The Ghan

02.10-04.10.24, Australien/SA/Harina+Parachilna, Tag 307-309 Roadtrip, 25.174 km total, Tages-km 72+136

Nachdem in den 1860er Jahren endlich ein Track von Adelaide nach Darwin gefunden und eine Telegrafenleitung installiert wurde, wollten die Australier auch eine Bahnstrecke in Süd-Nord-Querung aufbauen. 1878 begann man in Adelaide mit dem Bau – erst 50 Jahre später erreichte die erste Bahn Alice Springs. Dieser Zug bekam den Namen ‚The Ghan‘. In Anlehnung an die Afghanen, die Kamele (Dromedare eigentlich, aber nur auf Deutsch – ich bleibe beim Begriff Kamel) nach Australien brachten und mit Kamel-Karawanen die Versorgung abgelegener Siedlungen übernahmen.

Es gab nicht nur Karawanen, sondern sogar sechsspännige Kamel-Kutschen (Foto: aus der Farina Ausstellung)

Der erste Roadtrain. Der Ghan und diese Roadtrains machten die Kamele überflüssig. (Foto: aus der Farina Ausstellung)

Wir stehen in Farina. Einer Ruinenstadt mit ehemaliger Ghan-Bahnstation. 1882 hielt hier das erste Mal ein Zug. Der kleine Ort wuchs auf 300 Personen an – das Maximum in der Geschichte Farinas. Besonders boomte das Dorf in den zwei Jahren, als hier die Endstation vom Ghan gewesen war. Hier wurde Vieh verladen. Glückritter und Pioniere kamen vorbei. Drei Hotels konnten zur Hochzeit nebeneinander existieren.
Dann wurde die Strecke weiter nach Norden ausgebaut. Auf der dreitägigen Fahrt von Adelaide nach Alice fanden die Übernachtungen in anderen Städten statt: Port Augusta, Quorn und Marree. Diese Orte existieren noch heute. Farina verlor sich in der Bedeutungslosigkeit. Dazu kamen viele Jahre mit extremer Dürre. Das Dorf war nicht zu halten. 1975 verließ Ben Murray, der letzte Einwohner, Harina. Der Ort verfiel.

2008 sammelten ein paar Freiwillige Spenden und bauten einige der Ruinen wieder auf. Errichteten Hinweisschilder mit der bunten Geschichte Harinas  und räumten den Friedhof auf. Ein unterirdischer Ofen der alten Bäckerei wurde reaktiviert und seitdem gibt es sechs Wochen im Jahr frisches Brot in Farina. Bäcker aus dem ganzen Land führen hier alte Backkunst vor. Ein Campingplatz entstand und somit ist im Juni in Farina der Teufel los. Wir sind zu spät und mit zwei anderen Campern die einzigen im Museumsdorf.

Halb aufgebaute/restaurierte Häuser in Farina.

Farina – gegründet 1878 – verlassen einhundert Jahre später.

Jeder, der durch die Ruinen bummelt, ist gehalten Artefakte zu sammeln und an den Häusern abzulegen. Eine hübsches Sammelsurium.

Für alle Gräber ohne Stein errichteten die Freiwilligen ein Kreuz. Eine Sektion des Friedhofs, die als ’nicht geweihte Erde‘ gekennzeichnet wurde, hat 2008 ein Bischof nachträglich geweiht. So eine Friedhofsabteilung ist uns bisher noch nicht begegnet.

Tafeln zeigen die Begrabenen des Friedhofs. Die Familie Finn hat es besonders hart getroffen. Hohe Kindersterblichkeit in den Gründerjahren.

Eines der wenigen Kinder der Finns, Nathaniel, hat es geschafft.

Wenn die Landschaft Antwort gibt, warum man hier nicht sehr alt wurde.

 

Ein toller Übernachtungsplatz. Nicht nur wegen der nett aufbereiteten Geschichte. Der Stellplatz am trockenen Bach ist idyllisch. Kein Internet vorhanden und wer heiß duschen möchte, muss erst einen Holzofen anheizen (wir verzichten). Hunderte Kakadus fliegen unter lautem Geschrei ihre Runden. Und das erste Mal, dass die quirligen Wellensittiche, die uns seit Wochen begleiten für ein Foto still halten.
Und uns läuft eine Tannenzapfenechse über den Weg. Anders als andere Echsen haben die Zapfen kaum einen Fluchtrieb. Sie bleiben mit ihrem dicken Körpern und kurzen Beinen einfach sitzen und drohen. Als Achim vorbei geht, wird er angefaucht und ihm die blaue Zunge gezeigt. Urige Viecher, die sogar beißen sollen – ohne Gift – wenn man sie in die Enge treibt.

Alles an dieser dicken Wurst von gut 30 cm Länge ist auf Krawall gebürstet.

Zur blauen Zunge gibt es ein deutliches Fauchen als Warnung.

Wie eben aus der Zoohandlung gekauft. Männchen rechts, Weibchen links.

Hier wir doch hemmungslos geknutscht im Wald.

Am Fluss stehen ein paar Eukalypten. Der Tisch ist aus alten (unbehandelten) Eisenbahnschwellen gezimmert.

Unsere Freunde, die Fliegen, wohnen auch in Farina. Wir bleiben deshalb nur eine Nacht und ziehen 70 Kilometer weiter nach Parachilna. Wir müssen etwas Zeit schinden. Geplant war, dass wir direkt in den Ikara-Flinders-Ranges Nationalpark fahren, aber Schulferien in Südaustralien, die wir nicht auf dem Plan hatten, kreuzen unsere Pläne. Erst in drei Tagen sind wieder Plätze frei in Flinders. Okay, bleiben wir also drei Nächte in Parachilna. Ebenfalls ein ehemaliger Ghan-Bahnhof.

