Tag 4 Nach Providencia

Mo., 22.Mai 17, Karibisches Meer, Tag 1087, 10.637 sm von HH
Tag 4, Pille 4. Mir wollen nicht so recht Seebeine wachsen. Achim, der alte Haudegen, kann bereits am ersten Tag seinen Kopf in die letzte Ecke stecken ohne was zu merken. Beneidenswert. :-)
Der Wind ist zurück gegangen, 18 bis 22 Knoten, Boen bis 25 Knoten. Das fahren wir tagsüber ungerefft, nachts werden beide Segel etwas verkleinert. Ungerefft schaffen wir mehr Höhe, eindeutig. Die Schoten eng bis zum Anschlag, da läuft unser altes Mädchen prima. Aber es macht das Leben nicht komfortabler, die permanente Schräglage ist schon anstrengend.
Die Wellen sind auch kleiner, das hässliche Brechen der Kämme ist verschwunden. Die Gischt erreicht nicht mehr das Cockpit. Das ist jetzt tapeziert mit nassen Kissen, Handtüchern, Shorts und Unterhosen. Alles müffelt wie vergessene Badesachen im Plastikbeutel.
Um noch mehr salzige Klamotten zu vermeiden, geht Achim nur noch nackt zum Reffen noch vorn. :mrgreen: Ich weiß, zu viel Information……kleine, flauschige Kücken, kleine, lauschige Kücken.
Unsere letzte salzfreie Zone, das Bett, haben wir auch geschafft. Eine Welle hat ihren Weg durch den Lüftungs-Schlitz gefunden. Aber ist so ein Schiff erst eingeschmiert, lebt es sich völlig ungeniert. Wenn stören schon Brotkrümel im Cockpit, wenn alles klebrig und seifig ist? Die werden verstohlen mit dem Zeh in die Gräting geschoben. Dort vereinen sie sich prima mit Gurkenkernen, den kleinen glitschigen Biestern.
Kulinarisch geht es ebenfalls bergauf: Nudeln. Bratnudeln mit Ei. Und Tomaten-Ketchup. :-) Nur Mexiko ist am Verlieren. „Bist Du immer noch der Meinung, das war es wert?“, fragt Achim mich ketzerisch. :lol:
102 gesegelte Meilen mit einem Ost-Gewinn von 36 Meilen. 192 Meilen Rest nach Osten.

