Inselrunde um Huahine

06.Jan. 2021, Franz.Polynesien/Huahine/Fare, Tag 2412, 21.334 sm von HH

Nach dem großen Spaß mit dem Motorroller auf Moorea, versuchen wir gar nicht mehr ein Auto zu mieten, sondern suchen uns gleich einen Motorroller-Verleih. Ich hätte nicht gedacht, dass Achim (ehemaliger VTR 1000 und Hayabusa Reiter) 125 ccm so viel Freude bereiten würden. Aber falsch gedacht – vergnüglich kutschiert er mich erneut um die Insel. Die Mühle, die wir heute erwischen, ist deutlich unbequemer als der letzte Hobel. Für mich bleibt nur ein halbes Brötchen auf das ich meinen Hintern quetschen muss. Na, für achtzig Kilometer einmal rum, wird es gehen.

Und da soll ich hinpassen mit der dicken Kiste?

Huahine ist ganz anders aufgebaut als Tahiti und Moorea, die aus einem runden, massiven Vulkanberg-Inneren bestehen mit einem schmalen Saumriff drum herum.  Huahine besteht aus zwei Inseln, die durch eine fünfzig Meter lange Brücke verbunden sind. Tiefe Einschnitte und flussähnliche Lagunen sehen von Land aus betrachtet, wie Bergseen aus.

Huhahine Nui und Huahine Iti

Strandloser Meeresarm zwischen den beiden Inselteilen

Der Legende nach hat Gott Hiro Schuld, dass die Insel gespalten ist. Mit seinem Kanu hat er Huahine in zwei Teile geteilt als er von Raiatea herüber gesegelt gekommen ist. Als er in der Nacht ein kleines Nickerchen halten wollte, bat er seinen Bruder aufzupassen und ihn zu wecken, wenn der Wind dreht, damit sie nicht gegen die Insel segeln. Aber der Bruder ignorierte die Anweisung und somit kam es zum Unfall, der die Insel teilte. Auch unter Göttern scheint es schwierig zu sein gutes Personal zu bekommen.

Überreste – der Boden fehlt bereits – eines traditionellen Segel-Kanus – mit so etwas dürfte Hiro unterwegs gewesen sein

Auf Huahine hat man über dreißig Marae gefunden. Das sind die Zeremonienplätze der Ureinwohner gewesen – entstanden vor ungefähr 1500 Jahren. Viel ist für Nicht-Archäologen nicht zu erkennen. Dafür ist das Prinzip der alten Stein-Reusen klar zu sehen. Lange Reusenkammern befinden sich in der Lagune im Norden, die heute noch von den Einheimischen zum Fischfang genutzt wird.

Überreste eines der vielen Marea auf Huahine – jetzt nicht sooo beeindruckend

Stein-Reusen bei Flut

bei Ebbe braucht man nur noch einsammeln

Die Lagune mit den Reusen wirkt wie ein Fluss ist aber ein Meeresarm

In einem Mini-Dorf wohnen in einem Bach ‚heilige‘ Aale mit blauen Augen. Warum diese Aale als heilig gelten, konnten wir nicht heraus finden. Aber die Einheimischen füttern sie mit Ölsardinen aus der Dose. Die Aale werden immer fetter und zutraulicher. Sie lassen sich streicheln und anfassen, wenn man denn mag. Zufällig war eine fünfzehnköpfige Familie anwesend, die heilige Sardinen an die heiligen Aale verteilte unter großen ‚hallo‘ der Kleinsten, die im Bach standen.

Heiliger Aal mit blauen Augen

Der Bach wimmelt nur so vor den handzahmen, fetten Aalen

Rund sechstausend Menschen leben hier, die meisten im Hauptort Fare im Nordwesten. Touristisch führt Huahine ein Schattendasein im Vergleich zu den berühmten Nachbarinseln. Das hält die Insel ursprünglich und die Küsten sind nicht mit Hotels verbaut, sondern man kommt fast überall ans Wasser. Endlose Traumstrände sucht man auch hier vergeblich. Fotos mit Puderzucker-Strand entstehen meistens auf den sogenannten Motus. Das sind kleine Inselchen, die sich auf dem Riffsaum befinden.

Ein super Ausflug (mit einem etwas gequälten Hintern), der bei Achim Huahine zum derzeitigen Gesellschafts-Insel-Favoriten aufsteigen lässt. Ich schwanke noch, ob mir Moorea besser gefällt.

