Santa Marta

Sa., 08.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1134, 11.850 sm von HH

Jetzt ist klar, wo ‚Crocs‘ erfunden wurden: in Santa Marta.
Diese unsäglichen Klumpen-Schuhe, die schon mal Blumenübertopf und Parkbank gewesen sind. Die quietsch-bunten Plastik-Latschen, die man nur hassen kann. ;-)
Diese Schuhe jedenfalls wurden in Santa Marta erfunden.

Anderes Schuhwerk ist für Santa Marta ungeeignet, nachmittags, wenn der Regen kommt.

Überschwemmung nach 30 Minuten Regen

Überschwemmung nach 30 Minuten Regen

 

Für Sandalen-Träger errichten pfiffige Jungs Straßensperren.
Galant wird den Damen an der Hand über die provisorische Brücke geholfen. Ein kleiner Betrag in Münzen wechselt den Besitzer. Der wartende Verkehr nimmt es gelassen. Erst wenn die Autoschlange zu lang wird, wird die Brücke für einen Moment abgebaut.

weiteres Geschäftsmodel

weiteres Geschäftsmodel

Männer in Anzug krempeln die Hosenbeine hoch, nehmen die Lederschuhe in die Hand und waten barfuß zur anderen Straßenseite. Unbedarfte Touristen (die keine Crocs haben dürfen :mrgreen: ) ebenfalls.

Eine junge Frau versucht ihre, mit Samt-Schuhen bekleidete, Oma anzuheben, um sie über die Überschwemmung zu tragen. Vergebens.
Da kommt ein junger Mann daher und fackelt nicht lange. Er nimmt Oma Huckepack. Unkompliziert, ohne Scheu oder Scham ’springt‘ Oma auf seinen Rücken. Alle lachen und freuen sich über den gelungenen Streich. Oma strahlt ein zahnloses Lachen.
Sie ist wahrscheinlich froh, dass die Enkeltochter nicht Crocs kaufen geht.

Tiefenentspannt macht jeder das Beste aus den fast täglich statt findenden Überflutungen.

Santa Marta ist großartig.
Es ist lebendig, bunt und voller Freßbuden. Vielleicht noch mehr als in Mexiko.
Fleischspieße vom Holzkohlegrill, frittierte Sauereien, handgeschnitzte Pommes, Pizza, Emplenadas und was das Herz begehrt.
Überall stehen Verkäufer mit erfrischender Limonade. Die Köstlichkeit aus Limetten- oder Mandarinen-Saft, verdünnt mit Eiswasser gibt es für 30 Cent.
Hygienisch wahrscheinlich höchst bedenklich, aber wunderbar kalt rinnt uns die Limonade die Kehle runter. Eine göttliche Erfindung, diese Aquarien mit Limonade.

Dass wir in Südamerika sind erkennt man gleich: es wird gehupt, auch wenn kein Grund dafür besteht. Es dröhnt Musik aus allen Rohren.
Für eine mitteleuropäische Frau ist es schwierig hier. Man kann nur verlieren: jede dritte Einheimische sieht aus wie Jennifer Lopez. Lateinamerikanische Schönheiten wohin das Auge reicht.
Die Jungs sind auch nicht schlecht, aber die jungen Chicas…wow.

Unsere Pläne in Santa Marta

Do., 06.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1132, 11.850 sm von HH

Sich Santa Marta von See zu nähern, darf als Enttäuschung bezeichnet werden.
Vor einer typisch Südamerikanischen Hochhaus-Kulisse liegen ein paar Frachter auf Reede. Rechts und Links ein paar begrünte Hügel, ein baumloser Strand. Die Hauptattraktion, die ‚Sierra Nevada de Santa Marta‘, fast 6.000 Meter hoch, ist in Regenwolken verborgen.

Im Slalom an den Frachtern vorbei suchen wir unseren Weg in die Marina. Die allerdings ist nagelneu und liegt mitten im Zentrum.
Eine echte Stadt-Marina. Auch mal schön nach den ganzen ruhigen Plätzen etwas Leben um sich herum zu haben. In fünf Minuten sind wir im ‚Centro historico‘.
Vom nahen Stadtstrand und der Straße schallt der Lärm herüber. Gerade so laut, dass er nicht stört. Lateinamerikanische Kläge oder auch mal ACDC oder Madonna sind zu hören. Lebendig.