Tag 3 Nach Providencia

So., 21.Mai 17, Karibisches Meer, Tag 1086, 10.535 sm von HH
Ich liege im Bett und wache von zunehmenden Geräuschen auf. Das klingt nach viel Wind. Dabei ist die Achterkoje der beste Platz im gesamten Schiff. Ruhig und wenig Schiffsbewegung. Es ist fast 22:00 Uhr, gleich wird Achim mich zum Schichtwechsel wecken. Ich lausche auf das Heulen des Windes und das Schlagen der Wellen an den Rumpf. Gruselig.
Habe ich Angst? Nein, wir haben komplett gerefft und Atanga kann das. Und ich kenne die Notlösung: einfach in die andere Richtung fahren, den Wind von achtern nehmen, schon wäre Ruhe im Schiff. Aber wir denken gar nicht daran, auch nur eine gewonnene Meile wieder herzugeben.
Dann kommt Achim auch schon. „Ist es sehr schlimm?“, frage ich. „Nein, läuft. Das schlimmste scheint vorbei. Wenn wir an Höhe verlieren, holst Du das Groß etwas dichter.“ Der Mann hat Probleme. ;-) Wir tauschen die Plätze.
Ich werfe ein Blick ins Logbuch: „20 Uhr, Boen, Windstärke 8, scheiße.“ Na prima, das baut auf. Im Cockpit ist es laut wie im Güterbahnhof. Die Wellen haben eine beeindruckende Höhe erreicht. Die Biester fangen an sich zu brechen. Unmengen weißer Schaum ist sogar in der Dunkelheit gut zu erkennen. Es faucht, schlürft, schäumt und gürgelt. Das Rätsel um das nasse Cockpit ist auch gelöst. Das sind keine seitlichen Brecher, sondern das ist Gischt von vorne. Hundert, zweihundert Liter Wasser schießen übers Deck, über die Sprayhood, um dann im Cockpit ihr Ende zu finden. Wir werden jetzt häufiger von solchen Brechern beglückt. Alles ist nass und schmierig. Unter Deck, der Salon, ist auch kein Hort der Freude. Es ist lange nicht so laut wie oben, aber über 30 Grad abgestandene Luft sind schwer zu ertragen. Wie in einer alten Turnhalle. Verschwitze T-Shirts, feuchte, salzige Handtüchern und der eigene ungeduschte Duft. Lecker.
Ach ja, und dann haben wir noch Wassereinbruch im Salon. Durch einen Dorade-Lüfter und eine noch unbekannte Stelle, kommt Wasser durch die Decke. Keine Mengen, aber grade genug, um Laufspuren an der Decke und den Schränken zu zeigen. Oder kleine Pfützen auf dem Tisch oder im Schapp zu bilden. Üblicherweise segeln wir trocken, da sind diese Macken vor uns verborgen geblieben.
Aus dem Cockpit tragen wir zusätzlich Salz mit nach unten. Überall klebt es, der Fußboden ist glitschig. Es ist sowieso schon schwierig zu laufen, das macht es nicht einfacher. Der Salon ist eine Art Salz-Tropf-Höhle geworden. Ich kann hier nicht sitzen. Diesen Bericht zu schreiben, bedarf drei Unterbrechungen. :mrgreen:
Achim soll Recht behalten, den ärgsten Wind habe ich verschlafen. Dafür bin ich ehrlich dankbar. Ein Dauerwind von über 25Knoten und knapp 32er Boen langt mir. Ich bleibe im Cockpit hocken, trotz drohender Dusche. Ganz dicht hinter der Sprayhood ist man noch recht sicher. Dank Pille Nummer drei kann ich lesen und muss nicht immerzu auf den Windmesser starren. Morgens um fünf reffen wir aus. Wind zwischen 20 und 23 Knoten. Vollzeug. Wir wollen Höhe fahren und nicht auf der alten Kurslinie zurück.
Kulinarisch sind wir im Lummerland angekommen. Ich kann noch immer nicht lange unten sein und Achim noch immer nicht kochen. Aber Nudeln kann er. Eine Million Kinder können nicht irren: Nudeln mit Tomaten-Ketchup muss was Gutes sein. :lol: 93 gesegelte Meilen mit einem Ost-Gewinn von 27 Meilen. Ich sag nichts dazu, fällt der Zensur zum Opfer.
228 Meilen Rest nach Osten.