Sandstrände gibt es auf den Motus

Am Schönsten ist das Meer im Süden mit seiner großen Lagune

Jahreswechsel in Huahine

1.Jan. 2021, Franz.Polynesien/Huahine/Fare, Tag 2406, 21.334 sm von HH

Die Überfahrt war so lala. Direkt hinter der Abdeckung von Moorea wartet eine kurze, steile Hacksee auf uns, die schräg von achtern kommend Atanga deutlich auf die Seite legt. Diese Drücker sind anstrengend und am ersten Tag unangenehm ungewohnt. Aber es ist ja nur eine Nacht, trösten wir uns. Die Vorhersage hat Wind unter den Squalls von 35 Knoten angedroht. Aber man denkt ja immer, der Ozean ist so groß, vielleicht treffen wir ja keinen Squall. Diese Wind- und Regenzellen sind häufig nur ein paar hundert Meter breit – wie viel Zufall gehört dazu, dass wir zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind. Der Zufall meint es dann gerecht mit uns, es erwischt sowohl Achim als auch mich während unser Nachtwachen. Wind und Regen von der unbequemsten Sorte. Viel Schlaf bekommen wir nicht.
Im Morgengrauen taucht dann schon Huahine am Horizont auf. Es folgt schönes Segeln ohne Welle hinter der Abdeckung der Inselberge als wir auf der Westseite von Huahine hoch düsen. Der Anker fällt nach 17 Stunden in einem See aus Türkis auf fünf Meter. Wann haben wir das letzte Mal so flach geankert? Wir müssen lange zurück gehen in der Zeit – da hieß der Ozean noch Atlantik.

Das Wetter wird zum Nachmittag mistig, da werden wir Silvester wohl an Bord verbringen und auf einen Restaurantbesuch verzichten. Regenschauer kommen über die Berge geflogen. Böen rütteln an der Ankerkette. Für unser Silvestermenü haben wir keine Kosten und Mühen gehabt: es gibt den restlichen Kartoffelsalat von der Überfahrt, Würstchen mit Senf und eine Dose Bier dazu.

Wenn du weißt, gleich ist das bei dir

Im Cockpit ist alles nass – nur in der hintersten Ecke findet sich noch ein trockenes Plätzchen

aber das kann einen Seemann nicht erschüttern – in der Regenpause wird draußen gegessenen

Unser Internet-Guthaben für den Dezember weißt noch einen Rest von drei Gigabyte aus. Da das Morgen verfällt, investieren wir die gesparten Bytes in Deutsches Fernsehen. Wir gucken einen Jahresüberblick 2020 von der Wochenshow, einen von Nuhr, ein paar Shows und Nachrichten, alles, was youtube so bereit hält. Wir haben lange kein Deutsches Fernsehen mehr gesehen. Und obwohl wir fast täglich im Internet unterwegs sind, sagen uns ein paar Dinge und Personen gar nichts, haben noch nie davon gehört. Wir hätten Corona-Bingo spielen sollen – immer wenn das Wort fällt, muss man einen trinken. Aber da wäre uns wohl nach einer Stunde der Schnaps ausgegangen.
Erst fühlen wir uns gut amüsiert, aber nicken dann doch vor der Kiste ein. Um Mitternacht steigen zwei, drei Raketen im Dorf in die Luft, dann ist Ruhe. Nur der Wind heult noch über die Bucht. Herzlich willkommen 2021, zeig uns, dass du es besser kannst als dein kleiner Bruder. Und vielleicht wird aus 2020 Harry Potter mäßig das Jahr, was nicht genannt werden darf. :mrgreen:

Tschüss 2020

30.Dezember 2020, Franz.Polynesien/Moorea/Cooks Bay, Tag 2404, 21.237 sm von HH

Wir machen uns heute Nachmittag vom Acker. Die nächste Insel wartet. Es wird ein ungewohnt kurzer Schlag von ca. 80 Meilen. Grad eine Strecke, die man bei Tageslicht nicht schaffen kann. Wir fahren am späten Nachmittag los und hoffen (unser) Silvester-Morgen anzukommen – auf Huahine.

Eine Nachlese auf 2020 verkneife ich mir. Diesem Jahr wollen wir nicht noch mehr Aufmerksamkeit widmen – das verdient dieses Biest einfach nicht.
Wir hatten mit Französisch Polynesien einen guten Gastgeber, der uns Ausländer ausgesprochen fair und freundlich behandelt hat. Selbst den Engländern, die durch ihren Brexit nicht mehr der EU angehören, ist man unbürokratisch entgegen gekommen.
Nette Leute hier.

Wir wünschen Euch allen ein gutes Jahr 2021 und hoffen, dass wir uns im nächsten Jahr an dieser Stelle wieder treffen. Wie heißt es jetzt auf Neudeutsch? Positiv denken, negativ bleiben! Guten Rutsch.