Im Gegzug zu Farina lebt Parachilna. Einwohner: beachtliche 6 Personen! Der Campingplatz ist abgewirtschaftet, bietet aber einen tollen BlicK auf die Flinders-Kette. Und es gibt eine Camp-Küche. Die ist zwar auch abgewohnt, aber sie hält die Fliegen fern. Abschattungen jeder Art hassen die lästigen Buschfliegen und bleiben weg.

Der Wagen mal vor anderer Kulisse als der ewigen Ebene der letzten Wochen.

Um den Ort herum kann man prima im Busch umherstrollen. Wir stolpern über zwei weitere Tannenzapfenechsen.

Somit haben wir einen angenehmen Aufenthalt in der Outbback-Metropole Parachilna.
Das Hotel – das einzig verbliebene Haus aus Ghan-Zeiten – hat den Dreh raus. Obwohl der Highway hier wenig befahren ist, kehren augenscheinlich nahezu alle Besucher der Flinders Ranges hier ein. Besonders mittags stapeln sich die Autos vor der Tür. Das Prairie-Hotel bietet Bush-Meat als Spezialität. Geneigte Gäste können hier Kamel, Emu und Känguru-Schwanz genießen.

Prairie Hotel – in sechs Wochen werden Hotel und Campingplatz geschlossen. Zu heiß wird es, die Gäste bleiben aus. Parachilna wird dann einfach abgeschlossen.

Känguruschwanz im Supermarkt. Noch mit Fell dran. Erst einmal gesehen bisher.

Der Stockman von Parachilna – ein Künstler hat diesen einsamen Reiter wirkungsvoll vor die Prärie errichtet. Alleskomplett aus Eisenteilen.

 

Der Streckenbau des Ghans, der fünfzig Jahre gedauert hatte, fand bereits 1980 sein Ende. Als Schmalspurbahn hatte die Bahn das falsche Format und die Strecke durchs Outback erscheint ebenfalls suboptimal. Es regnet zwar selten, aber wenn, dann überfluten große Flächen, die auch Zügen zu schaffen machten. Die Unzuverlässigkeit vom Ghan war damals legendär. Der häufigste Witz berichtet über eine hochschwangere Frau, die sich beim Schaffner über das Steckenbleiben des Zuges im Matsch beschwerte. Warum es nicht weiterginge, Sse wolle ihr Kind in Alice und nicht in der Wüste zur Welt bringen. „Gute Frau, wie können sie auch in ihrem Zustand mit dem Ghan fahren wollen?“ „Als ich einstieg, war ich noch nicht schwanger!“
Heute auch ein Witz der Bahn in Deutschland? :mrgreen:

Fatamorgana oder echt? Das wird sich der Lokführer früher auch schon gefragt haben.

Eine der alten Loks.es heißt, dass der Ghan, wenn die Wüste erblüht ist, im Outback angehalten hat, damit die Passagiere Blumen pflücken konnten.

27

Zurück in der „Zivilisation“

23.09-27.09.24, Australien/QLD/Birdsville, Tag 297-301 Roadtrip, 24.966 km total, Tages-km 42+318+332


Unsere Zivilisation nach der Wüste heißt Birdsville und ist ein Outback-Kaff mit 110 Einwohnern. :mrgreen: Gegründet vor 150 Jahren, umgeben von großen Rinderfarmen, die in der gleichen Zeit entstanden. Der dauerhaft wasserführende Diamantina River machte am Rande der Wüste ein Überleben möglich.
Heute existiert noch eins der alten Hotels und eine Tankstelle, die ein paar Grundnahrungsmittel verkauft. In unserem Kühlschrank kann man bereits den Boden sehen, aber es reicht zum Überleben, was der Shop präsentiert. Der Campingplatz bietet für 20 Dollar schattenlose, staubige Stellflächen. Hat jedoch eine der besten Campküchen aller Zeiten.

Tankstelle in Birdsville – gegen die Preise auf der anderen Seite der Wüste ist es hier moderat. 2,72 Dollar statt 3,05. Der Diesel kommt aus Townsville – 1600 Kilometer entfernt.

So eine blitzblanke Küche! Da kann sich das Uluru-Camp mal umsehen.
Dazu noch einen Backofen. Sehr selten. Wir kaufen Fertigpizza und pimpen die etwas auf. Ein Fernseher ist auch noch vorhanden. :-)

Pelikane neben dem Campingplatz im Diamantina River. 1300 Kilometer von der Küste entfernt. Witzig.

Wir buchen uns gleich für drei Nächte ein. Heiße Dusche, Auto aufräumen, Wunden lecken und den Wüstentrip verarbeiten. Dafür ist Birdsville hervorragend geeignet. Viel Ablenkung gibt es nicht. Das Informationszentrum zeigt (kostenlos) einen einstündigen Film über den Diamantina-Bezirk. Genau die einsame Region, die wir in den letzten fünf Wochen durchfahren haben. Zeitzeugen berichten über das harte Leben auf den Farmen. Damals. Ohne Strom und Versorgung. Hunderte Kilometer entfernt vom Rest der Welt. Ein weiterer Quell an Information ist der Friedhof. Die Grabsteine erzählen coole Geschichten. Und dass die Aborigines eine erhebliche Lebenserwartung hatten. Entweder waren sie besser an das harsche Leben angepasst, oder es stimmt mit der Zählweise von Jahren etwas nicht.

Der Friedhof ist reichlich zerzaust.

Stelle ich mir gut in Deutschland vor: Geboren am Wasserloch Neuharlingersiel.

Alle Aborigines weisen ein hohes Alter aus. Die Weißen schaffen kaum mal die 60. Schön finde ich, dass die besonderen Fähigkeiten erwähnt werden.

Hier der Regenmacher!

Frank der Alleskönner!

