Vanille-Tour

Sa.,27. Feb. 2021, Franz.Polynesien/Tahaa/Hurepiti, Tag 2463, 21.369 sm von HH

„Ich habe gelesen, dass über Tahaa zur Hauptsaison der Vanille-Ernte ein betörender Vanilleduft hängen soll. Stimmt das?“, frage ich Noah. „Das habe ich auch gelesen“, lacht er, „und noch nie gerochen.“ Wir stehen inmitten einer Vanille-Plantage auf einer geführten Tour rund um Tahaa. Zur kühlen Jahreszeit, im Juli/August haben die Vanille-Orchideen Hochsaison. Aber ein paar Pflanzen tun uns den Gefallen und tragen auch bei dreißig Grad ein paar Blüten. Somit kann Noah uns zeigen, wie eine Vanille-Blüte bestäubt wird. Das müssen Menschen übernehmen, denn die Bienen und Kolibris, die im Ursprungsland der Vanille – in Mexiko – diesen Job übernehmen, gibt es in Französisch Polynesien nicht. Die Spanier, die bei der Unterwerfung von Mexiko den Geschmack der Vanille kennen lernten, brachten die Pflanze mit nach Europa. Aber alle Hof-Gärtner in den Königshäusern in der alten Welt, brachten die Pflanzen nur zum Blühen. Schoten blieben ihnen versagt. Erst 1836 entdeckte man, dass eine „künstliche“ Befruchtung den Erfolg bringt.
Eine Vanille-Blüte zu bestäuben ist ein Job bei dem man nicht einschlafen darf. Diese Blüte hält nur einen Tag. Bereits am Nachmittag machen die Blüten schlapp und die Chance zur Befruchtung ist verloren. Als seine Eltern selber noch eine Vanille-Farm hatten, hat sein Vater über tausend Blüten am Tag geschafft, berichtet Noah. Nach dem Totalverlust ihrer Pflanzen durch einen Pilzbefall hat die Familie das Vanille-Geschäft aufgegeben und veranstaltet jetzt nur noch geführte Touren.

Vanille-Blüte – vergängliche Schönheit – Haltbarkeit nur ein knapper Tag

Die Blütenblätter werden umgestülpt, bis der Pollen zum Vorschein kommt

Der Pollen wird in die Pollentasche gegeben, leicht zugedrückt und fertig ist die Hochzeit

Die Vanille-Orchidee ist eine Rankpflanze und wird in mehreren Buchten um einen zwei Meter langen Stock gewunden. Bis zu fünfzehn Meter kann eine Vanille-Orchidee lang werden. Der Trägerstock muss also in der Lage sein später das Gewicht der ausgwachsenen Orchidee zu tragen. Da wir uns in einer ‚Open-Air‘ Plantage befinden, wird einfach ein „Weiden“stock in die Erde gesteckt, der bereits zwei Wochen später angewachsen ist. Der Orchideen-Steckling wird daneben gepflanzt. Jetzt braucht man Geduld, denn erst nach ungefähr drei Jahren zeigen sich die ersten Blüten. In der Zeit werden die Ranken immer wieder um ihren Trägerstock gewickelt.
Erscheinen die Blüten kommt es zur menschlichen Befruchtung – der Hochzeit. Und wieder braucht man Geduld. Erst neun Monate später sind die Schoten ausgereift. Sie werden schwarz und fallen ab. Jetzt braucht man sie „nur“ noch zu trocknen. Dies ist eine so aufwendige Arbeit über mehrere Wochen, dass viele Vanille-Bauern diese Arbeit nicht mehr selber übernehmen. Auf Tahaa gibt es drei Betriebe, die sich um die Trocknung und Fermentierung der Vanille-Schoten kümmern.