Tag 1 Nach Providencia

Sa., 20.Mai 17, Karibisches Meer, Tag 1085, 10.442 sm von HH
Die letzte Nacht war, nun, ich nenne es, sportlich. Gemeckert werden darf ja nicht. *f..k*@@:-((*f..k*@&§$@@*sch…e*@ Die Nacht beschert uns einen dauerhaften 22er Wind mit 30er Boen. Über 30 Knoten Wind wird sich unter Langfahrtseglern nicht mehr aufgeregt. Hatte jeder schon, die Boote können das ab und die Menschen haben gelernt, dass sie es auch abkönnen. Allerdings sind 30 Knoten von vorne eine andere Hausnummer als von hinten. Neuland für uns.
Wir liegen mit 20 Grad auf der Seite. Alle Bewegungen an Bord sind nur unter Anstrengung möglich. Oma und Opa Atanga hangeln sich durchs Schiff. Wenn ich einmal in der niedrigen Ecke sitze, kann ich mich kaum nach vorne stemmen. Dazu kommt das Stampfen. Das sorgt auch für die Übelkeit. Ich schmeiß noch eine Pille ein und kann somit an Deck wenigstens lesen. Unter Deck sind kleine Handreichungen möglich. Die Küche bleibt trotzdem kalt. Das schaff ich noch nicht und Achim kann nicht kochen. :lol:
Die Welle, die sich da aufgebaut hat, ist ganz anständig. Zwei, drei Meter sind es wohl. Wir thronen in unserem Mittel-Cockpit zwei Meter über dem Wasser. Wenn man dann einer Welle trotzdem direkt ins Auge schauen kann… huijuijui.
Angefangen hat Tag zwei prima. Der Wind kommt etwas nördlich, wir können gute Meilen nach Osten segeln. Der Wind wird kontinuierlich stärker. Achim ist dagegen zu reffen: „Läuft grad so gut. :mrgreen: Käpt’n Gnadenlos willigt erst bei über 20 Knoten ein. Ein Reff ins Groß, mehr ist zunächst nicht drin. Dann kommt ein Reff in der Fock dazu.
Erst als ein Brecher unglücklich gegen die Bordwand schlägt und einen schönen Schauer ins Cockpit sendet, wird das Großsegel verkleinert. Ich bin zum Glück im Bett und Achim wurschtelt unten rum.
Durchs Reffen und gegen die Wellen sind wir nicht grad schnell. Aber Atanga macht einen guten Job. Sie schneidet sich prima durch die Fluten. Die meisten Wellen ignoriert sie, Blauwasser nehmen wir nur ganz selten auf. Das Deck ist dennoch permanent naß und Gischt weht bis nach achtern.
Die Luke im Salon ist fest geschlossen, was für ein großartiges Raumklima unter Deck sorgt. Hinten, wo wir schlafen, können wir die windabgewandte Luke einen Spalt öffnen. :-) Es sind die Kleinigkeiten im Leben, die die größte Freude bereiten. Morgens reffen wir aus. Klar, macht man ja auch bei 20 bis 25 Knoten Wind. „Wir sind einfach zu langsam“, findet Käpt’n Gnadenlos. 92 gesegelte Meilen mit einem Ost-Gewinn (Luv Gewinn)von 45 Meilen sind ihm zu wenig. :shock: Na bitte, wieder gibt es nichts zu meckern.
255 Meilen Rest nach Osten.

Tag 1 Nach Providencia

Fr., 19.Mai 17, Karibisches Meer, Tag 1084, 10.350 sm von HH
Achim und ich haben eine Vereinbarung über diesen Törn getroffen: Es wird nicht gemeckert über die Bedingungen.
Und es fängt gut an, es gibt auch gar nichts zu meckern.
Wir müssen 350 sm nach Osten gut machen. Hoch am Wind. Wenn ein Segler ‚hoch am Wind‘ hört, läuten sofort die Alarmglocken. Naß, Schräglage und unbequem. Und übelkeitserregend. Letzteres kann ich bestätigen. Grad noch rechtzeitig werfe ich eine von den Wunderpillen ein, die bei mir so gut helfen. Der Rest ist harmlos. Zunächst sind wir noch in der Abdeckung der vorgelagerten Riffe. Wir haben nur 12 bis 15 Knoten Wind, kaum Welle, alles fein. Wir sind, obwohl wir ungerefft fahren, recht langsam. Die Strömung ist noch gegen uns. Das Turneffe Riff zwingt uns, zunächst nach Norden zu segeln. Mit ein wenig Ostkomponente. Nach 18 Stunden gehen wir auf den anderen Bug. Der Wind macht mit, kommt jetzt nördlicher, so dass wir nach 24 Stunden 50 sm Ost gut gemacht haben. Von insgesamt 98 gesegelten Meilen. Da wollen wir mal nicht meckern. ;-) 300 Meilen Rest nach Osten.

Im Zick Zack an der Piratenzone vorbei

Mi., 17.Mai 17, Belize/Belize City, Tag 1082, 10.252 sm von HH

Der Weg aus Belize wird nicht einfach.
Wir sind zu weit nach Westen geraten, um komfortabel hier weg zu kommen.
Unser Ziel heißt ‚Providencia‘. Eine kleine Insel vor der Küste Nicaraguas, die aber zu Kolumbien gehört.