Als wir uns für die Simpson entschieden haben, wussten wir, dass wir uns mit Birdsville in eine Art Sackgasse manövrieren. Alle Wege hier raus sind aus Schotter. Im Westen und Norden waren wir. In den Osten möchten wir erst in ein paar Monaten. Und Richtung Süden erwartet uns der Birdsville Track. Ein legendärer Track auf dem früher Rinder getrieben wurden. Berüchtigt für seinen schlechten Zustand auf 500 Kilometer Länge. Ein einziges Roadhouse steht an der Piste.

Und dann wird Regen für Birdsville und Region vorhergesagt. Ausgerechnet hier, wo statistisch nur 16 Zentimeter Regen im Jahr fallen. In den Nachrichten kommt die Meldung, dass es der nasseste September am Uluru war, der je gemessen wurde.
Wir verlängern. Nach Regen sind die Outback-Straßen häufig unpassierbar und werden gesperrt. Wer trotz Sperrung einfährt, darf mit Strafen rechnen. Und auf den 500 Kilometern irgendwo stecken bleiben, da haben wir keine Meinung zu. Dann lieber noch einmal Pizza aus dem Ofen.

In Birdsville blüht es gelb. Auch hier ist viel Regen dieses Jahr gefallen.

Wenn die Wüste blühen will, dann macht sie es auch. Blattlos drückt sich dieses Kraut aus der Erde.

Nach vier Nächten verlassen wir Birdsville. Der Track ist offen. Wir dürfen fahren. Achim hat mal wieder Spaß. Stellenweise ist es glitschig wie Schmierseife. Weiter Richtung Süden hat es nicht geregnet, es geht gut voran. Der Birdsville Track ist in einem hervorragenden Zustand. Glatte Piste, kein Waschbrettbelag. Legende war gestern.
Wir übernachten im Roadhouse, um die Strecke zu halbieren.

Sind die Straßen gesperrt, rückt der Sherif mit dem Schraubenschlüssel an und ändert die Beschilderung.

Vor uns war schon einer unterwegs. Der Schlingerkurs kommt vom Schmierseifenbelag. Auch Achim kann die Spur nicht halten.

Shield-Snoutet Brown Snake. Zwei Stück dieser Braunschlage sehen wir auf dem Birdsville Track. Glückspilze sind wir.

Gefährlich giftig. Braunschlangen können was!
Die Bestimmung der Schlangen bekommen wir durch eine facebook-Gruppe. Die haben es echt drauf.

Roadhouse Mungerannie.

In Roadhouses wir typischerweise etwas gesammelt – Hüte, BHs, Flaschenkühler. Hier sind es signierte Dollarscheine.

Und dann ist die Schotterpiste zu Ende. Wir erreichen Marree und kreuzen hier unsere eigene Kurslinie. Theoretisch haben wir Australien umrundet. Mission erfüllt. Aber es gibt für alles Regeln. Bei einer Weltumsegelung gilt (TO), dass das Schiff auf eigenem Kiel seine Kursline kreuzt und alle Längengrade und den Äquator überquert. Bei einer Australienrunde – the big lap – muss man alle Hauptstädte der ‚States von Australien‘ durchfahren haben.  Da fehlen uns noch einige. Das Abenteuer darf also weiter gehen.

Am Denkmal für Stuart – dem ersten Durchquerer Australiens in Nord-Süd kreuzen wir unsere Kurslinie. Mangels Straßenalternativen im Zentrum fahren wir jetzt ein Stückchen doppelt.

Noch mal weitere 550 Kilometer gefahren und noch immer sind wir in Outback. Wir lieben es!

38

Big Red

21.09-22.09.24, Australien/QLD/Big Red, Tag 296-297 Roadtrip, 24.275 km total, Tages-km 101

Je weiter wir nach Osten fahren, desto höher werden die Dünen. Die Spuren sind uneben, der Sand ist extrem weich. Besonders die letzten Meter haben tiefe Löcher. Das Auto fällt von rechts nach links. Nur mit viel Schwung schaffen wir es die Kuppen hoch. Das Heck hebt ab. Alles schlägt von einer Seite zur anderen. Es ist beschwerlich, aber die Stimmung ist gut: noch zweihundert Dünen, vielleicht dreihundert, dann haben wir es geschafft.

Diesen Track gibt es eigentlich nur, weil in den 70er Jahren in der Wüste nach Gas gebohrt wurde. Gefunden hat man heißes Wasser.

geblieben ist eine Spur, die jetzt von 4WD-Verrückten genutzt wird.

Achim sagt mir, dass er es manchmal anstrengender findet lange Strecken auf Asphalt zu fahren. Ich unterschreibe das so nicht. :-)

Plötzlich steht in einer breiten Senke ein Schild ‚Umleitung‘. Die Richtung in die es zeigt, kommt uns komisch vor. Da entdecken wir hundert Meter hinter dem Schild ein Fahrzeug. Wir ignorieren die Umleitung und fahren zu dem Wagen. Es ist die 10er Offroad-Gang, die wir bereits an der heißen Quelle getroffen haben. Grade fährt der vorletzte Wagen durch die Senke in der noch Wasser steht. Begleitet von viel Gebrüll der anderen. Das war wohl etwas mutig. Der Fahrer puhlt ein Unterbodenblech aus dem Schlamm.
Der letzte Wagen, der einzige mit Anhänger, wählt den schiefen Buckel neben dem Loch, um auf die andere Seite der Böschung zu kommen. Es sieht gefährlich aus. Ich bekomme Telleraugen. Achim ist beeindruckt.

Der Letzte zieht einen Anhänger. Beim zweiten Versuch klappt es. Der erste Versuch ging wahrscheinlich nur daneben, weil der Fahrer das Handy zum Filmen in der Hand hielt.

Verrückte 4×4-Driver! Das abgerissene und schwer verbogene Bodenblech wird als Trophäe in den Baum gehängt.