Noch unfertige Schoten an der Pflanze – ungefähr zehn Zentimeter lang

Die Schote der Tahiti-Vanille ist viel dicker und länger als herkömmliche Schoten, da sie an der Pflanze ausreift bevor sie getrocknet wird. Im Aroma unterscheidet sich ebenfalls – sie hat weniger Vanillin, aber einige zusätzliche Aroma-Stoffe, die sie zu einer besonderen Delikatesse in der Sternegastronomie macht. Der Geschmack wird häufig als blumig-würzig beschrieben. Der Duft der Schoten ist einmalig betörend. Daher wird die Tahiti-Vanille auch viel in der Parfüm-Herstellung eingesetzt. Der langwierige Prozess des Anbaus, der Ernte und der Trocknung macht die Tahiti-Vanille zu einem der teuersten Gewürze der Welt. Selbst vor Ort kann man gut und gerne fünf Dollar für eine Schote bezahlen. Die Preise schwanken natürlich je nach Qualität der Schote. Eine tolle Geschichte, ich könnte stundenlang davon schwärmen.
Über achtzig Prozent der Vanille aus Französisch Polynesien stammt von Tahaa. Hohe Preise locken. In jedem zweiten Garten steht ein Gewächshaus. Da die Vanille es gerne schattig mag, werden viereckige Gestelle errichtet, die mit Abschattungs-Gazen verhängt werden. Von weitem sehen die Gewächshäuser wie Bunker aus dem zweiten Weltkrieg aus. Nur wenige Bauern pflanzen ihre Vanille in natürlicher Umgebung an.

Gewächshäuser für Vanille – schwarze Kästen in jedem dritten Garten

Vanille-Gewächshaus

Wir unternehmen nicht so oft geführte Touren, aber diese ist jeden Cent wert. Nach der Vanille-Farm geht es auf der Ladefläche eines urigen Landrovers um die Insel. Noah erzählt uns Geschichten über die Ankunft der Polynesier, gibt uns Blüten mit Pilzgeschmack zum Probieren und führt uns die Gewinnung von polynesischem Shampoo vor. Dafür drückt er aus einer Computer-Maus großen Blüte eine gelartige Flüssigkeit, die tatsächlich leicht nach Shampoo duftet. Das Urgeheimnis des schönen polynesischen Haars, wie er versichert. Ein gelungener Vormittag! Alle Daumen hoch!

Polynesisches Shampoo wird aus einer Blüte gequetscht

Tolle Tour – unbedingt zu empfehlen.
– Kostenpunkt – 60 USD pro Person für vier Stunden (bei uns sind es fünf ein halb geworden)
– Minimum vier Teilnehmer, maximal acht
– Früchte-Picknick inklusive
– drei Nächte an der Mooring ebenfalls inklusive

Vanille-Tour auf Tahaa

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Rüber zur Westseite von Tahaa

Fr.,26. Feb. 2021, Franz.Polynesien/Tahaa/Hurepiti, Tag 2462, 21.369 sm von HH

Wir gehen Anker auf. Verlassen unseren Swimming Pool, schließlich wartet Tahaa auf einen Besuch von uns. Auf der Westseite wollen wir in einem der Fjord artigen Buchten von Tahaa an eine Mooring gehen. Die Umrundung von Tahaa ist einfach. Hinter dem Außenriff und seinen anschließenden Korallenbänken und flachen Lagunen, findet sich ein tiefer Kanal. Der ist bequeme fünfundzwanzig bis fünfzig Meter tief und ohne Korallenköpfe, die sich in den Weg stellen könnten. Die Franzosen haben Sandbänke und Untiefen, die inselseitig ihre Finger nach Segelbooten ausstrecken, ganz prima betont. So kann man theoretisch einmal die gesamte Insel im tiefblauen Kanal umfahren.

Tahaa (credit google maps)

Gut betonnt kann man sicher um Tahaa herum fahren – Untiefen sind perfekt gekennzeichnet

