Killer Nummer 1: UV-Strahlen

Mi., 28. Okt.15, La Gomera, Tag 515, 2.829 sm

Diese Strahlen zerstören alles. Wirklich alles.
Man liest Berichte und hört allenthalben Geschichten darüber. Was als harmloser Verdacht anfängt, dass diese Geschichten stimmen können, bestätigt sich nach 16 Monaten Dauer-Besonnung.

UV-Strahlen machen alles kaputt.

Als erstes greifen sie nach Gegenständen, die nicht für Meer, Schiff und Wasser hergestellt wurden:

Wäscheleine: klebrig nach drei Monaten. Die dazugehörigen Klammern zerbröseln wie Kekse. Zwei Einstiegs-Tritt-Hocker, zerstört nach jeweils einem Vierteljahr.
Versehentlich an Deck stehen gebliebene Flip Flops haben nach 48 Stunden einen Farbschaden. Blöd dabei, wenn ein Flip Flop im Schatten gestanden hat.

Das Lieblings-T-Shirt fünf Mal auf dem Fahrrad angezogen, sieht auf dem Rücken wie ein Lappen aus. Vorne rum geht’s noch, aber wem nützt das?
Lack, selbst im Schatten unter der Sprayhood platzt ab wie Nagellack. Zum Glück haben wir nur wenig lackiertes Holz an Bord.

Beim Chinesen gekaufte, beschichtete Gummi-Strapse verlieren ihre Hülle in vier Wochen, das Gummi braucht sieben Tage länger…

Viele Dinge, die extra für den Boots-Bedarf hergestellt und angeboten werden, halten meistens länger. Wir haben einige Gummistrapse schon seit Jahren in Gebrauch und die funktionieren noch immer. Gut, sie kosten das x-fache vom Billig-Import, aber die Ausgabe lohnt sich.
Und dass Fender ‚ewig‘ halten, trotz UV und extremer Quetschbelastung ist ein Wunder der High-Tec-Chemie-Gift-Fabriken.

Wir sind trotzdem misstrauisch geworden und beäugen seit geraumer Zeit unsere Winschen.
Die sind zwar aus Metall und das schafft UV-Licht nicht zu zerstören (dafür wurde dann extra das Salzwasser erfunden ;-) ).
Die Kronen sind bei fünf unserer sieben Winschen aus Kunststoff. Der macht einen extrem guten Eindruck und hält bereits seit 26 Jahren. Uns gefällt aber der zunehmende Farbverlust an den Mast-WInschen nicht.

Somit durfte ich mal wieder nähen: Überzieher für alle Winschen. Auch für die komplett aus Metall. Wenn schon, denn schon.

Das erste Mal, dass ich eine Zylinderform nähe. Nachdem ich beim Prototyp zweimal (!) den Deckel verkehrt herum drauf genäht und mich endlich Achim’s räumlichen Vorstellungsvermögens bedient habe, ist es gar nicht mehr so schwer. :roll:

Und da die Maschine schon mal her gekramt ist, kann ich gleich noch zwei zerstörte (vom UV-Licht?) Nähte vom Segelkleid reparieren.

Im nächsten Leben lerne ich was anständiges, lass diesen Buchhaltungs-Käse und mache eine Schneider-Lehre. Das wichtigste Gerät an Bord und jedem Langfahrtsegler unbedingt ans Herz gelegt: eine stabile Nähmaschine.

Auf dem Weg der Besserung

Di., 27. Okt.15, La Gomera, Tag 514, 2.829 sm

Nachdem die letzten zwei Wochen Achims Knie kontinuierlich schlechter statt besser geworden ist, scheint jetzt am Horizont ein arztkittel-weißer Streifen.

Es gibt in der Metropole San Sebastiàn ein ‚Ärztehaus‘ in dem ein Rezeptionist für Achim einen Termin beim Traumatologen am nächsten Tag reserviert.

Genau genommen mindestens 10 Tage zu spät humpelt Achim mühsam hin, um eine Stunde später mit Strahlen im Gesicht zurück zu kehren.