In die sauberen, aber kalten Duschen der Marina kommt man per Fingerabdruck-Scan.
Sehr praktisch, steht man so nie wie der letzte Trottel ohne Zugangskarte vor verschlossener Tür. Jetzt nur aufpassen, dass man keinem Kolumbianer die Hand gibt. :lol:

Die Mitarbeiter sind super nett und hilfsbereit. Alle Gewerke sind vor Ort. Nix Kunde droht mit Auftrag, an Tag zwei war schon der Rigger da, ein Angebot ist in Arbeit. Morgen kommt der Persenning -Mann. Aber hallo.

Diese Marina wird für die nächsten Monate unser zu Hause sein.
Hier wollen wir übersommern und die Hurrikan-Saison verbringen. Kolumbien bietet sich gut dafür an. Hurrikane kommen hier nicht mehr an.

Ohne Visum dürfen wir 180 Tage im Kalenderjahr bleiben, alles sehr einfach. Die Kolumbianer gelten als freundlich, Lebenshaltungskosten sind moderat. Abgesehen von Liegegebühren.

Warum die Marina in Santa Marta und nicht das nahe gelegene Cartagena, dem Sahnetrüffel unter den Städten in der Karibik?
Hier ist die Marina preiswerter. Und das ist noch teuer. Ein Tages-Liegeplatz ist mit 65,00 EUR unbezahlbar. Ein Monat kostet auch noch 950 EUR. Bleibt man mindestens drei Monate, dann wird es interessant. Da ist durch 30% Rabatt der dritte Monat umsonst. :-)

Cartagena ist mit einer Million Einwohner doppelt so groß wie Cartagena. Uns reicht diese Größe.
Und mit Sicherheit ist Cartagena sehr touristisch. Jeder Kolumbien-Besucher will die Festung von Cartagena sehen.
Wir auch, vier Stunden Bus-Fahrt und wir sind da. So der Plan.

Von Santa Marta aus werden wir im August nach Hause fliegen und unsere geplanten Inlands-Touren unternehmen. Alles gut von hier aus zu organisieren.
Und es sind einige Arbeiten am Schiff fällig. Der Lack ist ab. Drei Jahre hinterlassen ihre Spuren.
Ende des Jahres ziehen wir dann weiter. Der Panama Kanal und der gigantische Pazifik warten.

Tag 8-Santa Marta- Die Ankunft

Mo., 03.Jul.17, Kolumbien/Santa Marta, Tag 1129, 11.837 sm von HH

Dröhnendes Donnergrollen ersetzt den Wecker.
Um uns herum toben Gewitter und Wetterleuchten. Blitze zucken über Land und auf See. Wir verschieben unsere frühe Abfahrt um eine Stunde. Um 5:15 Uhr ist das Unwetter nach Westen abgezogen. Mit der Morgendämmerung, etwas Sprühregen und bei Windstille laufen wir aus.
Bis Mittag soll Flaute bleiben, sagt die Vorhersage.

Unsere Rechnung geht auf. Wir bleiben landnah und sind somit nur leichtem Schwell ausgesetzt. Viel früher als geplant, erreichen wir den nördlichsten Punkt unserer letzten Etappe. An dieser Stelle ergießt sich der ‚Rio Magdalena‘, Kolumbiens wichtigster Fluss ins Meer. Nicht mit einem riesigen Delta, wie Orinoco oder Amazonas, sondern nur knapp einen Kilometer breit. Durch einen Damm noch künstlich verschmälert.

1500 Kilometer Weg liegen hinter ihm. Genug, um mächtige Baumstämme und Schlamm mitzubringen. Das Meer sieht aus wie Elbwasser. Inseln aus krautigen Uferpflanzen, groß wie Fußballfelder, ziehen an uns vorbei.

Dort wo der Damm endet, können wir, schon Meilen voraus, eine kilometerlange Brandungswelle erkennen. Misstrauisch schippern wir näher. Das Wellenbild wird immer konfuser, die anderthalb Meter hohen Wellen haben Schaumkronen, laufen wirr durcheinander. Alien-Wasser!

Die Strömung des ‚Magdalenas‘ steht hier gegen die Strömung der See und sorgt für diese Turbulenzen. Als wir aus dem Strömungs-Schatten des Dammes heraus kommen schieben uns fünf Knoten Strömung nach Norden. Um uns herum nur noch Kraut, Äste und Stämme. Eine fiese Hacksee stößt uns wie einen Korken hin und her. Spooky.

Nach 30 Minuten ist der Zauber vorbei. Wir sind durch.

Und dann ein Wunder. Eine leichte Brise kommt auf. Aus Norden. Wir setzten Segel und haben den Wind schräg von hinten. Ein Wunder. Ein wunderbares Wunder.
Dazu schieben uns Reste vom ‚Magdalena‘ oder andere Mächte mit über zwei Knoten vorwärts.