Ein Kanufahrer überholt (versucht zu) Atanga zwischen uns und dem Außenriff

Üppig grüne Schönheit – dieses Tahaa

So idyllisch ziehen die Wohnhäuser an uns vorbei

wie aus Schöner Wohnen

Der Nachteil an diesem tiefen Graben zwischen Insel und Außenriff: die Buchten sind genau so tief. Es ist schlecht ankern auf fünfundzwanzig Meter. Aber pfiffige Hotels, Yachtclubs und Tourenanbieter haben Moorings gesetzt, die sie vermieten. Wir haben uns für Noahs ‚Vanille Tour‘ entschieden. Der Deal ist fair – wer bei ihm eine Tour bucht, darf drei Nächte kostenlos an seiner Mooring hängen. Per whats App erkundigen wir uns nach freien Plätzen: „Kein Problem, ihr könnt kommen.“ Gleichzeitig fragen wir Frank und Dagi von der Hanavave, ob sie auch Lust auf eine Tour bei Noah hätten. Haben sie. Ein paar Apps später ist es verabredet. Die Crew der Hanavave kommt aus Bora Bora zu uns rüber und am Samstag machen wir gemeinsam die Tour. Sehr schön, da freuen wir uns.
Wir brauchen für die zehn Seemeilen zu Noah nur zwei Stunden. Entweder wir haben in der Inselabdeckung gar kein Wind oder direkt auf die Nase. Da ist es einfacher mal eben zu motoren. Das Wasser ist hinterm Riff glatt gezogen, alles kein Problem.

So geraten wir mitten hinein in eine Idylle, die ihres gleichen sucht. Die Bucht ist dünn besiedelt, es herrscht kaum Straßenverkehr, da eine Buchtseite sowieso eine Sackgasse ist. Rechts und links heben sich steile Hänge, vielleicht dreihundert Meter hoch. Grün überwuchert bis zu den Gipfeln ohne Landwirtschaft. Ganz tief, am Ende der Bucht liegen die Moorings von Noah. Kein Windhauch kommt hier hinten an. Gut für schaukelfreies Schlafen und gut für die Mücken, die bei so ruhigen Bedingungen leicht den Weg zu uns finden. Keine Idylle ohne Dornen.

Ganz tief hinten links in der Ecke liegt Atanga – die Bucht wirkt auf dem Foto breiter als sie ist – schmal zieht sie sich am Ende zusammen

Atanga und ein weiteres Boot liegen tief in der Bucht von Hurepiti

Auf kleinen Feldern wird ein wenig Landwirtschaft betrieben

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Leben in der Lagune

Do.,25. Feb. 2021, Franz.Polynesien/Tahaa/Ile Mahaea, Tag 2461, 21.359 sm von HH

Seit einer Woche hängen wir in der Lagune und finden es wundervoll. Nach dem schlechten Anfang hat sich das Wetter zum Besten umgekehrt. Die Sonne steht am Himmel und es herrscht (meistens) Flaute. Wie ein petrolfarbenes Bettlaken liegt die Lagune glatt gezogen vor uns. Selbst die Brandung am schützenden Außenriff ist kaum mehr zu hören.
Atanga dümpelt um ihren eigenen Anker herum. Die Bojen haben ihr eigenwilliges Verhalten aufgegeben. Wir haben offenbar die richtigen Abstände ausgemittelt und beim nächsten Mal sollte die Ankerketten-Schwebe-Aktion schon besser klappen.

An Land können wir nicht. Wir haben noch nicht mal das Dinghy zu Wasser gelassen. Wenn wir von Bord wollen, müssen wir schwimmen oder schnorcheln. Die Hauptinsel Tahaa ist für eine Dinghy-fahrt recht weit weg und interessiert uns im Augenblick nicht. Das Inselchen – ein sogenanntes Motu – was direkt vor uns liegt, ist privat. Tabu. Wir respektieren das und halten Abstand, gehen nicht mal vor ihrer Sandbank schnorcheln. Warum auch, wir haben unseren eigenen Swimming Pool. Fünfzig Meter hinter Atanga wird es flach, sogar ich kann dort knapp stehen. Rochen ziehen an uns vorbei. Das Wasser hat gute 28 Grad – Hochsommer auf der Südhalbkugel.

Bei Regen kommen unsere unbekannten Nachbarn nach Hause

Bei Sonnenschein sieht das Motu so aus

Diese Idylle wird nur durch kurze „Bauarbeiten“ unterbrochen. Direkt in unserem Planschbecken ankert eine Plattboden-Schute. Mit großen Schaufeln holen fünf, sechs Jungs den Sand aus der Lagune und beladen ihren Kahn bis zur Schmerz- und Kentergrenze. Fröhlich hören wir sie gackern bei der Arbeit. Freundlich winken sie rüber. Nach einer Stunde sind sie fertig mit schaufeln und ziehen wieder ab. Wir sind wieder alleine.