Der direkte Weg dorthin wären 500 sm.
Mit viel Glück wären die sogar segelbar, wenn der Wind nord-östlich käme. Aber an der Ecke, wo es nach Süden abknickt, gab es vor einigen Monaten zwei üble Piraten-Überfälle auf Segel-Yachten.

Im Zick-Zack nach Osten

Im Zick-Zack nach Osten

 

Die Masche war in beiden Fällen die gleiche: Die Jungs kamen längsseits und baten um Getränke, die sie erhalten haben. Ein paar Stunden später erschienen sie erneut, nur diesmal wurde nicht mehr gefragt. Nun bekamen die Eigner direkt Waffen unter die Nase gehalten. :shock:
Dreizehn Boote haben die Yacht belagert und 20 bis 25 Piraten sind an Bord gestürmt und haben die Bude leer geräumt. Neben Funk und Navigations-Elektronik wurde auch Kleidung und Alkohol mitgenommen. Alles was abschraubbar war, wurde eingesackt.

So.
Um diese Ecke wollen wir einen Umweg fahren. Einen großen Umweg. Einhundert Meilen soll unser Abstand betragen. Das schaffen wir nur, wenn wir uns weit nach Osten tragen lassen und dann erst nach Süden abbiegen.

So.
Aus dieser Richtung kommt nun genau der Wind. Wir werden also mehrere Kreuzschläge machen müssen. Die derzeitige Planung verlängert die Stecke um satte 300 sm. :shock:
Ob das so bleibt, ist nicht vorhersehbar. Vielleicht kommt der Wind nördlich, dann spart uns das Meilen, hat der Wind Südkomponenten, müssen wir sogar noch welche drauf packen.

Auf Atanga kommt Freude auf. Die gesamt Crew kann sich kaum halten vor Begeisterung.
Aber wir können nicht behaupten, wir hätten es nicht vorher gewusst. Alle Komponenten waren uns bekannt, als wir uns für Mexiko entschieden haben.
Dass wir dafür bezahlen müssen, teuer bezahlen, haben wir gewusst. :mrgreen:
Mexiko war es allemal wert.

Das Ausklarieren in Belize hat heute einfach und schnell geklappt.
Zu den drei Stellen, die wir besuchen müssen, lassen wir uns mit einem Taxi fahren. Gut angelegte 20 EUR. Kein Suchen, kein Verlaufen, kein Latschen in der Gluthitze. Können wir unbedingt so empfehlen.

Wir brechen etwas früher auf als geplant.
Nicht weil wir so heiß auf die Strecke sind, sondern das Wetter ändert sich.
Zweimal hatten wir Flaute in den letzten zwei Wochen. Gewitter und Wetterleuchten mehren sich. Die Zeit ist gekommen, zu gehen.

Unser Ankerplatz vor der Marina ist ebenfalls nur halb optimal. Bei dem auflandigem Wind liegen wir direkt vor der Steinmohle.
Der Ankergrund ist Mud und hält gut, aber bei Gewitter-Boen liegen wir hier falsch.
Das Wasser ist trüb vom lehmigen Grund und lädt nicht zum Baden ein. Schnochel-Gründe gibt es so nah am Festland nicht. Die Stadt ist etwas ab vom Schuß….
Die Zeit ist gekommen, zu gehen.

Ich hätte gerne noch einen Ausflug ins Landes-Innere gemacht, aber Achim scharrt mit den Hufen. Ihm ist die Strecke ins „Ungewisse“ nicht mehr angenehm. Sollte ein früher ‚Tropical Storm‘ kommen, wir hätten keine Fluchtmöglichkeiten auf See.
Somit ist die Zeit gekommen, zu gehen.

Wir melden uns von unterwegs.
Wie lange wir brauchen? Keine Ahnung.
Acht Tage sagt ‚Virtual Planer‘, vielleicht werden es zehn oder zwölf. Daumen drücken für acht, liebe Leute. ;-)