Vorhersage für Sonntag, 30.April – etwas zu viel, um los zu segeln

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