Die Bauarbeiten beginnen schon vor dem Frühstück

Mühsame Schaufelei im brusttiefen Wasser

Der Kahn fährt schon fast unterhalb der Grasnarbe

Andere Segelboote kommen und gehen, bleiben höchsten zwei Nächte. Die Lagune ist groß, die Abstände zueinander auch. Kontakt haben wir keinen, jede Crew genießt für sich alleine. Wir füttern den Trupp der kleinen Nasen-Docktorfische, der hinter uns an einem Korallenblock wohnt mit Gurkenschalen an. Gierig stürzen sich die Fische auf die neue Leckerei. Kurz vor Sonnenuntergang sehen wir mehrfach einen Hai unter Atanga langziehen. Dass es überhaupt noch Fische in der Lagune gibt, erscheint uns wie ein Wunder. Täglich verfolgen Jäger mit Harpunen am Riff vor dem Motu ihre Beute. Stundenlang wird auch dem letzten essbarem Barsch oder Snapper hinterher gehetzt. Entsprechend klein sind die Rifffische, die wir entdecken. Große Papageienfische oder Drücker gehören der Vergangenheit an. 

Falterfische schwimmen uns direkt vor die Linse

Farbenprächtige Riesenmördermuschel – diese ist winzig – vielleicht zehn Zentimeter

Unsere Go Pro ist leider schon fast ein Jahr kaputt. Auf Tahiti konnten wir uns keine neue kaufen, da Go Pro seinen Verkauf nur noch über einen Selbstvertrieb vornimmt. Händler mit Lizenzen gibt es nicht mehr. Schicken lassen, können wir uns auch keine. Man mag es nicht glauben, aber DHL Deutschland versendet noch immer nicht Französisch Polynesien. Die Post in der Heimat hat doch nicht etwa was mit der Impfstoff-Verteilung zu tun?
Damit wir überhaupt Unterwasser-Aufnahmen machen können, haben wir uns im Oktober die einzige (!!) Unterwasserkamera gekauft, die wir finden konnten. Eine Coolpix W150. Nicht the best horse im Stall – aber besser als nichts. So können wir wenigstens ein paar Schnappschüsse schießen.

Über Wasser ist die Coolpix leider auch nur mittelprächtig

Im Planschbecken vor unserem Motu

Wasserspiele

Und was ist mit Drohnen-Bildern? Die Frage kommt zu Recht. Wir sind Feiglinge. :mrgreen: Von Bord aus zu landen und zu starten … nein, Hilfe, wir trauen uns noch nicht. Dazu muss einer (also ich) die Drohne vor der Landung aus der Luft abfangen. Zum Landen an Deck wäre theoretisch zwar Platz, aber die Sensoren, die verhindern, dass die Drohne an Hochspannungskabeln oder Äste fliegt, sorgen auch dafür, dass die Drohne nicht nah an unseren Wanten und Stagen heran fliegen kann. Rückwärts fliegen lautet der Trick. Haben wir an Land erfolgreich probiert. Zweimal ist mir der Griff nach dem Biest erfolgreich gelungen. Aber auf dem engen Kahn? Ich bin der Feigling.

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Polynesisch Ankern – in drei Akten

