Über den Atlantik rudern

Di., 08.Dez.15, Tag 556, La Gomera, 2.961 sm von HH

Wer unsere Idee mit einem Segelboot den Atlantik zu queren für beknackt, mutig oder total unvernünftig hält, der kennt noch nicht die komplett durchgeknallten Jungs und Mädels, die sich zur Zeit in San Sebastian tummeln.

Es handelt sich um Teilnehmer der

Talisker Whisky Atlantic Challenge

Die wollen über den Atlantik rudern. :shock:

Insgesamt sind es 26 Teams, die alleine, zu zweit oder als Vierer in ca. 7 Meter langen Ruderbooten von La Gomera nach Antigua rudern wollen. Start dieses unfassbar harten Rennens ist am 15. Dezember.

Die Ruderboote befinden sich auf dem Marina Gelände, daher haben wir freien Zutritt zum gesperrten Gebiet und können uns die „Boote“ aus der Nähe betrachten. Alle Beteiligten sind freundlich, mitteilsam und beantworten bereitwillig unsere neugierigen Fragen.

Der aktuelle Rekord liegt bei 41 Tagen! Für eine Strecke von 3.800 km! Der durchschnittlich begabte Ruderer benötigt 60 Tage.

Es sind sogar zwei Mädel-Crews dabei.
„Darf man sie ‚Housewife-Crews‘ nennen?“, frotzeln die Jungs liebevoll über ihre Kolleginnen.
In ihren Gesichtern steht jedoch deutlich der Respekt für die „Hausfrauen“.
Die Stimmung sei super gut untereinander, wie man uns versichert.
Die Mädels sehen weder wie russische Hammerwerferinnen, noch wie verzweifelte Hausfrauen aus.

Es gibt ein Team bestehend aus britischen Kriegsveteranen, denen in Afghanistan oder bei anderen Einsätzen mindestens ein Bein weggebombt wurde.
Auf meine Frage, ob sie glauben, dass ihre High-Tech-Prothesen 40 Tage dauerhafte Salzwasser-Duschen überleben werden, lachen sie: „Die lassen wir hier, die Familie bringt sie nach Antigua. An Bord brauchen wir sie nicht, ist unnötiger Ballast…“. :-)

Für mich überraschend sind viele deutlich ältere Kerle mit dabei. Mindestens 50 plus. Alle sagen, dieses Rennen steht man nicht durch körperliche Kraft durch, sondern das wird im Kopf entschieden.
Die Solokämpfer würden in keinem Fall im Team rudern wollen. Alleine sei vielleicht das Durchhalten etwas schwieriger, aber es gäbe nicht die zwischenmenschlichen Reibungspunkte und Konflikte. Man würde sich schon „gehörig auf den Sack gehen“.

Intimsphäre gleich Null. Zum Pinkeln gibt es Urin-Flaschen. Säuberlich mit Namen beschriftet. Nicht auszudenken, wenn es da zu Verwechslungen kommen würde. :mrgreen:

Gewaschen wird sich mit feuchten Baby-Tüchern. 12 Stück stehen jedem Ruderer pro Tag zur Verfügung. Eine 2er Crew hat somit 2.000 Tücher dabei.

 

Erst wird sich damit das Salz von der Haut gewischt, Gesicht, Arme, dann Körper.
Stuhlgang wird auf einen Eimer verrichtet und ein weiteres Feucht-Tuch kommt zum Einsatz. Frisch gewaschen darf der Ruderer sich dann in die einzige Kabine zum Schlafen zurück ziehen. Für vier Stunden. In der Zeit rudern die anderen weiter.
Bei den Solisten treibt das Boot im Strom mit bis zu einem Knoten Geschwindigkeit weiter dem Ziel entgegen.

Die Organisation überwacht, dass jedes Ruderboot Nahrung für 90 Tage mit an Bord dabei hat. Na, ja, was man so Nahrung nennt.
Es handelt sich um gefriergetrocknete Köstlichkeiten, wie Spaghetti Bolognese, Chili con Carne, aber auch Schokoladenpudding.
Alles heiß oder kalt (würg) essbar. Die Pakete haben zwischen 600 und 1.000 Kalorien. Allerdings verbraucht so ein Ruderer mindestens 5.000 Kalorien am Tag. Daher wird noch Olivenöl unter das Essen gemengt, um den unglaublichen Kalorienbedarf decken zu können.
In Kleinstmengen sind Leckerlies im Proviant: Nüsse, Schokoriegel, Erdnussbutter und Zuckerdrops.

Trinkwasser wird über zwei Wassermacher hergestellt, die über Solar-Energie betrieben werden.

Die Boote verfügen über alle modernen Navigationshilfen: elektronische Seekarten, GPS, Satelliten-Telefon, Epirb und AIS.
Dass sie AIS an Bord haben, gefällt uns. Wie leicht könnten wir als Segler eine von den Nussschalen übersehen.

Sollte ein Boot aufgeben oder einen Notfall haben, so stehen zwei Segel-Begleit-Yachten zur Verfügung. Da das Feld der Ruderer schnell weit auseinander gezogen sein wird, kann es bis zu drei Tagen dauern bis die Retter vor Ort sein können.
Sollte eine Mannschaft dann abgeborgen werden, so wird das Ruderboot sich selbst überlassen. Im letzten Jahr ist eins auf den Azoren gestrandet.
Mit vier Ausfällen ist die Quote überraschend niedrig. „Nur weil einer keine Lust mehr hat, holen wir ihn nicht raus aus seiner Kiste“, scherzt einer der Duty Manager.

Talisker Whisky Atlantic Challenge

Ein Gedanke zu „Über den Atlantik rudern

  1. Anne und Günter

    Hallo Bine und Achim!
    Die Ruderer mit ihren Hightechbooten haben uns 2009, als wir auf La Gomera waren, ebenso fasziniert, damals fand keine Regatta statt, es waren einige mutige, die es einfach mal so ausprobieren wollten, vielleicht war es auch Training für das kommende Jahr.
    Hoffen euer Ersatzteil trifft bald ein.
    Wir sind seid 9 Tagen wieder echte Landratten….alles ist erledigt.

    LG Anne und Günter

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