Und 2020 schicken wir diesen Internet-Fund hinterher:

Wenn man zu Silvester um 23:58 Uhr und 42 Sekunden das Lied
‚Schrei nach Liebe‘ von den Ärzten abspielt, dann ist das letzte Wort,
welches das Jahr 2020 hören wird: Arschloch!

 

Tschüss Moorea – Tschüss Cook’s Bay

Gruß an Bord

Heiligabend 2020, Franz.Polynesien/Moorea/Cooks Bay, Tag 2398, 21.237 sm von HH

Ich hatte ja neulich schon im Nachruf auf meinen Vater erwähnt, dass bei uns zu Hause am Heiligabend immer die Radiosendung ‚Gruß an Bord‘ lief. Was ich unerwähnt gelassen habe: als Kind fand ich die Sendung langweilig und als Teenager einfach nur blöde! Wenn zwischen den Beiträgen Freddy Quinn ‚Junge, komm bald wieder‘ sang, während ich unterm Tannenbaum eine Platte von Nina Hagen liegen hatte, wusste ich, dass mit dieser Sendung die Spitze der Spießigkeit erreicht war. Mit dem Auszug aus dem Elternhaus, vergaß ich diese Sendung.

‚Gruß an Bord‘ gibt es seit unglaublichen 67 Jahren und ist damit eine der ältesten Radiosendungen der Welt. Das Prinzip der Sendung ist einfach: Es werden Grüße von Seeleuten auf See in die Heimat geschickt oder zurückgelassene Familienmitglieder senden ihre Wünsche in die Welt hinaus. Seit 1953 hat sich nur die Technik gewandelt. Lief früher viel über Funk und Morsealphabet, nutzt man heute eMail und Satellitentelefon. Dazwischen gibt es Musikeinspieler – bevorzugt etwas weihnachtliches oder seemännisches.

Zum Frühstück erreicht mich über Messenger eine Nachricht von einem segelnden Facebook-Freund: „Ihr seid bei ‚Gruß an Bord‘ mit dabei.“ Wie jetzt? Wir?
Über Radio können wir das natürlich nicht empfangen, aber der NDR überträgt die Sendung auch zweimal per Kurzwelle. Die Frequenzen und Uhrzeiten sind nutzerfreundlich auf der Homepage vom NDR bekannt gegeben. Wir versuchen es, aber hören nur Rauschen, die Uhrzeit ist ungünstig für unseren Standort, die Sonne steht schon viel zu hoch.
Ganz modern, kann man ‚Gruß an Bord‘ aber auch übers Internet streamen. In zwei Teilen, jeweils eine Stunde lang. Unser Internet-Volumen ist begrenzt und nichts frisst mehr Daten als zu streamen. Wir gehen es taktisch an. In der ersten Hälfte werden wir wohl kaum genannt werden, also fangen wir mit dem zweiten Teil an.
Meine Erinnerung täuscht mich nicht – die Sendung ist noch genauso wie damals. Eine frischgebackene Kaptänsfrau berichtet über ihren einsamen Alltag mit den Kindern, während der Mann drei Monate auf See verbringt, um dann am Ende ‚wir vermissen dich‘ ins Mikro zu hauchen. Es folgt ein Weihnachtlied, gespielt mit hawaiianischem Klängen und Rhythmus. Ein Offizier auf See kommt zu Wort. Es folgt ein Shanty. Dann ein Interview mit der Crew des Bootes, was sich am weitesten vom Sender entfernt befindet. Immerhin! Es ist ein deutsches Segelboot in Neuseeland, die SuAn
Achim und ich lauschen und warten auf unseren Auftritt. „Kann das sein, dass du die Sendung das erste Mal in deinem Leben mit Spannung hörst?“, feixt er mich an. Ich schneide ihm eine Grimasse. Nach zweidritteln der Zeit kommt die Erlösung. Aus Deutschland werden die Atangas und zwei, drei weitere Mitsegler im Pazifik gegrüßt. Hipp-hipp hurra. Freut einen dann doch. Ganz ehrlich! Hätte man mir das als nörgeliger 16-jähriger Göre erzählt, ich hätte denjenigen für bekloppt erklärt. Heute sage ich danke für die nette Idee und schicke Grüße in die Heimat zurück.
Aber ich glaube, noch mehr hätte sich mein Vater gefreut. Ob über den Gruß an seine Tochter oder dass seine Tochter nun auch endlich ein Spießer ist, bleibt ungeklärt. Schade, dass er das nicht mehr erleben durfte.