So.,21. Feb. 2021, Franz.Polynesien/Tahaa/Ile Mahaea, Tag 2456, 21.359 sm von HH

Mittwoch – Tag 1
Wir segeln bei mäßig schwachem Wind von Huahine auf die Nachbarinsel nach Tahaa. Direkte Strecke sind es nur 21 Seemeilen, aber da wir vor dem Wind kreuzen müssen, zieht sich die Fahrt. Erst um 16:30 Uhr stampfen wir uns durch den schmalen Pass – die Strömung drückt ganz ordentlich. Stehende Wellen wirbeln uns hin und her. Aber dann sind wir in der Lagune – türkis bis zum Horizont. Die Lagune ist gespickt mit Bommies. Wir haben die untergehende Sonne im Rücken und können die Korallenköpfe noch halbwegs gut erkennen. Im Zick-Zack suchen wir uns eine größere Sandfläche, um den Anker fallen zu lassen. Nach unserem Rampler mit so einem Bommy haben wir bislang solche Plätze gemieden und schlammige Buchten ohne Korallen bevorzugt. Somit kommt es zur Premiere von „Polynesisch Ankern“ auf Atanga.
Beim korallenschonenden Ankern in Bommy übersäten Lagunen werden zwei bis drei Bojen (oder Fender) an die Ankerkette gebunden, damit die Ankerkette zum Schweben kommt. Das widerspricht eigentlich dem Ankerprinzip vom harmonischen Zusammenspiel von Anker und Ankerkette. Weder Kette noch Anker alleine halten ein Schiff. Ein guter Anker gräbt sich ein und die Kette hält den Schaft des Ankers am Meeresgrund, so dass dieser nicht ausbrechen kann. Schwebt nun die Kette, wird das bewährte System zum Teil zerstört. (hier sei für Interessierte ein Link empfohlen: Ankerkettenrechner von Mathias von der San Ankerketten-Rechner – SAN (trimaran-san.de) )
Die Ankerkette soll zum Schweben gebracht werden zum Schutz der Korallen. Aber auch zur eigenen Sicherheit. Wickelt sich die Ankerkette bei Winddrehern um die Bommies, kann sich die Kette gefährlich verkürzen oder schlimm verhaken – bis zum Verlust des Ankergeschirrs.

Wir sind Korallen-Freunde und wollen schweben lassen. Dazu pickt Achim beim Ankerkette raus lassen nach ungefähr zehn Metern (doppelte Wassertiefe) die erste Boje mit einem Schäkel ein. Es folgen sechs weitere Meter Kette, die zweite Boje knotet Achim mit einem Tampen fest – und nach weiteren sechs Metern folgt Boje Nummer drei. Insgesamt lassen wir dreißig Meter Kette bei 5,5 Meter Wassertiefe raus. Das sollte auch bei schwebender Kette reichen.
Das Tageslicht taugt noch für einen schnorchelnden Anker-Check. Der liegt brav im Sand und hat sich halbwegs gut eingegraben. Die Kette schwebt in schmalen Buchten. Ohne viel Zug auf der Kette treiben die Bojen lustlos an der Wasseroberfläche.

So sieht es bei Flaute von oben aus

Die helltürkis Fläche ist nicht tief genug für uns – wir bleiben im fünf Meter Bereich

Donnerstag – Tag 2
Am nächsten Morgen haben wir mistiges Wetter, Regenschauer und Squalls mit zwanzig Knoten Wind. Die Ankerkette hat sich gestrafft, der Anker über Nacht schön tief eingegraben. Jetzt schweben die Bojen weit auseinander und sind durch den Zug der Kette unter Wasser gezogen worden. Jetzt sehen wir, dass die letzte Boje ist zu nah am Schiff schwebt, sie hat somit keine Wirkung, und soll näher am Anker neu angetüttelt werden. Das klingt einfacher als es ist. Die Bojen haben zu viel Auftrieb (25 Kilo = Tippfehler… edit 15 Kilo), um sie mal eben schnorchelnd unter Wasser zu versetzten. Nur mit Hilfe eines Fenders als Ketten-Hebe-Sack, mit langen Tampen und als Gemeinschaftswerk gelingt das Vorhaben. Ganz zufrieden verbringen wir den Rest des Tages unter Deck – inzwischen schüttet es wie aus Eimern.
Um 4:00 Uhr morgens holt uns ein Squall mit 33 Knoten Wind aus dem Bett. Das ist immer eklig, aber mit diesem neuen Gefühl der schwebenden Kette wird es nicht wohliger. Aber der Anker hält, um fünf können wir ins Bett zurück.

