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Unser Rigg ist fertig

Mi. 16.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 900, 8.300 sm von HH

Als letztes tauschen unsere beiden Rigger-Jungs heute die beiden Unterwanten.
Dabei kommt zum Vorschein, was wir weder befürchtet, noch geahnt haben: Das zweite Want ist ebenfalls gebrochen. Irgendwo in der Mitte. Für einen Laien sind diese Beschädigungen nicht zu erkennen.
Der Chef erklärt uns, dass nur eine minimale Abweichung von einer gleichmäßigen Wicklung der Kardeele immer ein Indiz für Bruch ist. Wir können nichts erkennen.

Nur, wenn es am Ende ‚ausfranst‘, können wir eine Beschädigung erkennen.

Mit der Arbeit sind wir sehr zufrieden, soweit wir das überhaupt beurteilen können.
Einer der Jungs gibt sich abends in dem Imbiss immer die Kante, steht morgens aber kurz vor 8:00 Uhr auf der Matte. Wenn das kein Indiz für gute Arbeit ist… ;-)

Ob der Stahl was taugt, wird sich zeigen.
Im Augenblick glänzen die Spanner rostfrei in der Sonne.
Leider mussten wir diese ebenfalls austauschen, da unsere alten kein „Standard“ sind und eigentlich für 12er Wanten gedacht waren. Standard-10er Wanten dort einzupassen wäre gegangen, hätte nur noch mehr gekostet.


Über den Preis für die sechs neuen Wanten schweige ich lieber…schlimm, ganz schlimm. Schlimm, schlimm, schlimm. :shock:

Somit sind wir nun fertig in der Grenada Marine.
Wir haben viel Schweiß, viel Geld und zum Glück kein Blut hier gelassen. Wir können die Werft aber uneingeschränkt weiter empfehlen.
Alle Gewerke sind vertreten.
Alle sind hilfsbereit.
Alles macht einen guten Eindruck.
Arbeiten werden schnell, sauber und gut ausgeführt. Tricia, die Büro-Chefin, hat den Laden voll im Griff. Wenn man etwas möchte, sie kümmert sich sofort und ruft über Funk die entsprechende Person.
Die Duschen sind okay. In die Jahre gekommene Badezimmer mit viel Platz und Wasser in allen gewünschten Temperaturen. Aber ohne Tiere. Höchstens mal ein kleiner Frosch.

Zum „Abschluss“ möchte Achim noch einmal in den leckeren Imbiss (womit habe ich eigentlich diesen Mann verdient?), köstliche, frittierte Hühnchen-Teile mit Bergen von Pommes verschlingen. Pommes rot-weiß, wie er betont. :cry:

Unser Rigger ist auch schon da.
Er spielt wieder das ‚lustige‘ Hütchen-Trinken: in einem Hütchen ist Rum, im zweiten Hütchen ist Eiswasser und aus dem dritten Hütchen wird getrunken. Aus dem Rum-Hütchen kommt ein Schubs in das leere Hütchen, runter gewürgt, dann ein größerer Schubs Eiswasser in das leere Hütchen und mit Erleichterung hinterher gegossen.
Saufen die Jungs in der Gruppe, wird das Rum-Hütchen unter allen aufgeteilt.
Es gibt immer nur ein Rum-Hütchen zur Zeit.

Systematisches Besäufnis. Allerdings ohne Freude, anders kann ich es nicht nennen.

Der Rum stammt aus der Clarkes Court Bucht, hier von Grenada, werden wir aufgeklärt.
Und er sei der stärkste Rum der Welt.
Na, ja, in jedem Fall hat er 69% Alkohol und nicht jeder beherrscht die Kunst ihn zu trinken, wie Rigger-Man betont.

Gute Nacht, lieber Rigger, fall Du Morgen bitte nicht von irgendeinem Mast.

Operation am offenen Herzen

Di. 15.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 899, 8.300 sm von HH

Wir haben drei Wanten auf jeder Seite des Mastes: ein Oberwant, dass von ganz oben bis aufs Deck führt, ein ‚Mittelwant‘, was unterhalb der oberen Saling beginnt und ein ‚Unterwant‘, was unter der unteren Saling beginnt. Das kaputte Teil ist das Unterwant.

Jetzt kann man nicht einfach alle drei Teile gleichzeitig abnehmen, dann kippt der Mast unweigerlich um. Wie ein Baum, auf die Seite. Timbeeeeer!
Also alles schön der Reihe nach.
Der Chef-Rigger sagt, der Tausch mit stehendem Mast sei kein Problem. Eine Operation am offenen Herzen, sozusagen.