Den Rest vom Heiligabend verbringen wir auch spießig und mit Völlerei. Der Supermarkt um die Ecke meint es gut mit uns: Thunfisch-Carpaccio vorweg und zum Nachtisch gibt es Mango mit Ingwersirup und mit Schoko-Mousse (okay Schoko-Pudding – zu viel Aufwand im Nachtisch lohnt sich nur, wenn wir Gäste haben, Achim isst meistens nichts davon).
Zum Hauptgericht habe ich Rinderfilet mit Broccoli gekauft, aber beim Auspacken entpuppt sich das Rind als Lammfilet. Ich hatte nicht richtig hingelesen und ‚agneau‘ mit ‚angus‘ gleichgesetzt. :roll: Tückische Sprache, dieses Französisch, aber hey, noch viel besser. Mit Rosmarinkartoffeln und Parmesan der perfekte italienische Schmaus. Frohe spießige Weihnachten.

Ein ungeduldiger Skipper vor seinem Carpaccio

Schick auch der Bikini auf der Leine im Hintergrund und die Handtücher auf dem Ruder :lol:

Joyeux Noël

Mi., 23.Dez.20, Franz.Polynesien/Moorea/Cooks Bay, Tag 2397, 21.237 sm von HH

Frohe Weihnachten – Merry Christmas – Feliz Navidad!
Eine Redensart, eine tausendfach geschriebene und gelesene Floskel bekommt 2020 eine ganz neue Bedeutung. Die Welt steht Kopf, die Welt ist durcheinander gewürfelt. In den meisten Familien ist nichts so, wie Weihnachten immer war. Und das geht weit über „früher war mehr Lametta“ hinaus. Fast überall auf der Welt gibt es Einschränkungen, Ausgangssperren und Lockdowns. Die Diskussion über die Maßnahmen spalten die Nationen, sie scheint bei der Gestaltung des Weihnachtsfestes ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden zu haben. Darf man die Oma noch einmal sehen, da sie nicht mehr lange zu leben hat oder bringt man ihr durch den Besuch eine Ansteckung, die man bereut? Schwerwiegende Familien-Entscheidungen müssen getroffen werden. In vielen Fällen sicher keine einfache Sache.

Wir wünschen unseren Freunden, unseren Familien und allen Lesern das richtige Händchen bei Eurer Wahl und Entscheidung. Habt ein unbeschwertes Weihnachtsfest, findet zwischen Veränderung und Verzicht ein paar schöne Dinge, die Euch zum Lachen bringen und Freude bereiten. Vorwärts denken, positiv denken und fröhliche Weihnachten verleben. Und vielleicht mal wieder etwas mehr Lametta?

Wir bleiben über Weihnachten auf Mo’orea. Eigentlich wollten wir schon eine Insel weiter gezogen sein, aber Wind aus Westen (den gibt es nur, wenn man plant nach Westen zu segeln – es ist doch wie verhext) hat unsere Zeit hier verlängert.
Das macht nix. Ein kleiner, aber feiner Supermarkt ist nach zwei Minuten Dinghy-Fahrt erreicht. Gut sortiert mit Entenbrust aus Frankreich und Lammkeulen aus Neuseeland. Und Spekulatius liegen einsatzbereit im Schapp – vorsorglich gebunkert auf Tahiti. Kulinarisch haben wir eher die Qual, womit wir uns verwöhnen wollen.
Die noch immer aktive Ausgangssperre für Tahiti und Mo’orea ist für Heiligabend von 21:00 Uhr auf 22:00 Uhr verkürzt worden, um den Menschen die Gelegenheit zu geben nach der Kirche noch gemeinsam Essen gehen zu können. Alle anderen Atolle haben keine Einschränkungen – kein Wunder – die meisten positiv Getesteten gibt es auf diesen beiden Inseln. Seitens der Regierung erfolgen weiterhin die Apelle: Abstand halten, Maske tragen und kümmert euch um eure ‚Alten‘. Geht für sie einkaufen und schützt sie, wo immer es möglich ist.

Wir sind von Einschränkungen nicht betroffen, da wir nicht in die Kirche gehen und tagsüber können wir uns bewegen, wie wir wollen. Zum Glück müssen wir keine Entscheidungen treffen, Heiligabend werden wir alleine verbringen. Im Augenblick ist kein Schiff in der Nähe, mit dessen Crew wir mehr Kontakt als ein Schwätzchen am Dinghy-Dock hätten. Unsere Buddy-Crews sind entweder in die Heimat geflogen (und müssen jetzt hoffen und bibbern) oder haben sich andere Ziele für die Zyklon-Saison gewählt. Das macht uns nichts aus, da wir die letzten Jahre Weihnachten immer alleine verbracht haben, davon sogar zweimal auf See. Bei uns bleibt alles wie die Jahre zuvor: komplett ohne Lametta.

Joyeux Noël – Frohe Weihnachten – Merry Christmas – Feliz Navidad!

Die besten Weihnachtsgrüße an alle Leser vom anderen Ende der Welt