Nur mit langen Tampen und Hilfs-Hebesäcken kann man die Bojen an der Kette versetzen

Mit Schäkel ist es einfacher – leider haben wir nur einen übrig

Der Kampf gegen den Auftrieb – der Skipper gibt alles

Noch mehr Kampf

Freitag – Tag 3
Flaute – Squall – Winddreher – Squall – Flaute. Wir haben uns über Nacht fast um 180 Grad gedreht. Der Anker hat auf seinem Sand-Fleck die Drehung ganz gut mit gemacht, wie ein Schnorchel-Check zeigt. Ein Stück wurde er aber mitgezogen beim Drehen, bevor er sich wieder eingegraben hat.
Da geht während eines neuerlichen Regenschauers mit Winddreher plötzlich ein Ruck durch Atanga. Wir gucken uns an: was war das denn? Ankeralarm gab es keinen, also sind wir da, wo wir hingehören. Aber wo sind unsere Bojen? Selbst die Große ist nicht zu sehen. Und warum kommt der Wind nicht mehr von vorne?  Wir laufen auf dem Schiff hin und her, keine Boje zu entdecken. Achim geht schnorcheln. Durch die Winddreher und Flaute haben wir uns quasi selber überholt. Allerdings sind die  Bojen an der falschen Seite von Atanga hängen geblieben. Wir haben uns aufgehängt. Achim schneidet den Tampen von der dicken Boje ab, wir sind wieder frei und Atanga richtet sich anständig gegen den Wind aus. Grrr, irgendwie ist „polynesisch Ankern“ doof.
Die abgeschnittene Boje bekommt einen neuen Tampen und wird wieder festgeknotet. Und wenn wir schon dabei sind, sollen die anderen zwei Bojen auch noch einen besseren Platz bekommen. Die erste Boje kommt noch ein Stück näher an den Anker, die zweite rückt auf. Ein Tauch- und Schnorchelspiel, was sich über eine Stunde zieht.
Am Nachmittag dann wieder Flaute. Wir liegen jetzt über unserem eigenen Anker, frech tänzeln die Bojen neben der Bordwand. Ob wir uns wieder an uns selber aufhängen? In der täglichen leichten Abendbrise beobachten wir, wie zentimeterweise die Kette gestrafft wird. Die gewünschte Reihenfolge wird wieder hergestellt. Anker – Bojen – Schiff in einer geraden Linie. Unser Fazit lautet: „Polynesisch Ankern“ taugt nichts bei Flaute und wechselnden Winden. Da muss man schon ein großer Korallen-Freund sein. :-)

Hier überholen wir uns gerade wieder selber

Hier sieht man schön, wie die Korallen überschwebt werden

Ankern als Korallenfreund

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Corona Update

So.,14. Feb. 2021, Franz.Polynesien/Huahine/Fare, Tag 2449, 21.334 sm von HH

Das wievielte Up-Date ist das? Nützt nix – müssen wir durch!
Seit ein paar Tagen sind die Grenzen wieder zu. Französisch Polynesien erlaubt die Einreise nur noch aus familiären Gründen und in Notfall- Situationen. Sofort geisterte eine Liste der geschlossenen Hotels durchs Internet. Einige Hotels verkündeten eine Schließung bis Ende März, andere gleich bis einschließlich April. Es wird also ruhig werden auf den sowieso schon ruhigen Inseln. Touristen, die noch im Land sind, dürfen ihren Urlaub noch zu Ende führen. Glück gehabt. Meinen heimlich ins Auge gefassten Wunsch im Mai mit einem Jahr Verspätung nach Deutschland fliegen zu können, kann ich beerdigen.

So ganz freiwillig macht Französisch Polynesien das nicht, so scheint es. Aber der Druck aus Frankreich ist groß. Die Sorge um die Mutation des Virus der Treiber. Der ‚Directeur‘ der Interconti-Hotel Gruppe Tahiti äußert seine Sorge so: „Wir erleben den März 2020 noch einmal. Aber damals standen wir auf zwei Beinen, heute sind wir bereits auf den Knien.“
Nachdem im November die Inzidenz-Zahl bei ca. 2000 lag (auf die Bevölkerung von Tahiti hochgerechnet), ist sie in der Zwischenzeit auf ungefähr 60 gesunken. Das freut das ‚Haut-Commissariat‘, wurde doch vor Ort der Warnwert auf 250 festgelegt. Direkt werden die Regeln gelockert: die Ausgangssperre am Wochenende auf 22:00 Uhr verkürzt, um die Gastronomie zu stärken. Sporthallen und Fitness-Center dürfen mit Hygiene-Konzept wieder öffnen.

