Sa./So., 25./26.Nov.17, Karibisches Meer, Tag 1274/5, 12.007 sm von HH
Jetzt haben wir so lange auf unser Wetterfenster gewartet und werden belohnt. Eine Briese zwischen 12 und 18 Knoten (Windstärke 4 bis 5 – so wie es jeder Segler am liebsten hat) bringt uns die ersten 30 Stunden nach Westen. Direkt auf Kurs gehen, dürfen wir am Anfang nicht, dann geraten wir in ein Windloch, wie es gerne vor der Küste von Panama entsteht. Wir kommen gut voran. Kaum Welle, kein Geschüttel im Schiff. Nichts klappert und ich kann bereits am ersten Abend kochen.
Ich glaube, wir sind während unserer langen Liegezeit weich geworden: Segeln ist schön.
Zur Nacht – an Tag zwei – ändern wir den Kurs auf 240 Grad. Der Wind kommt jetzt genau von achtern. Unsere große Genua ist ausgebaumt und zieht uns mit sechs Knoten vorwärts. Jetzt rollt es etwas, aber absolut gut auszuhalten.
Kleine Regenschauer verderben den Spaß. Die haben zum Glück nicht viel Wind oder gar Winddreher als Geschenk dabei.
Noch 120 Seemeilen to go. So soll es sein, so kann es bleiben.
Adios Colombia
Fr., 24.Nov.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1273, 11.850 sm von HH
Kolumbien ist ganz weit vorne:
-Die Nummer zwei der Welt als Schnittblumen-Exporteur
-bei der Nelken-Produktion gar auf Platz 1
-Nirgends auf der Welt gibt es mehr Smaragde
-Bei Kaffee an vierter Stelle
-Bei Kokain macht Kolumbien niemand etwas vor: Platz 1
-Bei Bananen ist Kolumbien Nummer fünf
-im Vordrängeln und im „Weg stehen“ ist Kolumbien Weltmeister
In einer Warteschlange einen Diskretions-Abstand zum Vormann halten: Ein dummer deutscher Anfängerfehler. Der Kolumbianer weiß geschickt die Lücke zu schließen. Unschuldig lächelnd reiht er sich vor einem ein.
An der Supermarktkasse eben mal von der Seite der Kassiererin ein paar Artikel unterjubeln, für einen Kolumbianer kein Problem. Wieder dieses Lächeln.
Vor Ausgängen, auf dem Fußweg, in Supermarkt-Gängen. Jeder Ort erscheint dem Kolumbianer geeignet, um ein Schwätzchen zu halten. Er weicht einige Zentimeter zu viel zur Seite, falls er überhaupt Platz macht. Mit Einkaufswagen oder Rucksack muss man sich vorbei drängeln. Der dadurch entstehende Körperkontakt juckt den Kolumbianer nicht, er lächelt.
Es ist keine unfreundliche Art uns Gringos gegenüber, sondern untereinander sozial anerkanntes Verhalten.
Und der Kolumbianer ist Nummer eins in ‚Daumen hoch‘ zeigen. Er könnte der Erfinder des facebook-Daumens sein.
Ein Geschäft auf dem Markt erfolgreich abgewickelt? Daumen hoch. Sich erfolgreich vor einem Moped-Fahrer an den Straßenrand gerettet? Daumen hoch. Bei der Bitte nach einem Foto: beide Daumen hoch.
Hoch, hoch, hoch.
Die Kolumbianer lieben es, sich fotografieren zu lassen. „Si, claro“. Brust raus, Lächeln angeknipst, Daumen hoch.
- Berittene Polizei – Daumen hoch
- Kolumbianische Selfies
Seit Juli kosten Plastikbeutel im Supermarkt Geld, Mülltrennung wird zaghaft eingeführt. Die Orte in denen wir waren, sind auffallend sauber. Wenig Müll in den Straßen im Vergleich zu den Kleinen Antillen und den Guyanas.
Es hängen keine jungen Männer auf der Straße rum, die vor langer Weile nicht wissen, was sie machen sollen. Fast jeder geht einem Geschäft nach, und sei es nur, dass er kaltes Wasser aus einer Styropor-Box verkauft.
Es gibt auch Dreck-Ecken, wie die Strecke nach Cartagena. Dort wohnen die Menschen knietief in Plastik-Müll, Bau-Schutt und alten Kühlschränken.
Die Straße quer durch die Mangroven hat ihnen ihre Existenz als Fischer genommen und gilt als eine der schlimmsten Umweltsünden Kolumbiens.
Wer keine Perspektive hat, dem ist die Umwelt egal.
Diese Straße soll zurück gebaut werden. Ein Lichtstreifen für die armen Menschen an dieser schlimmen Überlandstraße.
Fast ein halbes Jahr waren wir in Kolumbien und haben viele schöne Erlebnisse gehabt und tolle Landschaften bereist. Die Menschen sind herzlich freundlich und lächeln nicht nur, wenn sie vordrängeln wollen. ;-)W
Wer seinen Besuch auf Santa Marta und Cartagena begrenzt, verpasst das Beste.
Ein aufstrebendes Land, was sich herrlich unperfekt zeigt.