Der Arzt hat das Knie punktiert, vier Spritzen mit Gewebeflüssigkeit heraus gezogen. Diese ist klar und nichts deutet auf eine Entzündung hin. Und bereits jetzt sind die Schmerzen deutlich zurück gegangen.

Am nächsten Morgen strahlt er noch mehr. Das erste Mal seit vier Wochen, dass er eine schmerzfreie Nacht hinter sich hat.

Das sind gute Neuigkeiten. Hatte Achim doch schon Plan B – Rückkehr nach Gran Canaria erwogen. Unter Berücksichtigung von Plan C, das ganze ohne Atanga, sondern mit Fred Olsen.

So wie es aussieht, können wir also am 08. November nach La Palma zurück segeln, um in Tazacorte aus dem Wasser zu gehen.
Die Werften auf Teneriffa und La Gomera haben wir verworfen, da man nicht auf dem Schiff wohnen bleiben kann. Tazacorte macht das möglich und sie heißen uns per Mail im November herzlich willkommen.

Warum Amerika so spät entdeckt wurde

Mo., 26. Okt.15, La Gomera, Tag 513, 2.829 sm

Schuld daran ist eine Frau. Angeblich.
Behaupten die Gomeros.
Der Name der Dame ist Beatriz de Bobadilla. Sie war Witwe, Herrin von La Gomera und sie soll sehr attraktiv gewesen sein.
Sie lernte Christoph Kolumbus kennen. Hier, auf La Gomera. Und die beiden sollen eine Affäre miteinander gehabt haben. Sagt man.

Im August 1492 erreichte Kolumbus San Sebatiàn. Er musste hier einen Zwangs-Stopp einlegen, da an der Pinta das Ruder gebrochen war. Er eine Reparatur und noch neue Segel benötigte.

Erst am 06. September 1492 ging die Reise weiter. Genug Zeit also, um tatsächlich ein Techtelmechtel mit der schönen Beatriz zu beginnen. Hätte Amerika demnach schon 14 Tage oder drei Wochen eher entdeckt werden können?

Obwohl es nicht nötig gewesen ist, besuchte er bei seiner zweiten und dritten Reise ebenfalls La Gomera als letzte Station in der alten Welt.
Zwar gibt es Indizien und Aufzeichnungen, die eine Liebesaffäre zwischen den beiden recht unwahrscheinlich erscheinen lassen. Aber auf La Gomera wird dieses Gerücht liebevoll gepflegt.

Ebenso rühmt sich La Gomera, dass Amerika mit dem Wasser eines hiesigen Brunnens geweiht worden sein soll.

Die Gomeros sind sehr stolz darauf, dass die Reise Kolumbus hier ihren Ausgangspunkt hatte. Der Beiname der Insel lautet Columbiana und zahlreiche Denkmale ehren den Entdecker.

Das obligatorische Casa Colón ist allerdings sehr dürftig mit Informationen über Kolumbus bestückt. Es finden sich ein paar Artefakte und Zeichnungen.
Mich faszinieren immer die alten, fehlerhaften Karten aus der damaligen Zeit. Dort wo man nicht genau wusste, wie es aussieht, kam ein Meerungeheuer oder ein Schoner hin. ;-)


Das Boden-Relief an der Hafenpromenade stammt zwar aus der Neuzeit, weist aber ebenfalls einen schweren Fehler auf. Segler war der Künstler dieser Karte in jedem Fall nicht: Flaggen und Segel wehen zeitgleich in unterschiedliche Richtungen :shock:
Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen…

 

Messe in der Provinz

Sa.,24. Okt.15, La Gomera, Tag 511, 2.829 sm

Achim entdeckt sie zuerst.
Die Plakate, für die Messe, die am Wochenende auf der Plaza las Americas sattfinden soll. Direkt gegenüber von der Marina.
Zwei Tage ist man damit beschäftigt ein großes Zelt aufzubauen.

Bereits beim Frühstück kommt Musik zu uns rüber geschallt und ab und an spricht jemand Komandos und Sensationelles in ein Mikrophon.
Da müssen wir hin.

Was sich uns dann bietet fällt allerdings eher unter die Kategorie ‚grober Unfug‘.

