Sa., 07.Apr.2018, Panama Kanal, Tag 1400, 12.444 sm von HH
Das Tor öffnet sich und dann liegt er da. Der Pazifik. Unendliche Weiten, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat. Ein wow-Moment, Gänsehaut. Das ist nicht einfach nur eine Schleuse, nein, dieser Moment rührt. Ich fühle mich klein, ob der Weiten, die vor uns liegen und doch so groß, da wir es bis hierher geschafft haben.
Der Trip beginnt gemischt. Unsere Line-Handler sind drei schwatte Jungs, noch halbe Kinder, grad erst 17 und 18 Jahre alt. Nur Santiago ist über 20 und spricht etwas Englisch.
Sie interessieren sich mehr für ihr Handy als für ihre Kunden, ein Gespräch kommt erst zu Stande als die Akkus leer gespielt sind. Nette Jungs tauchen plötzlich hinter den Handys auf.
Mein Hähnchen-Curry kommt mäßig gut an. Nicht scharf genug, es wird nach Chili verlangt. Ich nehme es nicht persönlich, wer vor dem ersten Probieren Salz verlangt, ist kein ernstzunehmender Testesser.
Zum Schlafen bringen wir zwei Jungs wir im Salon unter, einer bekommt das Cockpit.
Kurz nach 5:00 Uhr wird der Advisor gebracht. Larry informiert uns, dass es um 7:00 Uhr losgeht und haut sich im Salon erst mal aufs Sofa und nimmt eine Mütze Schlaf. Während Larry sein Nickerchen hält, bereite ich das Frühstück. Eier, Würstchen und Toast. Gefällt den Jungs schon besser. Jetzt wird auch Larry wieder munter.
Und dann geht’s los. Vor der Schleuse werden wir in ein Dreierpäckchen geschnürt. Wir docken an der rechten Seite an. Die Segelboote sind nahezu gleichwertig und das ‚Nesting‘ klappt reibungslos.
Ein wirklich dicker Frachter steckt schon in der Schleuse. Das nenne ich Millimeter-Arbeit. Schwer beeindruckend, wie die Loks den Frachter von den Schleusenwänden fernhalten. Da passt kaum ein Taschenbuch dazwischen.
Jetzt fängt es an Spaß zu machen, dass wir drei Profi-Line-Handler haben. Ich brauche mich um nichts zu kümmern. Die Jungs fangen die Affenfäuste, bedienen die Leinen, kümmern sich um die Fender. Manchmal passen sie nicht richtig auf und vertrödeln nach Kinder-Art ihren Einsatz, aber alles klappt wunderbar.
Als ‚Morning Courier‘ den Propeller anwirft, wird es spannend. Es sprudelt und wirbelt. Ganz unerwartet zerren unglaubliche Kräfte an unserem Dreier-Paket. Die Leinen dehnen sich, das Paket schwingt hin und her, Tampen knarzen. Noch mehr Dehnung. Für die nächsten zwei Schleusen verdoppeln wir die Verbindung innerhalb des Paketes. Mit so viel Druck hat keiner gerechnet.
Achim schwitzt. Unsere dänischen Nachbarn auch. Den Kanal mit dem eigenen Schiff zu fahren, ist ungleich aufregender als nur als Gast mitzufahren. Puh!
Die beiden nachfolgenden Schleusen verlaufen ebenfalls fehlerfrei. Wir erreichen den Gatun See.
Die Jungs haben frei und langweilen sich zu Tode. Kann ich von mir nicht behaupten, ich bin schon wieder am Kochen. Zum Mittag gibt es Chili con Carne. Diesmal mache ich es besser. ‚Muy picante‘, werde ich gelobt. Hier würzt heute keiner nach – während mir die Schnauze brennt.
Der Panama-Kanal ist im wesentlichen durch die Überflutung eines großen Tals entstanden, nur Richtung Pazifik musste gebuddelt werden. Diese Engstelle wird zeitweise zur Einbahnstraße erklärt. Wir müssen eine knappe Stunde warten bis wir weiter fahren können. Die Bojen an denen wir festmachen sind so groß, dass man darauf laufen kann.
Schließlich geht es weiter und wir erreichen die Pedro Miguel Schleuse. Unser dänisches Päckchen-Boot wartet schon. Die Situation ist nicht so entspannt wie morgens, eine starke Strömung treibt beide Boote Richtung Schleuse. Nach einem Fehlversuch sind wir verbunden.
Da erhält Larry über Funk eine Information: Der Däne soll an einen Ausflugsdampfer, das Päckchen ist wieder zu trennen. Etwas Unmut macht sich breit, der Sinn erschließt sich uns nicht. Erst der Stress beim Zusammen binden, jetzt Kommando zurück.
Was mit uns jetzt passiert, ist zunächst unklar. Das Schiff auf der Stelle zu halten, ist nicht ganz einfach, die Schleusen kommen näher und von hinten rücken zwei Pötte gleichzeitig nach. Unsere ‚Morning Curier‘ und ein Maersk-Dampfer.
Wir versuchen Kreise zu drehen ohne den Frachtern vor die Nase zu fahren und den Kanal zum Erliegen zu bringen. Dann erhält Larry neue Info: Atanga in die Mitte, rechts und links kommen zwei kleinere Segelboote. Jetzt ist Atanga die Leitkuh. Damit hat keiner gerechnet. Achim schwitzt. Larry auch. Er übernimmt als Leit-Advisor das Kommando über alle drei Boote, Achim am Ruder. Dann Aufatmen, alles klappt reibungslos. Unsere Line-Handler haben nichts zu tun und die beiden anderen Schiffe machen einen guten Job.
Nur noch zwei Schleusen to go.
Das Päckchen bleibt im Verbund für knapp drei Kilometer zusammen und Atanga zieht die beiden angehängten Boote mit zur vorletzten Schleuse: die Miraflores Schleuse. Hier stehen das Besucherzentrum und die WebCam. Viele Augen, die einen Fehler bezeugen und tausende Eide schwören könnten: „das Boot in der Mitte hat Schuld.“ Also jetzt bloß kein Patzer.
Nein, wieder klappt alles, wie geübt.
Es folgt das letzte Tor. Und dann liegt er da, der Pazifik.
Einen ganz großen Dank an alle, die versucht haben, die WebCams zum Laufen zu bekommen und unseren Ritt durch den Kanal verfolgt haben. Ihr seid klasse. Leider gab es einige Meldungen, dass die Kameras nicht laufen.
Thomas, Rolf und Helika hatten Glück, bei ihnen gab es eine Anzeige. Eure Bilder freuen uns sehr.