Wir gehen zu Fuß zur anderen Seite, halten ein Schwätzchen mit den Jungs. Und auf einmal befinde ich mich mitten in einer dieser ‚Halt-mal-mein-Bier-Geschichten‘. „Ihr meint, ich kann da fahren?“ fragt Achim. Alles nickt und schon ist der (eigentlich besonnene Fahrer) auf dem Weg zurück zum Auto. Motor an und los. Heijeijei. Er schafft es souverän. Aber das Gejohle der Jungs ist so laut, dass ich den Eindruck habe, es war etwas Kamikaze im Spiel.

Achim traut  sich was …

…alles geht gut.

Die Jungs feixen sich einen.

Wir  machen Mittagspause und lassen die fünf Autos vorfahren: „Wir sehen uns an der Big Red. Die schlägt alles, was ihr bisher gesehen habt.“

Nach der Kamikaze-Aktion landen wir hinter dieser Absperrung.

Die große Rote – The Big Red – nennt sich die letzte Düne der Simpsonwüste.  Warum ist unverkennbar, wenn man vor ihr steht. Über dreißig Meter hoch ist der Sandberg.  Einige sagen, es seien vierzig Meter. Verschiedene Spuren sind in den Sand gefräst.

Links ist ist es am steilsten.

Unsere Zehner-Gruppe ist schon angekommen. Die ersten Jungs haben es bereits nach oben geschafft. Die anderen beißen sich noch die Zähne an den extremen Steigungen aus.  Nehmen Anlauf, scheitern, wählen eine andere Spurt, scheitern besser.

Experten-Strecke – vierter Versuch und leider wieder nix.

Achim und ich lassen das Auto in der Senke stehen und stapfen die ‚Big Red‘ nach oben. Johlend werden wir begrüßt: „Die Germans. Fast habt es geschafft. Die letzte Hürde! Die linke Spur ist für Fortgeschrittene. Ganz rechts läuft die Kindergarten-Spur.“ Achim holt sich noch ein paar Tipps. Natürlich ist Luftablassen dabei. Er soll bis auf 14 psi runter gehen. „Und Drehzahl hoch! Kein Auge auf den roten Bereich. Die Lampe musst du ignorieren – die muss glühen!“
Ich bleibe oben und halte das Spektakel für die Nachwelt fest. So spektakelich ist es dann nicht. :mrgreen: Achim versucht die Experten-Spur. Auf halber Strecke geht dem Bundy die Drehzahl aus. Ein zweiter Versuch sieht ähnlich aus. Ein Wechsel auf eine der mittleren Spuren bleibt ohne Erfolg. Achim peilt nun die Kindergarten-Spur an. Während Achim seine Spur sucht, werden ich in der Zwischenzeit unter wieherndem Gelächter auf den Arm genommen: „Wenn er es nicht schafft, müsst ihr den ganzen Weg zurück.“ Oder auch „Vielleicht ist es besser, wenn du fährt.“ Die Jungs kommen voll auf ihre Kosten.
Dann aber, mit dem sechsten Anlauf, sind Achim und Bundy oben. Schulterklopfen.

Big Red – erster Versuch auf der Mädchen-Strecke.

geschafft

The Big Red Kindergarten-Strecke.

Im Sonnenuntergang leuchtet die Düne besonders schön. Wer es hier nicht hoch schafft, kann um den Berg herum fahren und über Little Red aus der Wüste entkommen.

Wir beschließen auf der anderen Seite der Düne zu übernachten. Bis zum nächsten Ort sind es nur noch vierzig Kilometer Asphalt. Könnten wir gut schaffen. Aber eine Nacht wollen wir noch einsam im Outback verbringen. Mögen uns noch nicht trennen. Zu schön ist es hier draußen.

Wir befinden uns nicht mehr im Nationalpark. Hier darf man Feuerholz sammeln und sich ganz der Lagerfeuerromantik verschreiben.
Als ich Reisig neben der Feuerstelle zusammenklaube, möchte einer der Stöcker nicht aufgesammelt werden. Ein echtes Stockinsekt – oder auch Gespensterschrecke. Die Tarnung ist perfekt. Beinahe hätte ich es ins Feuer geworfen. Während wir noch so staunen, läuft ein kleiner Skorpion vor Achims Füße. Der schafft es vor Schreck nicht aufs Foto  und erinnert daran, dass es gut ist, Schuhe vorher zu schütteln bevor man hineinschlüpft.

Ein Stocktier im Schein vom Lagerfeuer.

Eine letzte Nacht alleine in der Wüste.

Lagerfeuer geht immer.

Die Nacht ist herrlich. Der Morgen ebenso. Wir haben die Big Red für uns alleine. Kleine Schwärme grüner Wellensittiche sagen ‚Guten Morgen‘. Wie kleine Pfeile flitzen sie um Bäume und ums Zelt herum. Keine Spur vom behäbigen Käfigvogel zu erkennen. Zebrafinken gesellen sich dazu. Schwärme von Heuschrecken versorgen größere Vögel mit Futter. Die Wüste ist ein Traum.

Fazit: Die Tour war insgesamt 748 Kilometer lang. Exakt 1.136 Dünen sollen es sein. Der Bundy hat sich mit 19 Litern (statt wie sonst 12 Litern) bedient, um mit platten Reifen die Dünen hoch zu kommen. Das ist akzeptabel, viele berichten von 21 bis 23 Litern.
Am letzten Morgen stellen wir fest, dass sich unser Dachzelt um zwanzig Zentimeter auf dem Gepäckträger nach vorne gearbeitet hat. Die vielen kleinen Schläge und Hüpfer haben die siebzig Kilo kontinuierlich verschoben.

Das Zelt ist ganz schief. Das merken wir aber erst morgens.
Achim löst die Schrauben der Halterung und gemeinsam können wir es auf der Schiene zurück schieben.

