Wo das Leben begann – Ikara-Flinders Ranges

18.Jan.24,  Australien/SA/Trezona, Tag 44-48 Roadtrip,  4.045 km total, 203 und 52 und Tages-km

Bevor wir den Ort finden, wo das Leben auf Erden begann, haben wir einen Tod zu beklagen: den Tod meiner Haare.
Wir befinden uns im Ikara-Flinders Ranges Nationalpark im ersten Camp am südlichen Eingang. Das Wasser aus den Leitungen sei kein Trinkwasser warnen Schilder.  Pro Tag Übernachtung darf man sich deswegen zehn Liter Trinkwasser im Camp-Shop abholen. Eine sehr großzügige Regel.
Ich gehe abends unter die Dusche und merke schon beim Ausspülen vom Shampoo, halt – hier stimmt was nicht. Die Haare fühlen sich stumpf an. Ich trockne sie vorsichtig ab und versuche zu bürsten. Keine Chance. Am Pony komme ich noch durch, am Hinterkopf ist alles spontan verfilzt. Es fühlt sich an wie Pferdehaare.
Achim sieht meine Verzweiflung und spendiert eine Spülung mit Trinkwasser. Alles bleibt wie es ist. Die Haare sind unkämmbar. Seinen Vorschlag einer Speiseöl-Kur lehne ich ab. Dann fällt mir meine Bodylotion ein. Ja, damit geht es. Zumindest komme ich halbwegs mit der Bürste durch die Haare. Ich sehe aus wie John Travolta. Jetzt fühlt es sich an wie fettige Pferdehaare.

Am nächsten Tag im Shop dann die Überraschung. Der winzige Laden hat nur ein paar Lebensmittel und – jawohl – drei Sorten Haarspülung und eine Familienpackung mit breitzinkigen Kämmen. Ja, woher das wohl kommt? Ich bin wohl nicht der erste Gast mit Haar-Problemen, oder wie? Ich kaufe eine Packung. Die Fetthaare kommen unter den Hut.
Abends ein Versuch  mit Spülung plus Leitungswasser. Mehr Trinkwasser möchte ich nicht opfern. Wir wollen noch tiefer in den Flinders-Park und Trinkwasser  ist heilig. Ich bürste noch unter der Dusche die Spülung raus und trockne die Haare gar nicht ab. Das Ergebnis ist zum Kotzen. Die Haare stehen ab, als hätte ich in eine Steckdose gegriffen.

Einmal mit den Fingern durchs Haar – es steht einfach nur noch ab

Abgesehen vom ätzenden Wasser (wahrscheinlich mineralisch angereichert und extrem alkalisch) ist das Camp toll. Es ist Nebensaison. Nur ein paar Leute sind mit uns auf dem riesigen Gelände. Den meisten Besuchern ist es im Hochsommer zu heiß in dieser Region. Die Temperaturen können schon mal über 40 Grad ansteigen. Die Ikara-Flinders Ranges liegen am Rande zum unwirtlichen Outbacks mit seinen Halbwüsten.

Wilpena Pound Camp – unten in der Mitte unser Auto

Das ertse Mal campen ohne Rasen – entweder staubig oder es spritzt bei Regen alle Stuhlbeine voll  ;-)

Erste Attraktion ist ein riesiger Kessel in den Bergen, der sogenannte Wilpena Pound. Nur ein Durchbruch existiert zwischen den schroffen Hängen in die Ebene.

Einen Blick in den Kessel erarbeiten wir uns auf einer acht Kilometer langen Wanderung. Die ersten Siedler haben versucht hier Rinder zu halten. Das Projekt scheiterte an einer Dürre-Periode. Dann kam Familie Hill auf die Idee in dem Kessel Weizen anzubauen. Ihre knapp 150  Jahre alte Hütte steht noch immer. Tafeln berichten über das entbehrungsreiche Leben aus Sicht der jüngsten Tochter, deren Tagebuch überliefert ist. Dagegen werden Zitate einer Aborginalen Frau gestellt. Ein Abkömmling der ungewollten und vertriebenen Erstbewohner Australiens, die wie Vieh von den neuen Siedlern behandelt wurden.
Ein bitterer Lehrpfad in phantastischer Kulisse.

Trotz Hitze ist alles üppig grün – das verführte die Siedler zur Annahme, dass es hier immer regnet – leider ein Irrtum

Ein steiniger Weg führt uns zum Rand

Wilpena Pound – ein Kessel – aber nicht vulkanischen Ursprungs

Emus – Ein Weibchen alleine unterwegs

Ein Küken ist gar nicht scheu

Nach drei Nächten fahren wir nur 50 Kilometer weiter. Eine 4WD-Strecke bietet entweder sagenhafte Aussichten oder führt durch zwei Schluchten. In der letzten Nacht hat es heftig geregnet. Der Boden ist noch etwas weich, in den Flussbetten steht noch etwas Wasser. Eine coole Strecke durch altes Gestein.

Tolle Aussichten zwischendrin

Die Flinders Kette

Gewundene Schotterpisten führen zum nächsten Camp

Spannende Strecke

ab und an müssen wir durch Bachläufe fahren

Unsere ersten roten Riesen-Kängurus – noch auf der Flucht

An einem Steilhang soll eine Kolonie der seltenen Gelbfuß-Kängurus leben. Und tatsächlich – die Gruppe weiß, dass sie hier wohnt und ist tatsächlich zu Hause. Im Schatten warten sie auf Ende der heißen Mittagssonne.