Von Anfang an hatte man in Französisch Polynesien auf Herdenimmunität gesetzt. Ein Epidemiologe und Berater vom Präsidenten Fritch hatte für Dezember den höchsten Infektionswert vorhergesagt (fast korrekt). Und für März 2021, dass Französisch Polynesien dann mit der Epidemie ‚durch sei‘ (hoffentlich behält er da ebenfalls Recht).
Es scheint, dass man vor Ort auf einem guten Weg ist. Wie kann das sein? Wenn man ehrlich ist, hat sich in Papeete kaum jemand um die Regeln gekümmert. Und auf den Außeninseln sowieso nicht. Ja, im Supermarkt werden Masken getragen und die Ausgangssperre wird auch eingehalten, dort wo die Polizei hinkommt. Aber sonst wird dem ganzen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Es wird gefeiert, zusammen gegrillt und gearbeitet wie immer.

Gestorben sind bislang 135 Menschen. Das klingt nach einer super kleinen Zahl. Gemessen an der Einwohnerzahl bringt das Französisch Polynesien im Augenblick auf Platz 62. Deutschland liegt auf Platz 43. Nur neunzehn Plätze Unterschied. Würde man nur die Einwohnerzahl von Tahiti zu Grunde legen, würden Deutschland und Französisch Polynesien in etwa gleichauf liegen in der Sterbestatistik. Wieder ein ‚wie kann das sein‘? Das eine Land belegt die Bevölkerung mit einem Lockdown, das andere Land ‚lässt laufen‘.
Eine Erklärung wäre, dass die Bevölkerung vor Ort natürlich viel jünger im Durchschnitt ist (22% über 65 Jahre zu 8%). Außerdem findet 90 Prozent der wachen Zeit im Freien satt oder bei geöffneten Fenstern. Es ist warm und sonnig – viel Vitamin D Versorgung. Dagegen befindet sich die junge Bevölkerung in Französisch Polynesien in einem schlechten Gesundheits-Zustand. Die Jungen sind dick. Zu viel Pommes und Weißbrot fordern ihren Tribut. Die Menschen sind behaftet mit allen Vorerkrankungen, die großes Übergewicht so mit sich bringt. Es scheint, egal, was man unternimmt, das Ergebnis ist das Gleiche.

Die aktuelle Impf-Quote vor Ort beträgt 1,25% – bei zweimal Geimpften grade 0,3%. Da wir an Europa hängen, geht es hier natürlich genauso schleppend voran wie in der Heimat. Die versprochene Impfstoff-Lieferung ist im Februar kleiner als angekündigt ausgefallen. Das kann also noch dauern bis wir an der Reihe sind. Mit Glück rutscht Achim im November an seinem Geburtstag von der letzten Impf-Gruppe eine Gruppe nach oben. :mrgreen:
Wir warten also, was können wir auch sonst tun? Aufgrund der hitzigen Diskussionen, um Vorrechte für Geimpfte glauben wir kaum noch daran, dass wir ohne Impfung weiter reisen können. Neuseeland hat verkündet, dass die Grenzen das ganze Jahr 2021 geschlossen bleiben. Wir sind am überlegen, ob wir es noch einmal mit einer Sondergenehmigung versuchen. Sollten sie uns rein lassen, ist allerdings unklar, was machen wir ‚danach‘. Wird Neuseeland uns rauswerfen nach Ablauf der normalen Visums-Frist? Sonder-Visa wollen die Kiwis zur Zeit nicht recht rausrücken. Die Segler vor Ort stehen gerade vor argen Problemen und hoffen auf Verlängerung. Es heißt sogar, dass Segler aus Neuseeland nach Französisch Polynesien zurück kehren wollen oder müssen. Ein harter Ritt von drei Wochen auf 40 Grad südlicher Breite. Verrückte Welt.

Der Corona-Wahnsinn behält uns also weiter im Griff. Kein Abend an dem wir nicht diskutieren, wie es weiter geht. Planlos und ratlos drehen sich die Gedanken im Kreis.

Täglich neue Fälle in Französisch Polynesien – Grafik stammt von ‚Worldometers‘

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