Der Wind ist schwächlich. Aus eigener Kraft schaffen wir nur 1,5 Knoten, machen dank der Strömung vier Knoten über Grund. Für die Geschwindigkeit ist es noch zu weit, 30 Meilen. Eine Ankunft im Dunkel ist so garantiert.

Nach 20 Minuten schauen wir uns in die Augen: „Scheiß auf den verbliebenen Diesel, scheiß auf Global Warming ( :oops: ).“

Segel runter, Motor an. :-) Mit sieben Knoten rauschen wir auf Santa Marta zu. Na, bitte. Der Plotter zeigt die neue Ankunftszeit: 17:00. Großartig.

Und exakt so tritt es dann auch ein. Jetzt liegen wir in der Marina und sind glücklich.
Rest Meilen nach Ost: 0

Tag 7-Santa Marta- Weicheirige Buchten-Lieger

So., 02.Jul.17, Kolumbien/Puerto Velero, Tag 1128, 11.778 sm von HH

Natürlich erreichen wir die Bucht erst im Dunkeln.
Das macht aber nichts. Die Bucht ist eine hakenförmige Landzunge, einen knappen Kilometer breit und besteht aus langsam flacher werdendem Sandgrund. Zusätzlich ist der Kolumbianer so nett und hat Tonnen wie auf der Elbe in die Bucht gepflanzt. Grell leuchten die funktionierenden Lampen uns den Weg. Es ist trotzdem aufregend bei Dunkelheit in eine unbekannte Bucht zu fahren.

Der Anker hält auf Sand in vier Meter Tiefe. Tiefe Ruhe umfängt uns. Keine Welle, kein Schwell. Ein Hund bellt, das ist alles, was wir hören. Es gibt noch einen Happen zu Essen, ein Bier und um 22:00 Uhr sinken wir tot ins Bett.

Der Morgen zeigt, dass wir in einer dünn besiedelten Bucht gelandet sind, die als Freizeit-Bespaßung für Kolumbianer aus den nahe liegenden Städten Santa Marta und Catagena zu dienen scheint.
Eine Schwimmtruppe zieht schon um 7:00 Uhr durch die Fluten, Gummi-Hüpfburgen warten auf Gäste, Jet-Skis und Kiter, alle nutzen den freien Sonntag.

Wir nutzen das freie Internet, was über die Bucht schallt. Nette Sitten haben die hier in Kolumbien, überall Internet zur Verfügung zu stellen.

Wir lassen das Schiff so schmutzig wie es ist. Das Cockpit wird flüchtig entsalzen und Dreckwäsche wird eingesammelt.
Morgen geht es schon weiter, es wäre verschwendete Lebenszeit die Brotkrümel vom Fußboden zu fegen. :oops:

Achim kümmert sich um das ausgefallene AIS.
Stecker werden gereinigt, Wackelkontakte gesucht. Während einer Versuchsreihe mit diversen Steck-Kombinationen von GPS-Antennen geht es plötzlich wieder. Vielleicht doch Korrosion? Kabelbruch wird ausgeschlossen.

Ich nähe unsere ausgefledderte Gastlandflagge und poliere unseren Wasserkessel.
Mein reden, segeln macht doch ein wenig gaga. :lol:
Wie zum Beweis fängt Achim einen Fender an zu schrubben, der ohne dass wir ihn benutzt hätten, schmierige Ränder aufweist, die unser Dinghy einsauen.

Der Wind vor dem wir geflohen sind pfeift über den Ankerplatz.
Die Wetterbilder zeigen draußen überall orangenen Wind. Dauerhaft 32 Knoten soll das bedeuten. Wir gratulieren uns zu unserer Flucht.

Morgen früh um 4:00 Uhr geht es witer. Vor uns liegen 55 schwierige Meilen.
Erst 20 Meilen Nord-Ost, dann noch mal 35 Meilen Ost. Die Vorhersage bringt grünen Wind, allerdings dürfte draußen noch eine alte Welle stehen, gegen die wir ankämpfen müssen.

Kennen wir ja jetzt schon. Das ist überlebbar, aber man kommt halt nur sehr langsam voran. Und dann die Strömung… :shock:
Der schwache Wind soll mittags auf nördliche Richtungen drehen. Schaun wir mal.
Wir rechnen damit wieder erst im Dunkeln anzukommen. Vor der Marina in Santa Marta soll man ebenfalls einfach ankern können.

Rest Meilen nach Ost: 48

Noch ein paar Fotos der vergangenen Tage.