Zuerst soll das Oberwant abgenommen werden. Dieses läuft allerdings zusammen mit dem Mittelwand an der Spitze der unteren Saling durch eine gemeinsame ‚Öse‘. Also müssen beide Wanten gelöst werden, damit sie aus dieser ‚Öse‘ gefummelt werden können. Der Mast steht zu diesem Zeitpunkt nur noch gesichert durch die beiden Unterwanten da. Wobei das eine davon auch noch angefressen ist… :shock:
Halbherzig wird der Mast mit dem Spi-Fall gesichert. Bloß keine Gewitterfront mit Böen jetzt.

Achim mag es nicht mit ansehen und geht zeitweise ganz weg. Ich halte die Stellung und mache Fotos. Sollte der Mast fallen, würde ich ‚you-tube‘-Millionär.
Wichtig nur, schön vorm Schiff stehen, nicht seitwärts. :mrgreen:

Aber die Jungs machen das nicht zum ersten Mal und wie wir hoffen, heute auch nicht das letzte Mal.

Die beiden machen alles barfuß. Sie haben nur einen Schraubenzieher, der entweder nach unten fallengelassen oder mit unserem Flaggen-Benzel wieder nach oben gezogen wird. Während der obere Mann arbeitet, mit Werkzeug hantiert, bleibt der untere cool darunter sitzen. Fallende Zangen – kein Problem für ihn, Sorgen macht er sich drum, wenn es soweit ist.

Wenigstens nehmen sie die Mann-Sicherung sehr ernst. Wohlwollend sehe ich, dass das Fall an dem der Rigger hängt jedes Mal sorgfältig gesichert wird.

Als die beiden Oberwanten aus der Saling befreit sind, werden die Mittelwanten wieder befestigt und Achim kann aufatmen. Der Mast ist jetzt vierfach gesichert.
Die Oberwanten bindet sich der Mast-Rigger an den Gürtel. Unsere Maststufen werden ignoriert und er lässt sich am Fall nach unten. Zusammen mit den 17 Meter langen Stahlseilen steht er nach drei Sekunden an Deck.

Die neuen Wanten werden nach der Länge der alten Wanten angefertigt und in umgekehrter Reihenfolge wie der Abbau erfolgt ist, wieder dran montiert.

Eigentlich haben wir doch Schwein gehabt

Do. 10.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 894, 8.300 sm von HH

Nach ‚gemein‘ kommt: „eigentlich haben wir Schwein gehabt“.
Hat es  an unseren Land-Stand-Tagen nur morgens geregnet, so schüttet es an unserem Krantag ab Mittag ununterbrochen. An Pinseln oder Polieren wäre gar nicht zu denken gewesen. Kranen geht aber auch bei Regen und wir sind ja fertig. :-)

Somit schwimmen wir ab Nachmittag wieder. Wir gönnen uns für 24,00 EUR einen Steg-Tag, um unbegrenzt Zugriff auf Frisch-Wasser zu haben (haha, von oben kommt genug).
Das nutzen wir, um mal wieder unser Deck zu schrubben. Auf allen Vieren kriechend, mit der Handbürste. Obwohl wir das nicht so häufig machen, stellen wir fest, dass unser Teak sich nicht vermehrt. An einigen Stellen ist das Holz schon ganz schön rau, die weichen Fasern weggewaschen.
Entsprechend kann sich Schmutz und Algen-Grün in den tieferen Rillen sammeln und bilden. Unser Teak-Deck-Refit und somit der letzte Schliff des Holzes ist mittlerweile fünf Jahre her und leider, leider merkt man das.
Aber noch ist alles gut und mit Bürste in den Griff zu bekommen.

Die Grenada Marine wirklich liegt in der letzten Bucht auf Grenada und außer dem 80 Mann starken Werftbetrieb gibt es hier nichts.
Kein Laden, kein Bar, keine Kneipe.
Das Restaurant, was zur Werft gehört wird gerade renoviert, deshalb gibt es nur den kleinen Chicken-and Chips-Imbiss.

Wir müssen hier allerdings noch bis nächste Woche ausharren.
Wir warten auf den Rigger. Der hat schon Maß genommen und uns versprochen, dass wir nächste Woche neue Wanten bekommen.

Jetzt kann ich es ja erzählen: Achim hat bereits in Guyana, nach der Hälfte der Nereid’s Rally ein kaputtes Want entdeckt. Wanten sind die Stahlseile am Mast, die rechts und links am Deck befestigt, den Mast daran hindern umzufallen. Wanten bestehen aus einem Bündel Stahldrähten, die aufgedreht zur Kordel, ein stabiles Stahlseil bilden.