Als Verluste sind zwei Eier und mein Teebecher zu beklagen. Dem hat es den Boden raus geschlagen. Dazu kommt eine Flasche Shampoo, die aus unserem offenen ‚Kultur-Container‘ (aufgeschnittener Wasserkanister) hüpfen konnte. Die Flasche hat sich halb unter unsere Schubladen gearbeitet, dort verkeilt und es hat den Deckel von der Flasche gearbeitet. Wie auch immer das geht. Unter Erzeugung von viel Schaum ist die Sauerei wieder beseitigt.

Die Tour war außerordentlich anstrengend. Als riskant, wie häufig gewarnt wird, würden wir sie nicht bezeichnen. Man trifft dann doch jeden Tag auf fünf bis zehn Personen. Durch den Einwurf kleiner Münzen kann sogar die Bergung eines liegengebliebenen Fahrzeugs organisiert werden. Der Schleppdienst bietet eine Versicherung für 500 Dollar an, da die Bergung bis 10.000 Dollar kosten könne.
Es war nicht sehr warm. Dadurch ging ein Wüsten-Feeling verloren, hat aber die Dünenkletterei und das Umherstrollen erleichtert. Im Sommer wird die Wüste gesperrt, die Temperaturen steigen dann auf 50 Grad. Die Simpson ist betörend schön und jede Düne war es Wert. Wir beglückwünschen uns, dass wir uns diese Tour zugetraut haben.

Vor 5.000 Jahren sind die Aborigines durch die Simpsonwüste gelaufen.
1936 hat der erste Weiße die Simpson zu Fuß durchquert.
1962 ist das erste 4WD Auto (Nissan Patrol) durch die Simpson gefahren.
2024 haben die Willners erfolgreich das ‚Simspon Crossing‘ geschafft. ;-)

Simpsonwüste erfolgreich gequert.

Morgens sind wir ganz allein – ein toller letzter Blick und es waren berauschende sechs Tage.

44

Die Dünen der Simpsonwüste

19.09-20.09.24, Australien/SA+QLD+NT/irgendwo in der Wüste, Tag 294-295 Roadtrip, 24.174 km total, Tages-km 107+131

Der Wechsel von der sanft rollenden Ebene in die Dünenlandschaft erfolgt abrupt. Vor uns baut sich ein roter Sandberg auf. Die erste Düne ist mit ungefähr fünfzehn Metern unerwartet hoch. Was macht dieser Berg hier im Westen? Sollen die höchsten Dünen doch im Osten stehen.
Achim lässt Luft aus den Reifen. Sogar in unserer Papierkarte ist diese Maßnahme vermerkt. Ich stapfe den Sandberg hoch, um den ersten Anlauf von Achim und Bundy festzuhalten. Auf halber Strecke bleiben beide stecken. Vorsichtig lässt Achim sich zurück rollen. Nächster Anlauf – gleiches Ergebnis. Beim dritten Versuch schaffen es die beiden mit der letzten Drehzahl grade so an mir vorbei.
Geht es in dem Tempo weiter, werden wir wohl in der Wüste verdursten. :mrgreen: Achim lässt mehr Luft ab. Er geht runter auf die empfohlenen 18 psi. Sehr gut. Die nächsten Dünen nehmen wir wie durch Butter.

Die Tour ist vor allem für den Beifahrer Schwerstarbeit.

Denn für diese ganzen Foto muss ich die Dünen hoch und runter schnaufen.

 

In der Simpsonwüste liegen die längsten parallel verlaufenden Dünen der Welt. Es sind keine Wanderdünen. Der buschartige Bewuchs hält die Dünen an ihrer Position. Vor uns liegen 300 Kilometer – über tausend Dünen. Die Regel sagt, je breiter das Tal zwischen den Dünen ist, desto höher sind die Berge.

Simpson Desert aus dem Weltall – die Dünen malen ein Streifenmuster.

Der Anlauf auf so einen Sandberg macht schweißnasse Hände. Achim fährt im zweiten Automatikgang, damit die Automatik nicht selbstständig hochschaltet. Viel Drehzahl, dran bleiben, das Geschwindigkeitsmoment beibehalten, sonst verhungert man am Hang. Vor besonders steilen Dünen schaltet  Achim in die niedrigere Übersetzung, um noch mehr Drehzahl bei weniger Vortrieb zu erreichen. Aber nicht zu viel Gas geben, sonst schießt man an der Kuppe übers Ziel hinaus. Wie es auf der anderen Seite aussieht, können wir nicht überblicken. Auf den letzten drei Metern der Steigung sehen wir nur noch Himmel. Und ein Stück Motorhaube.

Der Bundy wühlt sich die Düne hoch

und dann an der Kuppe sieht man nur noch Himmel.

Dafür wurden die Sand Flags erfunden. Der wackelnde Wimpel soll entgegenkommende Fahrzeuge warnen. Es gibt nur eine Spur – trifft man sich auf der Kuppe. Bäng. Das soll tatsächlich schon passiert sein.

Der Fahrer groovt sich ein und schaut zufrieden aus. Ich brauche etwas länger, um mich zu entspannen. Aber nach einer Stunde haben wir uns an die Achterbahnfahrt gewöhnt. Es ist anders als wir erwartet haben. Die Furchen sind kein bisschen eben oder glatt. Tiefe Buckel und Gräben haben sich in die Spur gewühlt.
Alles.  Im.  Auto. Wackelt. Der Kopf schlägt hin und her. Das Heck hebt ab. Besteck und Dosen klappern in ihren Schubladen. „Achtung, Gebiss festhalten“, ruft Achim an heftigen Steigungen. Berg- und Talbahn vom Feinsten!