 

Tag 6-Santa Marta- Segel Drückeberger

Sa., 01.Jul.17, Karibisches Meer, Tag 1127, 11.770 sm von HH
Die Ereignisse überschlagen sich. Ich beginne mit meinem persönlichen Waterloo. Ein Freiflug quer durchs Schiff. Von der Pantry bis in die Navi-Ecke. Dort bremst mich Achims Bein aus, sonst wäre ich mit dem Kopf noch aufs Holz geknallt. So ist nur das Steißbein hässlich geprellt. Sitzen ist nicht mehr so toll. Der weise Spruch ‚eine Hand fürs Schiff‘ war beim Abwasch in Vergessenheit geraten. Zum Glück hatte ich nicht noch das Kartoffelschäl-Messer in der Hand, sonst wird man bei solch einem Flug leicht zur Gatten-Mörderin. :mrgreen: Der Tag beginnt, nach der tutti Nacht, mit Flaute. Schon wieder. Ein Hauch von Wind zwingt uns den Jockel anzuschmeißen. Das hält elf Stunden bis zum Nachmittag an. Das Meer liegt glatt vor uns als jemand die Windmaschine anwirft. Innerhalb einer Stunde erst Segel setzten, dann Segel 1. Reff, Segel 2.Reff, Segel 3. Reff. 15 Knoten Wind, dann 20. Zwei Meter Welle stehen auch gleich zur Seite, um zu helfen, es ungemütlich zu machen. Es wird dunkel, wir gehen so in die Nacht. Meine Wache bis 2:00 Uhr ist noch ganz okay. Achim bekommt es dann dick: dauerhaft 25 Knoten, Boen wieder deutlich in den 30ern. Windrichtung 70 Grad, genau da wollen wir hin.
Um 6:00 Uhr, als er mich weckt, sind wir in der Nacht 34 Seemeilen gesegelt und haben 4 (in Worten vier) Meilen in die richtige Richtung gut gemacht. Es ist zum Heulen. Der aktuelle Wetterbericht legt noch einen drauf: der Wind wird zunehmen.
Irgendwann ist mal Schluss. Wir wissen wie Material und Menschen fressend noch mehr Wind sein kann. Wir brauchen einen Plan B. Mit dem Wind ablaufen und zurück segeln kommt nicht in Frage. Aber im Nord-Osten ist das Land nicht weit. Zum Greifen nah. Eine Ankerbucht nur 37 Meilen entfernt. Das klingt verlockend. Das klingt nach dem Paradies. Allerdings bedeutet dies, Segel runter und bei 25 Knoten genau gegen den Wind diese Meilen zu motoren. Wir brauchen fünf Minuten und die Entscheidung ist getroffen. Man darf uns gerne Segel-Drückeber schipfen. Ein Zuckerschlecken wird motoren ebenfalls nicht, aber es ist ein Leiden mit Ende. In zehn, zwölf Stunden sollte das abgearbeitet sein. Die Süd-Ost Strömung, die verhindert hat, dass wir heute Nacht voran gekommen sind, wird uns helfen. Wir nehmen Kurs.
Die ersten zwei Stunden läuft es gut. Der Autopilot kommt gut mit den Wellen klar. Dann nimmt der Wind zu, die Wellen werden höher, wir werden aus dem Ruder geworfen und auf den alten Kurs zurück zu gehen, schafft unser Autopilot nicht. Wir müssen per Hand Ruder gehen. Das ist etwas, was man auch im Stehen machen kann, also muss das Crew-Mitglied mit Sitzfleisch-Problemen ran. :mrgreen:
Atanga macht einen guten Job. Die meisten Wellen durchschneidet sie butterweich. Der Wind legt einen drauf, die Wellen auch. Spaß macht das nicht. Alle fünfzehn Minuten kommt ein besonderes Exemplar auf uns zu gerollt. Steil. Mit weißem, brechenden Kamm. Drei Meter hoch, vielleicht vier. Wie im Film ‚der Sturm‘ steigt Atanga die Welle hoch. Der Bug steht in der Luft. Zwei, drei Meter hängen über dem Wellen-Kamm. Wir scheinen einen Moment schwerelos zu verharren. Dann kommt der Bauchklatscher. Mit einem lauten Knall fallen wir ins Wellental. Die Gischt spritzt Meter hoch. Wir werden auf einen Knoten Speed ausgebremst. Nach sechs Stunden wird es ruhiger. Der Autopilot kann wieder ran. Die Landabdeckung drückt die Wellen auf anderthalb Meter runter. Alles wird erträglicher. Land kommt in Sicht. Jetzt ist es 17:00 Uhr und wir hoffen noch vor dem Dunkelwerden unsere Bucht zu erreichen.
Rest Meilen nach Ost: 57