Ein Land, dem man nur wünschen kann, dass es politisch so stabil bleibt. Ein Land, das wir uneingeschränkt zum Reisen und zum Übersommern (Hurrikan-Saison) empfehlen können.
Und am Essen kann ja noch gearbeitet werden. ![]()

Typische Vorsuppe
Das sieht schlimmer aus als es ist- echte, gute, alte Hausmannkost. ![]()
Der Wind kommt
Di., 21.Nov.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1270, 11.850 sm von HH
Endlich, endlich. Wir bekommen Wind. Am Samstag.
Viele Crews scharren seit Tagen ungeduldig mit den Hufen.
Die Eiligen können nicht warten und wollen Donnerstag starten. Für uns kommt es nun auf zwei Tage länger auch nicht mehr an. Wir fahren Samstag.
Fast drei Wochen haben wir fest gesessen, mussten sogar noch zur Immigration und unseren Aufenthalt verlängern lassen.
Etwas nervig und befremdlich. Statt nur einen neuen Stempel in den Pass zu drücken, haben wir alle zehn Fingerabdrücke abgeben müssen. Die sind wahrscheinlich direkt zu Trumpi durchgereicht worden. ![]()
Nach fünf Monaten Aufenthalt im Land macht diese Maßnahme wenig Sinn.
Aber sich dagegen wehren, ist zwecklos. Von Panama wissen wir, dass dort ebenfalls alle Fingerabdrücke genommen werden.
In absehbarer Zeit wird das sicherlich weltweiter Standard werden.
Unser Termin zum Kranen ist weg. Wir sind jetzt eingetragen auf einer Warteliste.
Mal sehen, wir gut das klappen wird.
Die Werft ist gleich um die Ecke, wo wir in Panama einklarieren wollen. Und die berühmten ‚San Blas Inseln‘ liegen auch gleich um die Ecke.
Wir freuen uns jetzt auf klares Wasser und schnorcheln mit bunten Fischen.
Segel-Video
Mi., 15.Nov.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1264, 11.850 sm von HH
Wenn wir schon feststecken in Sana Marta, dann doch produktiv.
Unser neuer Video-Clip ist online.
Über unseren elf Tage-Trip von den ABC-Inseln nach Mexiko. Die Begeisterung der Crew lässt zu wünschen übrig…die Belohnung ist dafür riesig.
Viel Spaß. ![]()
Alltag in Südamerika
Mo., 13.Nov.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1262, 11.850 sm von HH
Wir kommen hier nicht weg. Also machen wir Dinge, die man so macht im Alltag.
Ich brauche für unser verrostetes Tischbein weißen Lack für Metall. Eine winzige Menge soll mir reichen. In dem Stadt-Viertel der Maler suche ich mir einen beliebigen Laden aus.
Der junge Mann hinter dem Tresen scheint meine Anfrage zu verstehen. Er verschwindet nach hinten und kommt mit einer Fünf-Liter-Dose ‚Weiß‘ zurück.
Das mit der ‚winzigen Menge‘ ist wohl verloren gegangen. Ich frage nach einer kleineren Dose. Hat er nicht. Aber das ist kein Problem.
Er reißt sofort die brandneue Dose auf, rührt die Farbe und füllt mir geschickte in eine alte Cola Flasche meine winzige Menge ab. Der Schweinkram an der Cola-Buddel hält sich in Grenzen, das Teil ist noch transportfähig. Nur einen knappen Euro will er für seinen Service haben. Südamerika! Zum Niederknien unkompliziert.
Die Farbe entpuppt sich dann als unstreichbar. Als fadenziehende Masse bekomme ich sie nur in Streifen auf das Tischbein gepinselt.
Südamerika! Es gibt alles, aber nicht alles ist zu gebrauchen.
Es ist mal wieder so weit, ich muss zum Friseur. Als gebranntes Friseur-Kind suche ich mir einen richtigen Salon: Klimatisiert und keine Open-Air-Bude an der Ecke.
Die junge Frau macht einen guten Job. Ich fühle das, ich sehe das. Ich entspanne mich und atme auf. Bis zum Schluss der Pony dran ist. Mehr ein Unfall als ein Haar-Schnitt.

Pony-Unfall
Den habe ich jetzt so gut es ging begradigt. Dazu musste ich auf Prinz-Eisenherz-Niveau kürzen. Was soll’s, der alte Spruch behält seine Gültigkeit: wächst ja wieder.
Südamerika! ![]()
Kleine Besorgungen beschäftigen uns den halben Tag.
Beim Optiker mal eben die Brille richten lassen? So einfach ist das nicht. Beim Optiker kann man Brillen kaufen. Mehr nicht. Die Optiker-Werkstatt ist am anderen Ende der Stadt.
Eine Art Sammelwerkstatt für alle Optiker.
Im Stoffladen gibt es kein Garn. Dazu muss man drei Straßen weiter.
Im Garnladen gibt es kein Nähmaschinenöl. Dazu muss man drei Straßen weiter.
Südamerika! Zum Verrücktwerden kompliziert.
Südamerika, wir lieben Dich.