Es ist ultra anstrengend. Und großartig. Nach hundert Dünen haben wir auch ein Auge für die Landschaft. Es blüht in allen Farben weiß. Ich zähle sieben, acht verschiedene Blumen. Wenn die Wüste blüht, soll es immer in Farbwellen erfolgen. Die gelbe Phase, die lila und die weiße. Auch die Farbe vom Sand verändert sich. Mal ist er tiefrot, dann wieder honiggelb. Je nach Eisengehalt im Sand und wie lange er schon an der Oberfläche liegt.

Ein Blütenmeer im roten Sand

Neben dem Wimpel ist die zweite Maßnahme, um einen Zusammenstoß zu verhindern, sich regelmäßig über Funk zu melden. Den Job übernehme ich. Alle fünf Kilometer melde ich uns als „einzelnes Fahrzeug – ostwärts, ostwärts“ über den Äther. Keine Antworten. Bis zum Nachmittag hören und sehen wir niemanden. Bis wir auf zwei Autos stoßen, die am Rand eine Pause machen. Ob die Strecke so weiter geht oder ob Überraschungen auf uns warten, möchte Achim wissen. „Jede Düne ist eine Überraschung“, philosophiert der Gefragte.

Wir kommen langsam voran. Nach sechs Stunden Fahrt (und 107 Kilometern) suchen wir uns einen Übernachtungsplatz. In den Tälern findet man leicht eine Ebene auf der man parken kann. Hundert Meter rechts und links vom Weg darf campiert werden. Grad als wir unser Lager aufgebaut haben, kommen zwei weitere Autos an uns vorbei. Das war‘s an Menschenbegegnungen für diesen Tag.

Es ist der abgefahrenste Campingplatz, den ich mir vorstellen kann. Es ist wild, ruhig – kein Windhauch – etwas unheimlich. Spannend. Abenteuer pur. Dazu diese betörende Schönheit der Vegetation und der Weite. Dafür hat sich die Tagesleistung von jeder einzelnen der beknackten dreihundert Dünen gelohnt.

Unten rechts in der Ebene steht unser Auto mit Dachzelt. Zu unseren Füßen die Blüten. Diese Schönheit ist umwerfend.

Die Buckel am Horizont sind schon die nächsten Dünen-Wellen.

Die schönsten Muster zeichnet die untergehende Sonne in den Sand.

Die Düne vor unserem Campingplatz ist wohl zwanzig Meter hoch.

Wir braten uns eine Hackpfanne mit Mais, Möhren und Reis dazu. Organische Abfälle möchten wir nicht im Auto ein paar Tage herumfahren. Ich grabe ein Loch für die Schalen. Als Toilette dient ein weiteres Loch. Das Toilettenpapier soll man bitte anzünden. Im trockenen Wüstenboden braucht das Papier ewig, um zu verrotten.

Die Fliegen sind wieder da – dafür ist es abends aber auch nicht mehr so kalt.

Gute Nacht Wüste

Leider sind unsere Freunde, die Fliegen inzwischen auch mit von der Partie. Es deutete sich schon verhalten die letzten Tage an. War bislang noch nicht nervig. Eigentlich hätten wir schon die letzten vier Wochen Fliegen haben müssen. War aber nicht so. Der Uluru, bekannt für Invasionen, war tatsächlich Fliegen frei. So viel Schwein muss man erstmal haben. Daher sind wir zwar nicht begeistert wieder mit Netz auf dem Kopf sitzen zu müssen, aber doch zufrieden.

Schlafsäcke erst nach Einbruch der Dunkelheit nach oben bringen – dann schlafen die Fliegen. Socken in Crocs sind nicht nur chic :mrgreen: , sondern sie helfen auch gegen sandige Füße. Echte Wunderlatschen.

Der nächste Tag verläuft ähnlich. Dünen. Einsamkeit. Mal mehr, mal weniger Bewuchs. Wir treffen drei Autos. Die Landschaft ist abwechslungsreich. Jede Düne ist eine Überraschung. Die Hügel werden höher. In den weiten Tälern sammelt sich das Wasser, wenn mal etwas Regen fällt. Keine 15 Zentimeter im Jahr. Zurück bleiben kleine Salzseen. Das sind schöne Abschnitte. Glatter Belag. Es rumpelt nichts und für herrliche Augenblicke steht der Kopf still zwischen den Schultern.

Zwischen den Dünen häufiger Salzseen. Die Dünen sind hier viel heller.

Fährt man zu früh nach dem Regen durch die Salzseen wird die Spur kaputt gefahren.

Ein Salzsee hat einige Kilometer Länge – jetzt führt die Piste am Ufer entlang.

 

Und dann kommt, was zu erwarten war. Der Bundy fährt sich am Ende einer Steigung fest. Selbst die Schwerkraft erreicht da rückwärts gar nichts mehr. Unsere Sandbretter müssen her. Coole Jungs fahren davon zwei Paar, außen am Auto angebracht, mit sich herum. Ein Outback Statussymbol. Wir haben außen keinen Platz und somit liegen die ungenutzten Dinger seit Monaten im Auto und wurden schon zehntausendmal von A nach B gelegt. Jetzt ist der Moment gekommen, wo sie einen Sinn ergeben.
Die Bretter selber kann man als Schaufel benutzen, um sie unter den Reifen zu platzieren. Achim hat es drauf und gleich der erste Versuch gelingt. Der Wagen kommt frei. Nur wo sind die Bretter hin? Wir staunen nicht schlecht und finden sie erst nach einiger Buddelei im Sand – wohl zwanzig Zentimeter tief vergraben.

Auf der Kuppe festgefahren.

Die sandigen Teile kommen ins Auto zurück. Natürlich. Wo sollen sie auch sonst hin? Spätestens jetzt ist alles sandig im Auto. ;-)

Erst drehen die Räder noch durch, dann hilft das Brett. Glücklich wieder raus gebuddelt.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Poeppel Corner. Hier stoßen South Australia, Nothern Territory und Queensland aufeinander. Das ist wichtig, da kann man schon mal einen bronzenen Grenzstein mitten in die Wüste setzen. Der erste Stein wurde bereits 1883 hier errichtet.