Im Zelt sind durch Trennwänden einzelne Parzellen abgeteilt in der Waren angeboten werden. Alles Neuware. Aber sorry, nur der letzte Ramsch.
Billigste Schuhe, Klamotten und Kleinstmöbel. Alles präsentiert auf denkbar unattraktive Art und Weise. Nichts will recht zusammenpassen. Wir können damit nichts anfangen.

Mit der Meinung stehen wir allerdings alleine da: Der Saal ist voll. Hier brummt der Bär. Ganze Familien strömen zwischen den Händlern hin- und her, wühlen in den Sachen und geraten in Kaufrausch.

Schwätzchen werden gehalten, Babies bekannt gemacht und herum gereicht. Überall stehen selbst gebackene Kuchen und Kekse stehen zum Probieren herum . Das ist nett.
Die Stimmung unter den Spaniern ist toll. Wir für unseren Teil ziehen enttäuscht von dannen.

Ich finde den Hinweis, dass sich der Gemeinderat traditionell an den Kosten für die Dekoration beteiligt. Da ist die Staatskasse zum Glück nicht so arg belastet worden.
Denn außer ein paar Luftballons und fünf Flattergirlanden konnte ich keine Deko entdecken. :mrgreen:

In der Provinz angekommen

Mo.,19. Okt.15, La Gomera, Tag 506, 2.829 sm

San Sebastiàn ist zweifelsohne sehr schön. Der Rundumblick aus dem Cockpit ist in alle Richtungen eine Augenweide. Bestimmt ist dies die schönste Marina der Kanaren.

Mit der Schönheit haben wir auch die Provinz der Kanaren erreicht. Im 9.000 Seelenort gibt es drei Mikro-Spar-Märkte, deren Angebot eher rudimentär zu nennen ist.
Alle Kanarischen Inseln haben die ‚Spar‘-Märkte. Meistens sind das etwas dunkle, kleine Löcher mit in die Jahre gekommener Einrichtung. Die verrosteten Einkaufskarren haben noch nicht mal den Möllemann-Gedächtnis- Euro-Chip-Halter.

Die Wochenmarkthalle ist keine 15 Jahre alt. Leider ist nicht mal die Hälfte der Stande besetzt und Fisch sucht man vergebens.
Das restliche Angebot ist umfangreich und vieles vom Obst und Gemüse stammt direkt vom gomerischen Erzeuger.

In die Markthalle integriert ist ein moderner, mittelgroßer Supermarkt, der vieles fürs tägliche Leben anbietet.
Auffällig ist das übergroße Sortiment an Wasch-und Putzmitteln. Sehr reinlich müssen sie sein die Gomeros.

Zudem stehen viele deutsche Artikel in den Regalen. Es gibt Essig-Essenz von Surig (seit Monden nicht gesehen) und viele EDEKA und ‚gut-und-günstig‘-Artikel. Für den deutschen Mark abgepackt und beschriftet.

Die Marina gibt sich mit ihrem schlechten Internet und fehlender Waschmaschine ebenfalls provinziell. Wir müssen unsere schmutzige Kleidung in eine Wäscherei bringen.
Die Preise dort sind gestaffelt. Maximal 8 kg fasst eine Maschine, dann kostet es bei 60 Grad 11,00 EUR.

Trocknen und zusammenlegen kosten 13,00 EUR on top.
Die verdiene ich mir und lasse nur waschen. Ich muss sowieso zweimal hin fahren, da kann ich auch die nasse Wäsche zurück zum Schiff transportieren und laufe nicht Gefahr, dass mir die schön gefalteten T-Shirts auf dem Gepäckträger durcheinander purzeln.

Unsere IKEA-Tasche wird auf dem Gepäckträger geschnürt. Etwas kippelig ist es ja, aber was eine Million chinesischer Moped-Transporteure schaffen, soll mir wohl auch fehlerfrei gelingen.

 

Wir sind übrigens seit heute (Montag) wieder alleine. Michael ist ganz früh mit dem gelben Internet nach Teneriffa gedüst. Schön, dass Du da warst…mach das gerne wieder.
Und die La Joya ist nach sieben Tagen Überfahrt ebenfalls heute auf den Kap Verden angekommen.