Unsere Wanten bestehen aus 19 einzelnen Stahldrähten. Bei einem Routine-Check auf dem Essequibo stellt Achim fest, dass zwei der Drähte gebrochen sind. Der Bruch befindet sich allerdings außerhalb der Pressung, so dass das Bündel noch zusammen gehalten wird.

Mitten in Guyana ist guter Rat sehr teuer und eine Lösung unmöglich. Es gibt in Guyana keinen Ersatz für unser kaputtes Want.

Uns bleibt, in die Karibik zurück zu fahren oder für das geschwächte Want eine Entlastung zu finden, die Rally weiter zu fahren und am Ende, nämlich jetzt einen Rigger zu finden.

Mit Hilfe eines doppelten Blocks, eines neuen Falls (nagelneues Seil, was extremen Zug verträgt und sich nicht reckt) basteln wir uns Backstagen, die wir über die Winschen im Cockpit stramm ziehen. Richtig stramm ziehen.
Und zwar immer dann, wenn sich der Druck im Segel auf der gegenüberliegenden Seite des kaputten Wants befindet.

Da wir ja nun wie die Doofen nach Französisch Guyana kreuzen mussten, hatten wir alle paar Stunden den Druck auf der „falschen“ Seite. Dementsprechend unentspannt war mein Skipper.

Ich bin technisch unterbelichtet und habe darauf vertraut, was alle Männer (aus meiner Sicht auch sehr kompetente darunter) zu Achim Konstruktion meinten: „wird schon gut gehen…was soll passieren…das hält…gute Lösung…sind ja noch 17 Kardeele übrig…so viel Wind ist ja nicht zu erwarten…ich würd’s auch machen… müsst ihr halt aufpassen…“

Über 1.200 Meilen hat die Konstruktion gehalten.
Das hätte wahrscheinlich nicht jede Crew so entschieden. Ob das nun vernünftig oder unvernünftig war, darüber kann man sicherlich trefflich streiten.
Aber wir (ähm, also Achim) haben das Risiko vernünftig abgewogen und uns entschieden, den Weg zu gehen.
Wahrscheinlich hält das Want noch viele Jahre, ohne dass etwas passiert.
Dennoch haben wir uns jetzt entschlossen, nicht nur das kaputte Want, sondern alle (sechs) Wanten austauschen zu lassen. Das eine ist ja schließlich nicht so ganz ohne Grund angefressen gewesen.
Das Alter, wo es angeraten ist, haben sie außerdem, und daher los: Geldbeutel auf. Mit so einem nervösen Skipper möchte ich nicht noch einmal durch die Gegend segeln.

P.S. Unsere Stagen sind alle vor der Reise neu gemacht worden. ;-)

Gemein

Di./Mi., 08./09.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 892/3, 8.300 sm von HH

Tagsüber hat es locker 35 Grad im Schatten.
Um nicht in der schlimmsten Mittags-Hitze arbeiten zu müssen, stehen wir vor Sonnenaufgang auf. Morgens ist es mit 27 Grad noch „kühl“ und angenehmes Arbeiten steht an. Früh auf der Sonnenseite arbeiten, um später in den Schatten zu rücken. So lautet der Plan.

Was jetzt kommt, ist gemein: Grad als wir die Leiter runter wollen, fängt es zu regnen an.
Nicht lange, aber heftig.
Der Rumpf ist entsprechend nass und nicht bepinselbar. :shock:

Als alles wieder trocken ist, steht die Sonne bereits hoch am Himmel.
Ich könnte heulen. Aber dafür habe ich schnell keine Tränen mehr. Ich schwitze wie ein Schwein. Vier Liter Wasser über den Tag verteilt und kein einziger Toilettengang ist nötig. ;-)

Achim hat die Polier-Karte gezogen und kann etwas früher beginnen als ich. Das hilft ihm wenig, auch er schwitzt wie ein Schwein. Für ihn kommt erschwerend hinzu, dass er mühsam auf ein Hoch-Sicherheits-Gerüst klettern muss.

Gestern, beim Kranen, hat mir eine Veronika erzählt, dass die Yachten, die auf ‚Rasen‘ stehen, unglaublich mit beißenden Ameisen zu tun haben. Schnelle kleine Biester, die einen förmlich auffressen. Ich freue mich als ich sehe, dass wir auf Schotter gestellt werden. Zu früh.

Was jetzt kommt, ist ein bisschen gemein: Pfützen bleiben nach dem Regenguss unter Atanga zurück. Riesige Seen aus dreckigem, fast heißem Brackwasser. Na toll! FlipFlops müssen her.
Die Füße weichen deutlich über eine normale Badewannen-Schrumpeligkeit auf. Somit passen sie gut zu den Händen, die sich in Latex-Handschuhen förmlich verflüssigen.
Jetzt schwitze ich nicht nur wie ein Schwein, nein, ich sehe auch noch so aus.