Grenzstein Poeppel Corner

Nach sechs Stunden und 131 Kilometern  (jawohl!) suchen wir uns den zweiten Platz zum Übernachten. Heute gibt es Rührei mit Tomate und Paprika in Wraps gehüllt. Dabei stellen wir fest, zwei Eier haben die wilde Fahrt in ihrer Plastik-Eierbruch-Sicherheits-Box nicht überlebt. Die bekommen eine Erdbestattung im Wüstensand.

Am nächsten Morgen finden wir Kratzspuren und Dingopfoten an der Stelle, wo wir das Abwaschwasser hin gekippt haben. Die vergrabenen Eier hat er nicht gefunden.

Die Schönheit dieser Landschaft.

Beim Umherstrollen am Campingplatz findet Achim diese „Seeigel“. Die Stacheln der Blütenstände gehen durch die Sohlen.

Gute Nacht Wüste

 

Fortsetzung folgt …

 

 

49

Schnapsidee Wüstenquerung

15.09-18.09.24, Australien/NT/Kulgera/Mt.Dare/Purni Bore, Tag 290-293 Roadtrip, 23.936 km total, Tages-km 322+250+159

Nach dem Uluru kehren wir zum Stuart Highway (die Asphaltstraße Nord/Süd) zurück. Der frische Wind der letzten Tage ist noch frostiger geworden. Selbst tagsüber kommen wir kaum aus den Pullis raus. Die Nächte sind eisig. Sechs Grad – gefühlt wie drei.  Wir nisten uns zwei Nächte im Roadhouse Kulgera ein und überdenken unsere Pläne.

Tagsüber können wir nur im Windschatten vom Auto sitzen – der Wind ist eisig.

Harley mit Anhänger – der Fahrer sitzt im Pup vom Roadhouse …

… und ist seine eigene Karikatur. Der Cowboy im Hintergrund ist eine Puppe.

Wie fahren wir jetzt weiter? Im Süden ist es noch kälter, also bietet sich Richtung Osten an. Die Idee haben wir schon länger, die hat nur mehrere Haken.
Von Kulgera bis zum nächsten Ort – Birdsville – sind es 770 Kilometer. Nur unbefestigte Straße, davon 340 Kilometer durch die Wüste. Die Simpsonwüste  besteht aus 1.100 Sanddünen, die sich parallel von Nord nach Süden ziehen. Die Dünen sind drei bis vierzig Meter hoch und man muss sie alle überqueren. Simpson Desert ist die trockenste Region Australiens und im Schnitt fahren fünf Fahrzeuge am Tag auf diesem Track. Vier Übernachtungen sollte man auf jeden Fall einplanen. Auf den Dünen ist kaum eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h zu schaffen.
„Bereite dich gut vor und wir empfehlen diesen Track nur erfahrenen 4×4 Fahrern“, mahnen Bücher und Infoblättchen.

Das Auto hat ein eingebautes Funkgerät – check ✓
Richard aus Cairns hat uns ein Handfunkgerät mitgegeben, falls wir das Auto (aus Gründen) verlassen müssten – double check ✓
Wir haben vier nagelneue Reifen (more agressive) – quadruple check ✓
Wir haben zwei Tanks mit 160 Litern Diesel – check ✓
Essen für mindestens acht Tage an Bord – check ✓
Achtzig Liter Trinkwasser dabei, zehn Liter mehr als empfohlen – check ✓
Kein Regen die nächsten fünf Tage vorhergesagt – check ✓
Fehlende Sanddünen-Erfahrung:  „Erfahrung ist, was einem zustößt“, findet der Fahrer. Die Beifahrerin ist zuversichtlich: „Optimismus ist der Mangel an Information“. :mrgreen:

Neben der normalen Vorbereitung muss man eine „Sand Flag“ am Auto montieren. Eine rote, fluoreszierende Fahne muss 3,5 Meter über dem Boden schweben. Ein Ausrüstungsgegenstand von dessen Existenz man im normalen Leben gar nichts weiß. Geschweige denn, wo man so etwas kaufen kann. In Australien ist das kein Problem. Fast jeder 4WD-Outdoor-Outback- Laden hat Sand Flags im Sortiment. Eine biegsame, dreigeteilte Stange plus Fahne in der praktischen Transporthülle. Eine Halterung für den Bullenfänger liegt gleich daneben. Eine Papierkarte, extra nur für diese Strecke, haben wir uns auch noch gekauft. Albern, wie sich die nächsten Tage herausstellen soll. Der Rest aber nicht!

Sand Flag. Mit zwei Gewinden wird die Stange zusammen geschraubt.

Wir fahren also los. Es beginnt mit übelster Wellblechpiste. Nach fünfzig Kilometern Schüttelei sind wir nicht mehr sicher, ob unsere Idee wirklich so gut war. Achim versucht die richtige Spur und Geschwindigkeit zu finden, was nicht immer gelingt. Er lässt Druck aus den Reifen: von 36 psi auf 30. Für seine Verhältnisse ist das viel. Angeraten sind 25 bis 28 psi. Da ist Achim immer ein wenig schüchtern. Als German Autobahn-Fahrer mag er nicht gerne mit platten Reifen unterwegs sein.

Diese Bodenwellen sind fast unerträglich zu fahren.

Der einzige Ort auf 770 Kilometer ist Finke – eine Aborigines Community.

Wir haben noch immer den inzwischen halb geleerten Bierkarton dabei. Die Strafen sind uns zu hoch. Wir fahren nicht in das Dorf.

