Achim allein Zuhause

Fr.,13. Aug.2021, Franz.Polynesien/Tahiti/Papeete, Tag 2630, 22.204 sm von HH

Jetzt ist Bine schon 5 Tage weg und genießt die Annehmlichkeiten in Hamburg. Da sie zum Schreiben dann weder die Zeit noch die Gelegenheit hat, darf ich mal wieder ran. Nun gut.

Fünf Tage und Nächte im Zentrum von Papeete. Was macht man da denn so allein an Bord?

Nicht nur, weil hier gerade mal wieder nächtliche Ausgangssperre verordnet wurde, fiel meine Entscheidung zugunsten von Hertha aus.

Hertha ist eine echte Hamburgerin. Sie ist fast 22 Jahre jung, fleißig, still, genügsam und arbeitet ohne zu murren. Sie ist zu Diensten – zu jeder Tag und Nachtzeit und selbst, wenn man sie mal links liegen lässt, nimmt sie es einem nicht Übel. Ein echter Schatz.

Hertha ist unser wichtigstes Crew Mitglied. Sie steuert das Schiff immer, wenn wir Strecken über 20 Seemeilen vor uns haben. Hertha ist eine Windsteueranlage Typ Pacific Plus. Ein kleines technisches Wunderwerk. Ohne Strom zu benötigen, lenkt sie das Schiff nach dem Wind und hält uns den Rücken frei – und das auf allen Kursen – Tag und Nacht.

Seit einiger Zeit macht sich aber das Alter bemerkbar und Hertha wurde ein bisschen klapprig. Nicht, dass sie deswegen ihren Dienst versagt hat, aber man sah ihr an, dass sie mal betüddelt werden will.

Fast die ganzen Zeit seit Bines Abfahrt habe ich also versucht, die nach Jahren zu einer durch Salz und Fett verbackene Einheit auseinander zu nehmen, zu reinigen und mit Peter Förthmann von Windpilot zu kommunizieren, um zu klären, wie ich sie zerlegt bekomme und welche Teile wir tauschen sollten, damit das Mädchen wieder wie neu wird und uns weiterhin die Arbeit des elendigen Rudergehens abzunehmen. Ohne Peters Ratschläge würde ich immer noch draußen versuchen, das Schätzchen zu zerlegen. Dafür nochmal vielen Dank.

Wer denkt, dass man eine solche Einheit durch gutes Zureden und etwas WD40 auseinander bekommt, der irrt. Große Hebel mussten ran und der Schweiß lief mir nur so den Körper runter – ungefähr vergleichbar mit der alten Cola Light Werbung. (Bilder werden in Ihrem Land aus rechtlichen Gründen nicht gezeigt…)

Fünf Tage sind um und die Deern liegt zerlegt im Cockpit und wartet nun gespannt auf Sabines Rückkehr mit den neuen Teilen. Der Witz ist aber, dass man das Ding in gereinigter Form ruckzuck zusammensetzen und anbauen kann. Minuten …. nicht Tage. Vielleicht sollte ich Hertha das nächste Mal nicht so lange unbeachtet lassen.

Die Bilder sind eher was für die Technik Interessierten … oder solche, die ihre Anlage auch schon viele Jahre um die Welt schippern, ohne ihr mal etwas Zeit zu widmen.

Die Schubstange ist leicht verbogen und das darf nicht sein. Reparatur durch geradebiegen und fertig.

So eine Anlage wird recht groß, wenn sie plötzlich auf dem Schiff ist. Gut, dass ich alleine war, denn für eine zweite Person wäre es eng geworden.

Die Achse des Bösen. Um das Ding rauszubekommen, musste ich die Anlage wieder am Heck montieren und mit einem wirklich großen Hebel arbeiten. Das Ding saß bombenfest (Tipp war von Peter)

Beachtenswert sind die beiden weißen Delrin Scheiben, die eher wie Kreissägeblätter aussehen. Platt, spröde, verbraucht.

Der kleine Zahnkranz zum Einstellen der Anlage hat einen Riss. Hätte ich wahrscheinlich nicht bemerkt, aber nun habe ich es gesehen – wird getauscht.

Die Welle des Pendelruders. Das Loch, in dem der Stift die Achse für den Zahnkranz hält, ist ausgelutscht. Dadurch hat die Welle Spiel und klappert manchmal. Die neue Welle ist bestellt und die Achse für die Zahnkranzaufnahme ist dann bündig aus Delrin. Klingt so, als ob dann auch das leise Klappern verschwinden wird.

Das Loch in Großaufnahme … sieht nicht so gut aus. Und das nach lächerlichen 22 Jahren.

Sauber und locker zusammengesetzt wartet nun die Anlage auf die neuen Teile.

