Fr., 18.Dez.21, Neuseeland/Whangarei, Tag 2758, 24.688 sm von HH
Wenn ein Kiwi sagt, die Arbeiten beginnen nächste Woche, dann ist das auch so. Am Montagvormittag wird Peter bei uns vorstellig. Peter hat bereits letzes Jahr bei Norsand gearbeitet, war ein halbes Jahr in Fiji und hat heute wieder seinen ersten Arbeitstag. „Peter ist der Beste“, oder auch „keiner arbeitet so schnell und gut wie Peter“, wurden uns seine Leistungen schmackhaft gemacht. Wir treffen sogar jemanden, der eine Osmosebehandlung nur wegen Peter bei Norsand hat vornehmen lassen. Das klingt vielversprechend.
Als erstes schleift Peter mit der Flex ein Stück Testfläche runter bis ins GFK. Er möchte die Feuchtigkeit unter den Antifouling-Schichten messen. Das Feuchte-Messgerät schlägt bis in den roten Bereich aus und piept aufdringlich. Über 25 Prozent Feuchtigkeit. „Gut wären 15 Prozent, besser noch weniger“, findet Peter.
Er holt seinen Hobel. Ein kräftiges Gerät mit Messern, die im Kreis rotieren. Damit soll der gesamte Rumpf abgeschält werden. Im ersten Schritt schält Peter drei Millimeter ab. Zu wenig. Der Apparat piepst. Vier Millimeter. Bei viereinhalb Millimetern ist Peter zufrieden. „Wenn ich diese Dicke abschäle, nehme ich alle Osmoseblasen mit. Viel tiefer ist der Schaden noch nicht gedrungen. Ihr macht das Refit genau zur rechten Zeit.“
Achim und ich schauen uns entsetzt an. Viereinhalb Millimeter? Da bleibt doch nichts vom Rumpf übrig! Peter lacht und haut beherzt auf die dünne Stelle. „Doch, doch, diese alten Schiffe sind dick genug. Nach dem Trocknen legen wir zwei Schichten Matte nach, an kritischen Stellen vier. Kein Verlust an Stabilität, aber der Rumpf wird wie neu.“
Was können wir anderes machen als vertrauen? Wir nicken zustimmend. Peter setzt den Hobel an und legt los. Wie ein Schaf wird Atanga kahl geschoren. Quadratmeter über Quadratmeter wir sie nackig gemacht.
Der Hobel ist ein Gerät direkt aus der Hölle. An Bord ist der Lärm nicht auszuhalten. Wir flüchten vom Schiff. Achim dient Peter als Handlanger beim Aufbau des Gerüstes und dem Spannen der Staubfang- Folie. Der meiste Abrieb landet direkt per Staubsauger in einem Müllbehälter. Was daneben geht, darf Achim nach Feierabend auffegen. Arbeiten werden hier ganz pragmatisch nach Fähigkeit verteilt.
Die Arbeit des Schälens ist ein Quadratmeterpreis (48 Quadratmeter Rumpf-Fläche hat Atanga). Die Nebenarbeiten werden per Stunde abgerechnet. Alles, was wir leisten können, läuft nicht auf die Rechnung. Prima, da helfen wir gerne.
Die Arbeit muss zwei Tage wegen Dauerregen unterbrochen werden. Aber am Donnerstag geht es weiter. Peter rasiert und rasiert.
Ein paar Überraschungen tauchen natürlich auch noch auf. Das eine Lenzrohr vom Cockpit wurde offensichtlich an die falsche Stelle gebohrt. Statt das Loch mit Fasermatte abzudichten, hat man einfach einen Pfropfen reingesteckt und überlaminiert. Fusch am Bau, nennt man das wohl.
Ernsthafte Probleme oder gar substantielle Fehler legt Peter zum Glück nicht frei. Aber man kann gut erkennen an welchen Stellen der Osmose-Fraß bereits zugeschlagen hat.
Atanga ist jetzt – geschätzt – 200 Kilo leichter. Leichter an Wasser und Material. Schlank ist unser altes Mädchen geworden. An Bord scheint durch die Ritzen vom Innenausbau jetzt Licht. Das gab es vorher nicht. Uns hinterlässt das nachdenklich. Aber Peter lacht alle Bedenken weg: „Keine Sorge, da ist noch genug Material übrig geblieben. Und freut euch, jetzt braucht ihr keine Lampen mehr im Schrank.“ Peter arbeitet nicht nur schnell und gewissenhaft, Peter ist auch ein Quell der lustigen Sprüche.“
Atanga steht jetzt nackig da. Dreimal wird sie jetzt mit einem Hochdruckreiniger abgespritzt (Achim ), um Salzwasser und Säure, die sich durch die Osmose gebildet hat, auszuwaschen. Und dann soll sie austrocknen.
*** Das Spannen der Folie ist irgendwie unsinnig. Auf dem Beton könnte man viel effektiver fegen. Aber die Stadtverwaltung Whangarei schreibt diese Maßnahmen vor, und die Werft hält sich dran, weil es Kontrollen gibt. Vor den Gullis auf dem Hof ist Flies gelegt, damit bei Regen keine „Substanzen“ in die Kanalisation gelangen.
So weit, so gut. Aber jetzt wird es interessant. Sämtlicher Abrieb vom Schiff kommt in schwarze Säcke. Die Säcke landen in der normalen Mülltonne auf dem Werft-Hof. Und der gesamte Müll der Tonne auf einer Mülldeponie. Dort wird alles verbuddelt. Müllverbrennung gibt es nicht. Neuseelands grüner Ruf – da bröckelt er dahin.