Tag 8 – In die Zange genommen

Mi., 01.Feb.17, Karibisches Meer, Tag 977, 9.650 sm von HH
Ich muss gestern faule Kartoffeln gegessen haben. Geniessen im Zusammenhang mit Segeln zu nennen. Pfffft. Letzte Nacht war wieder so ein Beispiel, das Segeln eben doch kein Vergnuegen ist. Wir werden in die Zange genommen. Zeitweise haben wir sieben Tanker, Frachter oder Schleppverbaende neben uns. Im Nordwesten endet die Karibik zwischen Mexiko und Kuba mit dem Yucatan Kanal. Hinter dem 180 km breiten Flaschenhals beginnt der Golf von Mexiko mit seinen Bohrinseln. Alle Tanker Richtung Sueden oder zurueck muessen durch diese Meerenge. Und an uns vorbei. Und wir sind ein Segelschiff und haben Vorfahrt. :mrgreen:
Wir sehen die Jungs in Form von kleinen Dreiecken auf dem Plotter meistens schon in 30 sm Entfernung. Ueber das AIS bekommen wir Kurs, Geschwindigkeit und die CPA mitgeliefert. Die CPA zeigt den zu erwartenden kleinsten Abstand zu uns und, wichtig, wie lange es noch dauert bis zum Einschlag.
Da ist nun so viel Platz um uns herum und trotzdem zeigt jeder dritte Tanker eine CPA unter einer Seemeile. Das ist unser Komfort-Mindest-Abstand. Dichter wollen wir sie auf keinen Fall auf der Pelle haben. Besser noch zwei Meilen. Wenn man den Schiffsnamen mit blossem Auge lesen kann, laeuft was falsch.
Da wir kein AIS der Klasse A haben (normal fuer Sportschifffahrt) werden wir erst gesehen, wenn der Abstand nur noch ca. 10 Seemeilen betraegt. Dauer bis zum Einschlag dann noch 30 Minuten. Bis dahin halten die Tanker auf uns zu, ohne von unserer Existenz zu wissen.
Hoechste Zeit zur Funke zu greifen (haette ich mich vor zwei Jahren nie getraut). Viel frueher macht es keinen Sinn. Die Funkverbindung ist dann haeufig noch schlecht und da wir nicht gesehen werden, fuehrt ein Gespraech etwas ins Leere.
Am anderen Ende erwarte ich berufskundige Funker und Offiziere. Manchmal scheint man aber nachts den Hilfskoch ans Rohr zu setzten: Ueber Funk einigen wir uns auf ein Passieren ‚Steuerbord an Steuerbord‘. Auf dem Plotter beobachte ich entsetzt, dass der Mann genau in die entgegengesetzte Richtung dreht. Rechts-Links-Schwaeche oder wo ist Dein Problem? Restzeit bis zum Einschlag noch 20 Minuten. Also erneut den Supertanker anrufen. „Oh, yes, sorry, M’am, I will change.“ Bitte, geht doch….noch 15 Minuten bis zum Einschlag…endlich…Kursaenderung in die richtige Richtung ist im kleinen Dreieck zu sehen.
Da es jetzt schon ein paarmal zu solchen „Missverstaendnissen“ gekommen ist, habe ich meine Gespraechstaktig geaendert. Ich schlag jetzt direkt vor auf welchen Kurs der Tanker seinen Kurs aendern sollte. Ich sag ihm die Gradzahl, die mir komfortabel erscheint. Er stimmt zu. Please repeat the degrees. Klappt prima. :-)
Mit den meisten Jungs (Frauen gab es bis jetzt an der anderen Leitung noch nicht) gibt es aber keine Probleme. Haeufig aendern sie schon von alleine ihren Kurs. Halten dann zwei Meilen Abstand. Das scheint uns eine Vorgabe der Reederei (?) zu sein. Und das Geruecht, dass sich nachts keiner auf der Bruecke befindet und die Schiffe unbemannt ueber die Meere ziehen, koennen wir nicht bestaetigen. Bislang hat sich direkt nach dem ersten Anruf jemand gemeldet.
Noch knapp 300 Seemeilen bis zum Flaschenhals ‚Yucatan-Kanal‘. Da kommt noch einiges auf uns zu.

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