Windsteueranlagen – Technik von gestern oder zukunftsfähig:

Auffällig ist, dass diese Technik immer mehr und mehr verschwindet. Immer weniger Boote verzieren sich ihr Heck damit und fahren dort nun ihr Dinghy. Das ist super bequem und wenn man genug Strom hat, dann kann ein elektrischer Autopilot das Schiff zielgenau steuern.

Der Spaß beginnt dann, wenn durch Blitzschlag der Strom und insbesondere die gesamte Steuerung ausfällen. Auch Hydraulikausfälle oder Leckagen (soll Boote geben, die Hydrauliksystem an Bord haben) sind sehr beliebt oder einfach nur kaputt gehende Steuercomputer, Servos, Ruderstandsanzeiger …..  Im schlimmsten Fall steuert eine davon betroffenen Crew dann sehr lange von Hand – Tag und Nacht – ggf. wochenlang.

Ich denke, dass für die Langfahrer, die die wirklich langen Strecken angehen, eine solche Anlage unentbehrlich ist. Würde Hertha das zeitliche segnen, würden wir sofort Ersatz beschaffen.

 

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9 Gedanken zu „Achim allein Zuhause

  1. Jens und Martina

    Bei uns heißt der dritte Steuermann „Johnny der Mann am Steuer ohne Heuer“
    Wir sehen es genauso, das ist die beste Erfindung, die an einem Segelboot zu finden ist. Man könnte auch Petummobil sagen
    Ein neues refit für Hertha ……. Sehr gut
    Liebe Grüße von der maje-Crew

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      1. Marisol

        Unsere Hydrovane heisst Ursel und ist unentbehrlich. Ohne Strom steuert sie wochenlang und kann Boen besser parieren als jeder Rudergaenger.
        Grüße von der Crew der Marisol

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  2. Steffi

    Unsere Fanni bekommt oft frei, wenn mal ein Tagestörn oder „nur“ über Nacht ansteht. Dafür übernimmt sie aber auch klaglos mal eine Dreiwochenschicht. Sie hat uns beide Male prima über den Atlantik gebracht.
    Liebe Grüße aus den Azoren
    von der Piccolina Crew

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  3. Joachim

    Hätte ich geahnt, welche Reaktionen dieser Artikel hervorruft, dann hätte ich eine Namens-Hitparade gestartet. Auch wenn ein paar männliche Namen auftauchen, so scheint die Hauptarbeit mal wieder an den Mädels kleben zu bleiben.
    Euch allen, eine gute Fahrt und einer immer wohlwollende Windsteueranlage …

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  4. Akka

    Hier! Hier! Ein männlicher Steuerknecht! Oder zwei…
    … also, unserer sollte anfangs Pedder nach seinem Schöpfer heißen, hört aber schon seit Langem nur auf „WiPi“. Er arbeitet gelegentlich mit einem ebenfalls männlichen Assistenten, dem „PiPi“ , der deutlich anfälliger für Zicken ist (dennoch ist es erstaunlich, was so ein winziges Pinnenpilot-Elektromotorchen mit seinem niedlichen Zahnriemen an Kraft aufbietet, um Akka bei Windmangel auf die Spur zu bringen.) . Mag prosaisch klingen, aber die beiden Herren Piloten genießen ihre Ehrentitel und wollen auch nicht geduzt werden..

    Wenn ich Eure Reichweite nutzen darf: eine Stimme mehr für Windsteueranlagen. Für uns nicht wegzudenken. Ein Hoch auf alles Herthas und Ursels dieser Welt!

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    1. Joachim

      Erst vorgestern kam ein Boot zurück . Es war schon auf dem Weg nach Fiji war. Kompletter Batterie-Ausfall. Zum Glück waren Sie noch nicht sehr weit gekommen, aber dennoch war Stundenlanges Rudergehen angesagt, um nach Tahiti zurückzukommen. Wäre es ein paar Tage später passiert, dann hätten sie sehr viel Spaß gehabt.
      Sich auf Strom und Autopiloten zu verlassen, ist eben ein ziemliches Risiko … aber das wird immer mehr Normalität.

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      1. Akka

        … als wir noch in Australien waren, segelten Freunde voraus, die auf dem Weg – kurz hinter Cocos – den Autopiloten verloren. Das war eine sehr lange Strecke bis Mauritius…
        Aber da hat ja frau dann Zeit, Muskulatur aufzubauen ;) (die Bordfrau war sehr zierlich. Mehr als eine halbe Stunde ging anfangs gar nicht).

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        1. Joachim

          …. nein Danke. Tag und Nacht Ruder gehen wäre nicht schön.
          Eigentlich haben die meisten Schiffe einen zweiten Autopiloten dabei … die Kats oft sogar schon eingebaut. Das ist schon ganz gut, sofern der Strom nicht ganz ausfällt.
          Soll jeder machen wie er will. Wir würden ohne Windsteueranlage keine langen Strecken angehen.

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