Stopp bei den Gelbfuss-Kängurus – die wissen – wo man chic leben kann

Relativ kleine Kängurus – aber die buntesten – besonders hübsch ist der Ringelschwanz

Wie niedlich

 

Das neue Camp ist rustikal. Typisch Nationalpark geführt, hat es nur eine Toilette und kein Internetempfang. Aber die Lage! Direkt an einem zurzeit ausgetrocknetem Flussbett. Zur anderen Seite hat man über eine wellige Ebene den freien Blick auf die Gebirgswände des Wilpena-Kessels.

Camp direkt aus ausgetrockneten Creek

Der Blick von der anderen Seite

Wir sind allein. Da niemand außer uns Wasser benötigt, nehme ich mir aus dem Regenfass, was vom Dach des Toilettenhäuschens gefüllt wird einige Liter Regenwasser zum Haare waschen. Achim assistiert. Es ist wie aus Jenseits von Afrika wo Robert Redfort die Haare von Mariel Streep im afrikanischen Busch shampooniert. Nur, dass Achim keine edlen Verse zitiert, sondern alle erdenklichen Witze über meine Haare reißt. Das Ergebnis mit Regenwasser ist das Beste seit Tagen. Aber die Haare sind kaputt. Tot. Total entfettet und rau. Ein irgendwann zu findender Friseur wird wohl die Hälfte abschneiden müssen.

Am nächsten Tag führt uns ein Wanderweg zum Golden Spike. Dem einzigen auf der Südhalbkugel. Goldene Spikes sind über den gesamten Erdball verteilt und markieren eine zeitliche Referenz innerhalb der verschiedenen geo-geschichtlichen Epochen. In den Felsen der Flinders Berge fand man die ersten tierischen Mehrzeller der Welt. Ein neues Zeitalter musste her. Das Ediacarium wurde benannt. Wir stehen auf Steinen, die über 620 Millionen Jahre alt sind. Damit nicht genug: gleich nebenan befinden sich versteinerte Stromatolite. Diese Urform an Einzellern war die erste Lebensform auf der Erde, die Sauerstoff produziert hat. Diese Ablagerungen haben den Startschuss für das Leben gesetzt, wie wir es heute kennen.

Der Golde Spike in Australien – tatsächlich ist überall auf der Welt eine Platte in Stein eingelassen worden

Stromatolite – womit alles begann

Viele Tafeln mit schwierig zu durchschauenden Erklärungen über die Entstehung dieser Steine. Viel Theorie – noch interessanter für Geologen. Wird man allerdings vom Jauch eingeladen, kann man ohne, dass die vier Antworten eingeblendet sind auf die Frage „wo befindet sich der Golden Strike das Ediacariums?“, Flinders Ranges heraus posaunen.  Bitte, geht doch.

Total schön hier. Die Landschaft ist einmalig – Alter hin oder her.

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3 Gedanken zu „Wo das Leben begann – Ikara-Flinders Ranges

  1. AKKA

    Ja, einfach nur geil.
    Das mit den Vielzellern muss ich allerdings – Vorsicht, Erbsenzähler! – relativieren: was Reg Sprigg da entdeckt hat, ist nicht ganz klar einzuordnen. In jedem Fall ist es ein „Vendobionten“-Fossil, und die Wissenschaft streitet sich, ob es sich um einen Vielzeller, oder – gemäß Seilacher – einen Riesen-Einzeller gehandelt hat. In jedem Fall hat sich Reg Sprigg bei seinem Flinders Ranges Picknick ziemlich gewundert über die versteinerte Luftmatratze, die er da ausgebuddelt hat. Fest steht, dass dies der Beginn der „Kambrischen Artenexplosion“ ist.
    Ich finde, allein die Vorstellung, wie alt das alles ist, bringt einen aus der Fassung – eine halbe Milliarde Jahre… Vielleicht darum das Haaresträuben?

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  2. Sabine

    Hallo Frau Erbsenzähl,
    wenn die Wissenschaft sich noch streitet, dann bin ich einfachTeam Vielzeller. ;-)

    Ja, es ist absolut toll hier und auch für nicht Geologen interessant.
    Faszinierend finde ich auch einen Blick in die Zukunft, dass dieses Gestein schon die Hälfte seines Lebens hinter sich hat, wenn auf der Erde irgendwann das Licht ausgeht.

    Antworten
    1. AKKA

      Dannn bleib dabei!
      Die Annahme, dass Dickinsonia ein Einzeller gewesen sein soll, hat mich immer fasziniert. Herr Seilacher ;) , tolle Idee.

      Die diskutieren einfach nur, wann Mehrzeller aufgetreten sind, ohne Fossilfunde heranführen zu können, und zu solchen wird es nie kommen, denke ich. Die Schätzungen gehen auf ca. 1 Mrd. Jahre zurück. Schon das ist ja eigentlich wunderbar: die Erde war zu dem Zeitpunkt schon 3 Mrd. Jahre alt.

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