Und auch gemein: Trotz Overall haben sich gestern beim Schleifen kleine Partikel Antifouling ihren Weg durch Ärmel und Halsöffnung gesucht. Dort sind sie zusammen mit Schweiß zu einem prima Brei verbacken. Der hat an den zarten Hautstellen, wie Handgelenk, Ellenbogen-Beuge und Hals einen brennenden Juck-Ausschlag hinterlassen. Ich könnte heulen, geht aber aus den bekannten Gründen nicht.

Aber wir ziehen das durch. An Land zu stehen ist so ätzend, dass wir es keinen Tag länger als nötig ertragen wollen. In zwei Tagen schafft Achim den gesamten Rumpf zu polieren und ich zweimal das Unterwasserschiff mit Antifouling zu streichen. Absolute Schwerstarbeit.

Und jetzt das aller gemeinste: als wir fertig sind und das Maler-Klebeband vom Rumpf ziehen (extra das gute blaue genommen, was letztes Jahr so gut ab ging), bleibt auf die volle Länge, beidseitig, der Kleber an Atanga haften.
Sowohl die Gummierung als auch darunter eine gelbliche Verfärbung. Wir versuchen alles!
Spiritus, Öl, Balistol, Aceton, Petroleum, Anti-Gilb und Benzin. Nichts hilft, das Gelbe bleibt. :cry:

Uns bleibt nichts anderes, als zu hoffen, dass das „von alleine“ wieder verschwindet.
Abfault oder im Salzwasser aufgibt.
Wer sachdienliche Hinweise geben kann, bitte gerne.

Zum Feierabend gibt es zwei Bier und „Fish and Chips“ oder „Chicken and Chips“ in dem Imbiss. Bereits an Abend zwei gruselt es mich vor den tot-frittierten, mit zweifelhafter Panade überzogenen, Hühnchenflügeln.
Die sind so schlecht und fad, dass ich mich an dem Fisch gar nicht erst versuche. (Anmk. der Red.: Achim findet die Fritten und Hähnchen-Teile total geil und giert immer noch nach meinem Teller). Mir ist alles egal. Um halb neun fallen uns sowieso die Augen zu.

 

 

 

Atanga an Land in Grenada Marine

Mo., 07.Nov.16, Grenada – St. David’s Harbour, Tag 891, 8.300 sm von HH

Gestern sind wir dann doch in „unsere“ Bucht gelaufen. Bei Sonnenschein ist das alles Pippi-Kram…fast müssen wir über uns lachen, dass wir uns nicht rein getraut haben in die „gefährliche“ Enge. W
Was ein wenig Dunkelheit doch ausmacht.
Wir würden wieder so entscheiden und finden, dass wir es richtig gemacht haben. Ausnahmsweise ist sich die Crew mal einig. :-)

Pünktlich um 8:30 sind wir dran mit Kranen. Das läuft wie geschnitten Brot.
Es können auch acht Meter breite Katamarane gekrant werden, alles ist überdimensioniert.
Wir passen gut in die Box und Gurte. Achim geht zur Kontrolle der Gurte tauchen.

Gute Entscheidung. Wie befürchtet, sind die hinteren zu weit vorne, sprich, sie liegen über der Welle.

Zum Glück erhalten wir die Nachricht von Asha und Helge von der ‚Gegenwind‘ einen Tag zu spät, dass die letztes Jahr genau hier aus den Gurten gerutscht sind.

Als Atanga dann aus den Fluten empor steigt, trauen wir unseren Augen nicht: alles clean!
Keine Algen, kein Schleim, keine Muschel, kein Bewuchs. Keine Seepocke, nichts!

Unser Aufenthalt in den Süßwasser-Flüssen hat alle Seetiere zum Sterben gebracht und wir haben auch noch ihre Skeletts verloren.
Wie cool ist das denn? Gibt es ein besseres Antifouling als Süßwasser? Das Abspritzen mit dem Hochdruckreiniger erfolgt nur noch der Form halber. :-)

 


In der brütenden Tropensonne trocknet Atanga schnell ab, so dass ich am Nachmittag bereits die Oberfläche kurz anschleifen kann. Gute Vorbereitung für Morgen.
Achim bearbeitet derweil das Unterwasserschiff mit ‚Antigilb‘. Wenn uns die Flüsse unter Wasser auch Arbeit abgenommen haben, so sieht die Bordwand doch arg gelb verfärbt aus.
Das Zeugt funktioniert großartig, so dass wir recht schnell ansehnlich weiß aussehen.

So kann es weiter gehen.