Die Straße wird nach der Aborigines Community noch schlechter. Wir bleiben dran. Umdrehen kommt nicht in Frage. Es gibt keine Schlaglöcher oder Auswaschungen, nur diese fiesen Bodenwellen machen uns zu schaffen. Die Landschaft ist platt und begeistert durch die Abwesenheit von allem. Es ist Rinderfarmland. Allerdings ohne sichtbare Rinder.

Weideland – nun ja

Auf der Strecke bleibt schon mal etwas zurück …

Mit einem Schnitt von immerhin 50 Stundenkilometern erreichen wir nach zweihundertfünfzig Kilometern unser erstes Übernachtungsziel. Das ‚Mount Dare Hotel‘. Ein Hotel im europäischen Sinn ist es nicht. Eher ein Haus mit Kneipe und Restaurant. Hamburger, Pommes und ähnliches Fastfood kann man hier bekommen. Ein letztes Stück Zivilisation mit Dusche. Aber ohne Trinkwasser oder gar Internet.
Hier bekommen wir auch den ‚Desert Pass‘ ohne den man nicht weiter fahren darf. Die nächsten 500 Kilometer sind als Nationalpark ausgewiesen. Der Pass ist teuer – 200 Dollar – gilt dafür aber ein Jahr. :roll:

In der Mitte von Nichts steht dieses Hotel: Mount Dare Hotel.

Man kann auch tanken in Mount Dare – der Tankwart freut sich. Der teuerste Diesel, den wir bisher in Australien finden konnten. 3,05 Dollar. Der landesweite Schnitt liegt bei 2,00 Dollar. Aber wir müssen hier tanken, alles andere wäre fahrlässig. In den Dünen wird das Auto schlucken. Die Wetten liegen bei 20 Liter, statt 12 wie normal.

Außer uns sind noch ein Dutzend andere Autos hier. Seit Tagen hoffen wir, dass wir auf jemanden treffen, der das gleiche vor hat. Aber die anderen Gäste sind nur Tagestouristen und fahren Morgen nach Alice Springs zurück oder kommen gerade aus der Wüste. Immerhin schaut uns im Gespräch niemand entgeistert an, dass wir alleine weiter fahren wollen. Ein Blick auf unser Auto und es wird wohlwollend genickt. „Less pressure – weniger Druck“, ist der einzige Dauer-Tipp, den Achim bekommt.

Wir schlafen gut. Es nachts weiterhin kalt.
Nach Mount Dare bleibt die Straße schlecht, die Landschaft wird lieblicher. Wir erreichen ‚Dalhousie Springs‘. In dieser Region gibt es 70 Quellen, die aus dem großen Artesischen Becken entspringen. Unter knapp einem Viertel der Fläche Australiens befindet sich ein riesiges Wasserreservoir. Der größte Trinkwasserspeicher der Welt. Diese Quellen haben vor über einhundert Jahren Siedler in die lebensfeindliche Region gelockt. Überreste einer Farm liegen malerisch in sanfte Hügel gebettet.

Die Landschaft wird weicher.

Die Ruinen von Dalhousie Springs.

Malerische Pfähle

Dieser junge Mann wurde mit 15 zum Arbeiten auf die Farm geschickt, um einen Mann aus ihm zu machen. Man macht unweigerlich Witze über Generation Z. ;-)

Ein paar Kilometer weiter kann man sogar in einer der Quellen baden. Heiß baden. Die Wassertemperatur beträgt 38 bis 42 Grad. Wir nutzen dieses Bad ausgiebig, denn eine Dusche wird es die nächsten Tage nicht geben.
Mit uns planscht eine Gruppe von zehn Männern – in fünf Autos unterwegs – in der Quelle herum. Für einige der Jungs ist es das zweite Mal, dass sie in die Simpsonwüste fahren. „Letztes Mal haben wir hier übernachtet. Macht das besser nicht, abends kommen Bill-Trilliaden von Mücken.“  Wir hören auf den Rat, zumal wir schon von Bremsen angefallen werden.

Badewanne mit vielen Mineralien. Die Haare merken es als erstes. Schwer kämmbar. Seife und andere Mittel sind in der Quelle nicht erlaubt.

So sehen die Quellen von oben aus – abfotografiert von den ausgestellten Dalhousie-Ruinen-Fotos.

Hinter Dalhousie Springs wird es richtig schön.

 

Nach knapp zwei Stunden Weiterfahrt erreichen wir die Grenze zur Simpson Wüste. Der letzte Campingplatz mit Plumpsklo auf der Strecke.
Es ist Vollmond. Nachts hören wir weit entfernt ein paar Dingos heulen. Werwolf-Phantasien kommen hoch. Zu sehen bekommen wir keinen Dingo.
Mit uns campieren zwei Motorradfahrer und ein Vater mit seinem erwachsenen Sohn. Der junge Mann hat keinen Bock auf Wüste ohne Internet und zieht eine Flunsch. Der Vater ist ein Glücksgriff-Nachbar. Er fährt die Simpson beruflich. Führt Konvois mit Anfängern durch die Wüste. „Ihr habt so ein Glück“, bescheinigt er uns, „es hat viel mehr geregnet im Winter als sonst. Die Wildblumen blühen. Das bekommt man hier nur sehr selten zu sehen. Und es ist wenig los auf der Strecke. Die Saison ist fast zu Ende. Bald wird es zu heiß, dann wird die Strecke gesperrt. Aber im Augenblick ist es so kühl, dass die Fahrt richtig Spaß macht.“

Wir outen uns als die Anfänger, die er sonst gegen Geld durch die Wüste bringt. Ich bin erleichtert, dass er keine Bedenken hat. „Das Auto ist geeignet. Genug Wasser habt ihr. Nur den Luftdruck musst Du noch etwas verringert“, rät er Achim. „18 psi auf Sand, sonst wird das nichts.“

Teil zwei folgt.

54